NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. Februar 2018 um 8:45 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (MW/AT/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Verzockt
  2. Warum wir Journalisten den Schulz-Hype aufarbeiten müssen
  3. Marco Bülow (SPD) im Interview: „Gehen wir in die Groko, gehen wir unter“
  4. SPD nennt Ministernamen erst nach Mitgliederentscheid
  5. »Der SPD fehlt eine Vision«
  6. Koalitionsvertrag zeigt: GroKo beugt sich Rüstungsaufruf der NATO
  7. Feuchter Traum von AfD und Wladimir Putin
  8. Zahlen lügen nicht. Oder doch?
  9. Schlangengrube” Berliner Politbetrieb: “Niemand sollte dem anderen in den Vorgarten pinkeln
  10. EU: Auf eine neoliberale Politik festgenagelt
  11. Kryptoboom: Island fürchtet Strommangel wegen Bitcoin
  12. Armutsgefährdung von Alleinstehenden nimmt zu
  13. Umstrittene Panzernachrüstung – Rheinmetall treibt Türkei-Deal voran
  14. Toll Collect: Mautfirma stellte dem Bund 300 Millionen Euro zu viel in Rechnung
  15. Eigentum ist Heimat
  16. Ein außergewöhnlicher Erfolg der Linke? Frankreich im Wahlzyklus 2017
  17. Nach Lüge über Putin: Niederländischer Außenminister tritt zurück
  18. Merkels Bildungsrepublik lässt weiter auf sich warten

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Verzockt
    Die SPD hat zum zweiten Mal in einer Woche einen großen strategischen Fehler begangen. Die einst so stolze Volkspartei muss aufpassen, nicht zum Gespött zu verkommen. […]
    Satzungsrechtlich ist die kommissarische Übernahme des Parteivorsitzes durch eine Fraktionschefin wie Nahles nicht vorgesehen – wenn der SPD-Chef ausfällt oder hinwirft, kann nur auf seine sechs Stellvertreter zurückgegriffen werden. So war es auch, als Frank-Walter Steinmeier 2008 nach dem Rücktritt von Kurt Beck den Vorsitz kurzzeitig führte und als Johannes Rau 1993 nach dem Rückzug von Björn Engholm die Partei vorübergehend leitete.
    Nahles’ Plan war also satzungsrechtlich angreifbar. Darauf wiesen sie auch mehrere Juristen hin. Spätestens mit der Ankündigung der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange am Montagabend, gegen Nahles bei der Wahl zur SPD-Chefin zu kandidieren, war die Idee einer vorzeitigen Ämterübergabe dann nicht mehr zu halten. Nahles kann nicht Aufgaben einer Parteivorsitzenden übernehmen, wenn es noch eine andere Anwärtin auf den Posten gibt – selbst wenn Langes Chancen noch so gering sind. Das sähe endgültig nach Herrscher-Allüre aus.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung Jens Berger: Es wird von Tag zu Tag absurder. Da entdecken die Medien und Parteispitze die rechtlichen Hürden, die schon auf den NachDenkSeiten erwähnt wurden. So weit, so gut. Und welche Alternative zaubert man aus dem Hut? Man sucht sich für die kommissarische Vertretung genau den Vize aus, der bei den Wahlen auf dem letzten Parteitag die – mit Abstand – wenigsten Stimmen bekommen hat. Ein weiterer Tiefschlag gegen die Parteibasis und diesmal auch die Delegierten.

  2. Warum wir Journalisten den Schulz-Hype aufarbeiten müssen
    Erst hochgeschrieben, dann abgestürzt: Vor einem Jahr galt Martin Schulz uns Journalisten als Ausnahmepolitiker. Wir müssen uns fragen, warum es immer wieder zu solchen Medien-Hypes kommt.
    Ich fühlte mich wie der vielzitierte Geisterfahrer, der glaubt, dass ihm hunderte Falschfahrer entgegenkommen – weil er nicht merkt, dass er selbst einer ist.
    Kaum hatte Sigmar Gabriel am 24. Januar 2017 im stern Martin Schulz als neuen Parteichef und Kanzlerkandidaten ausgerufen, fragte ich mich, wer denn nun hier der Falschfahrer ist. Denn ich kannte den Europaabgeordneten Schulz aus meiner Brüsseler Korrespondentenzeit und aus jahrelangen EU-Recherchen als relativ bedenkenlosen Machtpolitiker. In einer Bilanz vor der EU-Wahl im Jahr 2014 hatte ich an einer ganzen Reihe von Beispielen seine aus meiner Sicht “überdurchschnittlich fröhliche Bereitschaft zur Unaufrichtigkeit” beschrieben. Immer wieder war Schulz als jemand aufgefallen, dem es um die eigene Karriere ging – und dessen Blick sich im Jahr 2016 auf die Berliner Politik richtete, nachdem klar war, dass er den Posten des EU-Parlamentspräsidenten abgeben musste.
    Quelle: Stern Online

