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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 29. Januar 2018 um 8:32 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. „Türkei führt Angriffskrieg auf syrischem Territorium“
  2. DIE LINKE darf nicht auch noch die Seite wechseln
  3. Abgastests an Menschen und Affen – “Absurd und unentschuldbar”
  4. Die pflichtschuldigen Klagelieder von Davos
  5. Gewerkschaft empört sich über Kaeser-Aussage
  6. Die Story im Ersten: Der Pflegeaufstand
  7. 2,7 Millionen bekommen weniger als den Mindestlohn
  8. Jobmotor Bahn
  9. Deutschlands koloniale Arroganz
  10. Neonazis in der Bundeswehr: 400 neue Verdachtsfälle
  11. Smartphone-Trojaner im Einsatz
  12. Flüchtlinge
  13. Israels Geschäft mit dem Tod
  14. Fake-News gestern und heute
  15. GRoKo
  16. Trump’s “Fake News Awards” Are Both Absurd and Dangerous
  17. Die Einsamkeit des Yanis Varoufakis – Ein echter Brüsseler Krimi

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. „Türkei führt Angriffskrieg auf syrischem Territorium“
    Die Kurden im Norden Syriens verstünden sich als “sozialrevolutionäre Bewegung”, die nach Autonomie von den Syrern strebe, sagte Nahost-Experte Michael Lüders im Dlf. “Sie ist liiert mit der PKK.” Dennoch seien die Angriffe der Türkei auf die kurdische YPG völkerrechtswidrig. (…)
    Müller: Herr Lüders, tötet die Türkei westliche Verbündete?
    Lüders: Na ja. Wenn man es auf die Spitze treiben will, kann man in der Tat sagen, dass die Kurden jetzt einen hohen Preis bezahlen. Die Kurden haben einen wesentlichen Anteil an der Bekämpfung des Islamischen Staates in Syrien wie auch im Irak geleistet und waren enge Verbündete der USA, vor allem in Syrien.
    Und nun hat sich eine neue geopolitische Konstellation aufgetan. Das Vorgehen der türkischen Regierung ist eine unmittelbare Reaktion auf Bestrebungen der USA, im Norden Syriens, vor allem in den kurdischen Gebieten, eine sogenannte Sicherheitszone einzurichten. Die USA (Außenminister Rex Tillerson) sprachen davon, bis zu 30.000 US-Soldaten dort zu stationieren mit dem Ziel, ein Wiedererstarken des Islamischen Staates zu verhindern, vor allem aber den erstarkenden Einfluss Irans auf syrischem Gebiet zurückzudrängen.
    Und vor diesem Hintergrund ist diese türkische Offensive zu sehen. Erdogan hatte die Sorge, dass die Amerikaner hier Fakten schaffen könnten und die Zusammenarbeit mit der YPG und den USA und der amerikanischen Armee noch enger werden könnte, und nun hat er sozusagen präventiv aus seiner Sicht gehandelt, indem er jetzt der YPG den Krieg erklärt hat und nun diesen Krieg in den Norden Syriens getragen hat. Die Amerikaner haben nun einen teilweisen Rückzug angetreten, haben gesagt, na ja, das können wir gerade noch so akzeptieren. Sie versuchen zu deeskalieren. Aber jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. (…)
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Jens Berger: Sehr lesenswert.

