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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 28. September 2017 um 8:42 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. SPD
  2. AfD
  3. Sakko Springer Stiefel – Die nationalneoliberale Republik
  4. Butterwegge fordert »Großoffensive« gegen Kinderarmut
  5. Fünfmal so viele Leiharbeiter wie vor 20 Jahren
  6. Jeremy Corbyn’s 2017 Labour conference speech – the full transcript
  7. Reform der Eurozone: Macrons Schattenboxen
  8. Pessimistische Prognose
  9. Staatsverschuldung als Herrschaftsstrategie
  10. 15 Euro für 30 Minuten
  11. Das Rastatt-Desaster
  12. G-20-Gegner vor Gericht
  13. Vor Unabhängigkeitsreferendum: Polizisten sollen Wahllokale in Katalonien besetzen
  14. Politiker aus der Karibik und Lateinamerika betonen vor UNO globale Probleme
  15. Rechte Parteien in Europa – Jeder kämpft für sich allein

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. SPD
    1. Es ist Zeit!
      So schlecht war dieser Wahlslogan gar nicht.
      Mit einer anderen Strategie, klareren Inhalten und einer anderen Kultur hätte die SPD vielleicht sogar gewinnen können.
      Umso wichtiger ist es jetzt, klar zu sagen wofür keine Zeit ist. Wofür sich auf der anderen Seite mehr Zeit genommen werden muss. Sonst bleibt alles so, wie es nicht ist. Es ist keine Zeit, um Personalentscheidungen an der Fraktionsspitze jetzt zu treffen. Auch wenn da sofort „abgesichern“ werden soll. Bundesvorstand wie Fraktionsvorstand können mindestens bis zum ordentlichen Bundesparteitag geschäftsführend im Amt bleiben.
      Es ist Zeit, endlich wieder Parteitage zu veranstalten und sie nicht zu Krönungsmessen, Inszenierungen und Events zu degradieren. Parteitage, auf denen kontrovers, sachlich, leidenschaftlich, kultiviert und emotional debattiert wird. Entscheidungen in freier Abstimmung sachlich wie personell getroffen werden, ohne Drohung, “das könnte jemanden beschädigen“.
      Es ist Zeit, endlich die Fakten zu erkennen. Nicht sie weg zu fabulieren. Die SPD hat seit 1998 die Hälfte ihrer Wähler*innen und Mitglieder verloren. Das gehört zusammen gedacht. Es hat etwas miteinander zu tun. Das sind nicht Menschen die die grandiose Strategie nicht verstanden haben. Im Gegenteil; sie haben verstanden. Deshalb sind gegangen und wählen uns nicht mehr.
      Es ist deshalb höchste Zeit für eine kritische, offene klare Aufarbeitung. Das gilt für die Agenda 2010, vor allem für die fortwährenden Sanktionen bei Hartz IV, und die Rentenfrage. Das gilt für die Austeritätspolitik der Troika, die Südeuropa an den Abgrund gebracht hat und Millionen Menschen in Armut stürzte.
      Quelle: Andrea Ypsilanti via Facebook
    2. Jetzt müssen die Frauen ran
      Mehr Frauen in Führungspositionen war ein Ziel von Merkel – und auch von Schulz. Aber die kleinen Schritte in der Sache sind oft nur Inszenierung. […]
      Was das Bild eigentlich sagt: Nachdem es die Männer verbockt haben, müssen die Frauen ran. Sie sollen die SPD aus dem Sumpf ziehen und mit der hippen Message „Wir sind Frauen“ die Glaubwürdigkeit der Partei wiederherstellen.
      Ist Nahles dafür die Richtige? Die Parteilinke ist nicht unumstritten. Ihre Art zu reden, das Ins-Mikro-Brüllen und der leicht demagogische Tonfall, das muss man mögen. Oder ertragen.
      Womit aber man aber rechnen darf: Mit Nahles wird sich der Ton ändern. Nicht weil Nahles eine Frau ist, sondern weil Nahles Nahles ist. Sie gilt als Teamplayerin und als eine, die mit den Leuten redet. Eine gute Nachricht.
      Quelle: taz

      Anmerkung Jens Berger: Die taz mach sich selbst wieder einmal alle Ehre und bricht komplexe politische Zusammenhänge auf die Geschlechterfrage herunter. Wenn man es gut mit der taz meint, könnte man diesen Kommentar unterkomplex nennen.

    3. Die Mutti der SPD
      Andrea Nahles ist mit ihrer Wahl zur Fraktionsvorsitzenden das neue Gesicht der SPD. Um daraus auch eine neue SPD machen zu können, wird sie Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur früher oder später für sich beanspruchen müssen […]
      Schulz musste den Fraktionsvorsitz Andrea Nahles überlassen, die mit diesem Sprung in die erste Reihe der Partei- und Bundespolitik dort angekommen ist, wohin sie schon seit langem beharrlich, aber mit der nötigen Geduld zielte. Am Ziel ist sie deshalb noch nicht. An dieser Fraktionsvorsitzenden geht weder der Parteivorsitz noch die Kanzlerkandidatur vorbei. Nahles wird in beiden Fällen ein entscheidendes Wort mitreden und im Zweifel, zu gegebener Zeit, beides für sich beanspruchen. Nur wenige werden sich mit ihr messen lassen können. Der kantige Olaf Scholz und die gern unterschätzte Manuela Schwesig (die neue Troika?) gehören dazu. Das Maß der Dinge, Mutti der SPD, ist aber nun sie selbst.
      Quelle: Jasper von Altenbockum in der FAZ

      Anmerkung Jens Berger: Lenin soll einmal gesagt haben – „Sag mir, wer Dich lobt und ich sage Dir, was Du falsch gemacht hast“. Es ist unglaublich, mit welchem Elan die bürgerlichen Leitartikler versuchen, Andrea Nahles nicht nur zur neuen Fraktionsvorsitzenden, sondern gleich zur neuen Parteichefin und Kanzlerkandidatin hoch zu schreiben. Und das keine drei Tage nach dem Wahldebakel.