    dazu: Medien-Hype um den überlebensgroßen Kandidaten: die Schulz-Story als Lektion eines journalistischen Irrtums
    Dass der Schulz-Rausch ein Phänomen von geringer Halbwertszeit war, zeichnete sich lange vor der Bundestagswahl 2017 ab. Spätestens mit dem sang- und klanglosen Rücktritt vom Amt des SPD-Parteichefs am Dienstag ist der Hoffnungsträger Martin Schulz Geschichte. Die Story über den steilen Aufstieg und jähen Absturz des Merkel-Herausforderers ist auch eine Geschichte der Medien – und ihres Versagens. […]
    Aus dem SPD-Mann, der sich zuletzt entgegen aller vorherigen Zusagen auf einen Ministerposten im neuen Kabinett Merkel zu retten versuchte, ist die Antithese „Sankt Martins“ (Spiegel) geworden. Aus dem „Eroberer“ (stern) wurde ein Überläufer, dessen politisches Ende als besiegelt bezeichnet werden darf. Die vom Spiegel vor Jahresfrist beschworene „Merkeldämmerung“ blieb aus. Viel mehr dämmert so langsam, dass da etwas gewaltig schief gelaufen ist in den Medien.
    Quelle: Meedia

    Anmerkung Jens Berger: Lesen Sie dazu bitte auch meinen gestrigen Artikel „Ein Riss in der Matrix – wie die Filterblase von Medien und Politik an der GroKo-Frage scheitert“. Es ist schon tragisch. Da fängt die eine Hälfte der Branche an, den „Schulz-Hype“ aufzuarbeiten, während die andere Hälfte bereits mit vollem Elan am „Nahles-Hype“ arbeitet. Bei bild.de können Sie heute eine Sammlung mit „Nahles besten Sprüchen“ anschauen. Und auch ansonsten fährt man bei Springer eine Kampagne am Rande der Lächerlichkeit …

    Wer sich Nahles stellt, stellt sich nun auch gegen BILD …

    Aber auch SPIEGEL Online dreht munter weiter am Nahles-Hype …

    Die letzte Hoffnung der SPD
    Martin Schulz tritt als SPD-Vorsitzender zurück, verpasst seiner designierten Nachfolgerin Andrea Nahles mit der verstolperten Nominierung aber noch eine Delle. Macht nichts: Nahles hat das Zeug dazu, ihre Partei wieder aufzurichten.
    Quelle: SPIEGEL Online

  3. Marco Bülow (SPD) im Interview: „Gehen wir in die Groko, gehen wir unter“
    Hier, sagten sie immer, kannst du einen Besen aufstellen. Wenn er von der SPD ist, wählen sie ihn zum Bürgermeister. In der Zeit, als das ein Gesetz war, wurde Marco Bülow geboren. Jetzt sitzt er auch schon seit 15 Jahren im Bundestag. Bülow gewinnt keine Beliebtheitspreise in seiner Fraktion. Ein Gespräch über die SPD als Titanic, Potenziale und eine notwendige Revolution. […]
    Dortmund sieht sich gerne als eine Stadt, die anpackt, die wegschafft, ob Strukturwandel oder Zuwanderungsproblematik. Wenn man am Phoenix-See steht und sich dort die neuen Häuser im Wasser spiegeln, sieht man diese Erzählung in Stein gemauert. Aber das ist nur eine Facette der Stadt. Je nach Statistik ist jeder Vierte in Dortmund von Armut betroffen oder jeder Fünfte davon bedroht. Regelmäßig belegt die Stadt Spitzenplätze in diversen Armutsrankings. Jedes dritte Kind in Dortmund lebt von Hartz IV, vermeldet eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Was für eine Katastrophe. Rund 16.000 Langzeitarbeitslose gibt es in der Stadt. Menschen ohne Perspektive.
    Für zehn Prozent wird fast alles gemacht, ein bisschen wird die Mitte mitgenommen, die untere Hälfte wird völlig vernachlässigt, mit ihr füllt man die Jobs auf. Aufsteigen kann man hier kaum noch. Leistung lohnt sich immer weniger. Und das manifestiert sich. Ich bin da bei dem Soziologen Nachtweih, der sagt: Wir haben keine Aufstiegsgesellschaft mehr, wir werden zu einer Abstiegsgesellschaft.
    Quelle: Ruhrnachrichten

    dazu: “Ich werde mich weiter für eine Urwahl einsetzen”
    Martin Schulz will den SPD-Parteivorsitz kommissarisch an die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles abgeben. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow lehnt dies ab. Mit einer solchen Weitergabe des Spitzenpostens würden “Fakten geschaffen”, andere Kandidatinnen und Kandidaten hätten keine Chance mehr, sagte er im Dlf.
    Quelle: Deutschlandfunk

  4. SPD nennt Ministernamen erst nach Mitgliederentscheid
    Die Spitzen von Union und SPD ringen mit Signalen zur Erneuerung um Zustimmung für eine Neuauflage der großen Koalition. Neue Irritation dürften allerdings Pläne der SPD auslösen, ihr Personal für das Bundeskabinett erst nach der Entscheidung der Mitglieder über den Koalitionsvertrag Anfang März zu nennen. SPD-Vizechefin Manuela Schwesig sagte unserer Redaktion: “Wenn der Mitgliederentscheid eine Mehrheit für eine erneute große Koalition bringt, werden wir über das Regierungspersonal sprechen.” Heute wird SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles voraussichtlich den Parteivorsitz kommissarisch übernehmen.
    Die CDU will ihre Minister bereits bis zum Sonderparteitag am 26. Februar bekannt geben. Die erneute Ankündigung von Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel, das Kabinett zu verjüngen, nannte die Junge Union ein gutes Zeichen.
    Nach den Turbulenzen in der SPD mit dem erzwungenen Verzicht des scheidenden Parteichefs Martin Schulz auf das Außenministeramt geht es für die Partei in einer Umfrage weiter bergab: In einer Insa-Erhebung für die “Bild”-Zeitung fiel die SPD auf ein Rekordtief von 16,5 Prozent, die AfD liegt bei 15 Prozent. Auch die Werte der Union sanken auf 29,5 Prozent. “CDU und SPD müssten Neuwahlen fürchten. So unbeliebt war die Groko noch nie”, sagte Insa-Chef Hermann Binkert.PD nennt Ministernamen erst nach Mitgliederentscheid
    Quelle: RP

