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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 7. Januar 2010 um 9:15 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Investitionsprogramm nutzt mehr als Steuersenkungen; FDP-Trauma; deutscher Job-Sonderweg; Reallöhne sinken; atypische Arbeit nimmt zu; Monotonie kehrt zurück; Profitdiktat; Kopfpauschale kommt; Island düpiert Anleger; Goldmann überall; Nacktscanner steht nackt da; Elena auf Zwangsdiät; nicht alle atmen die gleiche Luft; mit dem Rotary-Club zur Uni. (RS/WL)

  1. IMK: Investitionsprogramm nutzt Konjunktur mehr als Steuersenkungen
  2. FDP-Trauma: Nie wieder die Umfaller-Partei sein
  3. Der Job-Sonderweg
  4. Reallöhne sinken seit 1990 um bis zu 50 Prozent
  5. Das gemeinsame Wochenende fällt oft aus
  6. Die Monotonie kehr zurück in die Fabriken
  7. Diktat des Profits
  8. Philipp Rösler im Interview: Kopfpauschale kommt in kleinen Schritten
  9. Bessere Renten für Langzeitarbeitslose
  10. Island düpiert ausländische Anleger
  11. Berlin lässt Commerzbank-Manager abblitzen
  12. Goldman, Goldman Everywhere
  13. Nacktscanner
  14. Wird Elena auf Zwangsdiät gesetzt?
  15. Nicht alle atmen die gleiche Luft
  16. “Monsanto, mit Gift und Genen”
  17. Regierung: Stipendienprogramm soll zum Wintersemester 2010/11 anlaufen
  18. Mit dem Rotary-Club an die Uni

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. IMK: Investitionsprogramm nutzt Konjunktur mehr als Steuersenkungen
    Die deutsche Wirtschaft braucht über das gesamte Jahr 2010 noch dringend Unterstützung durch eine expansive Geld- und Finanzpolitik. Sonst ist das Risiko groß, dass die konjunkturelle Belebung in diesem Jahr eine Episode bleibt und Deutschland in eine längere Stagnationsphase abgleitet. Sollte sich ein selbst tragender Aufschwung einstellen, können Regierung und Zentralbank die akute Stabilisierungspolitik zur Bewältigung der Krise beenden. An ihre Stelle sollte aber eine Doppelstrategie treten, um neben einer Haushaltskonsolidierung auch längerfristig bessere Wachstumsperspektiven und eine höhere Stabilität zu erreichen. Dazu geeignet ist eine Politik, die den langjährigen Stau bei den öffentlichen Investitionen auflöst und sowohl in Infrastruktur als auch in Bildung investiert. Die politischen Weichenstellungen der vergangenen Monate weisen allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung in seinem Jahresausblick. Die Analyse erscheint als IMK Report.
    Quelle 1: Böckler-Impuls
    Quelle 2: Böckler-Impuls [PDF – 233 KB]
  2. FDP-Trauma: Nie wieder die Umfaller-Partei sein
    Nie wieder soll die FDP in den Ruf einer Umfaller-Partei kommen, den sie Anfang der 60er Jahre sich verdiente, als sie mit – entgegen ihrer Wahlaussage – in eine Koalition unter dem greisen Bundeskanzler Konrad Adenauer eintrat. Der aktuelle Oberliberale hat die Parteigeschichte drauf, auch jenen Teil, an dem er noch nicht beteiligt war.
    Quelle: FR

    Anmerkung RS: Nicht umfallen, sondern mit dem Kopf durch die Wand.

  3. Der Job-Sonderweg
    Der Erfolg der deutschen Wirtschaft basiere stark auf Facharbeit. Deshalb hätten die Firmen in der jüngsten Krise ihre Leute gehalten. Deutsche Firmen haben eben gelernt, mit flexiblen Arbeitszeiten umzugehen, ergänzt der Forscher Matthias Knuth vom IAQ. Tarifliche Regeln und Arbeitszeitkonten haben dabei geholfen.
    Bosch hält es für möglich, dass in diesem Jahr die Zahl der Arbeitslosen unter 3,5 Millionen bleibt – wenn die Politik sich anstrengt. Er unterstützt die Idee einer “Kurzarbeit light”, mit der Arbeitgeber und Gewerkschaften in der Metallbranche liebäugeln. Dabei könnte die Wochenarbeitszeit auf 25 Stunden sinken, und der Staat würde dafür Zuschüsse zahlen. Zudem müsse es mehr Geld für Umschulungen mit Berufsabschlüssen statt “Fast-Food-Weiterbildung” geben, so Bosch.
    Der Forscher Knuth plädiert darüber hinaus dafür, den Beschäftigtentransfer zu verbessern. Derzeit gibt es zwar Kurzarbeitergeld, wenn Firmen sich von Beschäftigten trennen und die Leute in Transfergesellschaften wechseln. Allerdings sind die Zuschüsse nicht so großzügig wie beim konjunkturellen Kurzarbeitgeld, bei dem die Leute im Betrieb bleiben.

