NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 8. Juni 2018 um 16:07 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Skripal: Die britische Polizei steht mit leeren Händen da
  2. Let Trump Handle Brexit: An Explosive Leaked Recording Reveals Boris Johnson’s Private Views About Britain’s Foreign Policy
  3. »An der Basis herrscht großer Unmut«
  4. Vom »Wirtschaftswunder« zum »deutschen Modell«
  5. Wenn der Staat nicht mehr gestalten kann
  6. Ein Dorf testet das Grundeinkommen
  7. Von neoliberaler Kritik am “Rentensozialismus” bis hin zu einem “völkischen” Rentenkonzept des national-sozialen Flügels: Anmerkungen zum rentenpolitischen Nebel in der AfD
  8. Großinvestoren kaufen Zahnarztpraxen: Das dicke Geld machen mit Zähnen
  9. Missglückter Breitband-Ausbau: Warum ist das Internet in Deutschland so langsam?
  10. Nach Abgastests an Affen: VW-Cheflobbyist Steg darf bleiben
  11. “Bukarester Neun” – Polen will dauerhafte Militärpräsenz der USA
  12. Südchinesisches Meer: Die alten Kolonialherren wollen wieder mitmischen
  13. Die Weltstellung der EU
  14. CIA-Dokument als Blaupause für die Zerstörung Jugoslawiens
  15. Zentrum der Neuen Rechten
  16. Bunter rauschen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Skripal: Die britische Polizei steht mit leeren Händen da
    Es sei ein sehr ungewöhnlicher und komplexer Fall. Trotz immensem Aufwand gibt es keine Spuren, Russland wird im neuesten Zwischenbericht nicht einmal erwähnt
    Am Dienstag hat die britische Polizei einen erneuten Bericht über die Ermittlungen im Fall Skripal veröffentlicht. Er zeigt vor allem, dass mit großem Aufwand bislang wenig herausgebracht wurde. Die Täter des Anschlags mit dem Nervengift bleiben im Dunklen, von irgendwelchen Spuren, die nach Russland reichen, ist nicht die Rede.
    Das überführt letztlich die britische Regierung, die die Schuldigen aufgrund angeblicher alternativenloser Plausibilität in Russland und auch im Kreml verortete, ebenso wie die Regierungen, die sich hinter die Beschuldigungen stellten. Offenbar musste die Bundesregierung wenigstens im Geheimen vor dem Parlamentarischen Kontrollausschuss zugestehen, keine Beweise von der britischen Regierung erhalten oder selbst etwa durch die deutschen Geheimdienste erhalten zu haben, die über die Erkenntnis hinausgehen, dass für den Anschlag Nowitschok benutzt wurde (Bundesregierung hat keinerlei Beweise für Skripal-Fall). Bislang unterminieren die westlichen Regierungen, die sich hinter die Schuldzuweisung der britischen Regierung gestellt haben, das Vertrauen in die Institutionen weitaus stärker, als dies eine Desinformationskampagne von außen vermöchte.
    Warum das angeblich so gefährliche Nervengift nicht tödlich wirkte, bleibt ebenso unbeantwortet wie seine Herkunft. Dass die britischen Behörden weiterhin die beiden Skripals, die sich mittlerweile erholt haben, von der Öffentlichkeit fernhält, angeblich auf eigenen Wunsch, mindert das Misstrauen nicht gerade, das durch fehlende Beweise oder auch nur Hinweise auf die Anklage der britischen Regierung verstärkt wird.
    Quelle: Telepolis
  2. Let Trump Handle Brexit: An Explosive Leaked Recording Reveals Boris Johnson’s Private Views About Britain’s Foreign Policy
    “I am increasingly admiring of Donald Trump. I have become more and more convinced that there is method in his madness.”
    Theresa May will use the G7 summit in Canada to propose a new international “rapid response unit” to deal with Russian cyberattacks and assassinations, foreign secretary Boris Johnson divulged to a select group of Conservative activists at a private dinner on Wednesday night.