    Anmerkung Jens Berger: Offenbar hat man im Willy-Brandt-Haus aus dem Desaster der letzten Woche gelernt.

  5. »Der SPD fehlt eine Vision«
    Personell wie inhaltlich steckt die deutsche Sozialdemokratie in einer tiefen Krise. Ein Gespräch mit Christoph Butterwegge
    Sie gehören zu dem Kreis prominenter Linker, die einst Mitglied in der SPD waren und dann irgendwann ausgetreten sind. Was waren damals die ausschlaggebenden Gründe? Und hat sich seitdem etwas geändert?
    Die Hauptgründe für meinen SPD-Austritt waren die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze.(…) Schluss war dann für mich, als die SPD in die große Koalition ging, obwohl es eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag gegeben hätte. Ich konnte da keine Wende weg von der »Ära Schröder« hin zu einem neuen Politikstil und neuen Inhalten erkennen (…) Schluss war dann für mich, als die SPD in die große Koalition ging, obwohl es eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag gegeben hätte. Ich konnte da keine Wende weg von der »Ära Schröder« hin zu einem neuen Politikstil und neuen Inhalten erkennen.
    (…) Eine Bürgerversicherung müsste umfassender sein als das, was die SPD darunter versteht: Sie müsste alle Bevölkerungskreise einschließen – also auch Selbständige, Freiberufler, Beamte, Abgeordnete und Minister – und die Verbeitragung aller Einkünfte vorsehen, also auch von Kapitalerträgen. Die Forderung, dass neben Löhnen und Gehältern zudem Dividenden, Zinsen, Miet- und Pachterlöse einbezogen werden, war ursprünglich auch bei der SPD vorgesehen. Davon hat sich die Partei aber wieder verabschiedet. Eine solidarische Bürgerversicherung sollte auch nicht auf den Gesundheitsbereich beschränkt sein. Die Beitragsbemessungsgrenze müsste auf- oder zumindest stark angehoben werden. Dann wäre das ein sinnvolles Projekt, um den Sozialstaat wieder auf ein festes Fundament zu stellen. (…) Voran geht es da nirgends. Die SPD hat keine Vision. Sie ist nur dabei, mühselig zu reparieren, was sie in früheren Regierungen selbst angerichtet hat.
    (…) Ich bin fest davon überzeugt, dass die große Mehrheit der SPD-Mitglieder treue Parteisoldaten sind. Und eine Ablehnung des Koalitionsvertrages im anstehenden Mitgliederentscheid würde bedeuten, die gesamte SPD-Führung zum Teufel zu jagen. Es wäre ein Misstrauensvotum und der Entzug des Mandates, in dieser Regierungskonstellation Politik zu machen. Das wäre ein riesiger Eklat und würde weit über die SPD hinaus Wellen schlagen.
    Quelle: junge Welt
  6. Koalitionsvertrag zeigt: GroKo beugt sich Rüstungsaufruf der NATO
    Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD birgt schwerwiegende sicherheitspolitische Neuerungen: „Deutschland wird verbindlich (…) dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO folgen“ und: „Wir wollen die vereinbarten NATO-Fähigkeitsziele erreichen und Fähigkeitslücken schließen.“ Dazu erklärt der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Marco Bülow:
    Im Klartext heißen die Passagen aus dem Koalitionsvertrag: Die Höhe des Verteidigungsetats wird sich unter der GroKo am Zwei-Prozent-Ziel der NATO orientieren. Die NATO fordert schon länger, dass alle Mitglieder bis spätestens 2024 zwei Prozent oder mehr ihres Bruttosozialprodukts in Rüstung investieren.
    Diese Festlegung hat die SPD immer abgelehnt. Martin Schulz hat gerade auch gegen die Forderung der Union, dieses Zwei-Prozent-Ziel zügig zu erreichen, Wahlkampf gemacht. Überall war klar, dass die SPD den Irrweg der massiven Aufrüstung nicht mitgehen würde.
    Doch nun werden mit dieser versteckten Festlegung künftig unter dem Deckmantel einer vermeintlich notwendigen Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit drastisch erhöhte Rüstungsausgaben durchgewunken – und das mit Hilfe der SPD.
    Die Rüstungsspirale schraubt sich weiter nach oben: Der Verteidigungsetat war mit 37 Milliarden bereits der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt 2017 – und entsprach lag mit 1,2 Prozent unter dem NATO-Ziel. Um dieses zu erreichen, müsste Deutschland im Jahr 2024 mehr als 75 Milliarden Euro für Verteidigung ausgeben. Damit würde Deutschland zu einem der Länder mit den größten Militärausgaben zählen und dies würden viele Länder als eine Bedrohung ansehen. Zudem wird das Geld an anderer Stelle nötig gebraucht.
    Quelle: Marco Bülow