    Arbeitsmarkt in Deutschlande

    Quelle: FR

    Anmerkung WL: Die „hervorragende“ Bilanz, die Eva Roth zieht, bezieht sich leider nur auf die offizielle Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Was diese Bilanz unterschlägt ist, dass im Dezember 2009 6,053 Millionen Frauen und Männer als Arbeitssuchende registriert waren, 415.500 (7,4%) mehr als im Dezember 2008 und dass etwa 5,925 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II hatten. D.h. ein Großteil der Anspruchberechtigten verdiente so wenig, dass sie „Aufstocken“ mussten oder sonstige Hilfen in Anspruch nehmen mussten. Was bei aller Wertschätzung der etwa 1 Million Kurzarbeiter gleichfalls nicht übersehen werden sollte, das ist, dass diese mit erheblichen Einbußen hinnehmen müssen. Gerade diese Arbeitnehmer sind aber im Jahr 2010 aber höchst gefährdet.

  4. Reallöhne sinken seit 1990 um bis zu 50 Prozent
    Ernüchterndes Ergebnis: Ein großer Teil der Beschäftigten verfügt heute über eine geringere Kaufkraft als vor 20 Jahren. Das geht aus einer Untersuchung der Gehälter in den 100 häufigsten Berufen hervor. Die Einbußen im Vergleich zu 1990 liegen bei bis zu 50 Prozent.
    Quelle: Spiegel-Online
  5. Das gemeinsame Wochenende fällt oft aus
    Samstags, sonntags, nachts – atypische Arbeitszeiten sind weiter auf dem Vormarsch.
    Quelle: Böckler-Impuls [PDF – 100 KB]
  6. Die Monotonie kehr zurück in die Fabriken
    Seit Jahren sehen sich Betriebsräte von Industrieunternehmen bei ihrem Engagement für qualifizierte Arbeit und gute Leistungsbedingungen in der Defensive. Der Renditedruck des Kapitalmarktes hat sich spürbar auf die Arbeitsbedingungen ausgewirkt, und auch nach der Finanzkrise dürfte sich daran wenig ändern. Zu dieser Einschätzung kommt der Industriesoziologe Martin Kuhlmann nach ausführlichen Interviews mit Betriebsräten der Autobranche und einer Analyse der Arbeitspolitik der vergangenen Jahre. In den Jahrzehnten zuvor hatten sich Betriebsräte und Gewerkschaften noch mit Erfolg für eine Humanisierung der Arbeit engagiert, in den Fabriken wurden Konzepte umgesetzt, die auf mehr Qualifizierung und Partizipation der Beschäftigten zielten. Ab den späten 1990er-Jahren dokumentieren Studien aber Veränderungen in die entgegengesetzte Richtung, hin zu mehr Hierarchie und Monotonie. Die Werksleitungen zentralisieren Fachaufgaben und teilen die übrige Arbeit in kleinere Abschnitte auf. Tätigkeiten, die Abwechslung bieten, fallen weg, Beschäftige müssen einzelne Handgriffe ständig wiederholen, Taktzeiten werden kürzer. Es gebe eine Tendenz zur “Formalisierung und Standardisierung von Tätigkeiten und Abläufen”, so der Forscher. Soziologen sprechen von einer Re-Taylorisierung, einer Rückkehr zur Zerlegung der Arbeitsprozesse in sehr kleine Schritte – das Prinzip Fließband. Solche restriktiveren Formen der Arbeitsorganisation finden sich vor allem in der Fertigung großer Serien, aber auch in vielen Dienstleistungsbereichen, so Kuhlmann. Dieser Re-Taylorisierung in den Fabrikhallen stehen in anderen Teilen der Arbeitswelt weitere, teils gegenläufige Trends gegenüber, analysiert das SOFI. So kämpfen etwa qualifizierte Angestellte in vielen Branchen mit einem Übermaß an Eigenverantwortung – für Ziele, die der Markt immer höher schraubt.
    Quelle: Böckler-Impuls [PDF – 58 KB]
  7. Diktat des Profits
    Die umstrittene EU-Dienstleistungsrichtlinie mußte bis zum 28. Dezember 2009 in allen EU-Staaten in nationales Recht umgesetzt werden. Deutsche und europäische Gewerkschaften, das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC, zahlreiche Berufsgenossenschaften sowie linke Parteien protestierten 2005/2006 massiv gegen die Dienstleistungsrichtlinie und speziell gegen das sogenannte Herkunftslandprinzip. Demnach sollten Dienstleistungsunternehmen in der EU nur den Bedingungen ihres Heimatlandes unterliegen. Die Richtlinie soll der Verwirklichung der im EU-Vertrag festgelegten Ziele der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit dienen. Zugleich gilt sie als Meilenstein für die in der Lissabon-Strategie formulierten Ziele der EU, bis zum Jahr 2010 »die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen«. Zu diesem Zweck soll unter anderem der Binnenmarkt für Dienstleistungen vollendet werden, indem bisher abgeschirmte und geschützte Sektoren geöffnet und weitgehend privatisiert werden. Es ist still geworden um die komplexe Richtlinie, obwohl sie massive Auswirkungen auf Vorschriften in den Bereichen der Arbeit, des Sozialen, der Gesundheit und andere mühsam erkämpfte Rechte haben wird. In der öffentlichen Debatte wird weitgehend ausgespart, daß mit der Richtlinie ein umfassender Prozeß der Deregulierung, Liberalisierung bis hin zur vollständigen Privatisierung nahezu aller Dienstleistungen verfolgt wird.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung RS: Die EU fing als Wirtschaftsbündnis an und ist ein Wirtschaftsbündnis geblieben. Ein Wirtschaftsbündnis mit Gesetzgebungskompetenz auszustatten, kann nur eine Gesetzgebung zur Folge haben, die den Profit über alles stellt.

