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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 2. März 2018 um 16:35 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. »Vielleicht erleben wir das Ende schon am Montag«
  2. Die Wahlverwandtschaften: Fronten und Allianzen
  3. Trumps Retourkutsche
  4. Peer Steinbrück wirft SPD Realitätsverweigerung vor
  5. Die Ausbeutung durch Leiharbeit hat System
  6. Mit einer neuen Entsenderichtlinie gegen Lohndumping in der EU. Also in ein paar Jahren, mit Einschränkungen und Ausnahmen
  7. Skandal und Moral
  8. Geflüchtete: Warum Hilfsnetzwerke funktionieren
  9. Von den Folgen einer Gesetzeslücke: Landgrabbing in Deutschland?
  10. Braunkohleregion Lausitz: Eine Geschichte nicht genutzter Chancen
  11. „Für uns geht es gerade um alles“
  12. Das Gift der muslimischen Intoleranz
  13. Militarisierte Polizei
  14. “Medien reden von Objektivität und Neutralität, produzieren aber genau das Gegenteil”
  15. “Antworten wie Kurz”: Nutzer machen sich über Kanzler lustig
  16. Die Bundesregierung wurde gehackt
  17. Zu guter Letzt: CDU-Parteitag: 15 Minuten Applaus für Techniker beim Mikrofoncheck

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. »Vielleicht erleben wir das Ende schon am Montag«
    Die Parlamentswahl in Italien gilt als richtungsweisend für die Zukunft der Euro-Zone. Ein Gespräch mit Heiner Flassbeck
    In Italien wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage machen sich Investoren überhaupt keine Sorgen. Beruhigt Sie das?
    Nein, überhaupt nicht. Es kann durchaus sein, dass wir am Montag morgen dastehen, mit einer Kombination aus Kräften, die wirklich alle gegen den Euro sind. Es kann auch sein, dass diese Koalition, auch wenn sie ansonsten ideologische Meinungsverschiedenheiten hat, sich zusammenrauft, um erst mal gegen Brüssel zu kämpfen. Und dann wird es ganz heftig in Europa. Insofern bin ich schon sehr gespannt, was da passiert. Der wahrscheinliche Ausgang ist, dass es eine wilde Gemengelage gibt, in der keine Partei eine Mehrheit hat. Am Ende könnte Silvio Berlusconi die große Hoffnung für die EU sein.
    Rom verfolgt eine Wirtschaftspolitik der sogenannten internen Abwertung, weil es über keine eigene Zentralbank verfügt. Können Sie diese Strategie erläutern?
    Das geschieht unter deutschem Druck. Deutschland hat in der Euro-Währungsunion mit dem Prinzip der internen Abwertung angefangen. Die Löhne wurden im Verhältnis zur Produktivität gesenkt. Damit hat Deutschland unter seinen Verhältnissen gelebt. Nun sind die anderen Länder gezwungen, auch unter ihren Verhältnissen zu leben. Frau Merkel sagt: Alle müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Das heißt, alle müssen ihre Lebensverhältnisse verschlechtern, dann geht es ihnen gut. Das ist der entscheidende Irrtum.
    Es gibt keine Möglichkeit, sich über die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Das einzige, worauf die EU hoffen kann, ist, dass der Euro wie durch ein Wunder schwach bleibt, der Dollar nicht abwertet und die EU dann einen so großen Überschuss erzielt, dass sie alle ihre Probleme in den Rest der Welt verschiebt. Doch das ist eher unwahrscheinlich, angesichts dessen, was US-Präsident Donald Trump die ganze Zeit von sich gibt.
    Quelle: junge Welt
  2. Die Wahlverwandtschaften: Fronten und Allianzen
    Olaf Scholz sollte genau hinsehen: Welche Allianzen auch immer aus der italienischen Parlamentswahl am Sonntag hervorgehen – der Fiskalpakt ist mausetot. Die Fortsetzung einer eurokonformen Wirtschaftspolitik wäre nur ohne Mehrheit und der absoluten Unregierbarkeit Italiens denkbar.