    Anmerkung WM: Mit schwammigen Formulierungen im Koalitionsvertrag soll der Anstieg der Rüstungsausgaben vertuscht werden. Wörtlich:

    „Im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellung ab 2018 bis 2021 wird die Koalition zusätzlich entstehende Haushaltsspielräume prioritär dazu nutzen, neben den Verteidigungsausgaben zugleich die Mittel für Krisenprävention, humanitäre Hilfe, auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit ausgehend von der Grundlage des 51. Finanzplans angemessen zu erhöhen. (…) Deutschland wird verbindlich mit dieser Haushaltspolitik und der Koppelung von Verteidigungsausgaben und ODA quotenfähigen Ausgaben sowohl dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO folgen als auch den internationalen Verpflichtungen zur weiteren Steigerung der ODA-Quote nachkommen, deren beider Absinken bereits 2018 verhindert werden muss. (ab Zeile 6866)

    Ergänzende Anmerkung Jens Berger: Diese Passage des Koalitionsvertrags wird in den Meiden interessanterweise nur sehr selten erwähnt. Dies ist eine Einführung der 2%-Regelung durch die Hintertür.

  7. Feuchter Traum von AfD und Wladimir Putin
    Das Gezerre um die GroKo freut Russland und die Rechtspopulisten. Abwertung, Pessimismus und Destruktion – das führt zu Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
    Gewiss, die Bildung einer neuen Regierung hätte auch einfacher sein können. (…) Die Häme in Medien und Netzwerken über jene, die sich um Kompromisse in den Koalitionsverhandlungen mühten, war getragen von einer unfassbaren Verantwortungslosigkeit.
    (…) Das ganze Geschehen, einschließlich des Dramas um Martin Schulz und Sigmar Gabriel, sieht aus wie der feuchte Traum von AfD und Wladmimir Putin.
    (…) Man mag mit einigen Ergebnissen unzufrieden sein, aber diese Resultate sind die besten, die sich unter diesen Mehrheitsbedingungen finden lassen. So sieht nun mal die Realität in Deutschland aus. Sie könnte schlimmer sein.
    (…) Was ist der Sinn, wenn jetzt höhnisch und hämisch das Zerstören gefeiert wird? Ist das besser, als Verantwortung zu übernehmen? Diese Frage richtet sich auch an die zur Abstimmung antretende SPD-Basis. Möge sie diesem Sog widerstehen!
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung von Albrecht Müller: …am Rosenmontag habe ich zufällig einen Artikel in der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau gelesen, der mich doch erschaudern ließ, was das Formulierungs- und Manipulationsniveau, auf dem einige in unserer hiesigen Presslandschaft inzwischen angekommen zu sein scheinen, angeht.
    Auszug aus einem Brief unseres Lesers J.H an die Frankfurter Rundschau:

    Sehr geehrte Frau Kahane, sehr geehrte Redaktion der FR,
    (…) Dem Präsidenten der Russischen Föderation (und auch der Afd) jedoch „Feuchte Träume“ bei der Beobachtung der Bemühungen um das Zustandekommen einer Großen Koalition zu unterstellen …. ist wohl an Schmierigkeit kaum zu unterbieten. (…) Man muß weder Herrn Putin noch die AfD mögen, aber Sie sollten schon einen selbst etablierten Anspruch auf ein einzuhaltendes Niveau haben, dass ebendiesen Anspruch der FR, eine seriöse Nachrichtenquelle zu sein, auch einlöst. Das ist bei dieser Art von Bravo-artiger Wortwahl wohl kaum gegeben.

  8. Zahlen lügen nicht. Oder doch?
    Die IG-Metall hat nach unserem Artikel zum Tarifabschluss einige erboste Emails geschickt. Wir hätten Einmalzahlungen nicht berücksichtigt und prinzipiell falsch gerechnet. Daher hier noch einmal die Basis unseres Rechenbeispiels mit den Zahlen, die uns zugeschickt wurden. (…)
    Um dem Vorwurf der Manipulation zu entgehen, zeigen die Spalten 6-8 unsere Berechnung noch mal mit dem Ausgangsmedianlohn der IG-Metall. Die kumulierte Lohnsumme bis einschließlich März 2020 ist in etwa gleich. Dies zeigt, dass ein vergleichbarer jährlicher Lohnanstieg mit diesen Zahlen sogar nur 3,1 % (statt 3,17 %) entspricht. Aber auch in unserem Szenario steigt die gesamte Jahreslohnsumme in 2018 im Vergleich zum Vorjahr prozentual stärker an als 3,1 %. Dies liegt aber nicht am Verhandlungsgeschick der IG-Metall, sondern daran, dass in 2017 das Lohnniveau von Januar bis März etwas niedriger war als im Rest des Jahres. Würde die bisherige Vereinbarung einfach weiterlaufen, wäre die Lohnsumme in 2018 auch von alleine schon angestiegen.
    Aber die Arbeitszeitverkürzung (AZV)?
    Man mag jetzt einwenden, dass die IG-Metall mit der Option der AZV ja auch etwas verhandelt hat, dass man nicht in monetären Werten messen kann. Daher würde der Vergleich mit einer einfachen Kennzahl in die Irre führen. (…) Auf Makroskop wurde mehrfach gezeigt, dass eine AZV bei Lohnverzicht aus einer makroökonomischen Perspektive allerdings fragwürdig erscheint (z.B. hier). Aber hier geht es ja nicht mal darum, sondern bisher nur um die Option, die Arbeitszeit zu verkürzen. Es ist ja gar nicht wirklich klar, ob dies am Ende genutzt werden kann. Und sollte man die Option ziehen, so verzichtet man dann ja auch auf die Zusatzzahlung von 27,5 %. (…)
    Fazit
    Der ausgehandelte Tarifvertrag ist ausgesprochen schwer zu bewerten. (…) Im Vergleich zum Vorjahr mag die Gesamtlohnsumme nun etwas kräftiger steigen, auf den gesamten Verhandlungszeitraum bezogen ist das Ergebnis aber keineswegs der Durchbruch. Insbesondere nicht, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Branche handelt, der es sehr gut geht und in der die Gewerkschaft noch stark organisiert ist. Als wegweisende Tarifvereinbarung für das Jahr 2018 lässt die Vereinbarung befürchten, dass die aggregierten Reallöhne auch dieses Jahr bestenfalls um den Produktivitätsfortschritt steigen. Das ist gerade aus einer europäischen Perspektive zu wenig, da ja die europäischen Handelspartner relativ zu uns günstiger werden müssen.
    Quelle: Makroskop