  2. DIE LINKE darf nicht auch noch die Seite wechseln
    Der Aufruf, angesichts des Absturzes des „linken Lagers“ von 52,7 Prozent 1998 auf 38,6 Prozent 2017, eine linke Sammlungsbewegung zu gründen, hat zu einer lebhaften Diskussion geführt. Unter anderem widmete der „Spiegel“ vergangenen Samstag seine Titelgeschichte diesem Thema. Der Artikel enthält viel Richtiges aber auch falsche Behauptungen:
    „Der Partei DIE LINKE, das Resultat einer früheren Zerrissenheit und einer Abspaltung von der SPD, droht dieser Tage selbst die Spaltung. Weil sie sich nicht darauf verständigen kann, wie linke Politik im Zeitalter von Globalisierung und Migrationsdruck aussieht: Offen und internationalistisch oder abschottend, nationalistisch.“
    Diese Passage enthält zwei Irrtümer: Eine Spaltung droht der Linken nicht. Mit Spaltung drohte das letzte Mal Gysi auf dem Göttinger Parteitag 2012. Und dass einige innerparteiliche Widersacher Sammlung mit Spaltung verwechseln wollen – geschenkt.
    Auch die Konfrontation von „offen und internationalistisch“ gegenüber „abschottend und nationalistisch“ gibt es nicht. Vielmehr stehen sich überspitzt formuliert Human-Nationalisten, Export-Nationalisten und Beschäftigungs-Nationalisten auf der einen Seite und Verteidiger des Sozialstaates und Befürworter fairer internationaler Zusammenarbeit auf der anderen Seite gegenüber.
    Human-Nationalismus heißt:
    Hilfe für Menschen in Not ja, aber vor allem auf deutschem Boden.
    Export-Nationalismus heißt:
    Wir produzieren mehr Waren als wir verbrauchen, auf deutschem Boden.
    Beschäftigungs-Nationalismus heißt:
    Wir exportieren Arbeitslosigkeit und schaffen so mehr Beschäftigung, auf deutschen Boden.
    Internationale Zusammenarbeit heißt:
    Hilfe für Menschen in Not auch außerhalb Deutschlands, in den Lagern, in den Hunger- und Armutsgebieten.
    Internationale Zusammenarbeit heißt:
    ausgeglichene Handelsbilanz.
    Wir kaufen anderen so viele Waren ab, wie wir ihnen verkaufen. […]
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook
  3. Abgastests an Menschen und Affen – “Absurd und unentschuldbar”
    Nach den Abgasexperimenten mit Affen will VW-Aufsichtsrat Althusmann die verantwortlichen Manager zur Rechenschaft ziehen. Auch Versuche an Menschen sollen deutsche Autokonzerne mitfinanziert haben.
    Nicht nur Affen, sondern auch Menschen wurden laut Zeitungsberichten bei Abgasversuchen dem Reizgas Stickstoffdioxid (NO2) ausgesetzt. Hinter den Tests soll die “Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor” (EUGT) stehen. Sie war 2007 von den Konzernen Daimler, VW, BMW und dem Autozulieferer Bosch gegründet worden.
    Der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Bernd Althusmann bezeichnete die Tierversuche beim Test von Dieselabgasen als “absurd und unentschuldbar”. Er erwarte neben einer vollständigen Aufklärung und einem umfassenden Bericht an den Aufsichtsrat “harte personelle Konsequenzen” für diejenigen, die für diese Tierversuche verantwortlich seien, sagte der CDU-Politiker. Die Verantwortlichen sollten umgehend ermittelt werden. “Wer mit anderen Autobauern auf solche Ideen kommt, sollte zur Rechenschaft gezogen werden.” Althusmann sagte, er sei sicher, dass Vorstand und Aufsichtsrat von Volkswagen in dieser Frage eng kooperierten.
    VW hat sich bereits für die in den USA durchgeführten Versuche entschuldigt, bei denen Affen gezielt Schadstoffen ausgesetzt worden waren. Diese Tests waren Teil einer Studie, die beweisen sollte, dass die Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen hat. Stickstoffdioxid (NO2) ist der Schadstoff, dessen Messwerte von VW in den USA jahrelang manipuliert worden waren, um die gesetzlichen Grenzwerte für Dieselfahrzeuge offiziell einzuhalten.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Manchmal fällt man beim Lesen der Nachrichten wirklich vom Glauben ab. Und solche „Menschen“ gelten in unserer Gesellschaft als „Eliten“.