    Zwei Konfliktlinien sind ausschlaggebend für die Wahl am 4. März: Erstens, das Malheur, das in den letzten 20 Jahren aus den Dynamiken innerhalb des Euroraumes wirtschaftlich und sozial entstanden ist. Hier haben sich Probleme akkumuliert, die jetzt eine gravierende Dimension erreicht haben. Zweitens, die chaotische, zum Teil selbst verschuldete kopflose Einwanderungspolitik der EU. Insgesamt eine Politik, die einen tiefen Graben zwischen den Eliten bzw. den wohlhabenderen Gesellschaftsschichten und den restlichen 80 % der Bevölkerung in den europäischen Ländern aufgerissen haben. Paretos Gesetz lässt grüßen.
    Oder anders formuliert: Bei den bevorstehenden Parlamentswahlen ist das ausschlaggebende Entscheidungskriterium nicht links vs. rechts, sondern Italien vs. Deutschland, also die Zurückgewinnung der nationalen Souveränität vs. den Einfluss der aktuellen europäischen übernationalen Institutionen.
    Quelle: Makroskop
  3. Trumps Retourkutsche
    „Der drohende Handelskrieg zwischen Amerika, China und der EU zeigt die Grenzen des Freihandels auf. Die Absicht des US-Präsidenten, Industriearbeitsplätze im eigenen Land zu schützen und neue zu schaffen, ist im Kern nicht verkehrt. Statt aber auf gemeinsame zwischenstaatliche Lösungen zum Abbau von Überkapazitäten zu setzen, schottet sich die USA nun durch Strafzölle ab. Das provoziert Vergeltungsmaßnahmen und weitere Handelskonflikte, die weder den Beschäftigten hüben noch drüben nützen“, kommentiert Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, die angekündigten US-Importzölle auf Stahl und Aluminium. Ernst weiter:
    „Es ist wohlfeil, wenn die Bundesregierung sich über Trumps Politik echauffiert. Denn gerade die hartnäckige Weigerung, die strukturellen deutschen Exportüberschüsse anzugehen, brachte und bringt viele Defizitländer in Bedrängnis. Mit Trump kommt nun die Retourkutsche. Wir brauchen endlich eine Handelspolitik, die nicht nur auf Wettbewerb und niedrigste Preise setzt, sondern regionale Besonderheiten berücksichtigt, Umwelt- und Sozialstandards auf höchstem Niveau festschreibt und die positive wirtschaftliche Entwicklung aller Regionen zum Ziel hat.“
    Quelle: die Linke im Bundestag
  4. Peer Steinbrück wirft SPD Realitätsverweigerung vor
    Vor allem beim Thema Integration lasse sich die SPD “von einer ehrenwerten Gesinnung den Blick auf Realitäten trüben”, kritisierte der Sozialdemokrat. Seine Partei müsse sich fragen, “ob das Pendel in den vergangenen Jahren nicht zu weit in Richtung einer Vielfaltseuphorie und eines gehypten Multikulturalismus ausgeschlagen ist”, so Steinbrück. “Wie die Sozialisten in Frankreich ist auch die SPD in Gefahr, sich mehr um Antidiskriminierungspolitik und Lifestyle-Themen zu kümmern und darüber die Befindlichkeiten der Mehrheitsgesellschaft außer Acht zu lassen.”
    Steinbrück rief die SPD zu einer strategischen Umkehr auf. Er ermahnte die Sozialdemokraten, die “Verdrängung Einheimischer und die Homogenisierung von Stadtquartieren” sowie den Verfall von Alltagskultur stärker zu thematisieren. Auch einer Debatte über die deutsche Leitkultur dürfe sich seine Partei nicht länger verweigern. Eine spezifisch deutsche Kultur abzustreiten sei “fatal”, sagte Steinbrück, “weil es dem unsäglichen Vorurteil Vorschub leistet, die SPD habe ein gestörtes Verhältnis zum nationalen Erbe”.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Nun, beim Thema Wahlniederlage hat der Millionär Steinbrück zweifellos die entsprechende Expertise. Beim Verständnis für die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Bürger, die wenig oder gar kein Vermögen besitzen wohl eher nicht. Andererseits kann man sich seiner Argumentation nicht verschließen, dass die politischen Diskurse des links-urbanen Polithipstermilieus über Gender- und Identitätspolitik und deren Ausrufung der Flüchtlinge zum neuen revolutionären Subjekt an der Lebenswirklichkeit der Mehrheit der Bürger vorbeigehen.

