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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 30. Januar 2018 um 8:15 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Gabriele Krone-Schmalz: „Sanktionen sind eine Katastrophe“
  2. Could this be our Momentum moment in Germany?
  3. Plötzlich „Rechtspopulistin“
  4. Die Misere der deutschen Linken – und ein Ausweg
  5. Jugendforscher zur Haltung junger Politiker “Noch nie so angepasst”
  6. Davos – das globale Kapital ist begeistert von Trumps Offerten
  7. Feudale USA
  8. Afrin: Entfesselte Geopolitik
  9. Syrische Kurden zwischen Krieg, Erpressung und Verrat
  10. GroKo in spe attackiert Mitbestimmung
  11. Fast jede zweite Anstellung in der Leiharbeit
  12. Holt euch, was euch zusteht!
  13. Wie das TINA-Prinzip die Demokratie schwächt
  14. Auffangländer für Flüchtlinge
  15. Tagesschau macht Buhrufe gegen Trump lauter – Manipulation oder „journalistische Präzision“?
  16. Der Philosophen-Präsident Emmanuel Macron
  17. Thomas Fischers Zeit-kritische Anmerkungen zum Medien-„Tribunal“ gegen Dieter Wedel
  18. Robert Parry’s Legacy and the Future of Consortiumnews

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Gabriele Krone-Schmalz: „Sanktionen sind eine Katastrophe“
    Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund, wieso Russland im Westen dämonisiert wird?
    Gabriele Krone-Schmalz: Zum einen sind viele Vorstellungen und Denkmuster, die aus der Zeit des Kalten Krieges stammen, noch immer sehr stabil. Zum anderen hilft ein simples Gut-Böse-Schema dabei, sich in einer Welt, die immer komplizierter wird, besser zu orientieren.
    Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Antirussismus“, den Sie in Ihrem aktuellen Buch „Eiszeit“ verwenden?
    Krone-Schmalz: Antirussismus habe ich erwähnt, weil es den Begriff im Gegensatz zum Antiamerikanismus eigentlich gar nicht gibt. Bei der Google-Suche wird man gefragt, ob man sich nicht vertippt und stattdessen Antirassismus gemeint habe. Wenn es den Begriff Antirussismus im allgemeinen Sprachgebrauch gäbe, dann würde man einige Themen womöglich anders beurteilen. […]
    Quelle: Ostexperte
  2. Could this be our Momentum moment in Germany?
    […] The parallels to Corbyn and Momentum are striking. Within the SPD as within Labour, the struggle pitches a grassroots longing for change against an establishment offering more of the same. In a dynamic redolent of the Corbyn leadership campaigns, thousands have joined the SPD since Sunday to vote in the ballot.
    Similarly, the NoGroKo campaign is an attempt to rejuvenate a decaying social democratic party, rather than start a new one. It has inspired an alliance between the young, older members, returning members and the broader left. As with Labour, it’s this alliance that can credibly renew the party from below.
    Most of all, Corbyn and Momentum’s success in completely reframing the British political narrative gives us the most precious resource: hope. Our greatest obstacle is not the SPD leadership, but rather the resignation of those do not yet believe that meaningful change is possible. Momentum provides the blueprint, vision and skills – but more than that, proof of concept.
    The assertion by some in the SPD establishment that a Corbyn-style shift would be impossible for the SPD in the German proportional representation system betrays how badly they misunderstand the Corbyn phenomena. Supporters did not flock to Corbyn’s Labour because of his personality – but rather because he credibly represented an unflinching set of values.
    Quelle: Steve Hudson im Guardian

    Anmerkung Jens Berger: Hudsons nette Geschichte hat einen gewaltigen Haken. In Großbritannien kam die „Revolution“, gefördert durch mutige Gewerkschaften, von oben und wurde durch die Basis mit massenhaften Parteieintritten gerettet. In der SPD ist „oben“ niemand, der glaubhaft eine Alternative vertreten könnte und die Gewerkschaften sind konservativ bis ins Mark und zertrampeln jede progressive Idee bereits im Keimstadium. Beim Momentum gab es immer eine Perspektive auf einen progressiven Wandel. Bei der SPD gibt es diese Perspektive nicht, so traurig es ist.

