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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 22. November 2017 um 8:39 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (PS/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Jamaika
  2. Google will Content von russischen Medien im Ranking herabsetzen
  3. Medienwissenschaftler Uwe Krüger über „Mainstream“, Atlantikbrücke
  4. Heimat ist das Fundament der linken Mitte
  5. JP Morgan ist die gefährlichste Bank der Welt
  6. Deutsche Wirtschaft: Von wegen “Überhitzung”
  7. Steuervermeidung: Wie Finanzdienstleister neue Schlupflöcher erfinden
  8. Ryanair entlässt Flugbegleiter, der Missstände aufdeckte
  9. Commerzbank: „America First“. Bundesregierung missachtet deutsches Arbeitsrecht
  10. Gewerkschaften: Ende der Konsenskultur
  11. Wasser in Einwegflaschen: Umweltschädlicher und unnützer geht es kaum
  12. Fossil Fuels’ Fishy New Friends
  13. Traditionserlass: Abspaltung
  14. Deckname Tamburin

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Jamaika
    1. Nach Jamaika: neue Chancen für eine integrative europäische Energiepolitik
      Die Jamaika-Koalitionäre und die EU-Kommission starteten gerade eine neue Initiative, um Nord Stream 2 zu verhindern. Auch beim Thema Sanktionen waren sich die potentiellen Regierungspartner schnell einig. Nun stehen Neuwahlen an: die Wähler können noch einmal nachdenken. Kaum eine Geschichte illustriert besser, wie sich Europa in der aktuellen Energiepolitik isolieren lässt. Wie aus dem Leak Paradise-Paper hervorgeht, kaufen US-Unternehmen von einer russischen Firma große Mengen Flüssiggas (LNG), um es später als amerikanisches LNG in den EU-Markt einzuspeisen. Natürlich kostet das amerikanische LNG die europäischen Unternehmen und Endverbraucher deutlich mehr als russisches Erdgas. Auch aus der Perspektive der Umwelt ist Shale-Gas, gefördert mit Fracking, eine Katastrophe. Der wichtigste Anteilseigner bei dem kleinen amerikanischen Re-Export-Trick ist niemand geringeres als der amerikanische Handelsminister Wilbur Ross.
      Quelle: Malte Daniljuk bei RT deutsch
    2. Woran die deutsche Jamaica-Koalition gescheitert ist
      Es wird also doch nichts mit der ersten schwarz-grün-gelben Bundesregierung in Deutschland. Wir sprachen mit dem Journalisten, Autor und ehemaligen deutschen Grünen-Politiker Robert Zion über die gescheiterten Gespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen. (…) „Die Grünen haben in den Sondierungsgesprächen praktisch all ihre Positionen geräumt. In der Steuerpolitik wurde über grüne Forderungen nicht einmal mehr diskutiert. (…) Zwar gewinnt die Parteilinke die meisten programmatischen Konflikte innerhalb der Partei, das Programm ist noch relativ links. Aber das Spitzenpersonal und die eigentlichen Machtstrukturen in der Partei sind vollkommen vom Realo-Flügel geprägt. Das haben die Sondierungsgespräche bewiesen. (…) Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner denkt vollkommen parteibezogen. Ich habe ihn zwei Jahre lang im Landtag von Nordrhein-Westfalen erlebt. Lindner ist nicht sehr politisch. Er denkt in erster Linie an seine Organisation. Und dabei orientiert er sich eindeutig an der FPÖ unter Heinz-Christian Strache. Er will die FDP in Richtung einer national-liberalen, populistischen Partei bewegen. Solche Parteien sind ja gerade überall in Europa, nicht nur in Österreich, relativ erfolgreich.
      Quelle: Mosaik Blog
    3. Es ist genügend Zeit
      Nach dem Scheitern der Sondierungen zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen geht SPD-Chef Martin Schulz davon aus, dass jetzt die Wählerinnen und Wähler das Wort haben. Für eine Große Koalition, bekräftigte Schulz, stehe die SPD nach wie vor nicht zur Verfügung. Die FDP hat sich davon gemacht und Angela Merkel steht jetzt ohne Verhandlungspartner für eine neue Regierung da. Das Scheitern der vier Parteien habe Deutschland „in eine schwierige Situation manövriert“, stellte am Montag in Berlin SPD-Chef Martin Schulz fest. Seine Partei stehe angesichts des Wahlergebnisses vom 24. September für eine erneute Große Koalition nicht zur Verfügung. Dieses Regierungsbündnis sei von den Bürgerinnen und Bürgern klar abgewählt worden. Die SPD jedenfalls, so macht es Schulz erneut klar, scheue Neuwahlen nicht.