    dazu: Wem die Stunde schlägt
    Die französischen Sozialisten sind in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Die SPD ist auf einem guten Weg zu folgen. […]
    Der spektakuläre Absturz des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der Europa gar nicht als Thema aufgriff, ist mit der Abwahl von François Hollande zu vergleichen. Er ist das Ergebnis einer jahrelangen Entfremdung von der Basis. Jeder weiß, dass Schröders Reform-Agenda 2010 für den miserablen Zustand der SPD verantwortlich ist. Sie wirkte wie eine “Abrissbirne sozialdemokratischer Programmatik”, sagte Andrea Nahles, designierte SPD-Chefin, vor langer Zeit. Mit dem Schikanieren der Langzeitarbeitslosen machten die Sozialdemokraten die Schwächsten der Gesellschaft zum Sündenbock. Ja, Hartz IV wird ein dunkler Fleck in der SPD-Geschichte bleiben.
    Wie die Sozialisten in Frankreich haben sich die deutschen Sozialdemokraten dem Neoliberalismus allmählich angepasst und damit den Kontakt mit der Basis verloren. Wie der PS in Frankreich versuchte auch die SPD, eine neoliberale Politik unter dem Deckmantel eines sozialen Programms zu verkaufen. Die SPD liberalisierte den Arbeitsmarkt und bereitete so die Armutswelle der Rentner von morgen vor. Andrea Nahles bemüht sich seit Jahren, die Agenda 2010 zu korrigieren. Die erkämpfte Trophäe des Mindestlohns ist aber kein Sieg der Sozialdemokratie, sondern letztlich nur eine Korrektur auf dem falsch eingeschlagenen Weg.
    Statt sich der Linken langsam anzunähern, ist die SPD aus Angst vor Erneuerung in die andere Richtung gegangen. Wie kann die SPD heute noch glaubwürdig sein, da sich die Schere zwischen Armen und Reichen weiter geöffnet hat? Vom neuen Wirtschaftswunder profitieren vor allem die Finanzmärkte und die Reichsten. Warum sollte man heute SPD wählen? Weil die Partei eine neoliberale Politik verfolgt?
    Zu allem Übel melden sich auch noch ständig die Väter dieses SPD-Neoliberalismus zu Wort. Wirtschaftslobbyist Gerhard Schröder, einst Bundeskanzler, gibt den Genossen immer noch Ratschläge, wie sie Wahlen gewinnen könnten. Mit seinem Wechsel in die Finanzwirtschaft zeigt sich auch Peer Steinbrück Bankern näher als Genossen. Trotzdem gibt der Ex-Finanzminister in den kommenden Tagen ein Buch heraus mit dem Titel “Das Elend der Sozialdemokratie”. Wie in Frankreich belehren die Altvorderen die Politiker von heute, obwohl sie schuld am Desaster sind. Das macht Wähler wütend.
    Quelle: Süddeutsche

  5. Die Ausbeutung durch Leiharbeit hat System
    Das Beschäftigungswachstum in der Leiharbeit hält unvermindert an. Das ist weder Zufall, noch Zeichen für eine bloß stellenweise missbräuchliche Nutzung der Arbeitnehmerüberlassung. Mindestens drei Anhaltspunkte sprechen für eine systematische Ausbeutung von Beschäftigten durch Leiharbeit.
