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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. Dezember 2017 um 8:23 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. SPD in NRW warnt Parteispitze vor GroKo
  2. World Inequality Report 2018
  3. Weiterbau würde viel teurer als ein Umstieg
  4. Todenhöfer: “Die schlimmste Hungersnot der letzten hundert Jahre”
  5. Wie israelische Intellektuelle Trumps Äußerungen werten
  6. Wien bekennt sich zu Europa
  7. Global Tax 50: LINKE ist nun Steuergerechtigkeits-Weltmeister
  8. Klage gegen EU-Steuernachforderung an Amazon
  9. Jeder vierte Mensch stirbt durch Umweltverschmutzung
  10. Wir werden ihnen die Scham ins Gesicht treiben
  11. “Keinen Inch weiter nach Osten”: Was den Russen zur Wiedervereinigung über die Nato versprochen wurde
  12. Europäischer Rat: Komplettdemontage des Asylrechts geplant?
  13. Jeremy Corbyn und Noam Chomsky gewinnen Internationalen Friedenspreis – Medien verschweigen es

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. SPD in NRW warnt Parteispitze vor GroKo
    Nach dem grünen Licht für Sondierungsgespräche warnt Nordrhein-Westfalens SPD die Parteispitze um Martin Schulz davor, sich zu früh auf eine Große Koalition einzustellen. “Es wird gerade viel über die staatspolitische Verantwortung der SPD schwadroniert”, sagte Landeschef Michael Groschek dem SPIEGEL: “Die Hauptverantwortung der SPD liegt darin, wieder so groß und stark zu werden, dass sie für die Menschen im Land eine echte Kanzler-Alternative zur Union darstellt. Wenn wir uns an die Rolle des Juniorpartners gewöhnen, enden wir als Wackeldackel.”
    Groschek verlangte vor dem Sonderparteitag der Sozialdemokraten im Januar inhaltliche Vorab-Zusagen von der Union. “Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass die Große Koalition mit ein paar netten Überschriften aus den Sondierungen zum Selbstläufer wird”, sagte der Sozialdemokrat: “Wir ziehen keine roten Linien, aber ohne konkrete Verbesserungen im Bereich der Arbeitsmarkt-, Renten- und Gesundheitspolitik ist es unvorstellbar, dass ein Parteitag grünes Licht für weitere Gespräche gibt.”
    Die Sozialdemokraten wollen voraussichtlich am 14. Januar auf einem Parteitag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Die Rolle der NRW-SPD dürfte entscheidend sein. Der Landesverband stellt bei dem Treffen knapp 150 Delegierte und damit rund ein Viertel der Stimmberechtigten. Wie sich der wichtigste Landesverband der SPD mehrheitlich positionieren wird, gilt in der Parteispitze als unberechenbar.
    Quelle: Spiegel Online

    Dazu: Thüringer SPD-Parteitag stimmt gegen große Koalition
    Einen Tag nach dem SPD-Vorstandsbeschluss zur Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Union hat der erste Landesverband gegen eine große Koalition gestimmt. Ein Parteitag der Thüringer SPD billigte am Samstagabend mehrheitlich einen Antrag der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos, mit dem die Neuauflage einer großen Koalition im Bund abgelehnt wird.
    In dem Antrag heißt es unter anderem, eine erneute Regierung mit der Union würde einen weiteren Glaubwürdigkeitsverlust für die SPD bedeuten. In vielen Fragen gebe es kaum Gemeinsamkeiten. Der Landesvorsitzende der Jusos, Oleg Shevchenko, sagte, die Erneuerung der SPD in einer großen Koalition könne angesichts von Regierungszwängen nicht funktionieren. Es dürfe nicht zugelassen werden, “dass die SPD mickrig geschrumpft wird”. (…)
    Vertreter der Bundespartei hatten bei dem SPD-Landesparteitag in Erfurt vergeblich versucht, die Deligierten umzustimmen. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel und der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sprachen sich gegen den Antrag der Jusos aus. Stattdessen solle der Parteitag sich für ergebnisoffene Sondierungen aussprechen.
    Diesen Kurs hatte der SPD-Bundesparteitag vor einer guten Woche beschlossen. Der Parteivorstand der SPD hatte daraufhin am Freitag einstimmig beschlossen, Sondierungsgespräche mit CDU und CSU aufzunehmen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Jens Berger: Das Verhalten der SPD ist und bleibt unverständlich. Man pflegt weiterhin die lieb gewonnene Verklärung, nach der „nur“ die GroKo darn Schuld sei, dass die SPD nicht mehr als sozialdemokratische Partei wahrgenommen wird. Aber das ist natürlich falsch. Genau so falsch ist es, eine künftige GroKo rein strategisch auszuschließen. Wenn die SPD überzeugt ist, gute sozialdemokratische Inhalte hat, dann soll sie diese Inhalte doch selbstbewusst bei Sondierungen vortragen. Entweder sie kriegt diese Inhalte nicht durch und kann dann erhobenen Hauptes in Neuwahlen oder in die Oppositionsführerschaft gehen oder sie setzt ihre Inhalte durch und kann dann auch nicht mehr lamentieren, in einer GroKo kein Profil zeigen zu können.

  2. World Inequality Report 2018
    In Paris wurde im Dezember 2017 der erste „World Inequality Report“ veröffentlicht, Ergebnis eines international einzigartigen Projekts zur Erfassung der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen weltweit. (…)
    Es ist ein gemeinschaftliches Großprojekt, das die Ungleichheitsforscher Thomas Piketty, Emmanuel Saez, Facundo Alvaredo, Gabriel Zucman und andere mit der World Wealth and Income Database (WID) ins Leben gerufen haben. Über 100 Ungleichheitsforscherinnen und –forscher weltweit bauen die Datenbank kontinuierlich aus und entwickeln sie weiter. Mittlerweile finden sich Daten zu Einkommen und Vermögen aus über 70 Ländern in der Datenbank – ein Meilenstein der ökonomischen Ungleichheitsforschung.