      Quelle: SPD

      Anmerkung Christian Reimann: Glaubt die SPD-Spitze ernsthaft, durch das Scheitern der “Jamaika”-Koalitionsverhandlungen sei Deutschland “in eine schwierige Situation manövriert” worden? Gibt es keine echten Probleme hier im Land – z.B. die miserable Situation von Bildung & Wissenschaft, der Infrastruktur, der Systeme Gesundheit und Rente? Hat insbesondere die SPD nicht massiv u.a. zur Privatisierung im Gesundheits- und Rentenwesen, zur Ausweitung der Leiharbeit und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von Millionen Menschen beigetragen? Ist dieses Land nicht vor allem deshalb in eine “schwierige Situation” geraten? Aussicht auf Einsicht besteht bei dieser SPD-Spitze leider nicht. Das ist tragisch, denn diese Partei hat nicht unbedingt “genügend Zeit”, sondern könnte wie ihre Schwesterparteien in einigen EU-Nachbarstaaten in die Bedeutungslosigkeit fallen.

  2. Google will Content von russischen Medien im Ranking herabsetzen
    Der Medienkrieg tritt in eine neue Spirale ein. Alphabet-CEO Eric Schmidt will angeblich identifizierbare russische Desinformation von RT und Sputnik nicht zensieren, aber verschwinden lassen
    Nun schaltet sich auch Google in den von der Nato und transatlantischen Kreisen geschürten Konflikt mit Russland und dessen angeblichen medialen Beeinflussungskampagnen ein. Gerade erst hatten sich die staatliche Nachrichtenagentur Sputnik und der staatliche Auslandssender RT in den USA nach dem Foreign Agents Registration Act (FARA) als ausländische Agenten beim US-Justizministerium registrieren müssen. Damit gelten ihre Nachrichten als “Propaganda” und muss die Finanzierung offengelegt werden. Im Januar wurde RT in einem Geheimdienstbericht als “staatliche Propagandamaschine” bezeichnet.
    Darüber wurde im Westen kaum berichtet. Als im September das Justizministerium ankündigte, dass sich Sputnik als “ausländischer Agent” registrieren lassen muss, kam aus Russland die Warnung, mit gleich Waffen zurückzuschlagen (Russland und USA im Medienkrieg über den Sender RT). Große Aufregung herrschte allerdings, als Russland 2012 mit einem ähnlichen Gesetz vom Ausland finanzierte NGOs zwang, sich als solche “ausländische Agenten” registrieren zu lassen.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Jens Berger: Im Jahre 2000 gab sich Google das schon damals unpassende Firmenmotto „Don´t be evil“ (Sei nicht böse). Davon ist heute nichts mehr übrig. Heute gibt Google vor, was gut und böse ist und lehnt sich dabei deutlich an die Positionen der NATO an.

  3. Medienwissenschaftler Uwe Krüger über „Mainstream“, Atlantikbrücke
    Uwe ist promovierter Diplom-Journalist und Medienwissenschaftler. Schwerpunkt seiner Forschung an der Universität Leipzig ist die Unabhängigkeit der Medien. Juliane spricht mit Uwe über seine Forschung: Was soll der „Mainstream“ eigentlich sein? Wo beginnt er, wo hört er auf? Wer hat das „Vertrauen verloren“? Was sind „Elitendiskurse“? Wer gehört zur Elite? Gibt es eine Berliner Blase? Wie wird über Krieg berichtet? Was ist daran problematisch, wenn Journalisten Mitglieder in Lobbyvereinen sind? Sollte man gar nicht Mitglied z.B. in der „Atlantikbrücke“ sein? Was hat eine solche Mitgliedschaft für Folgen? Kann man das nachweisen? Ist die Bilderberg-Konferenz an sich problematisch? Warum sollte man eine Teilnahme nicht generell ablehnen?