  4. Die pflichtschuldigen Klagelieder von Davos
    Tausende von Menschen kommen diese Woche in Davos zusammen. Ihr kombiniertes Vermögen wird mehrere hundert Milliarden Dollar betragen, vielleicht sogar eine knappe Billion. Niemals in der Menschheitsgeschichte wird der Reichtum pro Quadratmeter höher sein. Und was wird in diesem Jahr bereits zum sechsten oder siebten Mal in Folge eines der Hauptthemen sein, mit dem sich diese Industriekapitäne, Millionäre und Arbeitgeber von Tausenden von Menschen aus allen Ecken der Welt auseinandersetzen? Die Ungleichheit.
    Im Vorbeigehen und wahrscheinlich am Rande des offiziellen Programms werden sie sich auch mit dem immensen Angebots- und Nachfragemonopol ihrer Konzerne beschäftigen, mit ihrer Fähigkeit, eine Gerichtsbarkeit gegen die andere auszuspielen, um Steuern zu vermeiden, wie sich die Gewerkschaften aus den Betrieben verdrängen lassen und staatliche Ambulanzen genutzt werden können, um wegen Hitze in Ohnmacht gefallene Arbeiter zu versorgen (um Ausgaben für die Klimaanlage zu sparen), oder wie man eine durchschnittliche Steuer zwischen null und zwölf Prozent bezahlen kann (Trump zu Romney).
    Wenn sie aus einem Schwellenland kommen, können sie auch Erfahrungen austauschen, wie sich die Auszahlung von Löhnen mehrere Monate lang verzögern lässt, während man diese Mittel gleichzeitig zu hohen Zinsen investiert, wie man bei Arbeitsschutzstandards sparen kann oder wie man privatisierte Unternehmen für einen Spottpreis kauft und sich eine Briefkastenfirma in der Karibik oder auf den Kanalinseln aufbauen lässt.
    Quelle: Branko Milanovic auf Makronom
  5. Gewerkschaft empört sich über Kaeser-Aussage
    Eine Äußerung von Siemens-Chef Joe Kaeser am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos ist bei der IG Metall auf Unverständnis gestoßen. Kaeser hatte bei einem Abendessen am Vorabend US-Präsident Donald Trump für dessen Steuerreform beglückwünscht und erklärt, angesichts der erfolgreichen Reform habe Siemens entschieden, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln. Die Gasturbinen gehören zur Kraftwerkssparte, in der Siemens weltweit wegen Nachfrageschwäche und Preisverfall rund 6900 Arbeitsplätze abbauen will, davon etwa die Hälfte in Deutschland.
    Der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Klaus Abel, nannte Kaesers Äußerungen mit Blick auf die Sorgen der Menschen um ihre Jobs „unverantwortlich“. Offensichtlich gebe es doch eine Nachfrage für die Gasturbinen, und es gehe dem Unternehmen vor allem darum, eine höhere Marge zu erzielen. Allein in Berlin stünden rund 900 Siemens-Arbeitsplätze auf der Kippe.
    Ein Unternehmenssprecher wies die Kritik zurück. Es sei üblich, dass für lokale Märkte bestimmte Gasturbinen auch vor Ort entwickelt, getestet und produziert würden, zumal sie für die unterschiedlich ausgestatteten Stromnetze ausgelegt seien. Die Entwicklung der Turbinen in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina stehe mit den für Deutschland angekündigten Einschnitten in keinerlei Zusammenhang.
    Quelle: Handelsblatt
  6. Die Story im Ersten: Der Pflegeaufstand
    Noch nie lebten in Deutschland so viele Menschen in Pflegeheimen. Und noch nie stand Pflege so sehr in der Kritik: Weil der Verdacht besteht, dass die deutsche Pflegegesetzgebung die Würde des Menschen nicht ausreichend schützt, ruft eine Gruppe von Klägern die Instanz an, die über das Grundgesetz wacht – das Bundesverfassungsgericht. Der Vorwurf: Der Staat vernachlässigt seine Schutzpflicht für hunderttausende pflegebedürftige Menschen und gefährdet damit Grundrechte. (…)
    Der Film nimmt die Beschwerde vor dem Verfassungsgericht zum Ausgangspunkt, um das System der Pflege zu hinterfragen. Wie ist das Pflegesystem seit der Einführung der Pflegeversicherung 1995 in Deutschland organisiert, finanziert und wie wird Pflege kontrolliert? Welche Folgen hat es, dass die Pflegebranche seitdem zu einem lukrativen Markt geworden ist, der von den Marktakteuren weitestgehend selbst verwaltet wird und die sogar ihre eigenen Kontrollkriterien mitbestimmen dürfen? (…)