    Anmerkung: Sie finden den grundlegenden Artikel von Heiner Flassbeck und Michael Paetz auch auf den NachDenkSeiten.

  9. Schlangengrube” Berliner Politbetrieb: “Niemand sollte dem anderen in den Vorgarten pinkeln
    Spitzenleute der SPD hätten im vergangenen Jahr “alle auf eigene Rechnung gespielt”, sagte der linke Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi im Dlf. Sich übers Personal zu streiten statt wie die Linken über Inhalte, sei aber kein überzeugendes Angebot an die Wähler. […]
    Münchenberg: Ist das denn auch Ihre Beobachtung? Geht es in Berlin politisch gesehen ein bisschen härter zu als in Brüssel, als in der belgischen Hauptstadt?
    de Masi: Nun, es geht durchaus etwas härter zu, weil man im Europäischen Parlament etwa als Linker mit einem schwedischen Konservativen zusammenarbeiten muss, mit dem man sich aber nie im Wahlkampf begegnen wird. Es hat schon eine andere Qualität. Ich finde aber auch, dass es jetzt falsch wäre, sozusagen den Psychologen der SPD zu spielen, sondern viele, viele Menschen – das ist das eigentliche Problem –, die fühlen sich nicht mehr wertgeschätzt von der SPD seit vielen Jahren, die Beschäftigten, die Arbeitslosen, die Rentner, und da mutet es schon etwas lustig an, wenn wir uns jetzt den ganzen Tag damit beschäftigen, ob sich Herr Gabriel oder Herr Schulz hinreichend wertgeschätzt fühlen von ihrer Partei.
    Quelle: Deutschlandfunk
  10. EU: Auf eine neoliberale Politik festgenagelt
    Debatte zur Europäischen Union: Die Suche nach linken Handlungsmöglichkeiten. – Mit unseren bisherigen Positionen und Strategien zur EU sind wir heute in der Defensive. Die folgenden Thesen sind die Basis für die Suche nach neuen Strategien.

    1. Die positiven Seiten der EU dürfen uns nicht davon abhalten, eine grundlegende Kritik an ihr zu üben.
      Die EU hat viele positive Aspekte. Dazu gehören etwa die Freiheit, in andere EU-Länder zu reisen oder dort zu arbeiten, Transferleistungen in strukturschwache Regionen oder die Chemikalienverordnung REACH. Doch diesen positiven Aspekten stehen viele problematische Bereiche der EU-Politik, wie die Handelspolitik, die neoliberale Wirtschafts- und Kürzungspolitik, die Flüchtlings- oder Militärpolitik, gegenüber. (…)
    2. Neoliberale Wirtschaftspolitik ist der Kern der EU. Daher ist sie nicht in unserem Sinn reformierbar. (…)
    3. »Mehr Europa« bedeutet heute immer »mehr Neoliberalismus« und ist daher abzulehnen.
      Solange der neoliberale Kern der EU nicht infrage gestellt wird, vertieft jeder neue Integrationsschritt die problematische Ausrichtung. (…)
    4. Die Frage, ob ein Austritt aus EU und Euro sinnvoll ist, stellt sich in jedem Land anders.
      Vom europäischen Standortwettbewerb profitieren in erster Linie Reiche und Konzerne, während die breite Bevölkerung verliert. (…)
    5. Der Gegensatz »Mehr EU oder zurück zum Nationalstaat« ist falsch und führt uns in die Irre. (…)
    6. Auch die Rechten stehen für neoliberale Politik – nur noch autoritärer.
      Die Rechten sind bisher Hauptprofiteur der EU-Krise. Das liegt an der Schwäche der Linken und am Rechtsruck der sogenannten politischen Mitte. (…)
    7. Für die Entwicklung der EU in den kommenden Jahren sind verschiedene Szenarien denkbar – und keines davon ist gut. (…)
    8. Aktuelle Initiativen wie DiEM25 oder Lexit greifen zu kurz. (…)
    9. Wir brauchen Strategien, die uns handlungsfähig machen.