    Die Leiharbeit wächst und wächst. Sowohl die Zahl der Beschäftigten wie die der Betriebe erreicht von Jahr zu Jahr neue Rekordhöhen. Nach den kürzlich von der Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlichten Angaben für die erste Jahreshälfte 2017 stieg die Zahl der Leiharbeitsbeschäftigten bis Ende Juni 2017 auf über 1,04 Millionen. Mit einem Plus von 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat ist zugleich ein neuer Höchststand erreicht. Noch nie waren in Deutschland so viele Menschen als LeiharbeiterInnen tätig, und ein Ende der nur als stürmisch zu bezeichenden Entwicklung scheint vorerst nicht absehbar.
    Quelle: Blickpunkt WiSo
  6. Mit einer neuen Entsenderichtlinie gegen Lohndumping in der EU. Also in ein paar Jahren, mit Einschränkungen und Ausnahmen
    Jetzt aber endlich mal wieder positive Nachrichten – und dann auch noch zu einem europäischen Thema: Einig im Kampf gegen Lohndumping, so lautet eine der Überschriften dazu oder noch eindrucksvoller: Lohndumping: EU will Ausbeutung ausländischer Billiglöhner stoppen. Na endlich, wird der eine oder andere anmerken, das wurde aber auch wirklich Zeit, wenn man sich die Verwerfungen anschaut, die in manchen Branchen entstanden sind durch den massenhaften Einsatz von entsandten Arbeitnehmern, die zu deutlich günstigeren Konditionen beschäftigt werden können als einheimische Beschäftigte.
    Was genau ist passiert, dass es solche semantischen Freudensprünge zu verzeichnen gibt? »Ob auf Baustellen, in Gastronomie oder Pflege: Viele ausländische Arbeitskräfte wurden bislang schlechter bezahlt als ihre heimischen Kollegen. Das soll sich nun ändern«, so beginnt dieser Bericht. »Nach monatelangen Verhandlungen erzielten Unterhändler des Europäischen Parlaments, der EU-Länder und der EU-Kommission eine entsprechende Grundsatzeinigung. Sozialkommissarin Marianne Thyssen sprach von einem Durchbruch und einem ausgewogenen Kompromiss nach dem Prinzip: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit am selben Ort.«
    Das hört sich gut an. Denn es geht hier um viele betroffene Arbeitnehmer (direkt und natürlich auch indirekt). Gut zwei Millionen entsandte Kräfte arbeiten nach offiziellen Angaben in einem anderen EU-Land, mehr als 400.000 in Deutschland. Viele arbeiten auf dem Bau, bei Speditionen, in Gaststätten oder in der Pflege. Über die Reform der mehr als 20 Jahre alten EU-Entsenderichtlinie wurde seit 2016 gestritten. Östliche Mitgliedstaaten mit niedrigem Lohnniveau pochen auf Freizügigkeit ihrer Bürger, während die westlichen EU-Länder Lohndumping auf ihrem Arbeitsmarkt beklagen.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  7. Skandal und Moral
    Der Fall Essen zeigt: Mit der Flüchtlingsfrage verschärft sich die Verteilungsfrage – ganz exklusiv im unteren Drittel der Gesellschaft […]
    Die Konfliktlinien bildeten sich nicht unvermeidlich heraus. Sie gründen in politischen Fehlentscheidungen und einer Form von staatlichem Versagen, nicht zuletzt jenen der Kanzlerin und der ihr zunickenden Koalition. Die dem nebulösen Versprechen „Wir schaffen das!“ folgenden Integrationshilfen waren absurd unterproportioniert. Moral spielte nun keine Rolle mehr. Vernunft auch nicht. Dies traf und trifft nicht nur Asylsuchende und Geflüchtete, sondern auch die einheimischen sozialen Schichten unserer Gesellschaft. Mit der Flüchtlingsfrage verschärfte sich die Verteilungsfrage – nicht zwischen oben und unten, nicht zwischen dem „moralfesten Kosmopolitismus“ der Mittelschichten und dem „moralisch prekären Kommunitarismus“ der weniger privilegierten Klassen. Der Verteilungskampf findet exakt da statt, wo man ihn von Anfang an befürchten musste: direkt und exklusiv im unteren Drittel.