      dazu: Erfahrung ist ‘ne gute Sache!
      Die neue SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles will in ihrer bei der Wahl abgestürzten Partei einen Erneuerungsprozess anstoßen. “Es muss ein Ruck durch die gesamte SPD gehen”, sagte Nahles im tagesthemen-Interview. “Wir müssen deutlich machen, dass wir die Partei sind, die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt.” Eine weitere Herausforderung sei die Digitalisierung: “Der digitale Kapitalismus greift die Grundfesten der sozialen Marktwirtschaft an. Und da werden wir die Stimme sein, die diesen Transformationsprozess begleitet.”
      Nahles wies Kritik von sich, sie sei wegen ihrer langjährigen Mitgliedschaft in der SPD-Spitze nicht geeignet, ihre Partei neu auszurichten. “Es ist wichtig, dass wir uns einen Erneuerungsprozess verordnen und Teamarbeit leisten. Und da bin ich erfahren – Gott sei dank, denn Erfahrung ist eine gute Sache.” Auch für die anstehenden inhaltlichen Debatten fühlt sich Nahles durch ihre Arbeit als Ministerin gut gerüstet.
      Zudem betonte sie, dass ihre Äußerung, ihre Unions-Kollegen bekämen “in die Fresse”, nicht wörtlich zu nehmen sei. Die Formulierung sei zuerst am Kabinettstisch gefallen – im Beisein der Unionsminister – und die CDU- und CSU-Kollegen hätten dies klar als Scherz verstanden und darüber gelacht. Hinterher habe sie die Anekdote in der SPD-Fraktion erzählt, wodurch offenbar der unmittelbare Zusammenhang verloren ging.
      Quelle: Tagesschau

      Anmerkung JK: Bei der SPD weiß man schon lange nicht mehr ob man weinen oder lachen soll. Nahles hat als Bundesministerin für Arbeit und Soziales der großen Koalition die Hartz IV Sanktionen weiter verschärft und legt nun die gleiche Platte auf wie Schulz, sie wolle “die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt” stellen. Wie das desaströse Wahlergebnis zeigt, dass Martin Schulz eingefahren hat, glaubt der SPD diese Leier kein Mensch mehr. Die SPD-Führung scheint inzwischen in einer völligen Parallelwelt zu leben. Allein die Vorschusslorbeeren im neoliberalen Zentralorgan, dem Spiegel und nicht nur dort, zeigen, dass von Nahles nicht ein Millimeter Abweichung vom neoliberalen Kurs der SPD zu erwarten ist: “Dabei hat die Noch-Arbeitsministerin die vergangenen vier Jahre in der Großen Koalition genutzt, um sich als ernsthafte, problemorientierte Politikerin zu profilieren.” Und das Allerbeste ist Nahles als “Parteilinke” zu bezeichnen. Nach weiteren Berichten hat Nahles eine gründliche Ursachenforschung für das schlechte Abschneiden der SPD angekündigt. Da darf man gespannt sein. Aber jede Wette, die Agenda 2010 wird dabei mit keinem Wort erwähnt werden.

    4. Schröder: SPD hat keine ökonomische Kompetenz mehr
      Die Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl hat vor allem einen Grund, glaubt Altbundeskanzler Schröder. Auch das Verhalten der SPD nach der Wahl sieht er kritisch – und macht sich über die „Raufbolde“ in der CSU lustig.
      Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat den Verlust ökonomischer Kompetenz als wichtige Ursache für die schweren Verluste seiner Partei bei der Bundestagswahl ausgemacht. „Sie können in Deutschland keine Mehrheit bilden ohne ökonomische Kompetenz“, sagte er auf dem Versicherungstag in Berlin. Niemand habe etwas gegen Gerechtigkeit, vor dem Verteilen von Mitteln müsse allerdings darüber nachgedacht werden, auf welchem wirtschaftlichen Fundament das geschehen solle. „Was verteilt werden soll, muss erarbeitet werden“, betonte Schröder. Auch mit dem Reformprogramm Agenda 2010 habe er als Bundeskanzler Fehler gemacht, es symbolisiere aber die ökonomische Kompetenz, die den Sozialdemokraten in seiner Regierungszeit noch zugeschrieben worden sei.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Das von dem Mann, der über die primitive neoklassische Ideologie hinaus exakt nichts von Volkswirtschaft versteht und sich sein wirtschaftspolitisches Programm von Hans-Werner Sinn und der INSM hat schreiben lassen. Ermahnt die SPD, die ihre Wahlniederlagen seiner verheerenden Politik zu verdanken hat, und dann warnt er vor der AfD, ebenfalls ein Ergebnis der Schröder-Politik. Was meint der Mann eigentlich mit „Was verteilt werden soll, muss erarbeitet werden“ – vor allem, wenn (in Form des von ihm verursachten exzessiven Außenhandelsüberschusses) den Arbeitnehmern über 8 Prozent des Bruttosozialprodukts vorenthalten werden? Unfassbar.

      Anmerkung André Tautenhahn: Die Agenda 2010 als Beleg für ökonomische Kompetenz anzuführen, ist genau der Trick (vergiftetes Lob), mit dem die marktkonformen Kräfte in diesem Land die SPD immer wieder disziplinieren wollen. Die Partei soll ihren Kurs ja nicht ändern.