    Die Reise führt u. a. zu politischen Akteuren, zur Vorstandsvorsitzenden des größten europäischen Pflegekonzerns, zur Kontrolleurin des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, zum Quereinsteiger, der sein Pflegeheim eigentlich nur gekauft hat weil er ein gutes Geschäft vermutete, zu den Juristen, die die Beschwerde vor dem Verfassungsgericht ausgearbeitet haben und in ein kleines privates Pflegeheim in Bayern, das beweist: Man kann gute und menschliche Pflege gewährleisten.
    Es gibt keine einfache Antwort, kein simples Urteil. Aber es gibt ein grundsätzliches Problem: Pflege ist zu einem lukrativen Geschäft geworden – und das System der weitgehenden Selbstverwaltung lässt Marktkräfte wirken, die die Interessen der Pflegebedürftigen ins Hintertreffen bringen.
    Quelle: Das Erste
  7. 2,7 Millionen bekommen weniger als den Mindestlohn
    • 2,7 Millionen Arbeitnehmer arbeiteten im Jahr 2016 für Gehälter unterhalb des Mindestlohns, wie eine neue Studie zeigt.
    • In Betrieben ohne Betriebsrat und Tarifvertrag wird gegen das Mindestlohn-Gesetz besonders häufig verstoßen.
    • Eine positive Entwicklung gibt es aber: Viele Geringverdiener werden seit Einführung des Mindestlohns spürbar besser bezahlt.

    Kellner verdienen weniger als den Mindestlohn, weil sie ihre vertraglichen Arbeitszeiten überschreiten. Lastwagenfahrer bekommen nur für Fahrten Geld, nicht aber für Pausen. Auf Baustellen wird die gesetzliche Lohnuntergrenze von jetzt 8,84 Euro durch den Einsatz von Scheinselbständigen unterlaufen. Für Verstöße gegen den Mindestlohn haben die Unternehmen 2017 mehr als 4,2 Millionen Euro Bußgeld bezahlt. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums leitete die Finanzkontrolle Schwarzarbeit etwa 2500 Ermittlungsverfahren ein, weil Arbeitgeber das Mindestlohngesetz nicht einhielten.
    Nun zeigt eine neue Studie: In Betrieben ohne Betriebsrat und Tarifvertrag wird gegen das Gesetz besonders häufig verstoßen. Fehlte beides, erhielten 18,6 Prozent der Beschäftigten nicht einmal den Mindestlohn. Das sind mehr als fünfmal so viele wie in Betrieben mit Arbeitnehmervertretung und Tarifvertrag. Dort lag die Quote der Mindestlohn-Umgehungen 2016 bei nur 3,2 Prozent. Dies geht aus einer Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor, die an diesem Montag veröffentlicht wird. Die Angaben beruhen auf einer Auswertung des sozio-ökonomischen Panels. Dabei werden jedes Jahr in Deutschland etwa 30 000 Menschen in fast 11 000 Haushalten befragt, was sie arbeiten und verdienen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  8. Jobmotor Bahn
    19.000 neue Mitarbeiter will die Deutsche Bahn in diesem Jahr einstellen, davon 4000 Auszubildende und Dualstudierende. Das bestätigte eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Nachfrage von tagesschau.de. Darunter seien mehr als 1000 Lokführer und Lokführer-Lehrlinge.
    Die Neueinstellungen begründete das Unternehmen mit dem Wachstum und digitalen Ausbau des Unternehmens. Durch die Digitalisierung des Schienennetzes will die Deutsche Bahn 20 Prozent mehr Züge fahren lassen und damit Tausende zusätzliche Züge am Tag ermöglichen. Somit baue der Konzern auch Berufsbilder mit neuen IT-Kompetenzen aus. Die Bahn sucht einer Sprecherin zufolge vor allem Ingenieure, Programmierer, Elektroniker und Kundenbetreuer. Auch Lokführer und Gleisbauer würden gesucht. (…)
    Ein anderer Grund für die zusätzlichen Einstellungen: Viele Bahn-Mitarbeiter werden sich einem Bahnsprecher zufolge in den kommenden Jahren in den Ruhestand verabschieden. Eine genaue Zahl konnte das Unternehmen nicht vorlegen. Derzeit beschäftigt die Bahn nach eigenen Angaben weltweit mehr als 320.000 Mitarbeiter, davon knapp 200.000 in Deutschland. In den vergangenen fünf Jahren stellte sie 60.000 Mitarbeiter neu ein und erneuerte damit rund ein Drittel ihrer Belegschaft in Deutschland.
    Quelle: tagesschau.de