    BuzzFeed News has obtained an audio recording of a closed-door gathering at the Institute of Directors in London, where Johnson treated about 20 Tories to an extraordinarily unguarded and wide-ranging assessment of the UK’s foreign policy strategy – and his private thoughts about Brexit, Donald Trump, and Vladimir Putin. […]
    Johnson insisted he won’t compromise on the final terms of Britain’s future economic relationship, but said the Brexiteers were at risk of getting a deal far worse than they’d hoped for. The government is so terrified of short-term economic disruption that it’s at risk of throwing away the opportunities presented by Brexit, he said. […]
    Asked about Russia, he said the UK was taking the lead on trying to combat Kremlin-directed hostility against other countries.
    “[Vladimir] Putin feels a deep sense of shame that he’s leader of a country that has been so greatly reduced in its global importance,” Johnson said.
    “When I was a kid, Russia really mattered. It’s now got an economy about the size of Australia. Yeah, they’ve got a lot of nuclear weapons, but its real importance in the world is greatly [diminished]. Putin’s a revanchist. He wants to cause trouble. He wants to upset people like us.”
    The rest of the world has to be “very firm” in response, Johnson said.
    Quelle: Buzzfeed
  3. »An der Basis herrscht großer Unmut«
    Die Linke vor dem Leipziger Parteitag: Debatte über Antrag zu Israels Staatsjubiläum. Ein Gespräch mit Zaklin Nastic
    Zaklin Nastic ist menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag
    In mehreren Anträgen und Resolutionen erklärte Die Linke auf Bundes- wie auf Landesebene im Nahostkonflikt ihre Solidarität mit dem Staat Israel. Sie haben gegen einen dieser Anträge gestimmt. Warum?
    Der Bundestagsantrag »70 Jahre Staat Israel« stellt die israelische Staatsgründung und Politik einseitig und unkritisch dar. Die Verantwortung dafür, dass die Zweistaatenlösung immer noch nicht verwirklicht wurde, wird vor allem der palästinensischen Seite zugeschoben, der illegale israelische Siedlungsbau nur zurückhaltend kritisiert. Weder wird explizit ein Ende der Besatzung gefordert, noch werden die Blockade des Gazastreifens und die verzweifelte Situation der dort lebenden Menschen überhaupt erwähnt. Auf die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die maßgeblich zur Eskalation beigetragen hat, wird genauso wenig eingegangen wie zum Beispiel auf die Kürzung der US-Zahlungen an das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge. Und dann wird noch die Sicherheit Israels zur Staatsräson erhoben. Das konnte ich nicht mittragen! Natürlich enthält der Antrag auch zustimmungswürdige Feststellungen und Forderungen. Aber er weicht auch von zentralen Positionen von Partei und Fraktion ab.
    In dem gemeinsam mit den Grünen eingebrachten Antrag »70 Jahre Staat Israel« bekennt sich Ihre Partei zu den »Sicherheitsinteressen« Israels als deutscher Staatsräson. Das heißt im Klartext: Zustimmung zu Waffenexporten in ein Krisengebiet und im Fall einer ernsthaften Bedrohung Israels auch zu einem Kriegseinsatz der Bundeswehr. Genau genommen demontiert Die Linke doch damit ihre friedenspolitische Agenda, oder?
    Natürlich hat Deutschland mit seiner Geschichte eine besondere Beziehung zu Israel. Aber es ist schon absurd, diese Beziehung im militärischen Sinne deuten zu wollen. Dass nur 24 von insgesamt 69 Abgeordneten der Linksfraktion den Antrag mitgezeichnet haben, liegt nicht zuletzt an den Passagen, die der friedenspolitischen Agenda der Linken zuwiderlaufen.
    Quelle: junge Welt
  4. Vom »Wirtschaftswunder« zum »deutschen Modell«
    Die Europäische Währungsunion befindet sich seit 2008 in einer Dauerkrise. Nicht alle Mitgliedsländer sind davon gleichermaßen betroffen – vielmehr ist eine hochgradige Unausgewogenheit Markenzeichen der Wirtschaftsentwicklung und eine besondere Bedrohung für den Weiterbestand der Währungsunion.