  2. AfD
    1. Wir brauchen eine echte Wende
      Zwölfkommasechs Prozent. Das vorerst amtliche Endergebnis der AfD. Wer jetzt noch behauptet, dieses Land sei nicht gespalten, scheint die Augen fest verschlossen zu haben. Die Aufarbeitung der Wiedervereinigung indes wäre ein Augenöffner. Gegenwärtig scheint bei vielen eine Art Wagenburgmentalität vorzuherrschen, folgt man den Reaktionen in den sozialen Medien. Apps mit denen man AfD-Anhänger ausfindig machen kann, um sie dann aus der Facebook-Freundesliste zu werfen, sind dabei ähnlich hilfreich, wie sich die Augen in der Hoffnung auszustechen, man könne Armut durch Blindheit bekämpfen.
      Auch ich bin zutiefst erschüttert (wenn auch so gar nicht überrascht). Trotzdem ziehe ich es erstens vor, zu wissen, wie die Anhänger der Neuen Rechten denken und zweitens zu verstehen, warum Sie so denken. Es sind ja auch nicht alles überzeugte Nazis. Auch wenn diese Erkenntnis alleine nicht hilft, den Wahlerfolg einer rechtspopulistischen Partei zu verhindern, sollte man sich dennoch mit ihnen auseinandersetzen. Sich dieser Auseinandersetzung zu widersetzen, indem man die AfD-Wähler ausgrenzt, ist eine Bekämpfung der Symptome und nicht der Ursachen.
      Freilich soll das in keiner Weise bedeuten, dass man bei faschistischen Äußerungen ein Auge zudrücken darf. Da es nach der Wahl aber offensichtlich eine kollektive Weigerung gibt, sich der zweiten Frage von oben zu stellen, möchte ich im Folgenden den Faden von Patrick Kaczmarczyk und Heiner Flassbeck aufgreifen und meine Sicht der Dinge darlegen.
      Quelle: Makroskop
    2. Wirtschaftspolitik der AfD: Maximale Forderungen, minimaler Plan
      Das Wirtschaftsprogramm der AfD ähnelt dem von Trump oder den Brexit-Befürwortern. Für die parlamentarische Arbeit lässt das nichts Gutes erwarten.
      Kann die Eurozone aufgelöst werden – und falls ja, wie? Über diese Frage wurden in den vergangenen Jahren Hunderte Seiten in Studien und Büchern geschrieben. Jene Partei aber, an deren Anfang das Nein zur europäischen Währung stand, handelt die Frage heute mit wenigen Sätzen ab. Die Regeln der Eurozone seien “zerstört worden”, heißt es im Wahlprogramm der AfD. “Deshalb muss Deutschland die Transferunion aufkündigen und den Euroraum verlassen.” Die Deutschen sollten “nach dem britischen Vorbild über den Verbleib Deutschlands in der Eurozone und gegebenenfalls der EU abstimmen!”
      Zwar räumt die AfD ein, “dass die Rückabwicklung einer fast 20 Jahre zurückliegenden Fehlentscheidung finanziell schwierig sein wird”. Doch Details zu dieser Abwicklung, etwa zum enormen Risiko, die sie für deutsche Unternehmen bedeuten würde? Fehlanzeige. Die Passage zum Euro ist symptomatisch: Die AfD, ursprünglich von einem Wirtschaftsprofessor gegründet, verbindet bei ökonomischen Themen heute Maximalforderungen mit minimaler Planung. So fordert die Partei auch gewaltige Steuerreformen: Die Mehrwertsteuer soll um gleich sieben Prozentpunkte gesenkt werden, was für den Staat hohe zweistellige Milliardenverluste bedeuten würde. Hinzu käme ein einstelliges Milliardenminus bei der Erbschaftsteuer, welche die AfD ganz abschaffen will. Konzepte zur Gegenfinanzierung sucht man vergeblich.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Der Hinweis auf die Armseligkeit des Wirtschaftsprogramms der AfD ist ja berechtigt. Allerdings konnte ich beim SPIEGEL dieselbe und genauso berechtigte Kritik an den armseligen und genauso neoliberalen Wirtschaftsprogrammen von FDP (“Steuersenkungen Steuersenkungen Steuersenkungen”, “Arbeitsrecht und Renteneintrittsalter flexibilisieren”, “der Markt richtet alles”, 30 Milliarden Euro Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung), CDU (15 Milliarden Euro Steuersenkungen, minimale staatliche Investitionen) und CSU (ähnlich) nicht finden. Und eine Selbstkritik des SPIEGEL, der seit den frühen 1990er Jahren neoliberale “Reformen” gefordert und später die Agenda 2010 mit Zähnen und Klauen verteidigt hat, angebotsorientierte Politik befürwortet, faktenwidrig die Rente als unbezahlbar tituliert und extreme Handelsbilanzüberschüsse OK findet und verteidigt etc. pp., fehlt ebenfalls. Dreist.

      dazu: „Fleisch vom Fleische des Bürgertums“: Warum AfD noch lange da bleiben wird
      „Es handelt sich um alten Wein in neuen Schläuchen“, hatte Crome schon 2015 in seinem Buch „AfD. Eine Alternative?“ festgestellt. Er habe damals bereits den deutlichen Einzug der AfD in den Bundestag in diesem Jahr vorhergesagt. Abgesehen von einigen „Schreihälsen“ in dieser Partei schätzt Crome diese als den „früheren rechten Flügel der CDU“ ein, „der vor Merkels Modernisierung in dieser Partei seinen Platz hatte“. Das Programm der AfD gibt aus seiner Sicht den Vorwurf, es handele sich um Nazis, nicht her. Es beziehe sich dagegen auf die Traditionen des Konservatismus und des Liberalismus in Deutschland, auch auf das Grundgesetz der Bundesrepublik.
      „Ansonsten muss man erstmal zur Kenntnis nehmen: Da sind jetzt Bundestagsabgeordnete, die 13 Prozent der Wählerschaft vertreten.“
      Die AfD-Inhalte seien „nichts anderes als das, was die CDU der alten Bundesrepublik in der Vergangenheit gewesen ist“. Deshalb sei diese Partei „Fleisch vom Fleische des deutschen Bürgertums und seiner politischen Vertretung“, so Crome. Das zeige nicht nur die Herkunft einer Reihe von Parteifunktionären wie Alexander Gauland. Davon zeuge auch, was der Ökonom Heiner Flassbeck bei einer Analyse der Wirtschaftspositionen in den Wahlprogrammen feststellte: Die von Union, FDP und AfD stimmten in ihrer neoliberalen Ausrichtung im Grunde völlig überein, mit nur marginalen Unterschieden.
      Quelle: Sputnik