    Die umfangreichen Daten zur Entwicklung der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen sind leicht zugänglich gemacht über die WID-Website, können dort individualisiert zusammengestellt werden und sind transparent nachvollziehbar mit detaillierten Infos zu den Ursprungsquellen. Hier setzte bereits Thomas Piketty mit seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ Maßstäbe, bei dem zu jeder Abbildung die Rohdaten über dessen persönliche Homepage zugänglich gemacht wurden.
    Eine Besonderheit der Datenbank ist, dass die Daten zumeist nicht auf Haushaltsbefragungen basieren – Datensätze, bei denen häufig die Konzentration von Einkommen und Vermögen an der Spitze unterschätzt werden – sondern auf Steuerstatistiken und der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Auch Schätzungen zu Offshore-Vermögen werden einbezogen (vorsichtigen Berechnungen zufolge immerhin rund 8% der weltweiten Vermögen).
    Der nun auf einer eigens veranstalteten Konferenz veröffentlichte erste World Inequality Report fasst wichtige Befunde der Datenarbeit zusammen. (…)
    Angesichts der starken Ungleichheitszunahme empfehlen die Autoren umfangreiche Politikmaßnahmen zur weltweiten Reduzierung der Ungleichheit. Verschiedene mögliche Zukunftsszenarien hingen zentral daran ab, wie demokratische Politik auf die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte reagiere und wie sie die Weichen für die Zukunft stelle.
    Im Bericht schlagen sie folgende Maßnahmen vor:
    Steuerprogression als bewährtes Instrument der Ungleichheitsbekämpfung zurück auf die politische Tagesordnung setzen – auch um Spielräume für staatliche Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen
    Ein globales Finanzregister aufbauen, um Steuerflucht und Geldwäsche, und damit auch die Ungleichheit zu bekämpfen
    Gleicher Zugang zu Bildung und guter Beschäftigung
    Verbesserung der betrieblichen Mitbestimmung und angemessene Mindestlöhne
    Öffentliche Investitionen in Bildung, Gesundheit und Umweltschutz
    Quelle: verteilungsfrage.org

    Dazu: Studie: Ökonomische Ungleichheit ist gewachsen
    Privatisierungen im großen Stil haben die Ungleichheit zwischen Topverdienern und Einkommensschwachen einer Studie zufolge in den vergangenen Jahren fast überall auf der Welt verschärft.
    Seit 1980 haben die reichsten ein Prozent der Weltbevölkerung ihre Einkünfte mehr als verdoppelt, wie aus einer Untersuchung von Forschern um den bekannten französischen Ökonom Thomas Piketty hervorgeht. Die Mittelklasse habe dagegen kaum profitiert, auch wenn gestiegene Einkommen statistisch allen Menschen zu Gute gekommen seien. Regional gibt es allerdings Unterschiede.
    Am geringsten ist das Gefälle demnach in Europa. Dort verfügten 2016 die oberen zehn Prozent über 37 Prozent des nationalen Einkommens, in Nordamerika waren es 47 Prozent, im Nahen Osten den Angaben zufolge sogar 61 Prozent. «Seit 1980 ist die Einkommensungleichheit in Nordamerika, China, Indien und Russland rasant gestiegen. In Europa verlief der Anstieg moderat», heißt es in der Studie. Ausgewertet wurden unter anderem Einkommensteuerdaten.
    In Deutschland haben die Top 10 Prozent den Angaben zufolge rund 40 Prozent am Gesamteinkommen. «Ihr Anteil ist seit Mitte der 90er Jahren gestiegen», sagte Charlotte Bartels vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die die deutschen Daten auswertete.
    «Die unteren 50 Prozent haben in den letzten Jahren massiv an Anteil am Gesamteinkommen verloren. In den 60er Jahren verfügten sie noch über etwa ein Drittel, heute sind es noch 17 Prozent», erläuterte die Wissenschaftlerin. «Einschließlich Sozialtransfers, die mit den Bruttoeinkommen nicht erfasst werden, sehen die Zahlen für die unteren Einkommen vermutlich aber besser aus.»
    Die Mittelschicht ist nach ihren Angaben relativ stabil mit etwa 40 Prozent am Gesamteinkommen. «Insgesamt ist die Einkommensungleichheit in Deutschland heute nicht radikal höher oder radikal niedriger als vor 100 Jahren. Allerdings ist sie seit der Jahrtausendwende gestiegen.»
    In Deutschland profitieren die Reichsten 0,1 Prozent Bartels zufolge vor allem vom Unternehmensbesitz. «Über 80 Prozent der deutschen Wirtschaft dürften sich in Familienhand befinden.»
    Hauptursache der ökonomische Ungleichgewichte ist den Autoren zufolge die ungleiche Verteilung von Kapital in privater und in öffentlicher Hand. Seit 1980 seien in fast allen Ländern riesige Mengen öffentlichen Vermögens privatisiert worden. «Dadurch verringert sich der Spielraum der Regierungen, der Ungleichheit entgegenzuwirken», argumentieren die Wissenschaftler. In den USA und Großbritannien war das öffentliche Nettovermögen – Vermögenswerte abzüglich Schulden – den Angaben zufolge zuletzt negativ. In Japan, Deutschland und Frankreich nur noch leicht positiv.