    Die besondere Bedeutung, welche die deutsche Exportwirtschaft hat, ist gewiss kein Geheimnis. Alle Welt spricht tagtäglich davon – ganz besonders auch Deutschland selbst, wo der Titel »Exportweltmeister« in Öffentlichkeit und Politik nationalen Stolz erweckt und als ganz besondere Auszeichnung begriffen wird. Exporte sind das Markenzeichen der neuen deutschen Weltoffenheit, eine Art Gegenpol zu Hitlers Autarkiehirngespinst; »Made in Germany« ist Teil des Mythos vom Wirtschaftswunder – dem Wiederaufstieg nach totalem Untergang. Ausländische Kritik an deutscher Exportstärke stoßen in Deutschland auf komplettes Unverständnis (Jones 2017, SVR 2017, Steinhardt und Flassbeck 2017, Häring 2017, Schuhknecht 2017), schließlich basieren Deutschlands Exporterfolge auf höchster Produktqualität und exzellentem technischen Know-how. Sie sind das Ergebnis der Genialität deutscher Ingenieure und harter ehrlicher Arbeit. Das zu kritisieren kommt einer Kritik an urdeutschen Tugenden gleich.
    Dabei geht es überhaupt nicht um Deutschlands Exporte oder die hervorragende Qualität vieler deutscher Exportprodukte – es geht um notorische deutsche Exportüberschüsse. Aus Sicht der Theorie des internationalen Handels besteht der Sinn und Zweck von Exporten darin, einer Volkswirtschaft den Bezug von Import zu ermöglichen. Deutschland hat sich zum Beispiel auf die Produktion hochwertiger Personenkraftwagen spezialisiert, produziert davon viel mehr, als im Inland nachgefragt werden. Der Absatz dieser Mehrproduktion an Automobilen ermöglicht es Deutschland im Gegenzug, andere Produkte im Ausland einzukaufen. Das Ausland würde seine Produkte nicht auf Dauer nach Deutschland liefern, wenn Deutschland selber nichts im Ausland verkaufen könnte, also auch nicht die Mittel (Deviseneinnahmen) zur Begleichung der Importrechnung erzielte. Warum aber verkauft Deutschland im Ausland beständig mehr, als es dort selber einkauft? Warum sind seine Importe notorisch geringer als seine Exporte?
    Quelle: Makroskop
  5. Wenn der Staat nicht mehr gestalten kann
    Die fehlgeleitete Wettbewerbsdoktrin der EU-Kommission verhindert Infrastrukturprojekte, zerstört Versorgungssysteme und zwingt die öffentliche Hand in oft schlechte Kooperationen mit Privaten. Um den sozialen Charakter, die demokratischen Prinzipien der EU und die europäische Integration zu verteidigen, muss dem Abbau staatlicher Leistungen entgegengewirkt werden. […]
    Im Trend liegen Public Private Partnerships (PPP), bei denen der Gewinn privatisiert, der Verlust aber sozialisiert wird: Dementsprechend funktioniert auch der sogenannte Juncker-Plan mit seinem Europäischen Fonds für strategische Investitionen.
    Dieses Modell ist aus ArbeitnehmerInnensicht inakzeptabel. Nicht nur, dass der Faktor Arbeit nach wie vor in der EU am stärksten besteuert ist, Beschäftigte tragen auch die Hauptlast beim Bankrott von Unternehmen, die Dienstleistungen im öffentlichen Interesse erbringen. Die SteuerzahlerInnen sind es auch, die bei jeder Privatisierung von vormals staatlicher Infrastruktur enteignet werden. Lukrative Monopol- und Oligopol-Unternehmen – Autobahnbetreiber, Energiekonzerne, Wasserwerke, Ölraffinerien, Gaspipelines – werden privatisiert, die Dividenden fließen in die Taschen der AktionärInnen und nicht mehr ins Bundesbudget. Bei Problemen jedoch haften die SteuerzahlerInnen, da die Versorgung lebenswichtiger Dienstleistungen nicht ausfallen darf.
    Quelle: Gegenblende
  6. Ein Dorf testet das Grundeinkommen
    • Rheinau ist als Dorf so durchschnittlich, dass es eine Art Mini-Schweiz ist.
    • Jeder Rheinauer, der älter als 25 Jahre ist, soll die Möglichkeit bekommen, den Grundbetrag zu erhalten.
    • Allerdings fehlt noch das dafür notwendige Geld.