    Quelle: Jung & naiv
  4. Heimat ist das Fundament der linken Mitte
    Eine Politik „für die vielen, nicht die wenigen“ muss in den Gemeinschaften und in den Orten der Menschen verankert sein. (…) In dem Maße wie die utilitaristischen Technokraten den Gemeinschaftsvertretern die Kontrolle der Mitte-Links-Parteien entzogen, verloren die Parteien die Unterstützung ihrer Wähler. Aus dem Überlegenheitsgefühl ihrer neuen, globalen Klassenidentität heraus haben die Technokraten das Gefühl der heimatlichen Verbundenheit aktiv in Verruf gebracht. Da dieses Gefühl aber den meisten Menschen sehr wichtig ist, fühlen sie sich von den Mitte-Links-Vertretern im Stich gelassen. Das nutzen jetzt rechtspopulistische Parteien händereibend aus, um Unterstützung für ihre eigene, widerliche und potenziell sehr gefährliche Politik zu mobilisieren. Rückblickend wird man die Jahre der utilitaristischen Dominanz innerhalb der Mitte-Links-Parteien als das erkennen, was sie waren: eine destruktive Phase der Arroganz und Selbstüberschätzung. Die Mitte-Links-Parteien werden sich dadurch erholen, dass sie zu ihren kommunitaristischen Wurzeln zurückkehren und indem sie die Aufgabe annehmen, das auf Gegenseitigkeit und Vertrauen basierende Netz von Verbindungen und Verpflichtungen wiederherzustellen, das die Arbeiterfamilien mit ihren Sorgen auffangen kann. Die Kraft der heimatlichen Gemeinschaft ist viel zu stark und birgt viel zu viel konstruktives Potenzial, um sie kampflos den Rechtspopulisten zu überlassen.
    Quelle: IPG Journal

    Anmerkung Paul Schreyer: Dieser Text eines britischen Universitätsprofessors, der selbst aus einfachen Verhältnissen stammt, bringt ein Grundproblem vieler Parteien in Europa auf den Punkt.

  5. JP Morgan ist die gefährlichste Bank der Welt
    Sie ist groß und bestens vernetzt – eine Krise der US-Bank JP Morgan Chase hätte fatale Folgen für das Weltfinanzsystem. Auch die Deutsche Bank zählt laut Regulierern zu den fünf gefährlichsten Banken weltweit. […]
    In der Liste der 30 global systemrelevanten Banken (G-SIB) ist JP Morgan das einzige Institut in der obersten Kategorie, teilte der FSB in Basel mit. Die US-Großbank muss damit 2,5 Prozentpunkte mehr Kapital vorhalten als eine gewöhnliche Bank. Die bisher als ähnlich wichtig eingestufte US-Bank Citigroup wird nur noch in der zweiten Kategorie geführt, in der ein Kapitalaufschlag von zwei Prozent erforderlich ist.
    Die Citigroup steht damit in einer Reihe mit der Deutschen Bank, der Bank of America und der britischen HSBC.
    Der FSB bewertet die Banken nicht allein nach ihrer Größe, sondern auch nach dem Risiko, das in ihren Geschäften steckt und daran, wie vernetzt sie im Finanzsystem sind. Das ist entscheidend dafür, welche Folgen ihre Schieflage für die ganze Branche und darüber hinaus hätte. Die “G-SIB”-Liste wird einmal jährlich aktualisiert.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Zu einer deckungsgleichen Einschätzung bezüglich der deutschen Bank kommt das Center for Risk Management von der Universität Lausanne, das seit einigen Jahren das Systemrisiko europäischer Großbanken bewertet. Hier gilt die Deutsche Bank als die riskanteste Bank Europas. Erfreulich ist, dass die Deutsche Bank sowohl ihr systemisches Risiko als auch den damit in Verbindung stehenden Hebel (Leverage) zwischen Herbst 2016 und Sommer 2017 sehr deutlich abbauen konnte. Seit dem Sommer steigen jedoch Risiko und Hebel wieder an. Beide Werte liegen übrigens immer noch weit über dem „Vorkrisenwert“ von 2007.