    3. Vier Thesen zum AfD-Erfolg in Ostdeutschland
      Fragt man AfD-Wähler nach den Gründen ihrer Stimmabgabe, offenbart sich weit überwiegendes Desinteresse an programmatischen Inhalten der Partei. Stattdessen wird berichtet von Widersprüchen zwischen dem, was aus dem Mund von Vertretern der bundesweit agierenden „Altparteien“ zu hören ist, und den eigenen Lebenserfahrungen. Begriffe, wie „wirtschaftliche Stärke Deutschlands“ oder „Vollbeschäftigung“ prallen (mal abgesehen von eng begrenzten ostdeutschen Boomregionen) auf das Erleben einer unternehmens- und wachstumsarmen Heimatregion. In dieser sind Minijobs an der Tagesordnung und werden Handwerker zu Nomaden, die ihr Geld im Westen verdienen oder mit polnischen und tschechischen Niedrigpreis-Wettbewerbern zu kämpfen haben.
      Deshalb wählten im Osten nicht nur sozial Schwache, sondern vergleichsweise viele kleine Mittelständler AfD. Die so genannten „Altparteien“ reden von Globalisierung und Digitalisierung und hinterlassen den Eindruck großer thematischer Ferne. Dagegen regt sich Widerstand in der Wahlkabine. Das Erschrecken der Demokraten davor, dass so viele Ostdeutsche eine Partei wählen, deren Vertreter zum Teil offen rassistisch auftreten, bestätigt die Protestwähler sogar: Jetzt wachen sie auf.
      Quelle: Tagesspiegel

      Anmerkung JK: Hier wird zumindest Ansatzweise etwas angesprochen was in der öffentlichen politischen Diskussion in Deutschland bisher völlig verdrängt und vermieden wurde, was die Wiedervereinigung und die anschließende Deindustrialisierung der ehemaligen DDR mit den dort lebenden Menschen angestellt hat. Als Stichwort sei hier das unsägliche wirken der Treuhand Anstalt genannt: Die ostdeutschen Firmen wurden fast ausnahmslos an westdeutsche Unternehmen verkauft, 4.000 Betriebe wurden geschlossen, 2,5 Millionen Menschen verloren innerhalb kurzer Zeit ihre Arbeitsplätze.

  3. Sakko Springer Stiefel – Die nationalneoliberale Republik
    Triumphator Gauland. Merkel abgestraft – vielleicht vor allem wegen der menschlichsten Entscheidung ihrer Amtszeit. SPD geschreddert. Die Linke schwächste Oppositionspartei. Und vielleicht künftig eine Regierung Merkel/Lindner/Hofreiter. „Ach, du mein schauriges Vaterland“, sang Konstantin Wecker. Mit dem neuen Bundestag wird die Arbeit außerparlamentarisch Oppositioneller und kritischer Journalisten nicht leichter. Eine Hoffnung bleibt jedoch: Wenn wenige betuchte AfD-Wähler ihre Miete nicht mehr bezahlen können, wenn ihnen der Strom gesperrt und ihre geliebte CD-Sammlung rausgepfändet wird, dann werden sie merken, dass man Ausländerfeindlichkeit nicht essen kann. (Roland Rottenfußer)
    „Der Wähler hat gesprochen.“ Nach Wahlen klingt es immer so, als existiere ein einheitliches Riesenwesen, „der Wähler“, der eine bestimmte Botschaft an die Politik senden wollte. Der Wähler will mit seinen Sorgen bezüglich Überfremdung und Terrorismus ernst genommen werden. Der Wähler straft SPD und Union ab. Der Wähler verzehrt sich nach mehr Digitalisierung. Vor allem will der Wähler immer und immer wieder mit matter, jedoch beharrlicher Liebesglut eine Frau: Angela Merkel.
    Quelle: Hinter den Schlagzeilen
  4. Butterwegge fordert »Großoffensive« gegen Kinderarmut
    Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge appelliert an die künftige Bundesregierung, den Kampf gegen die soziale Ausgrenzung von Kindern zu einer Schwerpunktaufgabe zu machen. »Deutschland braucht eine Großoffensive gegen Kinderarmut«, erklärte der Armutsforscher laut einem Redemanuskript mit Thesen, die er am Mittwoch auf einem Armutskongress in Köln vorstellen will.
    Vordringliches Ziel müsse sein, Haushaltsüberschüsse für den Ausbau der sozialen Infrastruktur zu verwenden. Ein Mittel dafür sollte sein, den Solidaritätszuschlag umzuwidmen und die so jährlich als »Soli« erhobenen rund 15 Milliarden Euro im Kampf gegen Armut zu nutzen.
    Butterwegge, der bis zum vergangenen Jahr Politikwissenschaft an der Universität Köln lehrte, mahnte, dass sich die Kinderarmut ohne eine große Kraftanstrengungen verfestigen und bis zur Mitte der Gesellschaft vordringen werde. Während der jüngsten Legislaturperiode sei es der Regierung nicht gelungen, die Zahl der bundesweit knapp 2,7 Millionen Kinder und Jugendlichen unterhalb der EU-offiziellen Armutsgefährdungsgrenze zu senken, kritisierte er.
    Der ehemalige Kandidat der Linkspartei für das Amt des Bundespräsidenten fordert außerdem unter anderem einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zehn Euro pro Stunde und eine Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes.
    Quelle: Neues Deutschland
  5. Fünfmal so viele Leiharbeiter wie vor 20 Jahren

    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die starke Zunahme auf fast 1 Million ist ein Grund zur Trauer, denn die Zeitarbeiter leiden. Aber die Arbeitgeberzeitung jubelt.