    Anmerkung unseres Lesers A.L.: Wenn die beabsichtigten Personaleinstellungen dazu führen, dass der Bahnverkehr für die Kunden wieder verläßlich und pünktlich wird, kann das nur begrüßt werden.

  9. Deutschlands koloniale Arroganz
    Bei der Abwehr von Entschädigungsforderungen wegen des deutschen Genozids an den Herero und den Nama sieht sich Berlin zu einem Strategiewechsel gezwungen. Blieb die Bundesregierung bisher einem Entschädigungsverfahren, das im Januar 2017 in New York gegen sie eröffnet wurde, fern und verweigerte die Annahme der Gerichtsunterlagen, um den Abbruch des Prozesses zu provozieren, so geht sie nun dazu über, einen Vertreter zu den Gerichtsterminen zu entsenden. Grund dafür ist nicht der massive Protest der Opfernachfahren, sondern eine politische Intervention der US-Botschaft in Berlin, die sich die offene Missachtung eines US-Gerichts durch die Bundesrepublik nicht länger bieten lässt. Die Bundesregierung legt dabei jedoch Wert auf die Feststellung, sie erkenne die Rechtmäßigkeit des New Yorker Prozesses nicht an – weil ihr angeblich “Staatenimmunität” zustehe. Nachfahren der Opfer ziehen mittlerweile in Betracht, Land zu besetzen, das den Herero und den Nama einst geraubt wurde und bis heute im Besitz von Nachkommen deutscher Kolonialisten ist.
    In den Prozess, den Vertreter der Herero und der Nama vor einem New Yorker Gericht gegen Deutschland angestrengt haben, um eine Entschädigung für die deutschen Kolonialverbrechen an ihren Vorfahren zu erhalten, kommt Bewegung. Ein Jahr lang hatte die Bundesregierung versucht, dem am 5. Januar 2017 eröffneten Verfahren durch eine konsequente Blockadepolitik zu entgehen: Sie behauptete, nichts von der Klage zu wissen und daher keinen Vertreter zu den New Yorker Gerichtsterminen entsenden zu können. Möglich war dies dank aktiver Unterstützung durch den Justizsenator des rot-rot-grün regierten Senats in Berlin, der laut internationalen Übereinkünften formell für die Entgegennahme der Prozessunterlagen aus den USA und für ihre Weiterleitung an die Bundesregierung zuständig ist. Der Senator, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, verweigerte jedoch die Annahme der Papiere. Vorgeschoben wurden formaljuristische Argumente; so hieß es in internen Vermerken, die deutschen Kolonialverbrechen seien “Ausfluss hoheitlicher Handlungen (acta iure imperii) des Deutschen Reiches” gewesen, während die Berliner Verwaltung nur verpflichtet sei, Unterlagen in zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren an die Beklagten zu übermitteln (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Sämtliche Prozesstermine im vergangenen Jahr blieben wegen der Abwesenheit von Vertretern der Bundesregierung ergebnislos oder fielen gänzlich aus.
    Quelle: German Foreign Policy
  10. Neonazis in der Bundeswehr: 400 neue Verdachtsfälle
    Seit der Affäre um den rechtsextremen Soldaten Franco A. geht der Militärgeheimdienst MAD so vielen Hinweisen auf mutmaßliche Rechtsextremisten in der Bundeswehr nach wie seit Jahren nicht mehr. 2017 seien 400 neue Verdachtsfälle hinzugekommen, teilte die Behörde der Deutschen Presseagentur mit. Seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 waren es bisher im Schnitt 300 pro Jahr.
    Ein Auslöser war den Angaben zufolge der Fall des rechtsextremen Oberleutnants Franco A., der einen Anschlag geplant haben soll. Im Zuge dessen habe der MAD »einen Anstieg des Meldeaufkommens im Phänomenbereich Rechtsextremismus« verzeichnet, berichtete ein Sprecher.
    Quelle: junge Welt
  11. Smartphone-Trojaner im Einsatz
    Die Polizei rüstet digital auf: Das Bundeskriminalamt (BKA) hat damit begonnen, Trojaner für die Überwachung von Smartphones und Tablets einzusetzen. Wie NDR, WDR und “Süddeutsche Zeitung” aus Sicherheitsbehörden erfuhren, wird die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) bereits in laufenden Ermittlungsverfahren angewendet. Demnach überwacht das BKA mit dem neuen Trojaner vor allem die Kommunikation von Messenger-Diensten wie WhatsApp, Telegram und Signal von verdächtigen Personen. Diese Dienste nutzen standardmäßig Verschlüsselungen, an denen das BKA bisher gescheitert ist. (…)
    Bei dem nun eingesetzten Staatstrojaner handelt es sich um ein Programm, das heimlich aufs Handy aufgespielt wird. Dort macht es zum Beispiel Bildschirmfotos (“Screenshots”) und schickt diese Fotos von geschriebenen Nachrichten direkt an die Ermittler.
    Das BKA bestritt auf Anfrage nicht die Existenz des neuen Trojaners, wollte aber keine Auskunft darüber erteilen, ob und wie häufig das Überwachungsprogramm bereits zum Einsatz gekommen ist.
    Quelle: tagesschau.de