  6. Deutsche Wirtschaft: Von wegen “Überhitzung”
    Viele Kriterien deuten darauf hin: Die Wirtschaft brummt. Einige Experten warnen nun vor “Überhitzung”. Die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann bezweifelt diese Analyse. Für sie ähnelt die Wirtschaft einem lauwarmen Dampfkochtopf, der nicht auf Touren kommt.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  7. Steuervermeidung: Wie Finanzdienstleister neue Schlupflöcher erfinden
    Ein globales Meldesystem soll Steuerbetrug stoppen. Doch es gibt bereits Tricks, um der Transparenz zu entgehen. Ein Sonderfall betrifft Österreich
    Wohlhabenden Bürgern aus aller Welt, die Steuern sparen wollen, macht der Finanzdienstleister Legacy Trust folgendes Angebot: Werden Sie Pensionist in Hongkong. Die Metropole erlaubt es jedem Ausländer, für eine Betriebspension anzusparen. Dazu muss man nicht umziehen, erläutert Legacy in einer Onlinebroschüre. Wer in Hongkong eine Briefkastenfirma registriert und sich von dieser anstellen lässt, kann einen Dienstleister wie Legacy damit beauftragen, für sich selbst ein Betriebspensionsmodell auszuarbeiten. In Hongkong kann man nicht nur Geld ansparen. Auch Unternehmensbeteiligungen sowie Immobilienvermögen dürfen im Rahmen der Betriebspension angelegt werden. Steuern fallen so gut wie keine an. Der Clou ist, dass das angelegte und verdiente Vermögen geheim bleiben darf. Keine Steuerbehörde der Welt muss etwas davon erfahren. Die Broschüre von Legacy lässt in der Zentrale der Industriestaatenorganisation OECD die Wogen hochgehen. In den vergangenen Jahren ist eine Reihe von Initiativen gestartet worden, um Steuerhinterziehung durch reiche Sportler, Künstler, Unternehmer und Politiker zu beenden. Die größten Anstrengungen waren der Entwicklung des Common Reporting Standard gewidmet.
    Quelle: derStandard.at
  8. Ryanair entlässt Flugbegleiter, der Missstände aufdeckte
    Nach Berichten über strittige Arbeitsverträge hat die irische Billig-Airline Ryanair den Flugbegleiter entlassen, der die schlimme Situation offenlegte. (…) Besonders anstößig fand man in der Konzernzentrale demnach, dass Ursi sich und seine Kollegen im Fernsehbeitrag als „moderne Sklaven“ bezeichnet hatte. „Ihre Aussagen sind nicht nur falsch, sondern auch höchst verleumderisch, und sollten dazu dienen, den Ruf dieser Firma, Ihres Arbeitgebers, zu schädigen“, hatte das Unternehmen schon in der ersten Androhung der Kündigung auf Englisch geschrieben – und Ursi zu einem „Untersuchungsgespräch“ nach Dublin gebeten.
    Quelle: WELT
  9. Commerzbank: „America First“. Bundesregierung missachtet deutsches Arbeitsrecht
    Auf Verlangen der USA entließ die Commerzbank vier Mitarbeiter, obwohl sie nach deutschem und EU-Recht legal gehandelt hatten. Haupteigentümer der Commerzbank ist der deutsche Staat. Die Commerzbank kündigte dem leitenden Mitarbeiter Lars C. am 23. März 2015 wegen angeblichen Fehlverhaltens. Er hatte mit seiner Abteilung internationale Zahlungen für die staatliche Reederei des Iran abgewickelt. Nach deutschem und EU-Recht war alles legal. (…) Die Commerzbank ging gegen das Urteil zum Bundesarbeitsgericht. Sie argumentierte: Wir mussten kündigen, weil sonst die USA ihre Drohung wahr machen und der Bank die Lizenz für ihre Niederlassung in New York entziehen könnte. Der Druck aus den USA sei so „außerordentlich“ und „gewaltig“ gewesen, dass es zwecklos war, sich zu wehren. Die US-Behörde habe eine „wirksame Abschreckung durch persönliche Bestrafung“ gefordert.