  8. Philipp Rösler im Interview: Kopfpauschale kommt in kleinen Schritten
    Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) über die Kopfpauschale, die Lage der Koalition und seinen CSU-Gegenspieler Markus Söder.
    Quelle: FR
  9. Bessere Renten für Langzeitarbeitslose
    Bessere Rentenanwartschaften für Langzeitarbeitslose fordert die Fraktion Die Linke in einem Antrag (17/256). ”Die soziale Sicherung von Langzeiterwerbslosen ist durch die sozialpolitischen Einschnitte der bisherigen Regierungen massiv verschlechtert worden“, argumentiert die Linksfraktion, ”insbesondere wurden durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe die Beiträge zur Rentenversicherung gekürzt, indem der Zusammenhang mit dem früheren Einkommen gestrichen wurde.“ Mit der Einführung von Hartz IV sei der Rentenbeitrag eines Langzeitarbeitslosen bereits auf etwa 78 Euro im Monat gesunken, heißt es weiter. Die Große Koalition habe den Beitrag dann auf 40 Euro halbiert. ”Damit werden während der Bezugszeiten von Hartz IV fast keine Rentenansprüche mehr erworben (weniger als 0,1 Entgeltpunkte pro Jahr)“, schreibt die Linksfraktion in der Begründung. Die Absenkung der Rentenbeiträge jedoch sei eine zentrale Ursache für die absehbar steigende Altersarmut.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  10. Island düpiert ausländische Anleger
    1. Zurück auf Los
      Die Regierungen in London und Den Haag garantierten ihren Bürgern seinerzeit die getätigten Einlagen und präsentieren Reykjavik im Anschluss die Rechnung. Präsident Grimsson hat den Zorn über dieses Vorgehen der beiden Regierungen selbst immer wieder artikuliert. Den isländischen Steuerzahlern sei nicht zu vermitteln, dass sie auch für die Verluste ausländischer Sparer aufkommen müssten.
      Quelle: FR

      Anmerkung RS: Düpiert? Seit wann haben Steuerzahler für die Fehlspekulationen anderer aufzukommen?