  6. Jeremy Corbyn’s 2017 Labour conference speech – the full transcript
    He declared: “Conference, against all predictions in June we won the largest increase in the Labour vote since 1945 and achieved Labour’s best vote for a generation. It’s a result which has put the Tories on notice and Labour on the threshold of power. “Yes, we didn’t do quite well enough and we remain in opposition for now, but we have become a Government-in-waiting.”
    Elsewhere in his speech, the Labour leader:

    • Pledged to introduce controls on private rents if elected, condemning “forced gentrification and social cleansing”.
    • Vowed that Labour would not give a “green light to a recklesss Tory Brexit agenda that would plunge Britain into a Trump-style race-to-the-bottom”.
    • Said only Labour could unite EU Leave and Remain voters, by running the economy better so that one blames migrants for driving down pay and conditions.
    • Attacked the traditional media and its tax exile owners who “trash Labour at every turn” – with a particular focus on the Daily Mail.
    • Condemned the “intolerable misogynistic and racist abuse” aimed at Diane Abbott
    • Urged Theresa May to call another snap election: “Take another walking holiday and make another impetuous decision.”

    Quelle: Total Politics

    dazu: What Jeremy Corbyn can teach the left in Europe
    Corbyn’s inner circle view Martin Schulz’s general election campaign with disdain. The German Social Democrat leader’s offer to the electorate was summed up by one Corbyn campaign insider as: “Agree with [Angela] Merkel on everything but challenge her from the right on asylum. Madness.” Corbyn’s senior lieutenants believe the key to success is populist insurgency. “The most viable form of opposition politics right now is both anti-austerity and anti-systemic,” one senior Labour official said.
    The left must show voters there are “fundamental differences” between its vision of society and the right’s, the official said. “It’s no good just saying they are not very nice. You cannot shy away from conflict and controversy when you’re on the side where the people are.”
    Quelle: Politico

    dazu auch: Kriegserklärung an das Kapital
    Wenn alle Medien und Unternehmerverbände einen anschreien, dann hat man als große linke Partei wohl etwas richtig gemacht. Das könnte sich zumindest Jeremy Corbyn, der Vorsitzende der britischen Labour Partei zum Abschluss des diesjährigen Parteitags in Brighton denken. In seiner Abschlussrede am Mittwoch bezeichnete er Labour als »Regierung im Wartestand«. Premierministerin Theresa May rief er zum Rücktritt im »Interesse des Landes« auf.
    Das buchstäbliche rote Tuch für die auf der Insel ansässigen Großbänker und Industriellen war wie in den Jahren zuvor mal wieder Labours wirtschaftspolitischer Sprecher John McDonnell. Er würde beim Antritt einer von Corbyn geführten Regierung die Rolle des Finanzministers übernehmen. Am Montag präsentierte er dem Parteitag die neueste Version seines Wirtschaftsprogramms. Darin heißt es: »Wir wollen eine Wirtschaft für die vielen, nicht die wenigen aufbauen. … Das können wir nur machen, wenn wir den Besitz von Eigentum drastisch ausweiten. Wir werden Arbeiterkontrolle und den kooperativen Sektor ausdehnen wie nie zuvor in der britischen Geschichte.«
    Das bedeute aber auch, die Energieversorger und »wichtige Dienstleister« wieder in »die Hände jener zu übergeben, die dort arbeiten und die sie nutzen. Ich möchte, dass hier kein Zweifel besteht. Eisenbahnen, Wasser, Energie, die Post: Wir holen sie uns zurück.« An dieser Stelle brach der Parteitag in tosenden Applaus und stehende Ovationen aus.
    Nachdem McDonnell weitere Programmpunkte vorgestellt hatte, darunter die Einführung eines Mindestlohns von zehn Pfund pro Stunde, die Abschaffung der Antigewerkschaftsgesetze, die Stundung von Kreditkartenschulden, wandte er sich einer weiteren Schlüsselaufgabe zu: der Rücknahme von Privatisierungen durch PFI. Die Public Finance Initiative wurde von der konservativen Regierung unter Premier John Major eingeführt und von den »New Labour«-Regierungen unter Tony Blair und Gordon Brown drastisch ausgeweitet.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Aber das sog. Spitzenpersonal der deutschen SPD versteht unter “wirtschaftliche Kompetenz” offensichtlich lediglich ein gutes Miteinander mit der Arbeitgeberseite. In diese Richtung zielte wohl auch der Beitrag von Altkanzler Schröder von gestern: Das “Reformprogramm Agenda 2010” habe trotz Fehler ökonomische Kompetenz “symbolisiert”. Und wo hat Herr Schröder das gesagt? Auf dem Versicherungstag in Berlin. Wenn das mal kein Symbol ist…

  7. Reform der Eurozone: Macrons Schattenboxen
    Anlässlich der Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu seinen Vorstellungen zur Zukunft der Europäischen Union, erklärt der Europaabgeordnete und zukünftige Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi, wirtschaftspolitischer Sprecher der LINKEN im Europaparlament: „Präsident Macrons Forderungen nach einen Euro-Finanzminister und einem Haushalt für die Eurozone sind gut gebrüllt, aber Schattenboxen in den deutschen Koalitionsverhandlungen. Die Einführung eines gemeinsamen Haushalts für die Eurozone erfordert eine Vertragsänderung und muss die Hürden des Bundesverfassungsgerichts nehmen. Eine zwischenstaatliche Lösung würde hingegen keine Vorteile hinsichtlich des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bringen – es sei denn ein Europäischer Währungsfonds würde von den Defizitkriterien ausgenommen. Die Eurozone braucht öffentliche Investitionen, um die Geldpolitik zu entlasten.“
    „Die wirklichen Probleme der Eurozone, vor allem den chronischen deutschen Leistungsbilanzüberschuss, der die Auslandsverschuldung unser Handelspartner begünstigt, will Macron nicht antasten. Er will selbst eine Agenda 2010 in Frankreich und im Gegenzug etwas Schmerzensgeld aus Deutschland.“
    Quelle: Fabio De Masi