    […] Das Dorf Rheinau wird von 2019 an das bedingungslose Grundeinkommen testen. Jeder der 1300Einwohner kann teilnehmen. Das hat die Gemeindeversammlung jetzt bekannt gegeben. Wer deshalb noch schnell seinen Wohnsitz in das Zürcher Umland verlegen möchte, kommt allerdings zu spät. Stichtag für die Einwohnerschaft ist der 5. Juni 2018. […]
    Jeder Rheinauer, der älter als 25 Jahre ist, soll die Möglichkeit bekommen, ein Jahr lang einen Grundbetrag von 2500 Franken (etwa 2200 Euro) im Monat zu erhalten. Je ärmer ein Teilnehmer ist, desto größer ist sein Gewinn: Wer mit seinem regulären Einkommen mehr als 2500 Franken im Monat verdient, hat also auch 2019 nicht mehr Geld als vorher. Einige müssten den Betrag dann eben wieder zurückzahlen.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung Jens Berger: Was für ein unsinniger Artikel. Ein bedingungsloses(!) Grundeinkommen, das Besserverdienern nicht zusteht, ist nicht bedingungslos. Und welche Erkenntnisse soll ein solches „Experiment“ eigentlich bringen? Die interessanten negative Effekte eines bedingungslosen Grundeinkommens ergeben sich doch erst dann, wenn die Sozialsysteme umgestellt werden und man die Auswirkungen auf das Lohn- und Preisgefüge ermitteln kann. Das geht aber natürlich nicht, wenn man „Experimente“ in kleinen Dörfern vornimmt. Und so was liest man dann im angeblich so kompetenten Wirtschaftsteil der Süddeutschen.

  7. Von neoliberaler Kritik am “Rentensozialismus” bis hin zu einem “völkischen” Rentenkonzept des national-sozialen Flügels: Anmerkungen zum rentenpolitischen Nebel in der AfD
    »Sozialpolitik wird das große Zukunftsthema sein, wahlentscheidend bei uns im Osten.«
    (Björn Höcke, zitiert nach Sabine am Orde, Rente von ganz rechts)
    »Sollte sich Höckes Position durchsetzen – und der Erfolg der Partei im Osten der Republik wird ein starkes Argument sein – könnte das der AfD den Aufstieg zur Volkspartei endgültig ebnen.«
    (Leander F. Badura, Hayek oder Hitler)
    Diese beiden Zitate stammen aus dem Beitrag Konturen einer rechtspopulistischen Sozialpolitik? “Soldarischer Patriotismus” als umstrittenes Angebot innerhalb der AfD und was das mit der Rente und Betriebsräten zu tun hat, der hier am 1. Februar 2018 veröffentlicht wurde. Darin findet man dieses Zitat des Frontmanns des radikal-rechten Flügels der AfD, Björn Höcke: »Die neoliberale Ideologie, die von allen Altparteien getragen wird und Staaten zu Wurmfortsätzen global agierender Konzerne gemacht hat, entzieht den Volkswirtschaften dringend benötigtes Investitionskapital und senkt in den westlichen Industrienationen die Löhne zugunsten der Kapitalrendite. Die Folgen für den Sozialstaat und die Renten sind verheerend.« Und er führt weiter aus: Die gesetzliche Rentenversicherung sei zugunsten von privaten Versicherungen und Banken ausgehöhlt worden. CDU und SPD haben mit der Ausweitung der Leiharbeit Niedriglöhne auf breiter Front etabliert und das Lohngefüge zugunsten der Kapitalrendite gedrückt. Und die private Vorsorge war ein Irrweg.
    Auch wenn es den einen oder anderen irritieren wird – das sind Zitate nicht aus dem linken politischen Lager in diesem Land. Die Stoßrichtung von Höcke ist offensichtlich: Er will die AfD als Partei der sogenannten kleinen Leute aufstellen und ihr das Profil des „solidarischen Patriotismus“ verpassen – um darüber weitere Wähler zu gewinnen, die bislang eher für SPD und Linkspartei gestimmt haben, wenn sie denn überhaupt noch gewählt haben.