    Quelle: msn nachrichten

    Anmerkung Christian Reimann: Seit 1998 ist die SPD mit wenigen Jahren Unterbrechung an der Regierung mitbeteiligt. Sollte die SPD-Spitze nicht besser angesichts derartiger Zahlen – und hier insbesondere die Vertreter des Seeheimer Kreises und der „Netzwerker“ – ihre ökonomische Kompetenz infrage stellen? Anfang 2005 hatte Gerhard Schröder sich als Kanzler in Davos u.a. mit diesen Worten gelobt: „Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ Hat dieser Niedriglohnsektor etwa nicht zum Anwachsen der Ungleichheit hierzulande beigetragen?

    Und: „Neoliberale Ideologie ist gescheitert“
    Arm und Reich driften weltweit immer weiter auseinander. In Deutschland geht unter Jüngeren die Schere auseinander, sagt der Soziologe Steffen Mau. (…)
    Deutschland erscheint im Vergleich zu den USA egalitär. Aber stimmt das? Die Mittelschicht schrumpft auch hier.
    Da muss man genau hinschauen. Die Einkommensmittelschicht ist in Deutschland seit 2005 relativ stabil. Davor ist sie von 64 auf 58 Prozent geschrumpft. Das ist nicht so dramatisch. Das Problem ist die extreme Konzentration von Vermögen, die hierzulande weit ausgeprägter ist als in anderen Industriestaaten. Hinzu kommt: Die Vermögensbildung ist bei Jüngeren viel ungleicher und schwieriger als bei Älteren.
    Je jünger, desto größer die Ungleichheit. Warum?
    Dabei spielt der veränderte Arbeitsmarkt ebenso eine Rolle wie Fragen der Vererbung. Viele Ältere haben noch sichere Jobs und sind in ein anderes Einkommensgefüge hineingewachsen, bei den Jüngeren driftet das stärker auseinander.
    Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist gesunken, aber das hat nicht zu mehr Gleichheit geführt. Warum nicht?
    Das ist bemerkenswert. Denn Arbeitslosigkeit ist ein wesentlicher Grund für Ungleichheit. Eigentlich hätte die Ungleichheit also abnehmen müssen. Hat sie aber nicht. Das heißt: Der langfristige Trend, die Spreizung zwischen gut bezahlten qualifizierten Jobs und mies bezahlten für schlecht Qualifizierte, ist stärker.
    Also wird die Ungleichheit weiter zunehmen?
    Wahrscheinlich. Denn die Spreizung auf dem Arbeitsmarkt ist ein Muster, das wir in allen westlichen Gesellschaften finden. Das ist eine Auswirkung der Globalisierung, die die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern auf den Arbeitsmärkten vertieft. Dazu kommt der Effekt, den Piketty in seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ analysiert hat: Die Einkommen aus Kapital steigen stärker als die aus Arbeit.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ein treffender Leserkommentar: “Nur mal zur Klarstellung: die neoliberale Ideologie ist natürlich nicht gescheitert,. sondern hat genau das erreicht, was sie wollte – kurz gesagt. Umverteilung nach oben, Demontage des “sozialdemokratischen” Westlichen Nachkriegskonsensus und Machtkonzentration bei bestimmten Wirtschaftseliten.” Und dem hier interviewten Soziologen fallen nur lächerliche Punkte zur Korrektur ein: eine höhere Erbschaftsteuer (würde in Deutschland maximal 10 Milliarden Euro im Jahr mehr umverteilen) und, natürlich, “eine bessere Bildung” (da können sogar Neoliberale zustimmen). Trotz der klaren Aussage, daß die Zunahme der Ungleichheit Ergebnis bewußter Politik ist, wird im nächsten Moment eine quasi zwangsläufige Entwicklung zu mehr Ungleichheit behauptet (“Der langfristige Trend, die Spreizung zwischen gut bezahlten qualifizierten Jobs und mies bezahlten für schlecht Qualifizierte, ist stärker.”). Kein Wort dazu, daß auch nationale Politik höhere Löhne und bessere soziale Absicherung fördern und erzwingen können. Eine traurige Analyse. Gescheitert ist eine Soziologie, die im Lamento endet und die grundsätzliche Veränderbarkeit von Politik negiert.

  3. Weiterbau würde viel teurer als ein Umstieg
    Lösungen für einen Umstieg kosten vier bis fünf Milliarden Euro weniger als der Weiterbau des Projekts „Stuttgart 21“. Zu diesem Ergebnis kommt der Verkehrsexperte Dr. Martin Vieregg in einem neuen Gutachten, das er heute in Berlin vorgestellt hat. Seine Zahlen bestätigen die Prognose des Aktionsbündnisses, dass das Gesamtprojekt am Ende deutlich mehr als zehn Milliarden Euro kosten und frühestens im Jahre 2026 fertig gebaut würde. Widerlegt werden damit auch die von der Bahn behaupteten Ausstiegskosten in Höhe von sieben Milliarden Euro: „Das sind Mondzahlen, mit denen die Bahn jede Umstiegsdebatte zu ersticken versucht“, so Bündnissprecher Eisenhart von Loeper.
    Zudem kritisiert der Rechtsanwalt die weiterhin destruktive Informationspolitik der Deutschen Bahn AG: „Statt die Öffentlichkeit vollständig über das PwC-Gutachten zu informieren, lässt die Bahn die Öffentlichkeit mit minimalen Infohäppchen im Dunkel. Diese Verschleierungsmethode ist der Demokratie unwürdig.“ Vor einer Woche hatte von Loeper deshalb den Chef des Bundeskanzleramts, Bundesminister Peter Altmaier, brieflich aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Fakten endlich auf den Tisch kommen.