    Wir müssen sowohl unsere Kritik an der EU, aber auch unsere Strategien für Veränderung auf neue Beine stellen. Es bringt uns nicht weiter, auf eine fundamentale Reform der EU zu hoffen, wenn die dafür nötigen Mehrheiten in der Realität in immer weitere Ferne rücken. (…)
    Quelle: Blickpunkt WiSo

  11. Kryptoboom: Island fürchtet Strommangel wegen Bitcoin
    Island zieht wegen seiner niedrigen Strompreise immer mehr Rechenzentren an, die Bitcoins herstellen. 2018 könnte deren Energieverbrauch den aller Haushalte übertreffen.
    Der hohe Energieverbrauch zur Erzeugung der Digitalwährung Bitcoin sorgt weiter für Schlagzeilen. Die in Island beheimateten Bitcoin-Produzenten dürften in diesem Jahr mehr Strom verbrauchen als alle isländischen Privathaushalte zusammen, sagte der Sprecher des isländischen Energieunternehmens HS Orkas, Johann Snorri Sigurbergsson, dem britischen Fernsehsender BBC.
    Grund des hohen Energieverbrauchs sei, dass sich immer mehr Rechenzentren, darunter sogenannte “Miner”, in Island ansiedeln wollten. Es gebe eine hohe Anzahl von Kundenanfragen, sagte Sigurbergsson: “Wenn all diese Projekte realisiert werden, haben wir nicht genug Energie dafür.”
    Unter “Mining” wird die Herstellung von Bitcoins verstanden. Hierbei führen die “Miner” hochkomplexe Rechenoperationen durch und erhalten dafür frische Bitcoins.
    Island ist ein kleines Land mit etwa 350.000 Einwohnern. In den vergangenen Jahren sind viele Rechenzentren in das Land gezogen. Ein Grund dafür ist die vergleichsweise günstige Stromerzeugung, die in Island fast ausschließlich aus erneuerbaren Energien wie Erdwärme oder Wasserkraft erfolgt.
    Sigurbergsson veranschlagt den jährlichen Stromverbrauch der Bitcoin-Miner auf 840 Gigawattstunden – verglichen mit veranschlagten 700 Gigawattstunden, die pro Jahr durch die isländischen Haushalte verbraucht würden.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Jens Berger: Die internationale Politik ist gefragt, um diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Der Missbrauch von elektrischer Energie zum „Mining“ von Kryptowährungen scheint übrigens mittlerweile auch bei den Viren- und Malware-Entwicklern immer populärer zu werden. Haben die Schädlinge früher noch dazu geführt, dass die Rechner der Opfer als Spam-Schleudern oder Angreifer für DDoS-Angriffe missbraucht werden konnten, werden die gekaperten Rechner heute meist zum „Cryptomining“ eingesetzt. Wie hoch der Stromverbrauch durch diese kriminellen Praktiken ist, lässt sich allenfalls vermuten.

  12. Armutsgefährdung von Alleinstehenden nimmt zu
    Die Armutsgefährdung von Alleinstehenden (Haushaltstyp)1 hat sich in Deutschland deutlich erhöht. Waren im Jahr 2006 21,5 Prozent aller Alleinstehenden armutsgefährdet, ist es 2016 jede/jeder Dritte gewesen (32,9 Prozent). Damit liegt die Armutsgefährdung von Alleinstehenden in Deutschland deutlich über dem EU-Schnitt von 25,6 Prozent.
    Die Armutsgefährdungsgrenze lag in Deutschland im Jahr 2016 bei 12.765 Euro im Jahr bzw. 1.063,75 Euro pro Monat (60 Prozent des Medianeinkommens).
    Auch die Armutsgefährdung von Alleinstehenden in Arbeit stieg von 10,1 Prozent im Jahr 2006 auf 17 Prozent in 2016 an.
    Dies geht aus aktuellen Daten des Europäischen Statistikamts Eurostat hervor, die die Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann ausgewertet hat.
    Die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE erklärt dazu:

    “Armut breitet sich zunehmend in Deutschland aus. Sie ist da und kann sich nicht verstecken. Im europäischen Vergleich hat Deutschland einen ausgeprägten Niedriglohnsektor. Um Armut zu bekämpfen, braucht es ein umfassendes Konzept. Eine neue Bundesregierung muss hier einen Schwerpunkt setzen.”

    Zimmermann weiter:

    “Prekäre Beschäftigung ist zurückzudrängen. Unter anderem muss der Mindestlohn auf 12 Euro erhöht werden. Leiharbeit ist zu verbieten und sachgrundlose Befristungen dürfen nicht länger möglich sein. Eine neue Bundesregierung muss dringend die Rahmenbedingungen für gute Arbeit schaffen. Zudem muss die soziale Sicherung bei Erwerbslosigkeit existenzsichernd ausgestaltet werden. Die gesetzliche Rente muss gestärkt und armutsfest gemacht werden.”