      Anmerkung Volker Bahl: Das könnte wohl sehr nützlich sein, weil es die Spekulanten lehrt, dass sie nicht “allüberall” geschützt werden. – Und zum anderen bestätigt es den Verdacht, dass die EU vor allem für die Spekulanten gut ist – aber nicht für den “kleinen Bürger”.

      Dazu auch:

    2. Bevölkerung entscheidet über Schuldentilgung
      Das isländische Parlament hatte schon kurz Jahresende einer Entschädigung mit knapper Mehrheit zugestimmt[1]. Doch jetzt hat der isländische Staatspräsident Olafur Ragnar Grimsson[2] sein Veto gegen das Gesetz eingelegt, so dass jetzt das Prozedere der Volksabstimmung abläuft.
      Die Idee, die Bevölkerung darüber abstimmen zu lassen, ob diejenigen entschädigt werden sollen, die sich mit der Hoffnung auf das schnelle Geld zu riskanten Kapitalanlagen haben hinreißen lassen, dürfte auch in anderen Ländern Zustimmung finden. Warum können die Anleger nicht akzeptieren, dass Finanzspekulationen mit Risiken behaftet sind und man dort eben gewinnen oder verlieren kann?
      Quelle: Telepolis
  11. Berlin lässt Commerzbank-Manager abblitzen
    Der Aufsichtsratschef der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, hat sich nach FTD-Informationen vehement für eine Aufhebung der Gehaltsdeckelung eingesetzt – ist damit jedoch am Widerstand der Bundesregierung gescheitert.
    Quelle: FTD
  12. Goldman, Goldman Everywhere
    Eine interessante Übersicht über das Netzwerk von Goldman Sachs.
    Quelle: Vanity Fair

    Passend dazu:

    McCain Gets It, Obama Doesn’t
    Maybe I got it wrong. During the presidential campaign I wrote columns blasting Sen. John McCain for siding with the big bankers on deregulation, citing his choosing ex-Sen. Phil Gramm, currently a vice chairman of the Swiss-owned banking giant UBS, as his presidential campaign chair. Barack Obama, on the other hand, repeatedly blasted Gramm and the Gramm-Leach-Bliley Act, which the Texas Republican had pushed through Congress, with President Bill Clinton’s support–legislation that repealed the Glass-Steagall Act and radically deregulated the financial industry.
    Quelle: The Smirking Chimp

    Anmerkung RS: Der Glass-Steagall-Act wurde unter Franklin D. Roosevelt verabschiedet. Dieses Gesetz schrieb u.a. die Trennung zwischen Geschäftsbanken und Investment-Banken vor. 1999 wurde dieser durch den Gramm-Leach-Bliley Act aufgehoben.