    dazu: Macron wird die Probleme der EU nicht verringern, sondern vergrößern
    „Macron wird die Probleme der EU nicht verringern, sondern vergrößern. Anstatt ein Ende des Lohn- und Sozialdumpings in Deutschland einzufordern, will der französische Präsident die Agenda-2010-Politik in seinem Land durchsetzen. Das würde nicht nur – ähnlich wie in Deutschland – zu sinkenden Löhnen, höheren Profiten und wachsender Ungleichheit führen, sondern, da die französische Wirtschaft in weit höherem Grade als die deutsche auf den Binnenmarkt orientiert ist, sehr wahrscheinlich auch zu einem Konjunktureinbruch und noch größeren Staatsdefiziten“, kommentiert Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, die europapolitische Rede von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
    Quelle: die Linke im Bundestag

    dazu auch: Macron will Finanztransaktionssteuer beerdigen
    Der französische Präsident Emmanuel Macron hat in seiner heutigen europapolitischen Grundsatzrede an der Pariser Universität Sorbonne auch über die Pläne zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer geredet. “Schaut man etwas genauer hin, erkennt man das Kuckucksei. Macron will die Finanztransaktionssteuer beerdigen. Er verabschiedet sich von dem, was auf Vorschlang der EU-Kommission nun schon jahrelang in der Verstärkten Zusammenarbeit von zehn EU-Ländern verhandelt wird”, sagt Detlev von Larcher, Attac-Steuerexperte und Moderator der Kampagne “Steuer gegen Armut”. Stattdessen schlägt Macron vor, entweder die in Frankreich unilateral eingeführte Aktiensteuer oder die von Großbritannien jahrzehntelang erhobene Stempelsteuer (stamp duty) in ganz Europa einzuführen.
    Quelle: attac

  8. Pessimistische Prognose
    Mit Bravour ist es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gelungen, die Euro-Krise im Bundestagswahlkampf totzuschweigen: Keine Debatte im Parlament über eine Beteiligung an Bankenrettungsprogrammen in Griechenland, kein Wort über die mehr als 900 Milliarden Euro an faulen Krediten, die in den Bilanzen der Geldhäuser in der Euro-Zone stehen.
    In Brüssel werden hinter den Kulissen die Zügel angezogen. Die Wirtschaftsunion soll über einen eigenen Finanzminister samt Budget verfügen, ein Europäischer Währungsfonds soll dafür sorgen, dass der IWF aus Washington nicht die von Deutschland favorisierten Kürzungspläne durchkreuzt.
    Der Spiegel zitierte am Dienstag aus einem IWF-Papier, in dem die Autoren den EU-Bürokraten sinngemäß darlegen, wenn sie in zukünftigen Krisen auf die Präsenz aus Washington Wert legten, sollten sie sich am Riemen reißen. Die Euro-Zone sei in ihrem jetzigen Zustand zwar »noch hilfsbedürftig«, aber »nicht mehr hilfsberechtigt«, heißt es im Nachrichtenmagazin. Üblicherweise müssen sich Regierungen als IWF-Schuldner den Bedingungen des Fonds unterwerfen. Für eine Währungsunion ist das hingegen bislang nicht vorgesehen. In der Euro-Zone hat die Europäische Zentralbank die Aufsicht über die größten Banken und die Geldversorgung. »Der jetzige Zustand ist keine brauchbare Option mehr«, heißt es im IWF-Papier. Supranationale Behörden, wie die EZB, müssten sich künftig den Bedingungen des Fonds beugen.
    Für das kaputtgekürzte Griechenland mahnt der IWF seit langem einen Schuldenschnitt an. Nur unter dieser Voraussetzung werde er sich an Kreditprogrammen beteiligen und Athen eine Chance haben, jemals wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Die Mittel des Fonds könnten »nicht ohne zufriedenstellende Zusicherung seitens der Unionsebene zur Verfügung gestellt werden«, heißt es aus Washington.
    Quelle: junge Welt
  9. Staatsverschuldung als Herrschaftsstrategie
    Die neoliberale Schule kritisierte heftig die keynesianische Wirtschaftspolitik, weil sie mit ihren kreditfinanzierten Staatsausgaben die steigende Staatsverschuldung verursacht und die Wirtschaft belastet habe. So wurde der Schuldenabbau, neben den zwei Säulen Wachstum und Beschäftigung, die dritte Säule der neoliberalen Strategie und zu einem wichtigen Postulat der neoliberalen Regierungen. Demgegenüber zeigt aber die Realität ein völlig anderes Bild. Die Schuldenquote der großen Industriestaaten ist seit 1975 bis 2013 teilweise sogar drastisch gestiegen. Das hat System.
    In den USA stieg die Schuldenquote von 38 auf über 100%, in Deutschland von 20 auf 75%, in Großbritannien von 20 auf 85%, in Frankreich von 18 auf beinahe 100% und in Japan sogar von 30 sogar auf 240%. Nach vier Dekaden neoliberaler Wirtschaftspolitik muss gefragt werden, warum der keynesianische Staat mit seinen enormen Ausgaben für den Aufbau des Wohlfahrtstaates und den Wiederaufbau der Infrastruktur nach der flächendeckenden Zerstörung durch den zweiten Weltkrieg mit einer signifikant niedrigeren Schuldenquote auskam als der neoliberale Staat, der den Schuldenabbau auf seine Fahne schrieb und einen drastischen Sozialabbau betrieben hat?
    Quelle: Norbert Häring
  10. 15 Euro für 30 Minuten
    Früher arbeitete die 36-jährige Joanna als Model und Sängerin, heute empfängt sie Freier in einem der Hotels rund um den Omonia-Platz mitten in Athen. Wie viele andere Prostituierte benötigt sie so dringend Geld, dass sie ihren Körper zu einem Spottpreis verkauft – für 15 Euro. Das Fotoprojekt “Body in Crisis” von Gianmarco Maraviglia gibt einen erschütternden Einblick in die Welt der Sexarbeiter in der griechischen Hauptstadt.
    Laut einer Studie des National Centre for Social Research (EKKE) nahm die Prostitution in Griechenland in den Jahren 2013 bis 2015 um 150 Prozent zu. “Die Finanzkrise steht nicht mehr ständig in der Zeitung, aber trotzdem ist die Situation schlimmer als zuvor”, sagt Maraviglia, “nur spricht niemand mehr darüber.” (…)
    Durch die steigende Zahl der Prostituierten und die immer größere Armut fallen auch die Preise für sexuelle Dienstleistungen. Bereits für fünf Euro könne man sich angeblich in Athen Geschlechtsverkehr erkaufen.
    Zwar ist Prostitution in Griechenland legal, jedoch verfügen nur sehr wenige Bordelle über eine staatliche Lizenz. In manchen Straßen böten illegale Häuser die Mädchen wie auf einem Markt an, sagt Maraviglia. Andere würden ihre Kundschaft direkt auf der Straße ansprechen und in eines der heruntergekommenen Hotels rund um den Platz bringen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Die griechischen Frauen könnten sich auch dafür bei Herrn Schäuble & Co bedanken. Soviel also zu den realen Auswirkungen der sog. Griechenland-Hilfe durch die Troika.
    Übrigens: Auch hierzulande wird seit vielen Jahren festgestellt, dass Armut zunimmt. Und auch in Deutschland ist die Prostitution legal.