    Dazu: Der Staatstrojaner frisst die Grundrechte auf
    Noch nie gab es in der Geschichte der Bundesrepublik einen größeren, umfassenderen, weitreichenderen, heimlicheren und gefährlicheren Grundrechtseingriff: Das Bundeskriminalamt hat damit begonnen, sogenannte Staatstrojaner auf privaten Computern, Laptops und Handys zu installieren. Damit können sämtliche Daten ausgeleitet, damit kann das gesamte Computer-Nutzungsverhalten eines Menschen in Gegenwart und Vergangenheit überwacht werden.
    Vor dem Zugriff ist nichts und niemand sicher; auf verschlüsselte Informationen – wie bei Whatsapp – wird schon zugegriffen, bevor sie verschlüsselt werden. Möglich ist auch der Live-Zugriff, also der heimliche Blick über die Schulter des Betroffenen. Die Eingriffsintensität sprengt alles bisher im Rechtsstaat Bundesrepublik Dagewesene.
    Natürlich sind im Gesetz über die Quellen-Telekommunikations-Überwachung (es wurde im vergangenen Sommer hastig verabschiedet) Voraussetzungen für diesen Zugriff formuliert, den Richter genehmigen müssen. Aber die Voraussetzungen sind vage und die Fähigkeiten der Trojaner entfalten sich außer Kontrolle der Richter; die Betroffenen erfahren vom Zugriff irgendwann in ferner Zukunft, wenn keine “Zweckgefährdung” mehr zu befürchten ist. Der Staatstrojaner ist der lebende Beweis dafür, dass in Terrorzeiten das staatliche Sicherheitsbedürfnis strukturell unstillbar ist. Deshalb ist die furchtbarste Eigenschaft des Staatstrojaners diese: Er frisst die Grundrechte auf.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  12. Flüchtlinge
    1. Büttenrede von Hessens Innenminister über Flüchtlinge
      Karneval hieß eigentlich, dass sich das Volk über die Obrigkeit lustig macht, nicht umgekehrt.
      Aber Hessens Innenminister Beuth spottet in dieser grauenhaften Büttenrede lieber über minderjährige Flüchtlinge (!), von denen bekanntermaßen viele schwer traumatisiert und vor Kriegen geflohen sind, Angehörige verloren haben und ihre Familien zurücklassen mussten. Was daran lustig sein soll, derart nach unten zu treten, und sich über Menschen lustig zu machen, die oft Schlimmes erlebt haben, ist mir ein Rätsel.
      Und so schlimm wie der Inhalt ist auch die Art des Vortrags.
      Peinlich dieser Innenminister.
      Quelle: Janine Wissler via Facebook
    2. Wie eine Zeitarbeitsfirma Flüchtlinge integriert
      Bei Social Bee geht es nicht ums knallharte Geschäft, sondern darum, Asylbewerber in kurzer Zeit fit zu machen für den Arbeitsmarkt. (…)
      Social Bee ist eine Zeitarbeitsfirma. Das heißt, die Flüchtlinge sind dort angestellt, werden aber an Firmen “verliehen”. Diese Unternehmensform sei für sie ein praktisches Konstrukt, sagen die Gründer Zarah Bruhn, 26, und Maximilian Felsner, 27. Zeitarbeitsfirmen seien ja normalerweise “ein knallhartes Geschäft”, so Felsner. Bei Social Bee aber habe man sie neu interpretiert. Nicht umsonst ist die Firma mit dem sozialen Namen als gemeinnützig anerkannt, das Unternehmen arbeite ohne Gewinnerzielungsabsicht, der gesellschaftliche Mehrwert stehe im Vordergrund. “Wir sind ein Integrationsdienstleister”, betont Bruhn.
      Die Flüchtlinge sind bei Social Bee angestellt und verdienen mindestens 9,23 Euro die Stunde, je nach Branche können Zuschläge dazu kommen. Zur Verfügung gestellt werden ihnen ein MVV-Ticket und Sprachkurse sowie eine Sozialpädagogin als Ansprechpartnerin. Den Unternehmen, in denen die Mitarbeiter eingesetzt werden, nimmt Social Bee sämtliche Formalitäten ab, von der Auswahl des passenden Kandidaten über die Arbeitserlaubnis bis zur Motivation.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung unseres Lesers T.S.: Derzeit sind in vielen deutschen Großstädten Werbeplakate des Münchener Startup Unternehmens “Social Bee” zu sehen. Auf diesen Plakaten werden Flüchtlinge als billige Arbeitskräfte angepriesen.
      Die Slogans grenzen dabei an Real-Satire:

      “Ich bin zielorientiert. Auf der Flucht war ich drei Monate lang zu Fuß unterwegs.”

      Oder:

      “Ich bin stressresistent. Auf der Flucht wurde ich verhaftet und mehrere Tage verhört”. (…)

      Gesponsert wird das Ganze von globalen Firmen wie Facebook, aber auch von der Werbeagentur Jung von Matt, die bswp. für die Wahlampagne von Angela Merkel zuständig waren. Bei den Jobs handelt es sich natürlich um keine Festanstellungen, sondern um billige Leih- und Zeitarbeitsverhältnisse.
      Meines Erachtens zeigt sich an dieser Aktion die ganze Perversion des neo-liberalen Wirtschaftsystems. Selbst eine Flucht vor Krieg oder Hunger wird zu einer “unternehmerischen Leistung” stilisiert, die dem Interesse von Unternehmen dienen könnte.
      Es geht mir bei der Kritik dieser Aktion keineswegs um ein nationalistische Drohgebärden, dass billige ausländische Arbeitskräfte “unsere” Arbeitsplätze gefährden. Viel eher zeigt diese Aktion, wie rücksichtslos und, man kann es nicht anders ausdrücken, menschenverachtend neo-liberale Akteure selbst mit den Schwächsten unserer Gesellschaft umgehen.

      Ergänzende Anmerkung Christian Reimann: Der „SZ“-Artikel ist zwar etwa ein halbes Jahr alt, dürfte aber dennoch kaum etwas an Aktualität eingebüßt haben.

      Bemerkenswert ist auch, dass die Firma auf ihrer Homepage darauf hinweist: „Bekannt aus“ und dann u.a. die Süddeutsche Zeitung nennt.

  13. Israels Geschäft mit dem Tod
    Die geheimen Waffenlieferungen an Diktaturen
    Von Myanmar über Südsudan bis in die arabischen Golfstaaten versucht Israel, seine Waffenlieferungen an Diktatoren zu vertuschen, die in brutale Kriege verwickelt sind.
    Israel bildet sich viel darauf ein, eine freie, demokratische Gesellschaft zu sein, ein Teil der westlichen Welt. Nun ja, nicht wirklich. Zumindest wenn es um zwei wichtige Bereiche geht.
    Einer davon – die alles andere überragt – ist die Besatzung des Westjordanlands unter der eisernen Faust des israelischen Militärs, die ihren palästinensischen Bewohnern sämtliche bürgerlichen und demokratischen Grundrechte vorenthält.
    Der zweite Bereich, in dem der Mangel an Transparenz offensichtlich ist und die Regierung versucht hat, Informationen zu vertuschen, sind die Militärexporte des Landes. Auch hier ist die Zensur allgegenwärtig und unterdrückt sämtliche Informationen, die die Regierung und das Sicherheitsestablishment möglicherweise in Misskredit bringen könnten. Wir reden hier von Waffenverkäufen an Diktatoren, Terrorregimes, Verletzer von Menschenrechten und anderen zwielichtigen Regierungen.
    Quelle: JusticeNow!
  14. Fake-News gestern und heute – CIA-Veteran blickt auf 70-jährige Geschichte von Desinformation zurück
    Das Thema Desinformation ist in aller Munde. Westliche Medien zeigen selbstgerecht mit dem Finger auf Russland, das angeblich eine solche betreibe. CIA-Veteran Philip Giraldi blickt hingegen auf eine diesbezügliche 70-jährige Praxis im US-Geheimdienst zurück.
    Der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, hat jüngst den Fake-News-Award an US-amerikanische Kanäle und Zeitungen wie die New York Times vergeben. Die Zeitung hat sich seit Trumps ersten Erfolgen im Wahlkampf bei kritischen Berichten über den späteren Wahlsieger auch auf vertrauliche Informationen von Geheimdiensten berufen. Die Vorstellung, dass Geheimdienste die Berichterstattung großer Medien beeinflussen könnten, wird aber vor allem Auslandsmedien zugeschrieben, vor allem russischen Kanälen. Erst vor wenigen Monaten hat die US-Regierung RT America gezwungen, sich als “ausländischer Agent” zu registrieren und in den westlichen Medien wiederholen sich die Vorwürfe angeblicher russischer Desinformationskampagen ständig und unkritisch.
    Fake-News sind laut Duden “in den Medien und im Internet, besonders in den Social Media, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen”. Zudem wird die Bezeichnung gern als Kampfbegriff verwendet, um bestimmte Meldungen oder Quellen von Meldungen zu diffamieren oder gar offen zu zensieren.
    Geheimdienste machen sich im Rahmen ihrer verdeckten Aktionen bereits seit Jahrzehnten die Möglichkeit zunutze, gefälschte Nachrichten, so genannte “Desinformation”, zu verbreiten, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen oder das Funktionieren einer Regierung oder einer Gruppe zu stören, die man als feindlich ansieht. Der US-Auslandsnachrichtendienst CIA baue diesbezüglich mittlerweile auf eine seit gut 70 Jahren erprobte Praxis, schreibt Philip Giraldi. Dieser blickt auf eine reichhaltige eigene praktische Erfahrung im US-Geheimdienst zurück, gut 18 Jahre lang arbeitete er selbst für die CIA in der Türkei, Italien, Deutschland und Spanien, anschließend war er als Berater und Kommentator tätig.
    Quelle: RT Deutsch
  15. GRoKo
    1. Schulz strebt offenbar Ministeramt an
      Die heute begonnenen Koalitionsverhandlungen von Union und SPD sollen möglichst bis zum vierten Februar abgeschlossen werden. (…)
      Die Sozialdemokraten drängen auf Änderungen in der Gesundheitspolitik, beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sowie bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie rief die Verhandlungspartner auf, in der Wirtschaftspolitik mehr Ambition und Gestaltungskraft zu zeigen.
      Sollte eine neue Große Koalition zustandekommen, will SPD-Chef Schulz nach Informationen des “Spiegel” ein Ministeramt übernehmen. Das Magazin berichtet unter Berufung auf einen der stellvertretenden Parteivorsitzenden, Schulz habe mehreren Mitgliedern der SPD-Spitze zu verstehen gegeben, dass ein Verzicht für ihn nicht in Frage komme. Der designierte SPD-Chef in Thüringen, Tiefensee, hatte einen Verzicht von Schulz gefordert und argumentiert, Schulz müsse zu seinem Wort stehen. Der SPD-Bundesvorsitzende hatte nach der Bundestagswahl ausgeschlossen, dass er ein Minsteramt in einem Kabinett Merkel übernehmen könnte. Allerdings hatte er damals auch eine Neuauflage der Koalition mit CDU und CSU vehement abgelehnt. Laut “Spiegel” ist Schulz am Außen- oder am Finanzministerium interessiert. Auch CSU-Chef Seehofer wolle unter bestimmten Voraussetzungen ins Kabinett eintreten.
      Quelle: Dlf24