  13. Nacktscanner:
    1. Polizei reagiert skeptisch
      Während sich auf EU-Ebene die Befürworter der umstrittenen Körperscanner auf Flughäfen mehren und der Amsterdamer Flughafen Schiphol 60 neue Körperscanner geordert hat, geht in Deutschland die Debatte um den Einsatz der Geräte weiter.
      Quelle: FR
    2. Wer verdient am Nacktscanner?
      The Washington Examiner last week ran down an entire list of all the former Washington politicians and staff members who are now part of what it calls the “full-body scanner lobby”: 
      One manufacturer, according to the Cleveland Plain Dealer, is American Science & Engineering, Inc. AS&E has retained the K Street firm Wexler & Walker to lobby for “federal deployment of security technology by DHS and DOD.” Individual lobbyists on this account include former TSA deputy administration Tom Blank, who also worked under House Speaker Newt Gingrich.
      Chad Wolf — former assistant administrator for policy at TSA, and a former aide to Kay Bailey Hutchison, R-Tex., a top Senate appropriator and the ranking Republican on the transportation committee — is also lobbying on AS&E’s behalf.
      Smiths Detection, another screening manufacturer, employs top transportation lobbying firm Van Scoyoc Associates, including Kevin Patrick Kelly, a former top staffer to Sen. Barbara Mikulski, D-Md., who sits on the Homeland Security Appropriations subcommittee. Smiths also retains former congresswoman Helen Delich Bentley, R-Md.
      Former Sen. Al D’Amato, R-N.Y., represents L3 Systems, about which Bloomberg wrote today: “L-3 has ‘developed a more sophisticated system that could prevent smuggling of almost anything on the body,’ said Howard Rubel, an analyst at Jefferies & Co., who has a ‘hold’ rating on the stock.”
      Quelle: AlterNet
  14. Wird Elena auf Zwangsdiät gesetzt? Ursula von der Leyen will beim Streit um die zentrale Speicherung von Einkommensdaten einlenken
    Das neue Jahr hat mit einem datenschutzrechtlichen Paukenschlag begonnen. Während sich Politik und Medien in bizarren Scheingefechten über die sogenannten Nacktscanner ergehen, nahm am Neujahrstag weitestgehend unbeachtet auch eine Datenbank namens Elena ihren Betrieb auf. Was zunächst nach einem sympathischen Mädchennamen klingt, ist bei näherer Betrachtung ein gänzlich unsympathisches Datenmonster. Hinter dem Kürzel Elena verbirgt sich der elektronische Entgeltnachweis, eine Datenbank, die sensible Informationen von rund 40 Millionen Deutschen zentral speichert. Nach harscher Kritik aus den Reihen der Datenschützer, der Gewerkschaften und der Politik, will das Arbeitsministerium nun die Datensätze verschlanken – ob diese Ankündigung auch sinnvoll in die Tat umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Noch sind Zweifel an derartigen Lippenbekenntnissen mehr als berechtigt.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung eines Nachdenkseiten-Lesers: „Warum sollte ein Arbeitnehmer eigentlich für einen Antrag auf Wohngeld in entwürdigender Art beim Arbeitgeber vorsprechen müssen, um sich den Antrag vom Amt ausfüllen zu lassen?“ In den meisten Fällen – einschließlich Wohngeldantrag – ist der Arbeitgeber nach der Sozialgesetzgebung zur Bearbeitung der Bescheinigungen verpflichtet. Nicht nur aus diesem Grund muss es in den meisten Fällen kein entwürdigendes Vorsprechen geben; Bescheinigungen werden einfach entgegengenommen, bearbeitet und zurückgegeben bzw. zurückgeschickt oder je nach Organisation einer Personalabteilung an eine höhere zentrale Personalabteilung weitergeleitet. Übrigens ist der zeitliche Aufwand bei einem leistungsfähigen Abrechnungssystem durchaus durchaus zu verkraften. So dauert die Bearbeitung einer Bescheinigung zur Berechnung von Krankengeld in den meisten Fällen fünf Minuten inklusive Kopieren und Kuvertieren. Welche Bürokratiekosten sind es also, von denen Arbeitgeber entlastet werden sollen? Arbeitsplätze in der Verwaltung!