    Höcke wettert gegen Neoliberalismus und Großkonzerne, fordert mehr Solidarität und staatliche Sozialleistungen – aber nur für deutsche Staatsbürger. Er setzt auf einen “Sozialpopulismus nationalistischer bis völkischer Prägung.”
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  8. Großinvestoren kaufen Zahnarztpraxen: Das dicke Geld machen mit Zähnen
    Finanzinvestoren kaufen hierzulande Zahnarztpraxen, um ihr Geld zu vermehren. Das bedeutet: mehr Großpraxen und Ketten. Im besten Fall steigt die Qualität, im schlechtesten geht es um schnelle Rendite.
    Zentral aber unauffällig hängt das Schild in der Stadt, in der Zahnarzt H. lebt und arbeitet. “Colosseum Dental” steht da, eine GmbH für die “Erbringung von Dienst- und Managementleistungen im Zahnarztgewerbe”. Als H. das Schild das erste Mal sah, war ihm klar: Die Großkonzerne kommen nicht irgendwann, sie sind längst da. Denn hinter der GmbH steht die Jacobs Holding AG – und damit das milliardenschwere Erbe des Kaffee-Imperiums.
    Die Zahnmedizin in Deutschland verändert sich gerade rasant: Der Trend geht zu Großpraxen, zu Praxis-Ketten und -Gruppen. In Skandinavien, den Niederlanden und in Großbritannien gibt es das bereits. Trimmen die Heuschrecken des Großkapitals die deutsche Zahnmedizin jetzt mit Marktmacht auf Umsatz? Verlieren Patienten den Zahnarzt ihres Vertrauens und bekommen stattdessen immer einen anderen, den die langfristige Betreuung nicht interessiert?
    Quelle: Spiegel Online
  9. Missglückter Breitband-Ausbau: Warum ist das Internet in Deutschland so langsam?
    Jahr für Jahr verspricht die Regierung schnelles Netz für alle – doch selbst bis 2025 wird wohl nichts draus. Die Wahrheit über das Breitband-Versagen: Die meisten Versprechen waren nicht ernst gemeint. […]
    Die Wahrheit ist, dass Deutschland beim Rennen zur “besten Infrastruktur der Welt” (Bundesregierung 2016) den eigenen Startblock in eine Sackgasse gelegt hat. Sie hat einen Weg in die Gigabit-Gesellschaft gewählt, der faktisch gar nicht befahren werden kann. Die Sackgasse heißt Kupfer, und damit dringe ich zum bitterschmeckenden Kern dieser epischen Versagenskaskade vor, der knapp formuliert aus einer Zahl besteht: 31,9 Prozent. Dieser Wert ist die Erklärung für die meisten politischen Zumutungen, die die inzwischen vier verschiedenen Regierungen Merkel im Bereich “digitale Infrastruktur” verzapft haben. Es handelt sich um den Anteil des Staats an der Deutschen Telekom AG. Die Telekom ist damit kein Staatsunternehmen, sie ist aber auch kein Privatunternehmen, denn eine derart große Beteiligung bedeutet zwingend regierungsseitige Einflussnahme.
    Drittelstaatliche Unternehmen verbinden offenbar das Schlechteste aus beiden Welten. Sie nutzen ihre unternehmerischen Freiheiten dort, wo reguliert werden sollte, und sie werden dort fehlreguliert, wo sie sich dem Markt stellen müssten. Weil im Zweifel Lobbying beim Eigentümer einfacher ist als Marktinnovation.
    Dieses Muster zieht sich durch alle Regierungen Merkel, und vor allem straft es leuchtend alle diejenigen Lügen, die die Verantwortung der Politik kleinreden wollen, weil die Regierung ja kein Glasfaserkabel verbuddeln würde. Der netzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Konstantin von Notz, sagte 2017 bezogen auf die Digitalstrategie der Bundesregierung: “Es ist wie beim Minigolf. Wenn man schon beim ersten Loch 58 Versuche braucht, kriegt man es nie hin.” Jetzt ist überraschend auch Versuch 59 schiefgegangen.