  3. Plötzlich „Rechtspopulistin“
    Die gesinnungsrichtlichen Leitplanken werden immer enger gelegt. „Linke“ machen bei diesem Treiben bedenkenlos mit. Wer es wie Sahra Wagenknecht wagt, auszuscheren, bekommt von der politisch korrekten Wohlfühlgemeinschaft Hausverbot.
    Das Beispiel Sahra Wagenknecht zeigt einmal mehr, welch totalitäres Potenzial der Schutz der liberalen Wertegemeinschaft vor sich selbst haben kann. Denn dieser Selbstschutz zielt auf die chronische Entkernung des Schlagabtauschs, die Kassierung missliebiger Meinungen. Der schriller werdende Ton, der immer wahllosere Rückgriff auf Totschlag Argumente und Rassismuskeulen, auf persönliche Diffamierungen und Verleumdungen zeitigen die Aufkündigung einer maßvollen, aufgeklärten und freien Debattenkultur.
    Durch eine unverbesserliche Linke auf der einen und ein politmediales Establishment auf der anderen Seite wird die Öffentlichkeit zu einem „Safe-Space“ entfremdet. Damit breitet sich ein Phänomen aus, dass unter dieser Wortschöpfung seinen Anfang an britischen Universitäten genommen hat. Dort fordern Studenten einen Schutz- oder Sicherheitsraum für die eigenen Befindlichkeiten und Weltanschauungen. Man könnte es auch eine bewusst gewählte, analoge „Filterblase“ nennen.
    Was wie eine Realsatire klingt, ist bitterer Ernst: Wie die FAZ berichtete, schlug kurz vor Weihnachten 2015 eine Gruppe von britischen Professoren Alarm und sprach von einer „zutiefst besorgniserregenden Entwicklung“. Eine Kultur, die den freien Austausch von Ideen beschränke, fördere die Selbstzensur und mache Menschen Angst, ihre Meinung zu äußern: „Dies droht das Wesen der Demokratie zu zerstören.“
    Die Vorgänge in den britischen Universitäten sind längst zu einem allgemeinen Trend geworden. Ins Bild passt da, dass hierzulande das Bundesinnenministerium nun ernsthaft über die Einrichtung eines „Abwehrzentrums gegen Desinformation“ – böse Zungen sprechen von einem orwellschen Wahrheitsministerium – nachdenkt. Was der Zensur würdig ist, entscheidet dann eine zuständige Behörde – das Monopol auf „Fake News“ verbleibt dann wieder bei den etablierten Leitmedien. Dass dieser Schuss auch nach hinten losgehen kann – diese Spitze sei kurz erlaubt – bewies Donald Trump während seiner ersten Pressekonferenz als gewählter US-Präsident.
    Quelle: le bohemien
  4. Die Misere der deutschen Linken – und ein Ausweg
    Besonders problematisch für die langfristige Mehrheitsfähigkeit linker Politik ist die Beobachtung, dass die ärmsten Gruppen der Bevölkerung sich dauerhaft aus der Politik zurückgezogen haben. Sie haben den Glauben daran verloren, durch den Wahlakt ihre Situation grundlegend verbessern zu können. Auch wenn die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl jüngst etwas gestiegen ist, ist doch frappierend, wie sehr sich die Wahlenthaltung in den weniger privilegierten Großstadtvierteln von jener in den bürgerlichen Villenvororten unterscheidet. In Köln-Chorweiler beispielsweise betrug die Beteiligung bei der letzten Bundestagswahl 32 Prozent, in Köln-Hahnwald 82 Prozent. Die Wahlenthaltung ihrer alten Kernklientel trifft linke Parteien überproportional hart, während liberale und konservative Parteien davon profitieren.
    Die zweite Entwicklung, die die strukturelle Mehrheitsfähigkeit linker Politik in Deutschland langfristig in Frage stellt, ist die Tatsache, dass zunehmend mehr Arbeiter und selbst Gewerkschafter die neoliberal-rechtspopulistische AfD wählen. Hier geht es nicht um die Ärmsten der Armen, sondern Angehörige der unteren Mittelschichten, denen es derzeit materiell gut geht, die langfristig aber ihren sozialen Abstieg befürchten. Sie wenden sich von linken Parteien ab, weil jene auf ihre Sorgen – ungebremste Globalisierung, verstärkte Migration, europäische Zentralisierung – nicht eingehen oder sogar mit ihren politischen Initiativen noch zu intensivieren drohen. Sozialdemokratische und linke Parteien verlieren so zunehmend ihren Charakter als „Arbeiterparteien“ an rechtspopulistische Mitbewerber – eine Entwicklung, die wir unter anderem auch in Frankreich (Front National) und in Österreich (FPÖ) beobachten können.
    Quelle: Andreas Nölke auf den Seiten des Westend Verlag

    Im Laufe des Vormittags folgt auf den NachDenkSeiten ein Interview mit Andreas Nölke.

  5. Jugendforscher zur Haltung junger Politiker “Noch nie so angepasst”
    “Wenn man Kevin Kühnert in eine Zeitmaschine setzen würde und nach 40 Jahren die Tür öffnet, würde einem Martin Schulz entgegenkommen”, sagte Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier im Dlf. Junge Leute hätten nichts anderes in Sinn, als innerhalb der Parteikultur Karriere zu machen.
    (…)
    Heuer: Und die hat dann auch Linke wie Kevin Kühnert angesteckt?
    Heinzlmaier: Ja natürlich! Ich meine, an der SPD ist ja gar nichts links. Insofern kann auch Kevin Kühnert nicht links sein und am Ende des Tages gehen sie alle denselben Weg – das ist jetzt auch ein Stereotyp, aber es ist doch so – von links unten nach Mitte oben. So wird auch diese politische Biografie verlaufen.
    Heuer: Kennen Sie einen jungen Politiker, der so ist, wie Sie ihn sich vorstellen würden im Idealfall?
    Heinzlmaier: Die, die bekannt sind, da kenne ich eigentlich keinen einzigen. So viele, die da jetzt Präsenz zeigen, gibt es nicht. Ein Idealbild kann man ja sowieso nie erreichen. Aber die, die jetzt am Werke sind, sind schon alle sehr am individuellen Vorteil ausgerichtet und Konformisten. Alles andere ist rebellisch.
    Heinzlmaier: Die, die bekannt sind, da kenne ich eigentlich keinen einzigen. So viele, die da jetzt Präsenz zeigen, gibt es nicht. Ein Idealbild kann man ja sowieso nie erreichen. Aber die, die jetzt am Werke sind, sind schon alle sehr am individuellen Vorteil ausgerichtet und Konformisten. Alles andere ist rebellisch.
    Heuer: Herr Heinzlmaier, dann streiche ich jetzt meine Fragen zu Sebastian Kurz, Emmanuel Macron, Christian Lindner, und stelle Ihnen die, die ich mir danach notiert habe. Gibt es auch Junge in alter Verkleidung, also jung im Kopf, aber alte Menschen, die aber tatsächlicher rebellischer und reformfreudiger sind als junge Politiker?
    Heinzlmaier: Ich glaube, es ist eine allgemeine Kultur der Anpassung und des Konformismus. Ich kenne jetzt auch keine rebellischen Alten. Das Alter ist ohnehin ermüdet. Ich glaube auch, diese ganze 68er-Kultur, das sind heute ermüdete ältere Damen und Herren, die dann noch ab und zu etwas zum Besten geben. Aber ich denke, diese Unterscheidung zwischen Jung und Alt trifft es heute überhaupt gar nicht mehr, sondern zu bewerten ist diese gesamte politische Kultur, und diese gesamte politische Kultur ist zu einer konformistischen, angepassten, redundanten Kultur geworden. Wenn Sie Sebastian Kurz erwähnen, ein typisches Beispiel. Er ist das Paradebeispiel für einen früh gealterten jungen Menschen. Der ist so konformistisch, dass er sogar, wenn er jemand die Hand schüttelt, noch einen Diener macht, dass er sich gleich vorbeugt. Er wirkt wie ein junger Mensch, der gerade zur Konfirmation geht. Das betrifft aber bitte die ganze Gesellschaft und solche Menschen hat man gern, die sieht man gern. Das sind Menschen, die man liebt. So stellt man sich die Jugend vor und so repräsentiert er sich dann auch.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: „… an der SPD ist ja gar nichts links.“ Das kann man nicht treffender formulieren.