    Die hilflose Entscheidung der freiwilligen Helfer in Essen zeigt die problematische Kreuzung und Überlappung der Konfliktlinien zwischen links/rechts und Kosmopolitismus/Kommunitarismus. Die Kosmopoliten optieren für offene Grenzen für Waren, Dienstleistungen und Kapital, aber auch für Asyl-, Wohlstand- und Arbeitsuchende oder Geflüchtete. Sie treten zudem für durchlässige Grenzen hinsichtlich nationalstaatlicher Rechte und Pflichten ein. Eine Abgabe nationaler Kompetenzen an supranationale Organisationen wie die EU halten sie für legitim oder gar für geboten, weil sie sich davon effizientere Problemlösungen erwarten. Eine empirisch belastbare Basis hat diese Erwartung bisher allerdings weder im Klimaschutz, in der Flüchtlingspolitik, der Armutsbekämpfung noch in der internationalen Friedenssicherung gefunden.
    Quelle: der Freitag
  8. Geflüchtete: Warum Hilfsnetzwerke funktionieren
    Seitdem die Flüchtlinge über das Meer kommen, sind auf den griechischen Inseln erstaunliche Solidaritätsnetzwerke entstanden, oftmals in Form selbst organisierter Direkthilfe. Was treibt die Helfer an? Tabea Grzeszyk hat nachgefragt.
    “Ein syrischer Flüchtling stirbt und seine Seele wandert in den Himmel. Als sie dort ankommt, versperrt ihr ein Engel das Tor. Der Flüchtling fragt: Warum stoppst Du mich? Lass mich rein! Ich bin Syrer, ich habe viel gelitten, der Krieg und all das! Der Engel antwortet: Sir, es tut uns leid. Aber Ihre Fingerabdrücke sind in Griechenland. Sie müssen zurück!”
    Lachen hilft – zumindest ihm selbst. Rami Qudmany, ein 29-jähriger Flüchtling aus Syrien mit akkurat gestutztem Vollbart und blitzenden Augen. Seit Sommer 2016 steckt er auf der griechischen Insel Lesbos fest und wartet auf seine Papiere, um zu seinen Eltern zu reisen. Sie haben in Deutschland Asyl beantragt. Doch seit dem Flüchtlingsdeal mit der Türkei sind die Grenzen dicht.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  9. Von den Folgen einer Gesetzeslücke: Landgrabbing in Deutschland?
    Der globale Trend, Ackerland als Spekulationsobjekt zu erwerben, hat Deutschland längst erreicht. Internationale Konzerne und Kapitalfonds dürfen – als Nicht-Landwirte – zwar kein Ackerland erwerben. Aber sie kaufen Bauern in Ostdeutschland deren Anteile an landwirtschaftlichen Genossenschaften ab und setzen sie als Geschäftsführer ein.
    Das ist für die Bauern lukrativ – zumal die Flächenpreise steigen, wenn das Land knapper wird.
    Damit steigen aber auch die Pachtpreise, die unabhängige kleine Landwirte zahlen müssen. Die Folge sind Betriebspleiten – was weitere Investoren anlockt. Sie besitzen vor allem in den neuen Bundesländern je nach Region heute schon zwischen 20 und 50 Prozent der Äcker und Wiesen.
    Die Investoren entscheiden, was angebaut wird. Energiepflanzen – Mais, Raps, Zuckerrüben – bringen die höchsten Renditen. Sie wachsen in Monokulturen von durchschnittlich 30.000 Hektar Fläche und werden mit riesigen Maschinen bearbeitet. Weitere Arbeitsplätze gehen verloren. EU-Subventionen werden pro Hektar, nicht pro Arbeitsplatz bezahlt. Bei den aktuellen Besitzverhältnissen ist eine von der Bundesregierung eigentlich angestrebte Bio-Agrarwende kaum noch durchführbar.