    Quelle: Sascha Lobo auf Spiegel Online

    dazu: EU-Rechnungshof: Schwere Mängel beim deutschen Breitbandausbau
    Deutschland wird den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft wohl nicht rechtzeitig schaffen, urteilt der Europäische Rechnungshof. Mängel bei der öffentlichen Planung, Wettbewerbsprobleme und der Einsatz von Vectoring sorgen dafür, dass Deutschland nicht mehr lange mithalten kann.
    Quelle: netzpolitik.org

  10. Nach Abgastests an Affen: VW-Cheflobbyist Steg darf bleiben
    VW holt seinen Cheflobbyisten Steg zurück. Er war nach umstrittenen Abgastests mit Affen beurlaubt worden. Die Prüfung der Konzernrevision ergab, dass Steg keine “persönlichen rechtlichen Verfehlungen” vorzuwerfen seien.
    Volkswagen hat den in der Affäre um fragwürdige Affentests beurlaubten Cheflobbyisten Thomas Steg in seine alte Funktion als Leiter der Konzern-Außenbeziehungen zurückgeholt. Eine vom Vorstand in Auftrag gegebene Sonderprüfung der Revision habe ergeben, dass dem 58-Jährigen im Zusammenhang mit den Tests in den USA keine persönlichen rechtlichen Verfehlungen vorzuwerfen seien, sagte die für Integrität und Recht bei Volkswagen zuständige Vorständin, Hiltrud Werner.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung André Tautenhahn: Dann ist ja alles wieder gut. Keiner ist verantwortlich und Konsequenzen gibt es keine. Bei den anderen beteiligten Unternehmen Daimler und BMW sind die Untersuchungen inzwischen auch mehr oder weniger ergebnislos abgeschlossen worden.

  11. “Bukarester Neun” – Polen will dauerhafte Militärpräsenz der USA
    Die “Bukarester Neun” haben viel gemeinsam. Die ost- und mitteleuropäischen Staaten sind im gleichen Zeitraum der NATO beigetreten und am stärksten von den Spannungen mit Russland betroffen. Doch der Wunsch Polens nach einer ständigen Militärpräsenz der USA geht manchen zu weit. […]
    Das heutige Treffen in Warschau sei besonders wichtig, meint Krzysztof Szczerski, Büroleiter des polnischen Präsidenten Andrzej Duda:
    “Wir bereiten uns, die östliche Flanke der Nato, auf den Nato-Gipfel im Juli vor. Wir wollen, dass die Verteidigungskräfte der Nato weiter entwickelt werden, im ganzen Bündnis und auch bei uns.” […]
    Den Medienberichten zufolge ist Polen bereit, dafür tief in die Tasche zu greifen: Bis zu zwei Milliarden US-Dollar jährlich könnte das Land den USA für den Schutz überweisen. Hinter den Kulissen des heutigen Gipfel-Treffens in Warschau dürfte dies das Hauptgesprächsthema sein. […]
    Schließlich wollen Deutschland und Frankreich die militärische Zusammenarbeit in der EU stärken. Außerdem würde eine ständige US-Militärbasis in Polen gegen die Nato-Russland-Grundakte verstoßen und – so meinen viele in Berlin – Moskau unnötig provozieren.
    Quelle: Deutschlandfunk
  12. Südchinesisches Meer: Die alten Kolonialherren wollen wieder mitmischen
    Großbritannien und Frankreich, zwei alte Kolonialmächte, die sich in Ostasien nicht gerade beliebt gemacht haben, wollen der USA in der Auseinandersetzung mit China im Südchinesischen Meer den Rücken stärken
    Frankreich und Großbritannien, schon vereint mit den USA bei der Bombardierung syrischer Ziele in Syrien in Reaktion auf den angeblichen Giftgasangriff in Douma, wollen auch im Südchinesischen Meer vereint mit den USA mitmischen. Wie Asia Times schreibt sol les künftig dort regelmäßig Patrouillenfahrten der Marine der beiden Länder geben.