  6. Davos – das globale Kapital ist begeistert von Trumps Offerten
    Die Süddeutsche Zeitung zog am letzten Tag des Weltwirtschaftsforums in Davos ihr Fazit: „US-Präsident Trump zerschlägt gerade den Ordnungsrahmen der Weltwirtschaft.“ Schon am Tag zuvor wussten die liberal-neoliberalen Journalisten: „Davos steht für das Gegenteil von Trumps Politik.“ Beide Wertungen könnten falscher nicht sein. Trump hat den „Ordnungsrahmen der Weltwirtschaft“ nicht zerschlagen. Er hat ihn im vorgegebenen Sinn „weiterentwickelt“. Das neoliberale Credo Nr. 1 lautet: Staaten sind zu betrachten als Standorte im globalen Wettbewerb, „deren einzige sinnvolle Aufgabe es ist, die globalen Geschäfte der Elite zu ermöglichen“ (Samuel Huntington). In Davos hat diese globale Elite dem US-Präsidenten gehuldigt und sich darauf geeinigt, dass der neoliberale Kapitalismus sich gut verträgt mit „protektionistischer“ Politik, wenn diese dazu führt, dass die nationalen Ausbeutungsbedingungen weiter verschärft und die Profitbedingungen weiter verbessert werden. Damit entsprechen die USA des Donald Trump haargenau dem „Geist von Davos“, die neoliberale Globalisierung möglichst profitoptimal im Dialog zwischen Geschäftswelt und „Welt der Politik“ voranzutreiben. Klaus Schwab, der 1971 das „Weltwirtschaftsforum“ gegründet hat und seitdem prägt, gratulierte Trump zu seiner „historischen Steuerreform“, die einen „enormen Wachstumsschub“ für die ganze Weltwirtschaft bringe. Kritik an Trump wies der neoliberale Oberglobalist Schwab als „Missverständnisse“ und „voreingenommen“ zurück. Davos steht mit Trump stramm in einer Reihe.
    Quelle: isw

    passend dazu: Trumps neue Freunde
    Zuerst wollten die Konzernlenker dem US-Präsidenten beim WEF Paroli bieten. Doch am Ende waren sie von ihm eingenommen – denn er senkt die Steuern
    Wieder einmal hat er die Schlagzeilen dominiert: Die größte Aufmerksamkeit auf dem diesjährigen World Economic Forum (WEF) in Davos erhielt kein anderer als US-Präsident Donald Trump. »Davos Man Meets America First«, überschrieb die New York Times einen bissigen Vorabkommentar, der Trumps Auftritt am vergangenen Freitag vor dem WEF-Publikum, der Inkarnation der globalisierten Industrie- und Finanzelite, streitlustig aufs Korn nahm. Die als – vorsichtig formuliert – konfliktträchtig eingeschätzte Zusammenkunft ging dann aber erstaunlich harmonisch zu Ende. Sei das Publikum zu Beginn noch bereit gewesen, »zuzubeißen«, Trump »auszubuhen«, ja »zu hassen, was er sagt«, so habe der US-Präsident unerwartet »den Saal mit seiner Rede beruhigt«, berichtete Frederick Kempe, Präsident des bekannten Washingtoner Thinktanks Atlantic Council. Die Zuhörer hätten die Veranstaltung sogar mit dem Gefühl verlassen, »dass sie ihre Ansichten über ihn als Leader überprüfen müssen«, fuhr Kempe fort – eine echte Überraschung.
    Dieses Mal fern davon, fremde Länder als »Shitholes« zu beschimpfen oder ihnen mit seinem »viel größeren Atomknopf« zu drohen, hatte Trump den Fokus seiner Rede auf schlichte Standortwerbung gelegt. »Jetzt ist die perfekte Zeit, Ihren Betrieb und Ihre Investitionen in die Vereinigten Staaten zu bringen«, verkündete er in Davos. »Amerika ist der Ort zum Geschäftemachen.« Seine Administration habe nicht nur eine Vielzahl an Vorschriften beseitigt, die der Industrie lästig gewesen seien, prahlte der US-Präsident; sie habe vor allem auch die Unternehmenssteuer von 35 auf 21 Prozent gesenkt. Zudem seien die Energiepreise sehr niedrig.
    Trumps Steuerreform hat erhebliche Teile der globalen Wirtschaftselite in der Tat überzeugt – nicht zuletzt deutsche Unternehmen, deren mit Abstand bedeutendster auswärtiger Investitionsstandort die Vereinigten Staaten sind. Der Bestand ihrer US-Investitionen beläuft sich auf mehr als eine Viertelbillion US-Dollar. Die Trumpsche Steuerreform hat für manche von ihnen durchaus Haken und Ösen; so führt sie dazu, dass beispielsweise die Heidelberger Druckmaschinen AG eine Einmalzahlung von rund 25 Millionen Euro, Heidelberg-Cement sogar von gut 200 Millionen Euro leisten muss. Das sind aber eher kleinere Summen im Vergleich zu den gewaltigen Zusatzprofiten, die die Unternehmenssteuersenkung verspricht. Dank ihr hoffen zum Beispiel BMW und Daimler für ihre US-Werke auf einen Gewinnsprung von einer schlappen Milliarde Euro.
    Quelle: junge Welt