  11. Das Rastatt-Desaster
    Eine “beinahe liebevolle Intensivbetreuung” hätten die Tunnelbauer dem kleinen Streckenabschnitt in Rastatt gewidmet, meint Bahn-Experte Winfried Wolf. Und dennoch kam es beim Tunneleinbruch am 12. August um Haaresbreite zu einer Eisenbahnkatastrophe.
    Ob es in den vergangenen Jahrzehnten einen vergleichbar schwerwiegenden Schaden an der Schieneninfrastruktur gab wie den in Rastatt, beantwortet die Deutsche-Bahn AG auf Kontext-Nachfrage nicht. Fest jedenfalls steht: Bei der Beinahe-Eisenbahnkatastrophe von Rastatt haben Bahn, Staatsanwaltschaft und Politik auf drei Ebenen versagt.
    Erstens: Die Deutsche Bahn (DB) wählte ein höchst problematisches Bauverfahren, das darüberhinaus ohne Zwang bei vollem Eisenbahnbetrieb ausgeführt wurde.
    Zweitens: Es gab nicht, wie fünf Wochen lang von der Bahn und dem Bundesverkehrsministerium behauptet, ein plötzliches “Schadensereignis”, dem eine sofortige Streckensperrung durch die DB folgte. Vielmehr senkte sich der Boden im Bereich der Tunnelarbeiten über einen längeren Zeitraum hinweg. Vor allem fuhren nach dem eigentlichen Tunneleinbruch noch 16 Minuten lang mehrere Züge über die Gefahrenstelle.
    Drittens: Die Tatsache, dass die Bundespolizei, die Staatsanwaltschaft, das Eisenbahnbundesamt beziehungsweise die Bundesstelle für Eisenbahn-Unfalluntersuchung (BEU) keine Sicherung des Unfallortes und keine erste Unfalluntersuchung einleiteten, ist skandalös. Auf diese Weise konnten die Verantwortlichen (DB AG und die in der “Arge Tunnel Rastatt” zusammengefassten Bauunternehmen) Beweismittel beseitigen und eine unabhängige Untersuchung des Vorgangs extrem erschweren.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  12. G-20-Gegner vor Gericht
    Sieben Haftstrafen verhängt, nur zwei ohne Bewährung. Vier weitere Verhandlungen in dieser Woche
    Sicherheitsschuhe, flammenabweisende Unterwäsche, Genitalschutz, Arm- und Beinprotektoren, Schutzweste mit Metallplatten, Glasfaserhelme, die den Aufprall eines Pflastersteins aushalten – Polizisten in voller Montur bei einer Demonstration ernsthaft zu verletzen, ist kaum noch möglich. Für Hamburgs Justiz ist das ohne Belang. Seit Ende August verurteilen Amtsrichter wie am Fließband Gegner des G-20-Gipfels zu Haftstrafen – wegen Flaschenwürfen auf Beamte, die keinerlei Verletzungen verursacht, zum Teil sogar niemanden getroffen haben. Am Montag wurde der 31 Jahre alte Spanier David V. schuldig gesprochen (siehe jW vom Dienstag).
    Wegen schweren Landfriedensbruchs, versuchter gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verurteilte das Amtsgericht den Verwaltungsangestellten aus Bilbao zu 18 Monaten Haft auf Bewährung. Er hatte in der Verhandlung eingeräumt, bei der »Welcome to Hell«-Demo am 6. Juli zwei Flaschen in Richtung Polizei geworfen zu haben. Wie in fast allen Verhandlungen gegen festgenommene G-20-Gegner zuvor argumentierten Staatsanwältin und Richterin politisch. Der Angeklagte habe die »öffentliche Sicherheit in besonders schwerwiegender Weise gestört«, erklärte die Staatsanwältin laut Hamburger Abendblatt vom Montag. Die Menschen hätten befürchten müssen, dass man sich in der Stadt »nicht mehr frei von Sorgen über Eigentum und Gesundheit bewegen kann«.
    Quelle: junge Welt
  13. Vor Unabhängigkeitsreferendum: Polizisten sollen Wahllokale in Katalonien besetzen
    Am 1. Oktober wollen die Katalanen per Referendum über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Das versucht Spaniens Regierung mit allen Mitteln zu verhindern. Nun ordnete sie die Besetzung der Wahllokale an und setzte Referendumshelfer unter Druck. Wenige Tage vor dem geplanten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien verschärfen die spanischen Behörden ihre Maßnahmen gegen die Vorbereitungen für die Abstimmung. Die regionale Polizei sei angewiesen worden, ab Freitag die Kontrolle über alle Wahllokale zu übernehmen, sagte ein Regierungssprecher. “Wir können heute bestätigen, dass es kein erfolgreiches Referendum in Katalonien geben wird.”
    Zudem wies der Generalstaatsanwalt die Regionalpolizei an, die Namen der für die Wahllokale Verantwortlichen herauszugeben. Die Anweisungen würden umgesetzt, sagte ein Sprecher der katalanischen Regionalpolizei. Von der Haltung der Regionalpolizei, die ein hohes Maß an Autonomie genießt, sich aber an die spanischen Gesetze halten muss, hängt der Verlauf des Referendums ab. Deshalb waren am Wochenende bereits alle regionalen Polizeieinheiten der Befehlsgewalt des Innenministeriums in Madrid unterstellt worden.
    Quelle: Tagesschau