    Quelle: K21

    dazu auch: Der Ausstieg wäre billiger
    Stuttgart 21 stoppen und den Kopfbahnhof verbessern – das würde Milliarden sparen. So die Berechnungen, die S21-Gegner in Auftrag gaben.
    Angesichts der jüngsten Kostensteigerungen beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 (S21), mit denen sich am Mittwoch auch der Aufsichtsrat der Bahn beschäftigte, drängen Kritiker erneut auf einen Abbruch der Arbeiten. Neue Argumente dafür liefert ihnen ein Gut­achten, das sie beim renommierten Verkehrsberatungsbüro Vier­egg-Rössler in Auftrag gegeben haben. Demnach wäre ein Ausstieg aus S21 auch jetzt noch weitaus günstiger als der Weiterbau.
    Die Bahn hatte kürzlich eingeräumt, dass die Kosten für S21 auf 7,6 Milliarden Euro steigen und sich die Fertigstellung auf das Jahr 2024 verzögern würden. Ursprünglich sollte der neue unterirdische Durchgangsbahnhof, der den bisherigen Kopfbahnhof ersetzen soll, inklusive der notwendigen Neubaustrecken 4,5 Milliarden Euro kosten.
    Vieregg-Rössler schätzt die Kosten mit 9,8 Milliarden Euro aufgrund neuer Verzögerungen und Probleme noch höher ein als die Bahn. Bei einem Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt wären davon 3,2 Milliarden Euro an bereits angefallenen Kosten verloren. Die Umsetzung des von den S21-Gegnern erarbeiteten Konzepts „Umstieg 21“, das einen stark aufgewerteten Kopfbahnhof mit neuen S-Bahn-Strecken unter anderem auf der für S21 geplanten Trasse zum Flughafen vorsieht, würde zusätzliche 1,2 Milliarden Euro kosten. Die schon ausgehobenen Tunnel und Gruben sollen dabei anderweitig genutzt werden. Eine modifizierte Lösung mit einer zusätzlichen Neubaustrecke, die Vieregg-Rössler selbst erarbeitet hat und die S21 nach Angaben des Planungsbüro „verkehrstechnisch deutlich überlegen“ wäre, würde rund 2 Milliarden Euro kosten.
    Quelle: taz

  4. Todenhöfer: “Die schlimmste Hungersnot der letzten hundert Jahre”
    Der Jemen brauche dringend Frieden. Ansonsten werde sich die humanitäre Lage noch weiter verschärfen, berichtet der Publizist Jürgen Todenhöfer aus der Hauptstadt Sanaa im Dlf. Das Stadtbild sei geprägt von Kindern und alten Menschen, die bettelten, weil sie sonst verhungern würden. “Es sterben eben sehr, sehr viele Menschen durch Hunger.”
    Christine Heuer: Ein Krieg, meist unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung: Seit fast drei Jahren kämpfen im Jemen Regierungstruppen gegen schiitische Huthi-Rebellen – die gelten längst als die eigentlichen Machthaber im Land. Doch hinter dem Bürger steckt auch ein Stellvertreterkrieg. Saudi-Arabien und seine Verbündeten werfen Bomben auf den Jemen, um die Regierungssoldaten zu unterstützen, der Iran agiert hinter den Kulissen zugunsten der schiitischen Rebellen. Und zwischen all diesen Spielern werden die Menschen im Jemen, wird die Zivilbevölkerung im Land zerrieben. Der Publizist Jürgen Todenhöfer bereist seit vielen Jahren Krisenregionen vor allem im Nahen und Mittleren Osten, und seit rund zwei Wochen ist er im Jemen. Wir erreichen ihn in der Hauptstadt Sanaa. Wie, Herr Todenhöfer, erleben Sie Sanaa, eine Stadt, in die ja kaum mehr ein westlicher Beobachter kommt, was ist Ihr stärkster Eindruck, welches Bild können Sie uns vermitteln aus Sanaa?
    Jürgen Todenhöfer: Das stärkste Bild, was einen sehr bedrückt – ich bin immer wieder in Krankenhäusern -, sind vor Hunger sterbende Kleinkinder. Wenn dann der Arzt sagt, wenn ich frage und die Mutter fragt, hat er eine Chance, und der Arzt mir dann sagt, vielleicht 30 Prozent. Und ein weiterer Eindruck, der auf mich stark wirkte, weil ich in Sanaa vor ein paar Jahren, vor dem Krieg auch schon war und finde das für mich die schönste Stadt der Welt und eins der schönsten Länder der Welt, sind die Hunderte vor Hunger, aus Hunger bettelnden kleinen Kinder, die einen in Scharen verfolgen und am Straßenrand, auch mitten an den Hauptstraßen sitzende ältere Frauen, die nur die Hand hinhalten, weil sie hoffen, dass sie 20 Cent bekommen und sich davon irgendetwas kaufen können. Also der Hunger ist dominierend, und für einen persönlich – das ist natürlich zweitrangig – sind es die nächtlichen Bombenangriffe, die fast jede Nacht kommen und die einen aufwecken und die anderen wieder damit konfrontieren: Hallo, hier ist Krieg und hier wird bombardiert, auch wenn die Zerstörungen in der Stadt viel, viel geringer sind, als ich geglaubt hatte und als auch die Weltmedien glauben.