    Quelle: Die Linke

  13. Umstrittene Panzernachrüstung – Rheinmetall treibt Türkei-Deal voran
    Rheinmetall bringt trotz ausstehender Genehmigung die Aufrüstung türkischer “Leopard 2”-Panzer auf den Weg: Laut BR und “Stern” soll es bereits einen Deal mit der türkischen Firma BMC geben.
    Als die türkische Armee Ende Januar “Leopard 2”-Panzer gegen die Kurdenmiliz YPG einsetzte, war die Empörung groß: Panzer aus deutscher Produktion in einem völkerrechtswidrigen Krieg. Panzer, für die Außenminister Sigmar Gabriel bei einem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen in Aussicht gestellt hatte, die Bundesregierung werde eine Nachrüstung genehmigen. (…)
    Rheinmetall plant Joint-Venture mit der Türkei
    Rheinmetalls Türkei-Pläne gehen aber noch viel weiter: Präsident Erdogan möchte bald vor Ort Panzer bauen lassen. Rheinmetall will mit dabei sein und hat in der Türkei ein Tochterunternehmen gegründet.
    Quelle: Tagesschau
  14. Toll Collect: Mautfirma stellte dem Bund 300 Millionen Euro zu viel in Rechnung
    Der Betreiber des Systems der Lkw-Maut Toll Collect hat dem Bund offenbar überhöhte Rechnungen gestellt. Zu diesem Ergebnis kommt ein geheimer Untersuchungsbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars, den der SPIEGEL einsehen konnte. Demnach hat das Konsortium um die Hauptgesellschafter Telekom und Daimler dem Bund mindestens 298 Millionen Euro berechnet, die “nicht vergütungsrelevant” waren. (…)
    Im August läuft der Vertrag mit dem Toll-Collect-Konsortium aus. Die Bundesregierung plant, den Mautbetreiber vorübergehend zu verstaatlichen. Auf diese Weise hätte der Bund die Chance, Einblick in die gesamten Abrechnungen zu erhalten, heißt es aus dem Ministerium. Nur so ließe sich feststellen, welcher Schaden durch die Öffentlich-Private Partnerschaft für den Bund entstanden ist.
    Quelle: Spiegel Online

    Lesen Sie dazu bitte auch den Artikel „Verstaatlichung von Toll Collect – und was wird aus den Milliardenforderungen an die Telekom und Daimler?“ auf den NachDenkSeiten