    In China wird das mit Sicherheit Erinnerungen an die Opiumkriege und andere Überfälle der Europäer im 19. Jahrhundert wecken, an denen sich zuletzt auch das Deutsche Reich beteiligte. (…)
    Die westlichen Muskelspiele finden vor dem Hintergrund sich zunehmend verschiebender ökonomischer Machtverhältnisse statt. In der Region wird ein erheblicher Teil der globalen Devisenreserven gehalten. Die Volksrepublik hält allein 3,11 Billionen US-Dollar und das autonome Hongkong weitere 0,43 Billionen US-Dollar. In Singapur sind es 0,29, auf Taiwan 0,46, in Japan 1,26 und in Südkorea 0,4 Billionen US-Dollar. Macht zusammen knapp sechs Billionen US-Dollar. Die Region ist also der große Kreditgeber des Planeten, denn natürlich werden diese Gelder größten Teils in Staatsanleihen und ähnlichen Papieren angelegt. (…)
    Zu den Hintergründen des anglo-britischen Abenteuers gehört weiter, dass östlich der EU-Außengrenzen vom Westen oder zumindest seinen Medien weitgehend ignoriert die 2015 gegründete Eurasische Wirtschaftsunion prächtig gedeiht, wie Pepe Escobar auf Asia Times Online schreibt. Dieser gehören neben der Russischen Föderation, Weißrussland, Armenien, Kirgisien und Kasachstan an. Mit Iran wurde gerade ein Freihandelsabkommen unterzeichnet und einige weitere ehemalige Sowjetrepubliken haben Abkommen mit der Union über zollfreien Warenverkehr.
    Insbesondere kooperiert auch China mit der der Union und bettet seine Seidentraßeninitiative in deren Strukturen ein. Escobar spricht von der Schaffung gegenseitiger Abhängigkeiten, mit der Putin eine Dominanz Chinas zu verhindern suche und zugleich ein Gegengewicht zu den USA schaffen wolle.
    Quelle: Telepolis
  13. Die Weltstellung der EU
    Vor dem heute beginnenden G7-Gipfel in Kanada spitzen sich die Spannungen zwischen der EU und den USA ein weiteres Mal zu. Bereits auf dem Treffen der G7-Finanzminister Ende vergangener Woche war der Streit um die US-Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte eskaliert. Aufgrund Washingtons isolierter Stellung war von “G6 plus 1” die Rede; darüber hinaus hatte der französische Finanzminister Bruno Le Maire vor einem sehr bald bevorstehenden “Handelskrieg” gewarnt. Kompromisse sind nicht in Sicht. Die EU will Vergeltungszölle gegen die USA bereits Anfang Juli in Kraft setzen; mehrere Minister aus Berlin, Paris und London erklären, sie “erwarteten” im Streit um das Atomabkommen mit Iran größere Zugeständnisse der Vereinigten Staaten. Hintergrund ist neben der Furcht, Washington könne Firmen aus der EU zur Einhaltung von US-Sanktionen auch gegen Russland und in Zukunft vielleicht sogar gegen China verpflichten, ein weltpolitischer Machtkampf: Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, muss die EU zur Zeit ihre “Stellung im globalen Gefüge neu definieren”.
    Quelle: German Foreign Policy
  14. CIA-Dokument als Blaupause für die Zerstörung Jugoslawiens
    Fast fünfzig Jahre lebten die Völker Jugoslawiens weitgehend friedlich miteinander. Doch dann zerbrach der föderale Staat. Es folgte eine Reihe blutiger Kriege. Die CIA prognostizierte das bereits in einer Geheimanalyse im Jahr 1990.
    Yugoslavia Transformed – etwa „Verwandeltes Jugoslawien – so lautet der Titel einer rund 20-seitigen Analyse, die das CIA in Zusammenarbeit mit diversen anderen US-Geheimdiensten im Oktober 1990 verfasste. In diesem Dokument befassen sich die Hohepriester der US-Geheimdienstcommunity mit der Zukunft des Vielvölkerstaates Jugoslawien. Schon zu diesem Zeitpunkt sagten sie den Zerfall Jugoslawiens voraus.
    Ihrer Analyse zufolge werde es den Staat aufgrund ethnischer Konflikte und dem Nationalismus in den Teilrepubliken innerhalb von zwei Jahren nicht mehr geben. Zudem prognostizierten sie einen „langfristigen bewaffneten Aufstand“ der Kosovo-Albaner. Den Verfassern der Analyse zufolge sei der slowenische und kroatische Nationalismus positiv zu bewerten – er sei „westlich-orientiert, demokratisch und unternehmerisch“. Dagegen kritisieren sie den serbischen Nationalismus als etatistisch, militaristisch und autokratisch.