    Und das Gesetz? Landesrecht und Bundesrecht blockieren sich gegenseitig.
    Quelle: Deutschlandfunk
  10. Braunkohleregion Lausitz: Eine Geschichte nicht genutzter Chancen
    Wohin geht es mit der Lausitz? Der Braunkohlebergbau, von dem die Region lebt, hat keine Zukunft. Und die Landesregierung hat es verschlafen, die Lausitz rechtzeitig zum Vorzeigestandort für erneuerbare Energie zu entwickeln. Der Tourismus allein kann es nicht reißen. […]
    In Cottbus brodelt es: Von fremdenfeindlichen Kräften organisierte Demonstrationen ziehen immer mehr Publikum an. Vergangene Woche hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Vertreter der Stadtgesellschaft zum Gespräch empfangen. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Cottbuser IHK, Maik Bethke, sagte dem Staatsoberhaupt, dass er die Ursachen für Unsicherheit und Unzufriedenheit der Menschen beim Strukturwandel in der Region sähe. Und Oberbürgermeister Kelch warnt vor einem schnellen Ausstieg:
    “Man muss ja auch wissen: Bis 1990 waren ca. 60.000 Menschen in der Braunkohlenindustrie, also zu DDR-Zeiten, hier beschäftigt. Und da gab es dann schon mal einen Schlag, als reihenweise die Tagebaue hier dichtgemacht worden sind in der Lausitz. Sicherlich sind viele schöne Seen jetzt entstanden, aber diese Arbeitsplätze, die sind an keiner Stelle wiedergekehrt und darunter hat die Lausitz bis heute zu leiden.”
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  11. „Für uns geht es gerade um alles“
    Selbstverständlich macht derzeit jede Stadt, die etwas auf sich hält, in Smart City. Doch was das genau heißt, bleibt oft nebulös. Manchen von der Sparpolitik gebeutelten Städten bleibt nichts anderes übrig, als das Feld Technologiekonzernen zu überlassen, weil ihnen das Geld für Investitionen fehlt. Die Stadtregierung von Barcelona und die Leiterin ihrer Smart-City-Strategie, Francesca Bria, gehen einen anderen Weg: Eine Stadt wäre smart, so ihr Plan, wenn sie technologische Innovationen in den Dienst ihrer Bewohnerinnen und Bewohner stellt und Datensammlung wie Vernetzung für emanzipatorische Politik und das Ziel einer lebenswerten Stadt nutzt. Bria hat ihren Ansatz gemeinsam mit Evgeny Morozov in der Studie Die smarte Stadt neu denken veröffentlicht.
    Quelle: der Freitag
  12. Das Gift der muslimischen Intoleranz
    Folgenschwere Fehlentwicklung: Die Berliner Lehrergewerkschaft warnt vor den Folgen des Erziehungsnotstands in muslimischen Familien. Die Schulbehörde warnt im Gegenzug Lehrer vor „moralischer Überwältigung“ mit westlichen Freiheitswerten.
    Sogar die Lehrergewerkschaft hat es nun bemerkt: Wo Deutsche nur noch eine Minderheit sind, in Klassenzimmern und auf Schulhöfen bestimmter Viertel, geht es ziemlich brutal zu; die Intoleranz trifft deutsche Mitschüler und Andersgläubige – die Gewerkschafter sprechen von „Nichtmuslimen“ –, Mädchen sowieso. Aber auch das weibliche Lehrpersonal und leistungsstarke Schüler sind ungeheuerlicher Diskriminierung und verbalen oder tätlichen Übergriffen ausgesetzt. Und offen wird nun endlich benannt, was längst jeder weiß, der nicht an weltanschaulich konnotierten Wahrnehmungsstörungen leidet: Es geht hier nicht um die Söhne polnischer, kasachischer oder italienischer Einwanderer, sondern um junge Muslime. Am Wochenende hatte die Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus diesem Grund zu einem Workshop geladen, was viele bereits als kleine Sensation werten möchten.