  7. Feudale USA
    In kaum einem Land ist Vermögen so ungleich verteilt wie in den USA. Auch unter Donald Trump hat sich daran nichts geändert. Ist das Land auf dem Weg in den Feudalismus?
    Donald Trump ist im US-Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, den Sumpf in Washington trockenzulegen (“drain the swamp”). Sein Slogan richtete sich vor allem gegen das mächtige politische Establishment und den großen Einfluss der Lobbyisten in Washington. Sieht man sich ein gutes Jahr später Trumps Kabinett an, muss man feststellen: Seine Regierung gehört zu einer der reichsten in der amerikanischen Geschichte. Neben zwei Milliardären sitzen 13 Vermögensmillionäre in seinem Kabinett.
    In den USA ist die Vermögenskonzentration so hoch wie in kaum einem anderen Land auf der Welt. Nach einer langen Periode sinkender Ungleichheit steigt sie seit 1980 laut Thomas Pikettys World Inequality Report wieder stetig an und nähert sich dem Vorkriegsniveau. Ein Prozent der Bevölkerung besitzt fast 42 Prozent des gesamten Vermögens. Damit einher geht eine wachsende Politikverdrossenheit: Die Akzeptanz des US-Parlaments ist laut Umfragen des renommierten Gallup Instituts so niedrig wie noch nie in der Geschichte der USA.
    Aber besteht zwischen beiden Entwicklungen wirklich ein direkter Zusammenhang? Unter Bill Clinton waren die Bürger mit der Arbeit des Kongresses deutlich zufriedener, während die Vermögenskonzentration ebenso wie unter Barack Obama wuchs. Auch in Obamas Kabinett war die Handelsministerin Milliardärin. Der Ökonom Lawrence Summers, im zweiten Clinton-Kabinett Finanzminister und im ersten Kabinett von Barack Obama oberster Wirtschaftsberater des Präsidenten, war maßgeblich für die Finanzmarktliberalisierung in den USA verantwortlich. Auch er ist zweistelliger Vermögensmillionär
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Faszinierend. Was für eine Debatte. Sind die USA wirklich auf dem Weg in die Feudalisierung und nicht längst schon dort angekommen? Zunächst werden die krassen Entwicklungen gut analysiert, und dann werden als Gegenmittel nicht etwa wirklich zielführende Maßnahmen wie höhere vermögensbezogene Steuern oder höhere Steuern auf Unternehmenseinkünfte empfohlen (der alte Mythos, daß Unternehmer durch höhere Steuern bestraft werden würden, und die lächerliche 15-Prozent-Besteuerung von Unternehmensgewinnen wird nicht einmal erwähnt). Vor allem aber wieder kein Wort zu den viel zu niedrigen Löhnen und stattdessen, unfassbar, ein Komplettumbau des Steuersystems und höhere indirekte Steuern. Weil das Land auf dem Weg in den Feudalismus ist, soll die Umverteilung von unten nach oben verschärft werden – das klingt ja fast logisch.

    Anmerkung JK: Das Kunststück muss man erst einmal hinbekommen, die soziale Polarisierung in den USA kritisieren und als Lösung noch mehr Neoliberalismus propagieren.

  8. Afrin: Entfesselte Geopolitik
    In Medien und Zivilgesellschaft ist der Aufschrei über den türkischen Einmarsch in den Norden Syriens groß. Tatsächlich ist er sowohl humänitär, als auch völkerrechtlich in keiner Weise zu rechtfertigen. Überraschend jedoch ist er in keiner Weise, sondern allenfalls die Fortsetzung dessen, was in Syrien seit Jahren stattfindet. Wenn nun die Bundesregierung behauptet, sie könnte keine völkerrechtliche Einordnung des türkischen Einmarsches vornehmen, verweist das darauf, dass sie selbst und im Rahmen von EU und NATO die Gültigkeit des Völkerrechts in Bezug auf Syrien schon zuvor kontinuierlich und systematisch negiert hat. Das begann bereits mit der quasi-Anerkennung einer Exilregierung und der Unterwanderung von Souveränitätsrechten des syrischen Staates, zunächst bei humanitärer Hilfe, später auch bei Waffenlieferungen. Im Mai 2013 hat sie die Aufhebung der EU-Sanktionen gegenüber Syrien mitgetragen, um Waffenlieferungen Frankreichs und Großbritanniens an Aufständische zu ermöglichen. Bereits nach den ersten Zwischenfällen an der Grenze zur Türkei hat sie sich hinter die türkische Lesart gestellt, dass dies einen Angriff auf die Türkei darstellen und militärische Gegenmaßnahmen rechtfertigen würde, u.a. nachdem die Türkei im Oktober 2012 Konsultationen nach Artikel vier des NATO-Vertrages beantragt hatte. Darauf folgte die von der NATO koordinierte Stationierung deutscher Patriot-Luftabwehrsysteme in der Türkei. Diese hatte vor allem symbolischen Wert, insofern Deutschland und die NATO damit der Türkei Rückendeckung gaben, die zugleich relativ offen und ebenfalls klar völkerrechtswidrig die Bewaffnung islamistischer Milizen unterstützte und ihnen Rückzugsraum bot, um das Nachbarland Syrien zu destabilisieren. Ein weiterer Höhepunkt bei der Negierung des Völkerrechts in Syrien durch Deutschland bestand darin, die Anschläge am 13. November 2015 in Paris zum Anlass zu nehmen, sich an den militärischen Operationen gegen den IS zu beteiligen und dies völker- und verfassungsrechtlich mit dem Recht auf kollektive Selbstverteidigung im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit – in diesem Falle war die EU gemeint – zu begründen. Diese Argumentation, mit der die EU für sich in Anspruch genommen hat, ohne Zustimmung der dortigen Regierung auf syrischem Gebiet militärisch tätig zu werden, entspricht weitgehend der Begründung, mit der die Türkei nun in Afrin einmarschiert. In beiden Fällen richtet sich der offene militärische Einsatz der EU und NATO-Staaten zwar gegen nichtstaatliche bewaffnete Gruppen und nicht direkt gegen die syrischen Streitkräfte, die beteiligten Staaten haben jedoch aus ihrer zeitgleichen militärischen Unterstützung für andere bewaffnete Gruppen keinen Hehl gemacht und diese tw. offen eingeräumt. Deutschland hat dies geduldet und u.a. durch die Aufhebung des EU-Waffenembargos auch aktiv unterstützt.
    Quelle: informationsstelle Militarisierung

    Anmerkung JK: Das hier gespielte Spiel ist in der Tat ein schmutziges Siel. Erst waren die kurdischen Milizen bei der Bekämpfung des IS gerade recht, jetzt ruft der Angriff Erdogans auf diese gerade bei den Verteidigern der „westlichen Werte“ bestenfalls ein Schulterzucken hervor.