    Quelle: Werner Rügemer beim Blog Arbeitsunrecht
  10. Gewerkschaften: Ende der Konsenskultur
    Eines ist den führenden Funktionären der Industriegewerkschaft Metall stets besonders wichtig: Verlässlichkeit. (…) Doch bei Siemens stößt dieser Korporatismus an seine Grenzen. Der Technologiekonzern hat die Konsenskultur aufgekündigt. Weltweit fast 7.000 Stellen will er in seiner Kraftwerksparte streichen, die Hälfte davon in Deutschland. Mehrere Standorte – insbesondere in Ostdeutschland, aber nicht nur dort – stehen zur Disposition. Obwohl bestehende Vereinbarungen das verbieten, werden auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Kommuniziert wurde das Ganze zunächst über die Medien, am Freitag dann per Videobotschaft an die Belegschaften. Deutlicher kann man nicht machen, dass das Herr-im-Haus-Prinzip gilt. Mitsprache und Diskussionen? Unerwünscht. (…) Kurzum: Es geht zur Sache. (…) Denn Siemens hat aus Kapitalsicht schon öfter den Eisbrecher gespielt – beispielsweise bei der Durchsetzung unbezahlter Arbeitszeitverlängerung in seinen Handywerken Bocholt und Kamp-Lintfort 2004. Womöglich läutet der Konzern auch heute eine neue Gangart ein. Wenn dem so ist, wird den Gewerkschaften der Verweis auf die eigene Verlässlichkeit nicht mehr reichen.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Neben der IG BCE wirkt auch die IG Metall in den letzten Jahren recht zahm. Kann es sein, dass einige Vertreter sich quasi als Ko-Manager der Unternehmensleitung verstehen? Auffällig ist oftmals auch eine Nähe zur SPD, oder? Erinnert sei u.a. an IG Metall greift in den Wahlkampf ein – mit einem Lob für die Agenda 2010 und „die gute wirtschaftliche Verfassung des Landes“ und Betriebsrente – Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte nicht die IG Metall, Andrea Nahles und die CDU.

    Anmerkung JK: Die großen Industriegewerkschaften als “verlässliche Sozialpartner” zu beschreiben ist ein schöner Euphemismus. Diese sind die wichtigsten Stützen der deutschen Exportwalze, die eben auch Arbeitslosigkeit exportiert. So viel zur gewerkschaftlichen Solidarität. Allerdings sind die Arbeitnehmer in den großen exportorientierten und tarifgebundenen Unternehmen damit bisher nicht schlecht gefahren und dürfen sich über viele Privilegien freuen von denen Kollegen in nichttarifgebundenen Unternehmen nur träumen können. Jetzt, da sich zeigt, dass der Shareholder Value im neoliberalen Kapitalismus doch die oberste Handlungsmaxime ist, werden in den Führungsetagen der IG Metall einige bittere Tränen weinen.

  11. Wasser in Einwegflaschen: Umweltschädlicher und unnützer geht es kaum
    Anfang 2019 startet das neue Verpackungsgesetz in Deutschland, dann sollen innerhalb von drei Jahren mindestens 70 Prozent der Getränke in Mehrwegflaschen verkauft werden. Doch momentan trinken die deutschen immer mehr Mineralwasser aus Plastikflaschen. Eine “Mehrweg-Allianz“ will sich nun dafür einsetzen, dass die Vorgabe des Gesetzes auch eingehalten wird. (…) Das Problem sei die Preispolitik der Discounter im Wasserbereich so Günther Geuder vom Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels: “2003 ist das Pflichtpfand auf Einwegverpackungen eingeführt worden, aber dann haben die Discounter reagiert, sie haben die Preise damals runtergesetzt für eine 1,5 Liter Einweg-PET-Flasche mit Wasser gefüllt auf 19 Cent und dieses Preisniveau haben wir noch heute.” Und das sei für die Verbraucher eben ein unschlagbares Kaufargument, so Geuder. Die Einwegplastikflaschen werden zentral produziert und meist über lange Strecken transportiert. Aldi und Lidl verkaufen inzwischen jede zweite Wasserflasche in Deutschland, ausschließlich im Einwegsystem, Coca-Cola ist dabei das Mehrwegsystem in Deutschland abzuschaffen, kritisiert Thomas Fischer: “Und diese Akteure wollen mit der Rücknahme von Mehrwegflaschen und der dahinter stehenden Logistik nichts zu tun haben, die wollen Flaschen verkaufen aber danach nichts mehr mit ihnen zu tun haben.”
    Quelle: Deutschlandfunk
  12. Fossil Fuels’ Fishy New Friends
    How public affairs firms engineered a “grass-roots” group defending oil and coal investments. […]
    Protect Our Pensions sprang to life in March 2016 as institutional investors, including university endowments and pension plans, debated cutting ties with fossil-fuel companies because of the industry’s role in climate change and its decades-long efforts to cloud the public’s understanding of the issue. More than 800 institutions have agreed to at least a partial divestment, including the Rockefeller Brothers Fund, Norway’s sovereign wealth fund and Syracuse University.