    Außergewöhnlich ist daran nur, dass erst der Streit um Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ solche und ähnliche Veranstaltungen hervorbringt und nicht der real seit Jahren schwelende Konflikt überbordender, häufig gewalttätiger Intoleranz an Schulen mit einem hohen Anteil an muslimischen Schülern. Natürlich berief sich die GEW nicht auf Sarrazin, sondern auf eine eigene Analyse, die in der verbandseigenen „Berliner Lehrerzeitung“ erschien.
    Quelle: FAZ
  13. Militarisierte Polizei
    Aufrüstung gegen soziale Bewegungen im Namen der Terrorbekämpfung
    Hier findet sich ein Audio-Mitschnitt von einem Vortrag am 23.02.2018 zum Thema Militarisierung der Polizei. Der Vortrag fand im Rahmen der Reihe „Demokratie und Repression“ statt.
    Die paramilitärische Aufrüstung der deutschen Polizeien im Namen des Antiterrorismus zeigt Stück für Stück sichtbare Wirkungen im Bereich der Protestbekämpfung. Der Einsatz hochgerüsteter polizeilicher Spezialeinheiten gegen Menschenmengen beim G20-Gipfel in Hamburg war ein Türöffner, um auch künftig mit militärischen Mitteln gegen aufbegehrende Bevölkerungsgruppen vorzugehen. Auch in Baden-Württemberg wurde das Polizeigesetz verschärft – und zwar bis „an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen“, wie Ministerpräsident Kretschmann stolz verkündete. (…)
    Unter dem Vorwand der Sicherheit werden seit Jahren politische Freiheitsrechte untergraben. Seinen vorläufigen Höhepunkt hat dieser Prozess beim Umgang mit den G20 Protesten in Hamburg 2017 gefunden. Bereits vor dem Gipfel wurde in einem 38 km² großer Bereich um das Tagungsgelände die Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt. Die damit einhergehende Aufstandsbekämpfungspraxis der Polizei erreichte in diesem Rahmen eine neue Dimension, legitimiert durch die gezielte Konstruktion einer durch linken Protest ausgehenden Bedrohung. Dabei verselbstständigte sich die Polizei stellenweise komplett. So wurde beispielsweise ein gerichtlich genehmigtes Camp brutal geräumt.
    In der Nachbereitung des G 20 Gipfels wurde dies jedoch kaum problematisiert, vielmehr wurde weiter an der Delegitimierung des Protestes und an einer gesteigerten Kriminalisierung und Bekämpfung linker Strukturen gearbeitet.
    Diese Entwicklung erachten wir als Ausdruck zunehmend autoritärer Strukturen in Staat und (Teilen der) Gesellschaft. Die veranstaltenden Gruppen finden es deshalb umso wichtiger, dass eine breite gesellschaftliche Debatte über staatliche Repression und über die Notwendigkeit der Verteidigung grundlegender demokratischer Rechte geführt wird.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    Anmerkung Christian Reimann: In diesem Zusammenhang sei an die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte erinnert:
    „So müssen die in der EMRK enthaltenen „Negativdefinitionen“ auch als Teil der Charta betrachtet werden:
    Artikel 2 Absatz 2 EMRK:

    „Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

    • jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
    • jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
    • einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen“.

    Und weiter:
    „Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden …“.

    Die Erläuterungen sind offenbar nicht lediglich Regelungen für die Ausführungen des Gesetzes, sondern – und das ist unüblich – dem Gesetzestext gleichgestellt. So nachlesbar im Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.12.2007.

  14. “Medien reden von Objektivität und Neutralität, produzieren aber genau das Gegenteil”
    Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen über den Imperativ der Aufmerksamkeit und die Medienrealität
    Soft News anstelle von harten Nachrichten zu Politik und Wirtschaft, persönliche Befindlichkeiten und Küchenpsychologie ersetzen die sachliche Analyse: Die Berichterstattung der Medien hat viele Schlagseiten. Der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen hat sich nun in dem Buch “Breaking News: Die Welt im Ausnahmezustand” die Medien genauer angeschaut. Seine Erkenntnis: Die Berichterstattung funktioniert heute nach einer Logik, die einem wirklich kritischen Journalismus im Wege steht. Im Interview mit Telepolis erklärt Meyen, der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Journalisten ausbildet, was es mit dem “Imperativ der Aufmerksamkeit” auf sich hat und was mit dem Ausdruck “Medienrealität” gemeint ist.