    Die Alternativen zu einer Zerschlagung Jugoslawiens seien unwahrscheinlich. Die Konfliktparteien würden gegenseitig ihre Kompromissvorschläge blockieren.
    Quelle: RT Deutsch
  15. Zentrum der Neuen Rechten
    Im Schatten prominenterer rechter Umtriebe in Sachsen und Thüringen hat sich der Raum Halle zu einem Drehkreuz der neurechten Bewegung entwickelt. Unter Anleitung des nahegelegenen Instituts für Staatspolitik (IfS) ist mit dem hiesigen Ableger der Identitären Bewegung (IB), der Halle-Leobener Burschenschaft Germania (HLB) und einer beispiellos direktmandatstarken AfD eine Art »Modellregion« für die formelle und informelle Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gruppen des neurechten Spektrums entstanden.
    Halle dürfte in der Region für den Aufbau extrem rechter Strukturen interessanter sein als das benachbarte Leipzig, da es über keinen ähnlichen antifaschistischen Mythos verfügt und trotzdem gleiche Vorteile hinsichtlich Erreichbarkeit im gesamten Bundesgebiet bietet. Verschiedene Strukturen der rechten Szene finden hier ebenso geeignete Bedingungen für politische Aktivität wie genug Raum für den Rückzug ins Private. Nicht zu unterschätzen sind zudem nahe gelegene Orte, die für die Rechte historisch anziehend und somit aktuell identitätsstiftend sind: das national-mythisch aufgeladene Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, das sagenumwobene Kyffhäuser-Denkmal an der Grenze zu Thüringen, wo im Juni 2016 die »Patriotische Plattform« der AfD zu einem Bundestreffen zusammen kam, oder die Rudelsburg bei Naumburg mit ihren nationalistischen und Burschenschaftsmonumenten.
    Quelle: der Freitag

    Anmerkung Christian Reimann: Der Text ist zwar über ein Jahr alt, dürfte aber dennoch von Interesse sein.

  16. Bunter rauschen
    Slavoj Žižek zweifelt, ob die Campus- und Macchiato-Linke wirklich was ändern will. Stimmt’s? […]
    Das Buch seziert die Schwächen der globalen Linken, die partout keine Antwort finden will auf die Herausforderungen von Rassismus, Populismus und Terrorismus, weil sie sich in eine gemütliche, sichere Welt auf Uni-Campussen und den Safe Spaces urbaner Kieze zurückgezogen hat, um über Gendertoiletten zu debattieren und LGBTQQIAAP-Buchstabierwettbewerbe abzuhalten. So weit, so wenig originell. Bevor nun jemand schreit, dass es sich bei dieser Aussage um üblen „Whataboutism“ handelt, sei das Žižek’sche Argument etwas ausführlicher dargestellt: Es geht ihm nicht darum, das Sprechen über Transsexuelle, Homophobie oder Sexismus als zu vernachlässigendes Thema abzuweisen, das abgearbeitet werden kann, wenn die wirklich wichtigen Probleme behoben sind. Vielmehr hegt er den Verdacht, dass das sprachpolizeiliche Einschreiten gegen inkorrekte Rede sowie das zwanghafte Reden über prekäre Identitäten und Subjekte – white noise im doppelten Wortsinne – ein willkommenes Dauerrauschen erzeugen, das das Stellen der wirklich wichtigen Fragen verhindern soll. Beispielsweise: Ist das grundverkommene System des globalen Kapitalismus überhaupt reformfähig?
    Der Vorwurf Žižeks, der vermutlich direkt ins Schwarze – oder besser: ins weiße Herz – trifft: Die westlichen Linksliberalen wollen gar keine grundlegenden Veränderungen des Systems, von dem sie so entscheidend profitieren; lediglich kosmetische Verbesserungen, die den Status quo unangetastet lassen, seien das Ziel.
    Quelle: Der Freitag

    Anmerkung Jens Berger: Žižek hat Recht und es wäre wünschenswert, dass die Linke sein Diskussionsangebot auch annimmt.


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=44344