    The oil industry was already opposing divestment, funding studies that showed financial peril for investment portfolios that removed oil and coal stocks. The industry also runs websites that offer its views and clearly disclose its backing.
    Protect Our Pensions brought a new, sympathetic voice to the debate: longtime public servants worried about their retirement nest eggs. The group’s first piece, published in the Detroit News under the names of Short and Yolanda Hudson, a retired Detroit science teacher, urged officials to “quit using pensions as political pawns” because “the welfare of too many retirees is on the line.”
    Hudson, who now works as a yoga instructor, didn’t respond to phone calls, emails or a message delivered to her yoga studio. The Detroit News says it has no record of who submitted the article.
    The funders behind Protect Our Pensions remain concealed. Six fossil-fuel companies and industry associations, including Exxon Mobil Corp. and the American Petroleum Institute, said they’ve played no role.
    Quelle: Bloomberg
  13. Traditionserlass: Abspaltung
    Die Verteidigungsministerin hat den Entwurf für einen neuen Traditionserlass vorgelegt, den u.a. Spiegel (Online) veröffentlichte. Im auf den 16. November datierten Entwurf heißt es: „Die deutsche (Militär-)Geschichte ist geprägt von tiefen Zäsuren. Insbesondere aufgrund des folgeschweren Missbrauchs militärischer Macht, vor allem während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, gibt es keine ungebrochene deutsche Militärtradition. Die Bundeswehr ist sich des zwiegespaltenen Erbes der deutschen (Militär-)Geschichte mit ihren Höhen, aber auch ihren Abgründen bewusst. Tradition und Identität der Bundeswehr nehmen daher die gesamte deutsche (Militär-)Geschichte in den Blick und grenzen dabei bewusst jene Teile ab, die unvereinbar mit den Werten unserer freiheitlichen-demokratischen Grundordnung sind.“ Der Eintrag auf Wikipedia zu „Spaltung (Psychologie)“ ist in diesem Kontext womöglich hilfreich: „Als Spaltung oder Spaltungsabwehr bezeichnet man einen psychischen Abwehrmechanismus, der in einer Reaktivierung eines frühkindlichen psychischen Zustands besteht, in dem das Individuum noch keine Integration der positiven und negativen Aspekte des eigenen Selbst und der es umgebenden Objekte entwickelt hat. Die Spaltungsabwehr sorgt in spezifischen Belastungs- oder Konfliktsituationen dafür, dass unerträgliche Vorstellungen vom Selbst oder von den Objekten auseinandergehalten werden, mit dem Ergebnis, dass das Selbst bzw. die Objekte als entweder „nur gut“ oder „nur böse“ wahrgenommen werden.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  14. Deckname Tamburin
    Aktenfreigabe beleuchtet die geheimen U-Boot Geschäfte der Regierung Kohl mit dem Apartheid-Regime. In Südafrika werden derzeit einige Geheimakten aus der Zeit des rassistischen Apartheid-Regimes geöffnet. Die Aktenfreigaben bringen insbesondere Firmen, Organisationen und Regierungen in Verlegenheit, die fragwürdige Geschäfte mit Südafrikas Regierung machten – darunter die westdeutsche Bundesregierung. (…) Bundeskanzler Helmut Kohl hatte 1984 Südafrikas Präsident Peter Botha in Bonn empfangen. Der 423 Millionen DM schwere Deal zwischen den beiden Staatschefs war so geheim, dass sogar die jeweiligen Außenminister den Raum verlassen mussten. Kohl versicherte Botha, er werde sich persönlich um die Angelegenheit kümmern. Während West-Deutschland offiziell Südafrika boykottierte, wurde auch auf der Ebene der Geheimdienstchefs abgestimmt, dass eine verdeckte Lösung für das „Problem“ gefunden werde. Die Partnerschaft beider Geheimdienste ermöglichte sogar die Lieferung eines für die westlichen Spione interessanten sowjetischen Hubschraubers und weiterer Flugzeuge, die man in Angola besorgt hatte. Der Vertrag begünstigte zweifellos das gesamte Südafrika-Geschäft der deutschen Industrie.
    Quelle: Markus Kompa bei Telepolis


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