  9. Syrische Kurden zwischen Krieg, Erpressung und Verrat
    Die Türkei verfolgt die basisdemokratisache Selbstverwaltung in der syrisch-kurdischen Region Rojava absolut feindselig. Man will das multiethnische Projekt im Norden Syriens zerschlagen oder zumindest schwächen. So hat die Türkei die türkisch-syrische Grenze dichtgemacht und lässt nicht mal humanitäre Hilfen nach Rojava passieren. Dadurch können etwa Schulen und Krankenhäuser nicht aufgebaut werden, weil Baustoffe fehlen. Auch an anderen Ressourcen, die importiert werden müssen, mangelt es. Güter, die in Rojava benötigt werden, müssen mühsam und unter Lebensgefahr illegal über die türkisch-syrische Grenze gebracht werden oder über ebenfalls gefährliche Routen durch den Nordirak.
    Die Türkei setzt bei ihrer feindlichen Politik aber schon länger nicht allein auf die Grenzblockade. Islamistische und jihadistische Gruppen, die bereit waren, gegen Rojava zu kämpfen, wurden und werden von der Türkei mit Waffen, Geld und Rückzugsräumen in der Türkei unterstützt. Selbst der «Islamische Staat» konnte jahrelang recht ungestört über die Türkei Waffen, Kämpfer und Geld nach Syrien bringen. Dies ist nicht anders zu erklären als durch eine aktive Duldung der Türkei, die den IS lange als ein Werkzeug zur Bekämpfung Rojavas angesehen hat. Während der IS vor dem Sieg der syrisch-kurdischen YPG und YPJ in Kobanê sogar das Überleben des Projekts Rojava zu bedrohen schien, haben die übrigen islamistischen und jihadistischen Gruppen nie ein solches Potenzial erreicht. Aber sie konnten Rojava in einem militärischen Dauerkonflikt mit entsprechenden negativen Folgen für die politische und soziale Entwicklung halten und boten sich als Deckmantel und Fußtruppen für auch direkte Interventionen der türkischen Armee an.
    Quelle: Kontrast
  10. GroKo in spe attackiert Mitbestimmung
    Die so genannte Niederlassungsfreiheit ermöglicht es deutschen Unternehmen bereits heute, eine ausländische Rechtsform wie die britische Limited zu wählen, die die in Deutschland bestehenden Regeln zur Beteiligung von Arbeitnehmervertretern in Aufsichtsräten nicht kennen. Das ist unter Berücksichtigung einiger kleiner bürokratischer Hürden selbst dann möglich, wenn das betroffene Unternehmen in Großbritannien überhaupt nicht aktiv ist.
    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Möglichkeiten dieser Umschiffung von Arbeitnehmerrechten im vergangenen Herbst mit dem so genannten Polbud-Urteil sogar noch ausgeweitet. Er hat klargestellt, dass ein solcher Wechsel zu einer ausländischen Rechtsform nicht nur bei Neugründungen, sondern auch für bestehende Unternehmen möglich ist. Sogar dann, wenn es eindeutig nur darum geht, sich durch den Rechtsformwechsel unternehmerische Vorteile zu verschaffen – wie eben die Möglichkeit, Arbeitnehmer aus den Aufsichtsräten zu drängen.
    Das Urteil ist keine Überraschung. Es reiht sich in eine ganze Serie von Urteilen ein, in denen der EuGH stets nationalstaatlich verankerte Arbeitnehmerrechte den so genannten Grundfreiheiten des Binnenmarktes unterordnet. Lässt man die Luxemburger Richter und die Brüsseler EU-Kommission gewähren, sind Arbeitnehmerrechte illegal, sobald sich irgendwie argumentieren lässt, dass sie den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital oder Arbeitskräften behindern. …
    Würde das Sondierungspapier zum Koalitionsvertrag werden, bestünde darin sogar eine weitere Attacke gegen die Mitbestimmung. Diesmal nicht aus Brüssel, sondern von der GroKo aus Berlin. So bekennen sich die Sondierer zur so genannten Europa GmbH – einer europäischen Rechtsform, die seit Jahren eingeführt werden soll, die aber von Deutschland bisher blockiert wird, gerade weil sie mit der geltenden Arbeitnehmermitbestimmung unvereinbar ist. Die Europa GmbH zielt darauf ab, eine einheitliche Rechtsform mit ausgesprochen wenigen Verpflichtungen zu schaffen, die in der gesamten EU gilt. Sie wäre ein geeignetes Werkzeug, nicht nur gegen die deutsche Arbeitnehmermitbestimmung, sondern gegen allerlei in den einzelnen Mitgliedsländern geltenden Arbeitnehmerrechten.
    Quelle: Linksfraktion

    Anmerkung JK: Das steckt hinter dem Gefasel des „mehr Europa“, das auch der Herr Schulz immer so gern von sich gibt.

  11. Fast jede zweite Anstellung in der Leiharbeit
    Der Arbeitsmarkt boomt: Immer häufiger ist von Fachkräftemangel die Rede. Doch gesucht werden vor allem Zeitarbeiter. Die müssen meist ein Gehalt unter der Niedriglohnschwelle hinnehmen. Die Linksfraktion im Bundestag sieht deswegen Handlungsbedarf.
    Fast jede zweite bei Arbeitsagenturen und Jobcentern gemeldete Vollzeitstelle ist eine Anstellung in der Zeitarbeit. Das geht aus der Antwort der Bundesagentur für Arbeit auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Demnach waren im November des vergangenen Jahres 523 790 Vollzeitstellen offiziell gemeldet, 216 294 davon in der Arbeitnehmerüberlassung – das entspricht einem Anteil von 41,3 Prozent. Von den offenen Stellen insgesamt – inklusive Teilzeit – befand sich etwa ein Drittel in der Leiharbeit, keine andere Branche kommt auf einen höheren Anteil. 33 Prozent aller Vermittlungen erfolgt in Leiharbeitsverhältnisse.
    Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bekamen im Dezember 2016 zwei Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Leiharbeit einen Bruttolohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von 2088 Euro monatlich. In der Gesamtwirtschaft waren es dagegen 20 Prozent. Die Linksfraktion fordert schärfere Regelungen für die Zeitarbeit. „Dringend notwendig sind jetzt gleicher Lohn für gleiche Arbeit ab dem ersten Einsatztag sowie ein Flexibilitätszuschlag von 10 Prozent und eine Höchstüberlassungsdauer von drei Monaten“, so Linken-Arbeitsmarktexpertin Ferschl. „Leiharbeit darf nur für Auftragsspitzen und Personalengpässe genutzt werden und nicht zur Ausweitung von Niedriglöhnen.“
    Quelle: RedaktionsNetzwerk Deutschland

