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Titel: Heiner Flassbeck und die sonntägliche Inflationswarnung

Datum: 7. Dezember 2009 um 9:17 Uhr
Rubrik: Das kritische Tagebuch, Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Finanzkrise, Veranstaltungshinweise/Veranstaltungen
Verantwortlich:

Freunde der NachDenkSeiten wissen, dass wir dem Ökonomen Heiner Flassbeck in besonderer Weise verbunden sind. Fachlich gibt es mit ihm die größtmögliche Übereinstimmung. Deshalb nehmen wir gerne den Hinweis eines Lesers auf eine Veranstaltung mit ihm in Bielefeld am 14. Dezember auf. Und wir kombinieren seine wiederkehrenden Hinweise auf die Inflationswarner mit einem interessanten Text eines unserer Leser zur sonntäglichen Inflationswarnung bei T-Online. Albrecht Müller

A. Zunächst die nötigen Informationen zur Veranstaltung:

Am 14.12.2009 von 18:15 Uhr bis 19:45 Uhr spricht Dr. Heiner Flassbeck im Hörsaal 12 der Uni Bielefeld zum Thema »Scheitert die Wirtschaftswissenschaft an der Finanzkrise? Wußte sie nichts – oder wurde sie nicht gehört?« im Rahmen des Forums Offene Wissenschaft. Diese Veranstaltung ist zugänglich für alle, auch Menschen außerhalb der Universität. Hier die Übersicht über die Veranstaltung des Forums insgesamt.

B. Zwei Hinweise in den NachDenkSeiten zum Thema Inflationsgefahr

Hier der Hinweis Nr. 1 vom 23. März 2009:
Heiner Flassbeck: “Wir sind in einer dramatischen Lage”
Auch die Europäische Zentralbank muss die Geldpresse anwerfen, sagt Heiner Flassbeck, Chefökonom der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz. Eine Inflation drohe aber nicht.
Wir sind in einer extrem dramatischen Lage – und das hat die Fed begriffen. Der Staat muss Geld ins System pumpen, weil alle anderen Akteure überschuldet sind. Sonst droht die gefährlichste Spirale nach unten, die die Ökonomie kennt: die Schuldendeflation.
Die Industrie ist nur noch zu 70 Prozent ausgelastet. Da fällt doch keine Inflation vom Himmel! Stattdessen ist das Gegenteil zu beobachten. Überall werden Rabatte gegeben, die Löhne geraten unter Druck und die Preissteigerung nähert sich der Null.
Quelle: taz

Und hier der Hinweis Nr. 2 vom 27.4.2009:
Heiner Flassbeck: “Gewinne müssen einer Volkswirtschaft zugute kommen”
Manche Experten sehen Inflationsgefahren. Was halten Sie davon?
Eine solche Gefahr existiert überhaupt nicht. Zu bekämpfen ist eine akute Deflationsgefahr. Viel Geld führt nicht automatisch zu Inflation. Die Kanäle, über die Inflation entsteht, sind hohe Nachfrage oder steigende Löhne. Von beidem sind wir unendlich weit entfernt. Inflationsgefahr bestände nur dann, wenn es weltweit zu einem enormen Aufschwung käme und die Arbeitslosigkeit abgebaut wäre. Und das dauert so lange, dass die Notenbanken kein Problem hätten, Liquidität wieder vom Markt zu nehmen.
Quelle: VDI-Nachrichten

C.Betreff: T-Online: Die sonntägliche Inflationswarnung!

Auf diesen ziemlich absurden Artikel weist der NachDenkSeiten- Leser Werner C. hin. Offenbar wird dort systematisch Inflationsangst geschürt. Im konkreten Fall mithilfe des neuen Chefökonomen der Deutschen Bank.

Hier die Mail:

Liebes NDS-Redaktionsteam,

“Experte befürchtet fünf Prozent Inflation“ und „Chefvolkswirt befürchtet fünf Prozent Inflation”
 
.. so lautet eine der vielen sonntäglichen Botschaften aus der Wirtschafts-Nachrichtenrubrik von T-Online.
 
“… schon in wenigen Jahren droht eine massive Zunahme der Inflation. Der neue Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, rechnet sogar mit einer Inflationsrate von fünf Prozent.”
 
Bebildert ist diese tiefsinnige Nachricht mit einer Euro-Münze, die in einer Pumpenzange (vulgo: Rohrzange) gehalten wird. Sicherlich wollte man die vermeintliche Präzision dieser Aussage durch die Darstellung der Münze in einem Meßschieber (vulgo: Schieblehre) zeigen, hat aber wohl keine parat gehabt. Das doofe Volk wird’s eh nicht merken, die Anmutung ist ja ähnlich.

Und genau so stellt sich dann auch der weitere Inhalt dar:

“Mayer: Teure Konjunkturprogramme begünstigen Inflation. Als Ursache für das steigende Inflationspotenzial sieht Mayer die Notprogramme der Regierungen gegen die Rezession. Es sei zu befürchten, “dass Länder nicht rechtzeitig aus den Notfallprogrammen aussteigen und das billige Geld nicht rechtzeitig wieder einziehen. Daraus kann sich Inflation entwickeln”, sagte Mayer der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”.
 
Irgendwie wird nicht so recht klar, worüber er eigentlich spricht: welche “Länder” mag er wohl meinen?  Und wie stellt er sich vor, könnte “billiges Geld wieder eingezogen” werden? Etwa durch (unrechtmäßige) Kündigung der Niedrigzinskredite vor ihrer Tilgungsfrist? Oder durch das Stoppen von billigen “Revolving Credits” für notleidende Unternehmen?
 