    Quelle: Deutschlandfunk
  5. Wie israelische Intellektuelle Trumps Äußerungen werten
    Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, sorgt auch unter israelischen Intellektuellen für Diskussionen. Einge vermuten dahinter vor allem ein politisches Manöver, um von Korruptionsvorwürfen gegen Ministerpräsident Netanjahu abzulenken. (…)
    Doron hält Trumps Ankündigung, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, für ein politisches Manöver. Ein Manöver, das dem wegen Korruptionsvorwürfen in der Kritik stehenden israelischen Premier Netanjahu innenpolitisch Luft verschaffen soll. Dieser Meinung ist auch der Schriftsteller Igal Avidan.
    “Das Thema, das die Israelis am meisten bewegt zurzeit, das sind die großen Demonstrationen gegen Korruption. Vor allem, was Netanjahu und andere prominente Politiker betrifft.
    Jetzt sind viele frustriert, das plötzlich das Thema Jerusalem diese Bemühungen, diesen öffentlichen Druck auf Netanjahu, auf die Polizei und auf die Staatsanwaltschaft wegnimmt, die Ermittlungen endlich zu einem Prozess zu bringen.” (…)
    Egal, wo die amerikanische Botschaft hinzieht – die Jerusalem-Frage könne nicht geklärt werden, bevor nicht eine Lösung für den Konflikt in den besetzten Gebieten gefunden sei. Davon ist die Künstlerin Michaela Yakoobi überzeugt. Die Designerin hat eine Frauenbewegung initiiert, die von ursprünglich zwölf auf über 30.000 Frauen angewachsen ist.
    Die Forderung dieser neuen Friedensbewegung: Endlich auch Frauen in den Verhandlungsprozess mit einzubeziehen, Frauen auf beiden Seiten, die ihre Söhne und Töchter verloren haben oder sie nicht verlieren wollen. (…)
    In diesem Punkt sind sich fast alle Intellektuellen und Künstler in Israel einig: Nur wenn Israelis und palästinensische Araber miteinander reden, kann Vertrauen geschaffen werden. Der einseitige Vorstoß des amerikanischen Präsidenten ist dafür nicht geeignet.
    Quelle: Deutschlandfunk
  6. Wien bekennt sich zu Europa
    Mehr Polizisten, Steuererleichterungen für Familien, Einschnitte für Asylbewerber: Die künftige Regierung Österreichs hat ihren Koalitionsvertrag präsentiert. Der enthält auch die klare Absage an einen “Öxit”.
    Österreichs neue Koalition aus Konservativen und Rechtspopulisten hat in ihrem Regierungsprogramm ein klares Bekenntnis zur EU festgelegt. An der Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union und in anderen internationalen Organisationen dürfe nicht gerüttelt werden. “Nur in einem starken Europa kann es auch ein starkes Österreich geben, in dem wir in der Lage sind, die Chancen des 21. Jahrhunderts zu nutzen”, heißt es im Vorwort des Programms von konservativer ÖVP und rechter FPÖ, das am Samstag vorgelegt wurde.
    Volksabstimmungen zu dem Thema sind deswegen in den kommenden fünf Jahren nicht erlaubt. In anderen Bereichen soll die direkte Demokratie allerdings gestärkt werden.
    Nach siebenwöchigen Verhandlungen hatten sich ÖVP und FPÖ am späten Freitagabend auf einen über 180 Seiten starken Koalitionspakt für die kommenden fünf Jahre geeinigt. Die Parteigremien segneten den Pakt einstimmig ab. ÖVP-Chef Sebastian Kurz wird damit in wenigen Tagen mit 31 Jahren Europas jüngster Regierungschef.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Wien bekennt sich zu Europa”, gemeint ist die EU, wenn das mal keine positive Nachricht ist in Zeiten einer EU in der Krise. Ansonsten präsentiert der Koalitionsvertrag die erwarteten Feindseligkeiten gegen Ausländer, eine (für mich) unerwartet progressive Umweltpolitik (100% erneuerbare Energien ab 2030) und dann ganz ernsthaft das neoliberale ABC durchbustabiert: “Bürokratieabbau” (weniger Kontrollen für Firmen), Senkung der Lohn- und Einkommensteuer (zugunsten höherer Einkommen), Senkung der “Lohnnebenkosten” (zulasten der Sozialversicherungsträger), Schuldenbremse, Kürzung der öffentlichen Ausgaben (die hier genannten zwölf Milliarden Euro sind eine enorme Summe und entsprächen, auf Deutschland hochgerechnet, satten 84 Milliarden Euro). M. a. W., die neue österreichische Regierung wirft sich mit voller Kraft in den “Standortwettbewerb” und will im Zeitraffer die katastrophalen Entwicklungen der letzten 20 Jahre in Deutschland nachvollziehen.