    Quelle: Telepolis
  15. “Antworten wie Kurz”: Nutzer machen sich über Kanzler lustig
    Im Nationalrat sorgte der Kanzler mit ausweichenden Antworten für Aufsehen Festnageln ließ sich Sebastian Kurz (ÖVP) nicht: In seiner ersten “Fragestunde” als Bundeskanzler im Nationalrat sorgte Kurz mit seinen allgemeinen, ausweichenden Antworten auf konkrete Fragen für Aufsehen. Das regte die Opposition so auf, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sogar die Sitzung unterbrechen ließ. Im Netz machten sich daraufhin zahlreiche User über den Stil von Kurz lustig. Unter dem Hashtag #AnswerLikeKurz erfanden User eigene Frage-Antwort-Szenarien.
    Quelle: der Standard
  16. Die Bundesregierung wurde gehackt
    Die Hacker haben sich wohl vor mehreren Monaten ins Computernetz der Bundesregierung geschlichen und klauen dort seitdem möglicherweise wichtige Daten. Bisher gibt es erste Hinweise darauf, dass die Hacker aus Russland kommen. Anscheinend haben sie streng geheime Informationen der deutschen Regierung geklaut. Auf den Regierungscomputern liegen zum Beispiel Informationen darüber, was Deutschland im Streit mit einem anderen Land als Nächstes vorhat. Die Hacker könnten diese Geheimnisse weitergeben und so den Plänen der deutschen Regierung schaden. Deshalb versucht sie alles, damit so schnell wie möglich mehr über den Hackerangriff bekannt wird und er beendet werden kann.
    Quelle: ZDF

    Anmerkung unseres Lesers F.B.: Der Kinderkanal von ARD und ZDF namens KIKA bietet auch eine Nachrichtensendung: Logo. Dieses Format ist erstaunlich und mitunter beschämend anzuschauen, stellt sie eine Fortsetzung der Sendungen Tagesschau und Heute in Sachen Meinungsmanipulation dar. Beschämend ist die subtile Vereinnahmung von Kindern und Eltern in den Meinungs- und Weltsichtmainstream: Die Logo-Sendung vom 28. Februar als Beispiel bot kindliche Themen und mitten im Verlauf (ab 2:45 min.) einen Beitrag eines möglicherweise aus Russland stammenden Hackerangriffs. Die „Berichterstattung“ erfolgte mit einer bedrohlichen Visualisierung: eine knallig ins Bild gesetzte Russlandflagge, eine dunkle Weltkarte, auf der Datenlinien und Netze dunkler Mächte zum Text liefen: „…Die Hacker könnten diese Geheimnisse weitergeben und so den Plänen der deutschen Regierung schaden.“ Die Beispiele lassen sich fortsetzen, „kindgerecht“ werden 1 zu 1 Themen so gewichtet, dass das Weltbild der Großen auch das der Kleinen werde.

  17. Zu guter Letzt: CDU-Parteitag: 15 Minuten Applaus für Techniker beim Mikrofoncheck
    Berlin (dpo) – Helle Begeisterung beim CDU-Sonderparteitag in Berlin: Dort erhielt Tontechniker Manfred “Manni” Gondraschek über 15 Minuten Applaus, nachdem er einen kurzen Mikrofoncheck durchführte. Bei einer anschließenden Abstimmung erhielt sein Antrag “Test Test Eins Zwo Eins Zwo” starke 97,23 Prozent Zustimmung. […]
    Nun ist es an Merkel und ihren Ministern, dem Wunsch der Partei zu entsprechen.
    Quelle: Der Postillon


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