    Anmerkung JK: So sieht das „Jobwunder“ wirklich aus.

  12. Holt euch, was euch zusteht!
    Die IG Metall traut sich was. Endlich. Nach vielen Jahren im Krebsgang wagt sich die einstmals stolze Industriegewerkschaft wieder in einen regelrechten Arbeitskampf. Es geht um sechs Prozent mehr Lohn und die Möglichkeit, die Arbeitszeit zeitweise auf 28 Stunden zu reduzieren. Aber in Wahrheit steht viel mehr auf dem Spiel: Welche Rolle spielen die Gewerkschaften in Deutschland noch?
    Der Begriff vom “Schweinesystem”, der vor 50 Jahren angesagt war, ist ja ein bisschen in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht.
    Nehmen wir mal Davos: Da hat jetzt der Siemens-Chef Joe Kaeser den amerikanischen Präsidenten Donald Trump für dessen Steuerreform gelobt.
    Ihr erstaunlicher Effekt besteht bekanntlich darin, die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer zu machen, obwohl man dachte, das sei gar nicht mehr möglich. Kaeser kündigte aber außerdem noch an, in den USA Gasturbinen entwickeln zu wollen. Gasturbinen also, von denen gerade erst gesagt wurde, sie seien ein Geschäft von gestern, und darum müsse man leider 6900 Arbeitsplätze abbauen, die Hälfte davon in Deutschland.
    Oder, anderes Beispiel, die Deutsche Bank. Das Kreditinstitut schreibt zum dritten Mal hintereinander rote Zahlen, Bankfilialen werden geschlossen, Arbeitsplätze gestrichen. Aber für 2017 will die Bank an ihre Manager Boni im Umfang von mehr als einer Milliarde Euro ausschütten.
    SPD-Chef Martin Schulz sagt dazu: “Das schadet insgesamt unserer Solidargemeinschaft.” Das ist allerdings derselbe Martin Schulz, der jetzt wieder eine Frau zur Kanzlerin wählen will, die den Zerfall dieser Solidargemeinschaft nach Kräften befördert hat.
    Deutschland hat heute den größten Niedriglohnsektor in Westeuropa. Sieben Millionen Menschen verdienen in Deutschland weniger als 9,60 Euro in der Stunde. Und, noch schlimmer: 2016 bekamen etwa 2,7 Millionen Beschäftigte in Deutschland nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 8,50 in der Stunde. Knapp zehn Prozent der Menschen, für die dieses Gesetz gemacht wurde, werden von ihren Chefs auch heute noch betrogen.
    Quelle: Jakob Augstein auf SPON
  13. Wie das TINA-Prinzip die Demokratie schwächt
    “There is no alternative” – das TINA-Prinzip ist seit Margret Thatcher unter Politikern beliebt. Doch für die Demokratie habe es verheerende Folgen, meint die Politikwissenschaftlerin Astrid Séville. Sie plädiert dafür, die politische Debattenkultur zu stärken.
    Mit ihrer Dokotorarbeit habe die Politikwissenschaftlerin Astrid Séville vor allem zeigen wollen, dass “die Rede von Alternativlosigkeit” für Politiker sehr bequem sei. Sie betonten die Notwendigkeit, würden so unbequeme Debatten abkürzen und sich gegen Kritik immunisieren. Die Bürger sollten bestimmte Dinge “einfach glauben”.
    Séville möchte sich dafür stark machen, dass im politischen Prozess wie über “Gründe, ideologische Motive und Werte” gesprochen werde, anstatt nur auf Sachzwänge zu verweisen. Sie fordert eine Stärkung der Debattenkultur:
    “Also, dass man wieder klarmacht, welche Optionen auf dem Tisch liegen und welche Güterabwägung eigentlich hinter einer politischen Entscheidung stecken.”
    Politiker sollten ihrer Ansicht nach “die Verfahren parlamentarischer Entscheidungsfindung wieder bejahen”. Für den deutschen Diskurs sei besonders wichtig, den Sinn von Kompromissen zwischen Alternativen wieder herauszustellen.
    Wie problemtatisch das TINA-Prinzip für die Demokratie sei, hat man laut Séville in Deutschland am Beispiel der AfD sehen können. Die Partei trage schon im Namen eine “gezielte Oppostion” gegen diese Rhetorik, weil sie in der Eurozonen-Krise habe beobachten können, “dass legitime Optionen von vorn herein vom Tisch gewischt wurden, dass eben nicht offen debattiert wurde”.
    Die TINA-Rhetorik sei eine “Beschwörung vom Ende der Steuerungsfähigkeit von Politik”. Doch das treffe überhaupt nicht zu – und mobilisiere genau dadurch den Populismus einer AfD.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  14. Auffangländer für Flüchtlinge
    Mit Reisen nach Jordanien sowie in den Libanon bemüht sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um den Ausbau einer eigenständigen deutschen Position in Nahost. In offen erklärter Distanz zu Maßnahmen der Trump-Administration hat Steinmeier in den vergangenen Tagen Gespräche in der jordanischen Hauptstadt Amman geführt, die neben den gegenwärtigen Großkonflikten in Nah- und Mittelost, etwa dem erbitterten Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und Iran, auch die Lage in Jordanien selbst zum Gegenstand hatten. Das Land erhält von Deutschland Rüstungsgüter in Höhe einer insgesamt sechsstelligen Millionensumme, um den Zustrom von Flüchtlingen strikt zu kontrollieren. Jordanien bietet mehr Syrern und Irakern Zuflucht als die Bundesrepublik auf dem Höhepunkt der hierzulande “Krise” genannten Phase der Aufnahme von Flüchtlingen. Berlin stellt weitere Mittel bereit, damit dies so bleibt: Dies gilt als billiger als die ökonomischen, vor allem aber auch die politischen Kosten einer Unterbringung neuer Flüchtlinge in der EU.