      Anmerkung Christian Reimann: Von wegen „Erneuerung“ der SPD. Das Spitzenpersonal der SPD scheint offenbar zielgenau jedes „Fettnäpfchen“ anzusteuern: Nun dürfte die Glaubwürdigkeit – insbesondere die des SPD-Bundesvorsitzenden Schulz – komplett ruiniert sein. Nicht mal ein Dementi für das Anstreben eines Ministeramtes soll es gegeben haben.

      Und weshalb sollen die Koalitionsverhandlungen plötzlich so schnell gehen? Sollte etwa doch nicht ernsthaft verhandelt werden? War das „dummes Geschwätz von gestern“ – lediglich um die Mehrheit der Delegierten auf den Parteitag zu bekommen?

      Hat die SPD-Spitze um die Herren Schulz und Klingbeil, aber auch Frau Nahles sowie die Herren Gabriel, Oppermann und Scholz Angst, dieses Mal könnte das Ergebnis der Mitgliederentscheidung anders ausfallen als offenbar gewünscht – nach 2013 dieses Mal gegen eine erneute Koalition mit den Unionsparteien? Machen sich diese Personen eigentlich Sorgen um die Menschen in diesem Land oder doch eher um das eigene Wohlergehen?

    2. Was vom “Neustart” übrig blieb
      Ein Pflege-Azubi, der sich mit Kanzlerin Merkel anlegt. Diese Szene aus der TV-Wahlarena hat Schlagzeilen gemacht und das Thema kurz vor der Bundestagswahl auf die politische Bühne katapultiert.
      “Jeden Tag wird Artikel 1 Grundgesetz gebrochen, ‘die Würde des Menschen ist unantastbar'”, empörte sich damals der 21-jährige Alexander Jorde. Ein Pfleger für 20 Patienten; Menschen, die stundenlang in ihren Ausscheidungen lägen; Pflegekräfte kurz vorm Burnout. Seine Entrüstung, seine Wut und seine mutigen Gegenfragen an Merkel elektrisierten Zuschauer, Medien und auch Politiker.
      In der Wahlarena machte die CDU-Vorsitzende Merkel eher vage Aussagen, doch das Thema nahm Fahrt auf. Eine Woche später legte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in der TV-Wahlsendung nach: Er stellte “einen kompletten Neustart” in der Pflegepolitik in Aussicht und versprach 30 Prozent mehr Gehalt. (…)
      Und jetzt? Gut vier Monate später treffen wir Alexander Jorde an seinem Arbeitsplatz im Krankenhaus in Hildesheim. Das Sondierungspapier hat er längst gelesen, nur statt Neustart liest er daraus ein “Weiter so”. “In der Politik ist noch nicht angekommen, wie groß der Handlungsbedarf ist. Das Thema Pflege sollte eigentlich mit ganz vorne im Sondierungspapier stehen und nicht erst mittendrin mit ein paar Nebensätzen.”
      Auch Professor Heinz Rothgang ist ernüchtert von dem, was er auf Seite 14 des 28-seitigen Sondierungspapiers zum Thema Pflege liest. “Da stehen in erster Linie Dinge drin, die schon auf den Weg gebracht wurden und teilweise schon im Gesetz festgeschrieben sind”, meint der Experte.
      Ein Beispiel: Bereits 2015 hatte der Bundestag mehr Personal für Altenpflegeheime versprochen. Dafür sollte ein Personalschlüssel entwickelt werden. Der Auftrag ging an das Institut von Heinz Rothgang in Bremen und seitdem arbeitet er fast täglich daran. Entsprechend verwundert ist der Professor, dass dieses Vorhaben nun als Ergebnis der Sondierungsgespräche dargestellt wird.
      Auch die im Papier angekündigten 8000 zusätzlichen Fachkraftstellen in Pflegeeinrichtungen sorgen eher für Kopfschütteln. “In Deutschland gibt es 13.000 Altenpflege-Einrichtungen, wenn wir nun 8000 neue Stellen bekommen, dann bedeutet das nicht mal für jede Einrichtung eine neue Stelle”, erklärt die ver.di Fachbereichsleiterin Sylvia Bühler. “Damit löst man natürlich das dringende Problem nicht.”
      Quelle: tagesschau.de
  16. Trump’s “Fake News Awards” Are Both Absurd and Dangerous
    Behavioral science research suggests they could actually give weight to his media-bashing agenda
    Donald Trump’s “Fake News Awards” for what he calls “the most corrupt & biased of the Mainstream Media” have drawn mockery. However, behavioral science research suggests they are deadly serious. These awards could create an institution for Trump’s relentless attacks on mainstream media and position Trump as the only voice who gets to determine truthful media. Unfortunately, the typical style of news coverage will perpetuate Trump’s agenda. However, a different style informed by behavioral science strategies would convey more accurate information and address the damage from the Fake News Awards.
    The purpose of any award is to create an institutionalized way of promoting a certain cause through drawing public attention. As an example, consider perhaps the most well-known prize in the world, the Nobel Prize, awarded for the most important scientific and cultural advances. Every year, the media is filled with headlines describing the awards and their recipients, resulting in significant public attention that uplifts the importance of science and culture.
    This attention taps into the “availability heuristic,” our tendency to assign excessive importance to whatever happens to be at the forefront of our minds, and the “priming effect,” where we perceive exaggerated connections between past and future stimuli. Thus, the Nobel Prize causes the public to focus on scientific and cultural achievements, and interpret future advances in light of the winners of last year’s Nobel Prize.
    Quelle: Scientific American

    Anmerkung unseres Lesers O.S.: Ein aufschlussreicher Artikel über verhaltenswissenschaftliche Wirkprinzipien der Meinungsmache am Beispiel von Trump´s Fake News Awards mit Vorschlägen dem zu begegnen, sehr lesenswert (in englisch).

  17. Die Einsamkeit des Yanis Varoufakis – Ein echter Brüsseler Krimi
    Dies ist die Selbstauskunft eines echten tragischen Helden in der Europäischen Union. 162 Tage war Yanis Varoufakis 2015 Finanzminister des linken Parteienbündnisses Syriza in Griechenland.In einer gigantischen Anstrengung versuchte er, die EU und die internationalen Gläubiger davon zu überzeugen, ein Konzept ökonomischer Vernunft für sein bankrottes Land zu akzeptieren – und scheiterte krachend. Nun beschreibt er minutiös den Prozess seines Scheiterns – und liefert so ein Lehrbuch für alle, die sich mit der Hoffnung auf eine emanzipatorische Veränderung systemischer Macht in die institutionelle Politik wagen. Es geht also um Macht.
    Gleich zu Beginn gibt Varoufakis eine Einschätzung systemischer Macht von globalen Banken, multinationalen Konzernen und von Regierungen. Er spricht von „Super Black Boxes“, die auch von den Akteuren nicht ganz verstanden werden: „Was sich für viele wie eine Verschwörung der Mächtigen anfühlt, ist einfach etwas, das bei jedem Netzwerk von Super Black Boxes spontan entsteht“(S.19). Der Schlüssel dazu seien Exklusion und Intransparenz, die Outsider entweder ausschließen oder kooptieren. „Solche Netze entwickeln sich organisch und werden von einer Eigendynamik angetrieben, die kein Einzelner kontrollieren kann …“(S.20). Deutlich wird an Varoufakis’ Beispiel aber auch, dass es für die Teilhabe an diesen Netzwerken vor allem um die eisenharte Einhaltung der hier herrschenden Regeln geht und die Akteure jeden Regelverstoß mit kollektiver Bestrafung ahnden. „Goodsmelling Natives“ nannte der Berliner Künstler Thomas Schulz sie in einem seiner Projekte über die Brüsseler Szenerie.
    Quelle: kassel-zeitung


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