  15. Eigentum ist Heimat
    Nun soll er also Heimat-Minister werden, der Seehofer Horst. Und ganz Deutschland soll dann die von ihm verwaltete Heimat sein. Das macht Sinn. Denn zugleich wird der oberste aller Bayern auch Innenminister. (…) Ziemlich durchsichtig ist der neue Heimat-Trend zur Abwehr der AfD und deren nationaler Phrase erfunden worden. Abwehr durch Kopieren? Eine seltsame Heimatschutz-Maßnahme. Die AfD weiß in Ihrem Grundsatz-Programm viel von Heimat zu faseln.
    (…)
    Was mag das sein, eine Heimat? Manchem ist der Fußballverein eine Heimat. Anderen die Kneipe um die Ecke. Eine Stadtlandschaft kann Heimat sein, auch ein Stück Natur, Berge und Täler, Seen und Wälder, werden nicht selten als Heimat begriffen. Und nicht zuletzt findet Heimat in Sprachlandschaften statt.
    (…)
    Folgt man der Ministerial-Bürokratie und der AfD kann man Heimat kaufen. So sollen die Deutschen zum Horst gemacht werden, zu jenem peinlichen Wesen aus der Redewendung, das zwar wenig fundiertes Wissen hat, aber auf dem Weg zum Vollhorst, über alles redet.
    Quelle: Ulrich Gellermann auf KenFM
  16. Ein außergewöhnlicher Erfolg der Linke? Frankreich im Wahlzyklus 2017
    Jean-Luc Mélenchon und seine Bewegung La France Insoumise (LFI) haben bei den Präsidentschaftswahlen ein bemerkenswert gutes Ergebnis erzielt. Sollte es sich konsolidieren lassen, würde LFI auch im internationalen Vergleich stärkste linke Kraft in einem Land des kapitalistischen Zentrums werden.
    Der Wahlzyklus 2017 offenbart einen tiefen Umbruch im politischen System Frankreichs. Der Kollaps der Sozialdemokratie, die schwere Niederlage der Konservativen und der erneute Stimmenzuwachs für Marine Le Pen reflektieren die ökonomischen und politischen Krisen, die das Land seit längerem belasten. Hauptprofiteur der Instabilität war Manuel Macron, dem es gelang, den Eindruck zu erwecken, die Probleme des Landes lösen zu können. Mit seiner Bewegung La République en marche etablierte er eine Art Große Koalition.
    LFI ist zur neuen hegemonialen Kraft der französischen Linken geworden. Nach einem zehnjährigen Suchprozess und Experimenten mit klassischen linken Sammlungsbewegungen vollzog Mélenchon 2016 den Bruch damit. Ähnlich wie PODEMOS und Syriza trat LFI als neues Projekt und eigenständiger Akteur an. LFI versteht sich auch als Antwort auf die jahrzehntelange Krise linker Politik.
    Mit dem Bewegungskonzept versucht LFI die Konsequenz aus der immer geringeren Bereitschaft zu ziehen, sich in Parteien zu engagieren. Die Bewegung ist in Struktur und Verfahren Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen sehr ähnlich. Wie bei diesen treten dabei Demokratieprobleme auf, sobald die Grenzen der Kleingruppe überschritten werden. LFI hofft, diese Probleme im weiteren Prozess zu lösen. Neben klassisch linken Positionen in der Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik zeichnet sich das programmatische Profil dadurch aus, dass es mit ökosozialistischer Grundierung Klima- und Umweltpolitik ins Zentrum stellt Darüber hinaus wird scharfe Kritik an der EU geübt und eine machtpolitische Strategie für den grundlegenden Wandel der Union und den Bruch mit dem neoliberalen Konstitutionalismus formuliert.
    Der Bruch mit traditioneller Bündnispolitik hat zu Konflikten mit bisherigen Partnern geführt, vor allem mit der Kommunistischen Partei. Abgesehen davon, dass die KP als machtpolitischer Faktor nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, haben die Gegensätze inzwischen strategische Dimensionen angenommen und sind irreparabel.
    LFI wird, so wie Syriza, PODEMOS, Sanders und Corbyn von der staatstragenden Mitte als „linkspopulistisch“ bezeichnet – mit ausgrenzender Absicht. LFI bezieht sich dagegen positiv auf Laclau und Mouffe, die als Theoretiker des „Linkspopulismus“ gelten. Damit agiert LFI auch am Schnittpunkt der internationalen Debatte über Grundfragen linker Politik, wie das Verhältnis der Klassenfrage zu den Themen neuer sozialer Bewegungen, linke Identitätspolitik, das Verhältnis Kosmopolitismus – Kommunitarismus, oder die Frage nach dem Subjekt der Veränderung.
    Vor dem Hintergrund zentraler Momente der Strategie von LFI, wie Volk, herrschender Block, Antagonismus/Agonismus, Emotionen und Symbolik geht das Papier auf das Narrativ vom Populismus ein.
    Eine Übertragbarkeit der französischen Verhältnisse auf Deutschland gibt es nicht, da sowohl die gesellschaftliche Situation als auch die Akteursseite zu unterschiedlich sind. Unabhängig davon ist es sinnvoll, sich ohne vorgefertigtes Urteil mit Konzept und Praxis von LFI zu befassen, Dialog und Zusammenarbeit anzustreben, und sich vor allem aus dem Konflikt zwischen KP und LFI herauszuhalten.
    Quelle: Attac
  17. Nach Lüge über Putin: Niederländischer Außenminister tritt zurück
    Nach einer Lüge über ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ist der niederländische Außenminister Halbe Zijlstra nach Angaben des niederländischen Fernsehens zurückgetreten. Mit der Lüge habe er den größten Fehler seiner Karriere begangen, argumentierte Zijlstra am Dienstag im niederländischen Parlment seine Entscheidung.
    Seit 2014 hatte Zijlstra behauptet, er hätte 2006 einem Treffen des russischen Präsidenten Putin mit ausländischen Unternehmern beigewohnt und persönlich gehört, wie der russische Staatschef das Wort „Großrussland” gebraucht und den Begriff als „Russland, Weißrussland, die Ukraine und die baltischen Staaten” definiert habe. Zijlstra verband die Erwähnung von „Großrussland” mit der angeblichen Absicht Russlands, die Kontrolle über die Ukraine, Weißrussland, und die baltischen Länder wiederherzustellen.
    Quelle: Sputnik

    dazu: Niederländischer Außenminister: Rücktritt wegen Lüge
    Der niederländische Außenminister Zijlstra ist nach einer Lüge über ein angebliches Treffen mit Russlands Präsident Putin zurückgetreten. Die Story über dessen “Groß-Russland”-Äußerung habe er “geborgt”.
    (…)
    Nach dem Rücktritt von Zijlstra musste sich Regierungschef Mark Rutte einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Den Antrag dazu hatte der rechtspopulistische Politiker Geert Wilders eingereicht. Doch stimmten 101 Abgeordnete gegen den Antrag und nur 43 dafür.
    Quelle: Tagesschau

  18. Merkels Bildungsrepublik lässt weiter auf sich warten
    […] Natürlich freuen sich die Länder und Kommunen über jeden Cent mehr vom Bund für die Bildung angesichts der zum Teil desolaten Lage. 2 Milliarden Euro für den Ganztagsschulausbau und ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter sind da auch schon eine Hausnummer und nicht einfach nichts. Nur: Angesichts der 32,4 Milliarden Euro Sanierungsstau bei Schulen, 50 Milliarden bei den Hochschulen und weitere 4,5 Milliarden Euro bei den Kitas, Mangel an Erzieher*innen und Pädagog*innen – allein im Grundschulbereich fehlen bis 2025 etwa 105.000 Lehrkräfte – lassen die gesetzten Ziele an Ernsthaftigkeit und Ehrgeiz zweifeln.
    Nun soll das Kooperationsverbot insofern weiter gelockert werden, als der Bund den Ländern jetzt Finanzhilfen für die Bildungsinfrastruktur aller Kommunen, nicht mehr nur den finanzschwachen, geben kann. Klingt soweit gut und ist auch wieder ein Schritt in die richtige Richtung.(…) DIE LINKE fordert dagegen die Aufhebung des Kooperationsverbots für den gesamten Bildungsbereich und die Verankerung einer Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz.
    Quelle: Die Linke


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=42416