  7. Global Tax 50: LINKE ist nun Steuergerechtigkeits-Weltmeister
    „Wir gratulieren unserem Abgeordneten Fabio De Masi. Er ist nun Steuergerechtigkeits-Weltmeister und hat sich innerhalb kürzester Zeit einen internationalen Ruf erworben. Linke Finanzexperten wie er sind in Zeiten von Paradise Papers & Co sowie dem Verzicht der Jamaika- und GroKo-Parteien auf eine Millionärsteuer eine enorme Bereicherung für die steuerpolitischen Debatten in Deutschland und Europa“, erklären die Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, mit Blick auf die Auszeichnung von Fabio De Masi als „Global Tax 50“ durch die renommierte Fachzeitschrift International Tax Review. Das Global Tax Ranking benennt jährlich die weltweit 50 einflussreichsten Personen, Organisationen oder Entwicklungen im Bereich der Steuerpolitik. Die Liste umfasste in den vergangenen Jahren unter anderem das Konsortium investigativer Journalisten, die LuxLeaks Whistleblower sowie die EU-Wettbewerbskommissarin Ve stager, Regierungschefs und Finanzminister sowie Steuerdiplomaten internationaler Organisationen. De Masi wurde für seine frühere Tätigkeit im Europaparlament – unter anderem als stellvertretender Vorsitzender des „Panama Papers“-Untersuchungsausschusses zu Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung – ausgezeichnet. Wagenknecht und Bartsch weiter:
    „Die EU-Staaten verlieren jährlich hunderte Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und -vermeidung von Vermögenden und Konzernen, die für Bildung, Infrastruktur und Sozialstaat fehlen. Unsere Fraktion wird weiter gegen Schattenfinanzplätze, Geldwäsche und Steuertricks sowie für eine hinreichende Besteuerung der Gewinne und Vermögen von Konzernen und Super-Reichen streiten.“
    Quelle: Die Linke. im Bundestag
  8. Klage gegen EU-Steuernachforderung an Amazon
    Luxemburg klagt gegen den Beschluss der EU-Kommission zur eingeforderten Steuernachzahlung vom US-Internetkonzern Amazon. Die Brüsseler Behörde habe nicht nachgewiesen, dass es für das Unternehmen tatsächlich einen Vorteil gegeben habe, begründete das Finanzministeriums des Großherzogtums am Freitag den Gang vor den Gerichtshof der EU. Die EU-Kommission hatte Luxemburg vor zwei Monaten vorgeworfen, Amazon irreguläre Steuervorteile gewährt zu haben. Die Regierung des Landes soll deshalb rund 250 Millionen Euro von dem Onlinehändler eintreiben. Amazon beschäftigt in Luxemburg rund 1500 Menschen und ist damit einer der größten Arbeitgeber des Landes.
    Luxemburg hatte bereits Klage dagegen eingereicht, bis zu 30 Millionen Euro vom italienischen Autobauer Fiat wegen angeblich zu wenig gezahlter Steuern einzutreiben. Irland wurde in einem ähnlichen Fall dazu verdonnert, vom US-Konzern Apple bis zu 13 Milliarden Euro zurückzufordern. Das Geld soll nach dem Willen der Regierung in Dublin auf ein Treuhandkonto fließen.
    Die EU-Kommission und viele Mitgliedsländer wollen stärker gegen Tricks von internationalen Großkonzernen zur Steuervermeidung vorgehen. Die EU-Staaten einigten sich dazu Anfang des Monats auf eine schwarze Liste, mit der der Druck auf 17 Steueroasen außerhalb der Staatengemeinschaft erhöht werden soll. Kritiker monieren, dass auch EU-Länder wie Irland, Luxemburg, Malta oder die Niederlande Tricks zur Steuervermeidung zulassen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Alles wie gehabt. Das Land des notorischen Reichtumsförderers heutigen Kommissionspräsidenten Juncker macht einfach weiter, als wäre nichts gewesen mit Paradise Papers und Co. Als Verein zur Förderung von Steuervermeidung und -hinterziehung von Kapitalgewinnen wird die EU zu Recht scheitern.

  9. Jeder vierte Mensch stirbt durch Umweltverschmutzung
    Weltweit sterben laut UN-Umweltagentur 12,6 Millionen Menschen pro Jahr an den Folgen von Umweltverschmutzung, das ist fast jeder vierte Todesfall. Auf dem UN-Umweltgipfel in Kenia werden Schutzmaßnahmen diskutiert.
    Was können Politiker, Unternehmen und jeder einzelne Bürger auf der Welt tun, damit weniger Menschen durch Umweltzerstörung sterben? Welche Maßnahmen werden empfohlen, damit das Leid, der damit verbundene Wohlstandsverlust und die immensen Kosten, die auf über 4600 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt werden, zukünftig vermieden werden?
    Auf der UN-Umweltversammlung, die vom 4. bis 6. Dezember in Nairobi stattfindet, diskutieren Umweltminister aus mehr als hundert Ländern über effektive Maßnahmen zur Verbesserung der weltweiten Lebensqualität. “Unser gemeinsames Ziel muss darin bestehen, Wege zu finden, die Umweltverschmutzung drastisch zu reduzieren”, sagt Edgar Gutiérrez, Minister für Umwelt und Energie von Costa Rica und Präsident der dritten Umweltversammlung mit mehr als 4000 Teilnehmern. “Nur durch stärkeres kollektives Handeln, beginnend in Nairobi in dieser Woche, können wir anfangen, den Planeten weltweit aufzuräumen und unzählige Leben retten.”
    Laut aktuellem Umweltbericht der Vereinten Nationen ist jeder Mensch auf der Erde von Umweltverschmutzung betroffen. Der Bericht “Towards a pollution-free planet” zeigt die verschiedenen Gefahrenquellen auf und gibt Lösungsempfehlungen. “Angesichts der düsteren Statistiken darüber, wie wir uns selbst und unseren Planeten vergiften, sind mutige Entscheidungen der UN-Umweltversammlung von entscheidender Bedeutung”, sagt Erik Solheim, Chef der UN-Umweltagentur (UNEP). “Das gilt sowohl für Bedrohungen wie die Umweltverschmutzung als auch für den Klimawandel und die vielen anderen Umweltgefahren, denen wir gegenüberstehen.” (…)
    Der in Kenia vorgestellte UN-Bericht “Towards a pollution-free planet” hat 50 Empfehlungen aufgelistet, mit welchen Maßnahmen sich die Verschmutzung von Luft, Wasser und Böden verringern lassen. Wichtig sei hierbei der Blick auf die Qualität von Wachstum. “Das ist der Schlüssel für die Verbesserung der Lebensqualität”, sagte Ligia Noronha, Direktorin der Abteilung Umwelt der UN-Umweltbehörde. “Das erfordert eine Kultur, die eine verantwortungsbewusste Produktion unterstützt und den ungebremsten Konsum als eine erstrebenswerte Lebensweise sieht. Wir müssen anders investieren, um unsere Volkswirtschaften zu verändern, und auch den privaten Sektor dazu bringen, sauberes Wachstum zu fördern.”