Das größte “Notprogramm” hat er bei seinen Betrachtungen ohnehin vergessen: die Multi-Millarden schwere “Bankenrettung”. Dass dieses Geld – wogegen die tatsächlichen Konjunkturprogramme nur ein müder Klacks sind – inflationstreibend wirken könnte, ist völlig ausgeschlossen – es wird weder in realwirtschaftliche Investitionen noch in privaten Konsum fließen, da es bereits wieder zum Anfeuern der globalen Finanzcasino-Spiele eingesetzt wird.
 
“Notenbanken planen Zinserhöhungen. Der Ökonom rechnet daher schon mit einem baldigen Eingreifen der Notenbanken: Wir rechnen damit, dass die Notenbanken die Zinsen anheben werden, um die Inflation in den Griff zu bekommen. 2011, 2012 wird die Inflationsrate wieder stabil sein. In fünf bis zehn Jahren aber kann das anders sein. Dann könnte die Inflationsrate durchaus in die Richtung von fünf Prozent steigen.”
 
Irgendwie muss dem Herrn Mayer entgangen sein, dass – zumindest auf das Europa der Währungsunion bezogen – es keine “Notenbanken” mehr gibt, sondern nur noch die EZB. Hebt die EZB die Zinsen wieder an, so gelten diese Zinssätze auch in allen €-Ländern, mit “Billigzins” ist dann – zumindest in der €-Zone – wieder Schluß.
 
Auch „global“ scheint die Mayer’sche Ökonomie nicht so ganz stimmig zu sein: erlebt der US-$ einen mehr oder minder schleichenden, aber echten Crash, dann wird der € zur weltweiten Leitwährung und sein Wert – bezogen auf den EU-Außenhandel – erheblich steigen. Das wiederum wird die Exporte aller €-Länder erheblich verteuern, deren Importe aber verbilligen. Was daran soll innerhalb der €-Zone also „inflationär“ wirken?
 
Sehen wir uns speziell die Deutschland-Prognosen für 2010 einmal genauer an – es wird von einer deutlichen Zunahme der Firmenpleiten (über 45.000) sowie einer deutlichen Steigerung der Arbeitslosigkeit ausgegangen – so muss man sich fragen, woher der „Kaufrausch“, diese gigantische Woge der Binnennachfrage kommen soll, die derart preistreibend wirken könnte, dass von „Inflationsgefahr“ gesprochen werden könnte?
 
Und selbst wenn das prognostizierte, mickrige „Wirtschaftswachstum“ von 2% (nach einem Absturz von 28%) für 2010 aufgrund leichter Export-Erholung einträfe, so stellt sich hierdurch doch die Frage, ob die andauernde, extreme deutsche Export-Orientierung nicht zu noch mehr Lohnminderungen und somit zu weiter sinkender Binnennachfrage führt. Das Beispiel der Produktionsverlagerung der Mercedes „C-Klasse“ in’s Ausland dürfte schon bei deren Ankündigung spontanen Konsumverzicht bei den betroffenen Mitarbeitern ausgelöst haben.
 
Trifft diese wenig erfreulichen Prognosen zu, so ist mit privaten Investitionen, die hierzulande Arbeitsplätze schaffen, definitiv nicht zu rechnen. Denn realwirtschaftlich investiert wird nur dort, wo es sich lohnt – wo also kaufkräftige Nachfrage vorherrscht. Zudem wissen wir, dass sogar schon in wirtschaftlich bedeutend besseren „Vor-Krisenzeiten“ die „Angebots-orientierte“ Wirtschaftspolitik überhaupt nicht funktionierte: das für realwirtschaftliche Investitionen benötigte Geld floss stattdessen dem globalen Finanz-Spielcasinobetrieb zu, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Solange dies so bleibt, wird sich hierankünftig auch nichts ändern – und genau dies ist die reale Gefahr, nicht aber „Inflation“.
 
So wird verständlich dass Herr Mayer – Sprachrohr einer Bank, die stets astronomische „25% Eigenkapitalrendite“ im Munde führte, und zudem sehr stark von der „Bankenrettung“ auf Kosten der Steuerzahler profitierte, ganz einfach den finanzwirtschaftlichen Teil des gesamtwirtschaflichen Problems unterschlägt. Er und sein Arbeitgeber stellen selbst einen Großteil dieses Problems dar! Konjunkturpakete – und öffentliche Investitionen – so sie denn tatsächlich Firmenpleiten verhindern können, müssen ihm zudem ein Dorn im Auge sein – entschärfen sie doch den hoch spekulativen Heuschreckenmarkt, dessen Hauptnahrungsquelle aus zahllosen, in Not geratenen Unternehmen besteht.

So bleibt ihm also nur – der Stimme seines Herrn folgend – „Inflationsängste“ zu schüren. Das dumme Volk soll glauben, dass dem Allgemeinwohl dienende staatliche, konjunkturelle Maßnahmen des Teufels sind, die alle nur noch ärmer machen.

Dass aber etwa die Banken – als maßgeblicher Teil des hoch spekulativen Finanz-Casinobetriebes – uns bereits alle sehr viel ärmer gemacht haben, darauf soll möglichst niemand kommen. Und schon gar nicht die Allgemeinheit.

Alles läuft also weiterhin nach dem Motto: „Nur wer andere für dumm verkaufen kann, erzielt die höchsten Margen!“
 
Mit freundlichen Grüßen
       
Werner C.


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