    dazu: Was die katalanische Unabhängigkeitsbewegung stark macht
    Ein unabhängiges Katalonien ist besser als eines, das zu Spanien gehört. Davon sind immer mehr Katalanen überzeugt. Dabei spielen die Botschaften, die Ministerpräsident Mariano Rajoy sendet, eine ganz entscheidende Rolle.
    “Votarem!” “Wir werden wählen”: Der trotzige Ruf ertönt hundertfach auf den Demonstrationen dieser Tage. Mittelschichts-Damen mit sorgfältig ondulierter Dauerwelle skandieren ihn ebenso wie junge Leute. “Der erste Oktober wird unsere Zukunft bestimmen”, sagt Ferran Piqué, 18 Jahre alt, und hängt sich eine Estelada, die mit einem weißen Stern auf blauem Dreieck verzierte, katalanische Unabhängigkeitsfahne um die Schulter.
    “Ich habe mich immer als Katalane gefühlt. Katalonien ist eine Nation, daran gibt es doch keinen Zweifel. Aber wenn ich das sage, dann geht es nicht um Nationalismus, sondern um das Recht auf Selbstbestimmung, auf Demokratie.”
    Der Politikstudent im ersten Semester ist mit den Großdemonstrationen der letzten Jahre aufgewachsen. Das “Recht auf Selbstbestimmung”, das dabei reklamiert wurde, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit: “Neulich hat ein spanischer Minister einen Fiskalpakt angeboten, wenn wir auf ein Referendum verzichten. Das beweist doch, dass sie nichts verstanden haben. Was wir wollen, ist wählen.”
    Quelle: Deutschlandfunk

    dazu auch: Wenig überraschend: Auch in Katalonien sollen “russische Beeinflussungskampagnen” am Werk sein
    Die größte spanische Zeitung El Pais verbreitet “Analysen” der Alliance for Securing Democracy des transatlantischen German Marshall Fund und sieht überall die “Russen” am Werk
    Mittlerweile ist die Strategie, hinter unerwünschten Richtungen der Ereignisse russische Beeinflussungsoperationen zu sehen, zu einem Standard geworden. Das Narrativ ist von den Demokraten und von den Anti-Trump-Medien in den USA während des Wahlkampfs ausgearbeitet worden und schloss an den Ukrainekonflikt an, in dem Russland aus der Sicht der Nato einen “hybriden Krieg” mit militärischen und medialen Mitteln geführt habe.
    El Pais, die größte spanische Zeitung, die gegen das Unabhängigkeitsreferendum positioniert ist, hat eine Woche vor dem geplanten Referendum, das die spanische Regierung auf jeden Fall verhindern will, das Narrativ der russischen Beeinflussung entdeckt oder ausgegraben – auf fast schon peinliche Weise.
    Quelle: Telepolis

  14. Politiker aus der Karibik und Lateinamerika betonen vor UNO globale Probleme
    Haitis Präsident Jovene Moïse rückte die Verantwortung der UN für die Cholera-Epidemie in seinem Land ins Zentrum seiner Rede. Die Krankheit war 2010 von Soldaten der umstrittenen Blauhelmmission Minustah ins Land eingeschleppt worden. Nach einem verheerenden Erdbeben, das 220.000 Menschenleben forderte, kamen durch die Cholera weitere 10.000 Menschen ums Leben. Der Zeitpunkt sei gekommen, “dass die UNO die volle Verantwortung für den verursachten Schaden übernimmt”, sagte Moïse. Die deutlichen Worte bargen eine gewisse Brisanz, weil UN-Generalsekretär António Guterres zu Beginn der 72. UN-Generalversammlung eine Reform und Ausweitung der UN-Blauhelmmissionen angekündigt hatte.
    Quelle: amerika21
  15. Rechte Parteien in Europa – Jeder kämpft für sich allein
    Mit der Wahl der AfD in den Deutschen Bundestag ist der Anteil rechtspopulistischer Parteien in europäischen Parlamenten weiter angewachsen. Doch eine rechte Front gibt es nicht.

    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Jens Berger: Wo ist der Tagesschau-Faktenfinder, wenn man ihn mal wieder bei der Tagesschau selbst braucht? Die Daten für Großbritannien stammen nicht von den letzten Unterhauswahlen im Juni, sondern von 2015. Bei den letzten Wahlen brach die rechte UKIP förmlich ein und holte nur noch 1,8%. Der „Fehler“ ist für die Tagesschau um so peinlicher, da es im Text auch darum geht, UKIP als „von Russland finanzierte“ Bedrohung darzustellen. Wo fangen Fake News an, wo hören sie auf?


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