    Quelle: DW
  10. Wir werden ihnen die Scham ins Gesicht treiben
    In Israel will man uns einreden, nur die politische Rechte könnte eine Mehrheit finden. Aber das Gegenteil ist wahr. (…)
    Wie oft haben wir von bekannten Kommentatoren hören müssen, dass Netanjahu von der Kritik gegen ihn nur profitiere und dass deshalb jeder Protest vergeblich sei? Wie oft haben wir enttäuscht beobachten müssen, dass die Opposition Auseinandersetzungen mit Netanjahu vermied, weil ihn das nur noch weiter stärke? Wie viele düstere Nachrufe auf die israelische Demokratie, wie viele resignierte Klagen über die Unmöglichkeit der Einflussnahme haben wir lesen müssen?
    Seit vierundfünfzig Wochen demonstrieren einige Getreue, die den Sumpf bei uns gründlich satt haben, vor dem Haus des Generalstaatsanwalts Avichai Mandelblit in Petach Tikwa. Monatelang haben unsere Hauptmeinungsmacher diesen Protest verächtlich ignoriert und höchstens kritisiert. Dennoch fanden sich an jedem Schabbat-Abend mehr und mehr Menschen ein. Man vergleiche diese Demonstrationen nur einmal mit der Räumung der illegalen Siedlung Amona. Amona stand wochenlang im Zentrum der Nachrichtensendungen und wurde rund um die Uhr mit aufgeblähter Berichterstattung bedacht. Als der Räumungsbefehl erging, fanden sich zum Kampf um Amona nicht mehr als tausend Leute ein, doch die Nachrichten posaunten immer wieder die gleichen Formeln aus: Tel Aviv ist elitär und abgehoben, Amona aber ist das Volk. (…)
    Die Öffentlichkeit rückt nirgends hin: In der entscheidenden politischen Frage, der Aufteilung des Landes, stehen sich seit Jahren zwei ungefähr gleich große Blöcke gegenüber: zwei Staaten oder nur einer? Sich von den Palästinensern trennen oder sie einbürgern? Ein Abkommen aushandeln oder die 1967 eroberten Gebiete einfach annektieren? Selbst nach fünfzig Jahren Militärherrschaft im Westjordanland, selbst unter der rechtesten Regierung, die Israel je hatte, selbst angesichts einer Opposition ohne Biss liegt noch keine seriöse Umfrage vor, die bestätigen könnte, dass die Bürger Israels die messianische Vision eines einzigen Staates vom Mittelmeer bis zum Jordan einem Teilungsabkommen mit den Palästinensern vorziehen.
    In Wahrheit gibt es in der Bevölkerung schon seit Jahren eine Mehrheit (55 Prozent gegenüber 24 Prozent, so eine aktuelle Umfrage des Tami-Steinmetz-Zentrums der Universität Tel Aviv), die die Zweistaatenlösung und die Trennung von den Palästinensern befürwortet, die Annektierung der israelischen Siedlungen im Westjordanland und die Einbürgerung von 2,6 Millionen Palästinensern dagegen ablehnt – ein erstaunliches Ergebnis, wenn man bedenkt, dass Netanjahus Regierung mehr als ein Dutzend rechte Verbände mit Millionen von Schekeln unterstützt, um die Zweistaatenlösung zu untergraben, und in den Medien ununterbrochen die Propaganda der Siedlungsverfechter widerhallt. Merkwürdigerweise nimmt die Mehrheit der Israelis an, sie wäre in der Minderheit und wer die Wahl gewinnen wolle, müsse sich als Rechter gebärden.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine
  11. “Keinen Inch weiter nach Osten”: Was den Russen zur Wiedervereinigung über die Nato versprochen wurde
    Jetzt frei gegebene Dokumente zeigen, dass die westlichen Regierungen den zu naiven Gorbatschow mit falschen Versprechungen hereingelegt haben
    Immer wieder wurde von Politikern der Nato-Mitgliedsstaaten beteuert, es habe bei den Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands keine Zusicherungen an Russland gegeben, dass sich die Nato nicht über Ostdeutschland hinaus nach Osten erweitert. An den Verhandlungen zum Zwei-plus-Vier-Vertrag haben neben der Sowjetunion, die USA, Frankreich, Großbritannien, BRD und DDR teilgenommen.
    Der damalige US-Präsident George H.W. Bush hatte zur Bedingung gemacht, dass das vereinte Deutschland Nato-Mitgliedsstaat wird bzw. bleibt. Obgleich nach dem Vertrag Deutschland “auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen” verzichtet, gab es weiterhin das Schlupfloch mit der sogenannten “nuklearen Teilhabe” an US-Atomwaffen, mit denen im Konfliktfall deutsche Flugzeuge ausgerüstet werden können. Die ostdeutschen Bundesländer müssen atomwaffenfrei bleiben: “Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt.”