    Quelle: German Foreign Policy
  15. Tagesschau macht Buhrufe gegen Trump lauter – Manipulation oder „journalistische Präzision“?
    Die „Tagesschau“ hat in ihrem Social Media-Kanälen in einem O-Ton-Ausschnitt zu Donald Trumps Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Buhrufe aus dem Publikum lauter gemischt, um sie hörbar zu dokumentieren. Einige werfen der ARD-Nachrichtensendung nun Manipulation vor, „Tagesschau“-Chef Kai Gniffke rechtfertigt den Eingriff als „journalistische Präzision“.
    Nachdem US-Präsident Donald Trump in der ihm eigenen Manier auf die Presse und die Medien geschimpft hat, werden die Hintergrundgeräusche merklich lauter und man kann kurz Buhrufe hören. Mit ins Rollen brachte die Diskussion um den Ausschnitt Bild-Chef Julian Reichelt, der den Vorgang als „klare Grenzüberschreitung bei einer Nachrichtensendung“ bezeichnete, wobei der entsprechende Ausschnitt in der „Tagesschau“-Sendung selbst gar nicht zu sehen war.
    Die Bild berichtete dann auch recht groß über den Fall. Im Bild-Artikel kommt u.a. Rainer Nowak, Chefredakteur der österreichischen Zeitung Die Presse, vor, der als Augen- und Ohrenzeuge twitterte, die Buhrufe seien „definitiv nicht laut“ gewesen.
    Die Süddeutsche Zeitung brachte am Wochenende eine große Seite-Drei-Reportage über Trumps Auftritt in Davos, ihr waren Buhrufe noch nicht mal eine Erwähnung wert.
    Die Aufregung im Social Web kochte schnell hoch, zumal die Redaktion via Twitter den Eingriff in die Tonlautstärke bestätigte.
    Wir haben den Ton am Ende tatsächlich etwas lauter gemacht, damit man die Buhrufe hört. Nur so können wir wiederspiegeln was unsere Korrespondenten berichtet haben. Das Mikrofon im Raum hat vor allem Trump aufgezeichnet und nur wenig von der Atmosphäre im Saal.
    ARD-Aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke reagierte mit einem Beitrag im „Tagesschau“-Blog. Gniffke nannte den Eingriff freilich nicht „lauter gemacht“, sondern er erklärte etwas umständlich, man habe „den Originalton aus dem Saal während der Buhrufe mit einem hohen Tonpegel offen stehen lassen, um zu belegen, dass es diese Reaktion tatsächlich gab“. Wenn ein Korrespondent die Information vermittle, dass der US-Präsident ausgebuht worden sei, dann müsse er das belegen. Dazu habe der Ton gedient, so Gniffke weiter. Der „Tagesschau“-Chef verwies darauf, dass es die Buhrufe tatsächlich gab (was niemand bestritten hat). Er verglich den Vorgang damit, dass Zeitungen auch Bild-Ausschnitte vergrößern und eventuell mit einem roten Kreis markieren, um etwas hervorzuheben. Gniffke: „Niemand käme hier auf die Idee, dies Manipulation zu nennen, sondern eher journalistische Präzision.“
    Der „Tagesschau“-Chef übersieht bei diesem Vergleich allerdings, dass eine bildliche Hervorhebung, wie ein roter Kreis, für den Leser sichtbar, also nachvollziehbar ist. Genau dies ist bei einem unkommentierten Eingriff in die Tonlautstärke eben nicht der Fall. Umgekehrt haben Bild-Ausschnitte, die einen falschen Eindruck erwecken, natürlich auch nichts mit „Präzision“ zu tun, sondern bestenfalls mit Schlamperei und schlimmstenfalls mit Manipulation.
    Quelle: meedia
  16. Der Philosophen-Präsident Emmanuel Macron
    “Ein Mann der Tat, darauf aus, über ein Werkzeug zu verfügen, das ihm erlaubt, seine Epoche zu denken, kann nicht anders als von einem Denker verführt zu werden, der erklärt, dass ‘die Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfasst’ sei.”
    Da ist zunächst Macrons Verständnis seiner eigenen Rolle in der Geschichte. Macron hat ohne Zweifel 2016 erkannt, was die Stunde geschlagen hat. Während sich die politischen Eliten des Landes in althergebrachter Manier gerierten, ergriff er kühn die Chance.
    “Bis vor kurzem haben in der Geschichte Ideologien dominiert, die versuchen, die Rolle des individuellen Akteurs zu verneinen. Im Namen der Sozialwissenschaften […] hielt [man] die Rolle des Individuums für wenig bedeutsam. Macron […] glaubt an die Rolle des Willens, an die Fähigkeit der Führer, dem Lauf der Geschichte eine andere Richtung zu geben.” …
    Schon am Abend seiner Wahl mit dem majestätischen Gang quer über den Vorplatz des Louvre zu den Klängen Beethovens wird deutlich: Der junge Mann besitzt ein Gespür für Orte und Handlungen. Spricht in Athen über Hegels Eule der Minerva, vor Jugendlichen an der Sorbonne über Europas Zukunft. Welch ein Unterschied zu Sarkozy und Hollande!
    “So erklärt sich die Sorgfalt, mit der Emmanuel Macron, kaum gewählt, die Funktion des Präsidenten mit Gravität und Formalismus verkörpert, die absichtlich zu dem lässigen Stil seiner beiden Vorgänger in Kontrast stehen, dem hektischen Präsidenten und dem normalen Präsidenten.”
    Welch eine Wohltat, die geistige Auseinandersetzung mit einem Spitzenpolitiker auf diesem intellektuellen Niveau führen zu können, mit dieser gedanklichen Tiefe. Da kann der deutsche Leser, der noch immer auf eine Regierung wartet, schon mal neidisch werden.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Der gottgleiche Macron. Wer einen starken Magen hat, kann sich diese widerliche triefende Eloge antun. Wie es aussieht hat Macron in Couturier seinen Hofschreiberling bereits gefunden.