    Ursprünglich hatte die Sowjetunion den Austritt Deutschlands aus der Nato gefordert, Gorbatschow stimmte schließlich zu, dass Deutschland frei über eine Bündniszugehörigkeit entscheiden kann. Man muss vermuten, dass es hier weitere Vereinbarungen gegeben haben muss, schließlich sind die Vorkehrungen für Ostdeutschland klar genug, dass hier weder ausländische Truppen noch Atomwaffen stationiert werden dürfen. Ohne eine gewisse Garantie, dass sich die Nato nicht weiter nach Osten ausdehnt, wird Gorbatschow dem Nato-Beitritt des vereinten Deutschlands wohl sonst nicht zugestimmt haben.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung unseres Lesers M.H.: …von den NachDenkSeiten bereits oft erwähnt und dokumentiert – die damalige notleidende UdSSR und das nachfolgende Russland wurden mit Bluff und Schwindel in die Irre geführt.

    Nicht nur das die NATO an die russ. Westgrenze vorrückte, nein, “unsere” geschäftsführende Kanzlerin hat der EU als Weihnachtspräsent eine EU-Armee-Beteiligung Deutschlands “geschenkt”! Stoppt denn keiner in Berlin diesen Irrsinn?!!

  12. Europäischer Rat: Komplettdemontage des Asylrechts geplant?
    Jetzt bekannt gewordene EU-Pläne übersteigen schlimmste Befürchtungen
    PRO ASYL und der Paritätische Gesamtverband befürchten, dass beim Gipfeltreffen des Europäischen Rates am 14. und 15. Dezember in Brüssel weitere Verabredungen zur Verhinderung der Inanspruchnahme des individuellen Rechts auf Asyl getroffen werden.
    Die bekanntgewordenen Zwischenstände des EU-Rates übersteigen die schlimmsten Befürchtungen. PRO ASYL und der Paritätische Gesamtverband appellieren: Die Bundesregierung – und erst recht nicht eine geschäftsführende – darf diesem Abbau des Menschenrechts auf Asyl nicht zustimmen. PRO ASYL und der Paritätische Gesamtverband fordern: Das individuelle Recht auf Asyl in Europa muss gelten! Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, brauchen Schutz – auch in Europa. Der Flüchtlingsschutz darf nicht in die Transit- und Herkunftsregionen ausgelagert werden.
    PRO ASYL und Parität warnen davor, dass die amtierende Bundesregierung ohne parlamentarische Kontrolle handelt. Menschen- und grundrechtliche Standards müssen bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) eingehalten werden. Aus der Bundestags-Drucksache 19/244, Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, werden nun die Verhandlungsstände auf EU-Ebene öffentlich (Stand 15. November 2017). Diese stoßen auf schwerwiegende juristische und politische Bedenken:
    Die Kriterien, wann ein Staat als sicher anzusehen ist (sog. sicherer Drittstaat oder erstes Asylland), sollen herabgesenkt werden. Unter den Mitgliedstaaten kursieren Vorschläge, dass es künftig schon genügen soll, dass lediglich ein Teil eines Staates als sicher angesehen wird. Zugleich soll im EU-Recht normiert werden, dass ein Flüchtling zu dem besagten Drittstaat keine Verbindung haben muss – die bloße Durchreise soll genügen. Dass der angeblich sichere Drittstaat die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert hat, wäre nicht mehr erforderlich. Sogar eine Unterbringung in Lagern in Transitländern soll ausreichen, um diese als sichere Drittstaaten einzustufen. Auch die Anforderungen an sichere Herkunftsstaaten werden so gesenkt, dass selbst die Türkei immer noch als »sicheres Herkunftsland« eingestuft werden kann.
    Quelle: Pro Asyl
  13. Jeremy Corbyn und Noam Chomsky gewinnen Internationalen Friedenspreis – Medien verschweigen es
    War da was? Vor einer Woche erhielt der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn für seinen jahrelangen unermüdlichen Einsatz für den Frieden zusammen mit Noam Chomsky den Sean-MacBride-Preis. In den Medien herrscht überwiegend Funkstille darüber.
    Vor einer Woche wurde der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn nach einer wegweisenden Rede in Genf mit einem hoch angesehenen internationalen Friedenspreis ausgezeichnet. Zusammen mit dem politischen Aktivisten und Historiker Noam Chomsky erhielt Corbyn den diesjährigen Séan-MacBride Friedenspreis – eine prestigeträchtige Auszeichnung, die der Erinnerung an den Friedenskämpfer Seán MacBride gewidmet ist, der 1974 den Friedensnobelpreis erhielt.
    Sicherlich sind einige Preise prestigeträchtiger als andere. Der Medientrubel um die Verleihung eines Friedenspreises hängt wohl auch vom Preisträger und den Präferenzen der Medien ab. Während sich die westlichen Qualitätsmedien überwiegend gern als Verfechter von Menschenrechten gerieren, war diese Preisveleihung kaum eine Meldung wert, obwohl Seán MacBride auch Gründungsmitglied von Amnesty International war.
    Corbyn erhielt die prestigeträchtige Auszeichnung für seine “nachhaltige und kraftvolle politische Arbeit für Abrüstung und Frieden” und, im Gegensatz zu fast allen anderen westlichen Mainstream-Politikern, für die Suche nach”Alternativen zum Krieg”.
    Sein jahrelanger Einsatz für die politische Botschaft der nuklearen Abrüstung habe er innerhalb als auch außerhalb des Parlaments in die Welt getragen. Als Abgeordneter im Vereinigten Königreich hat er sich über 34 Jahre lang kontinuierlich für Gerechtigkeit, Frieden und Abrüstung sowie für Alternativen zum Krieg eingesetzt. Seinen Prinzipien bleibe er auch als Chef der Labour-Party und Oppositionsführer treu und befürwortet eine Neuausrichtung der Haushaltsprioritäten, um die Militärausgaben zu kürzen und stattdessen mehr für Gesundheit, Wohlfahrt und Bildung auszugeben.
    Quelle: RT Deutsch


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