    Anmerkung Jens Berger: Machen Sie doch einmal die Augen zu und stellen sich vor, Couturiers Elogen auf den großen Führer würden mit voller Inbrunst von Ri Chun Hee (Nachrichtensprecherin aus Nordkorea) vorgetragen … die Form der Propaganda, mit der wir tagtäglich überzogen werden, hat ein bedenkliches Maß erreicht.

  17. Thomas Fischers Zeit-kritische Anmerkungen zum Medien-„Tribunal“ gegen Dieter Wedel
    Der Fall Wedel hat in der vergangenen Woche wiederum Wellen geschlagen. Manche sagen, er sei zugleich auch ein Fall der Wochenzeitung Die Zeit, was diese weit von sich weist. Unstreitig dürfte sein, dass sie einen öffentlichen Prozess ungewöhnlicher Breite und Intensität gegen den Beschuldigten Wedel führt. Auch die zweite Welle wurde von der Bemerkung begleitet, man habe noch mehr „Geschichten“ über den Beschuldigten auf Lager. Inzwischen hat, wie man hört, ein Fernsehsender eine „Task Force“ gegründet. Kritik wurde bislang vor allem mit Argumenten aus dem (straf-)prozessualen Zusammenhang formuliert (Unschuldsvermutung, Verjährung, Verhältnismäßigkeit). Es erscheinen mir ein paar Bemerkungen zum Zusammenhang angezeigt. ….
    Eine Zeitungs-Redaktion hat nicht über Schuld und Unschuld eines Verdächtigen zu entscheiden. Sie sollte sich daher auch nicht so gebärden. „Unschuldsvermutung“ ist ein Begriff, der aus dem staatlichen Strafprozess stammt, diesem eigentümlich ist und dort etwas Wichtiges bedeutet und bewirkt. Mit dem Presserecht und der Kompetenz von Journalisten hat er allenfalls mittelbar zu tun. Daher ist es recht verkürzt, wenn der Zeit vorgeworfen wird, sie verstoßen gegen die Unschuldsvermutung. Jeder Mensch darf – für sich – gegen diese Vermutung „verstoßen“, wie sie oder er will. Die Vermutung gilt für die Verfahren der staatlichen Strafjustiz, ist aber auch da eine spezifische Regel: „Im Zweifel“, welche von mehreren verschiedenen Tatsachenmöglichkeiten wahr ist, ist dem Urteil die für den Beschuldigten günstigste zugrunde zu legen. Die Unschuldsvermutung verlangt nicht, Zweifel zu haben, sondern sagt nur, was ein Richter tun soll, wenn er Zweifel hat.
    Für die Presse hat das nur mittelbar Bedeutung. Presseberichte können eine Person sozial schädigen, gar vernichten, sie in unverhältnismäßiger Weise für immer ausgrenzen und stigmatisieren. Deshalb ist die Presse verpflichtet, bei der Veröffentlichung von ehrverletzenden Beschuldigungen deutlich zu machen, dass es sich nicht um feststehende Tatsachen handelt. Man darf nicht öffentlich eine rechtlich definierte Schuld behaupten, die nicht auf legitime Weise bewiesen ist. Die Grenzen sind fließend; die Möglichkeiten der tendenziösen sozialen Vernichtung unter gleichzeitig treuherzigem Bekenntnis zur „Unschuldsvermutung“ unendlich.
    Quelle: Meedia

    Anmerkung JK: Thomas Fischer zeigt pointiert auf, dass die ganze #metoo-Kampagne inzwischen den Charakter einer Hexenjagd annimmt, die mit Hilfe konstruierter Anschuldigungen nach Belieben gegen jeden (Mann) gerichtet werden kann und die öffentlich Denunzierten mit der sozialen und beruflichen Vernichtung bedroht. Dabei geht es nicht primär um die Rechte von Frauen sondern um die gesellschaftliche und politische Machtposition der Initiatorinnen, privilegierten, akademisch gebildeten, weißen Frauen aus der oberen Mittelschicht.

  18. Robert Parry’s Legacy and the Future of Consortiumnews
    Robert Parry, editor and publisher of Consortiumnews.com, died peacefully Saturday evening. In this tribute, his son Nat Parry describes Robert’s unwavering commitment to independent journalism.
    It is with a heavy heart that we inform Consortiumnews readers that Editor Robert Parry has passed away. As regular readers know, Robert (or Bob, as he was known to friends and family) suffered a stroke in December, which – despite his own speculation that it may have been brought on by the stress of covering Washington politics – was the result of undiagnosed pancreatic cancer that he had been unknowingly living with for the past 4-5 years.
    He unfortunately suffered two more debilitating strokes in recent weeks and after the last one, was moved to hospice care on Tuesday. He passed away peacefully Saturday evening. He was 68.
    Those of us close to him wish to sincerely thank readers for the kind comments and words of support posted on recent articles regarding Bob’s health issues. We read aloud many of these comments to him during his final days to let him know how much his work has meant to so many people and how much concern there was for his well-being.
    I am sure that these kindnesses meant a lot to him. They also mean a lot to us as family members, as we all know how devoted he was to the mission of independent journalism and this website which has been publishing articles since the earliest days of the internet, launching all the way back in 1995.
    With my dad, professional work has always been deeply personal, and his career as a journalist was thoroughly intertwined with his family life. I can recall kitchen table conversations in my early childhood that focused on the U.S.-backed wars in Central America and complaints about how his editors at The Associated Press were too timid to run articles of his that – no matter how well-documented – cast the Reagan administration in a bad light.
    Quelle: Consortiumnews

    Die NachDenkSeiten bedauern diesen großen Verlust.


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