  15. Nicht alle atmen die gleiche Luft: Wie Sozialstatus und Umweltbelastung zusammenhängen
    Bei allen sozialen Unterschieden scheint doch eines klar: Wir atmen alle die gleiche Luft. Das stimmt aber nicht, zeigte eine Studie von Bochumer und Essener Umweltmedizinern und Epidemiologen. Sie stützt die These, dass Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus Umweltbelastungen stärker ausgesetzt sind als Kinder aus Familien mit hohem Sozialstatus.
    Quelle: Ruhr-Universität Bochum
  16. Marie-Monique Robin, Autorin und Regisseurin des Films “Monsanto, mit Gift und Genen”
    Ich hoffe, dass meine Dokumentation eine ernsthafte Debatte über die GMO anregt und dass sie in Frankreich dazu beiträgt, Anbau und Konsum solcher Produkte zu verbieten. Das Problem von genveränderter Saat und Nahrung ist, dass es kein Zurück mehr gibt. Die Verbraucher sollen verstehen, dass sie die Wahl haben: kaufen oder nicht kaufen. Das ist unsere wichtigste Waffe im Kampf gegen die Marktbeherrschung in Sachen GMO und genveränderte Nahrungsmittel. Nach Baumwolle, Soja, Raps und Mais wollte Monsanto eine resistente Weizenart auf den Markt bringen, doch die nordamerikanischen Getreideproduzenten haben sich dagegen gewehrt, denn 80% ihrer Produktion wird nach Europa und Japan exportiert, und die Produzenten fürchteten einen Boykott. Neben der Biotechnologie ist Monsanto auch ein Musterbeispiel für die gegenwärtige Entwicklung des Kapitalismus. Seit dem Ende des 2. Weltkriegs wurden mehr als hunderttausend Moleküle auf den Markt gebracht, die nie je wissenschaftlich getestet wurden. Dieses Wirtschaftsmodell sollte von Grund auf überdacht werden. Mein Ziel ist es, die Menschen dazu zu bringen, sich in das einzumischen, was sie selbst betrifft.
    Quelle 1: Arte
    Quelle 2: Dokumentarfilm anschauen (Achtung: Er bleibt nach den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags nur 7 Tage im Netz.)
  17. Regierung: Stipendienprogramm soll zum Wintersemester 2010/11 anlaufen
    Bereits zum Wintersemester 2010/2011 könnten die ersten Studierenden mit dem neuen von der Bundesregierung geplanten nationalen Stipendienprogramm gefördert werden. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung (17/249) auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen (17/87) über die Ausgestaltung des Programms hervor. Rund 150 Millionen Euro Kosten entfielen jährlich auf den Bund in der Ausbaustufe des neuen Programms, schätzt die Regierung und bezieht die genannte Summe auf die Förderung von acht Prozent der Studierenden. ”Auf Basis des laufenden Haushaltsplanes leistet der Bund in diesem Jahr Ausgaben für die Begabtenförderung junger Menschen in Schule, Hochschule und Beruf in Höhe von 163,8 Millionen Euro“, heißt es in der Antwort, die noch in 2009 verfasst wurde.
    Die Regierung verweist an vielen Stellen auf das bereits existierende, von Privaten und Land gemeinsam finanzierte Stipendiensystem in Nordrhein-Westfalen, das zum Wintersemester 2009/10 gestartet wurde. Erste Ergebnisse dieses Programms zeigten, dass auch in strukturschwachen Regionen etliche Hochschulen bei der Einwerbung von Stipendienmitteln ”sehr erfolgreich waren“, heißt es in der Antwort. Zudem zeige das Beispiel NRW, dass das Akquirieren von Spendenmitteln auch in Zeiten der gegenwärtigen Wirtschaftskrise ”erfolgreich gestaltet werden kann“. Die vorgesehene Beteiligung der Wirtschaft in Höhe von 50 Prozent der Kosten hält die Bundesregierung ”für realistisch“. Das Programm wende sich neben der Wirtschaft auch an andere nicht staatliche Akteure wie zum Beispiel Stiftungen, Verbände, Privatpersonen. ”Die Erfahrungen des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem dortigen Stipendienprogramm zeigen, dass die Struktur der Stipendiengeberschaft sehr heterogen ist“, heißt es weiter. Zudem zeige sich in NRW, dass ”mehr als ein Drittel der hierfür eingeworbenen Stipendien (38 Prozent) nicht an bestimmte Fachbereiche oder Studiengänge gebunden wurden“.
    Die Stipendien sollten nach Leistung einkommensunabhängig vergeben werden, schreibt die Regierung: ”Die Auswahl der Stipendiatinnen und Stipendiaten soll in der Verantwortung der Hochschulen liegen.“ Die Auswahlverfahren müssten unabhängig und transparent sein. Zielgruppe seien Studierende, deren bisheriger Werdegang herausragende Leistungen im Studium erwarten lasse. ”Dies ermöglicht es, beim Leistungsvergleich an weitere Kriterien anzuknüpfen“, heißt es in der Antwort, ”z.B. die Förderung von Studierenden mit Migrationshintergrund oder die Berücksichtigung sozialer Belange.“
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Siehe dazu:

  18. Mit dem Rotary-Club an die Uni
    Streit um das geplante bundesweite Stipendiensystem: Selbst Befürworter vermissen eine soziale Komponente. Hochschulen hoffen derweil auf wohlhabende Gönner, die die Stipendien finanzieren.
    Auch in NRW läuft das neue Stipendiensystem nur langsam an. Bisher hat Minister Pinkwart insgesamt 1400 Stipendien aufgelegt. Damit bekommen nur 0,3 Prozent aller Studierenden in NRW die Beihilfe. Betrachtet man nur die 300 000 Studierenden, die an staatlichen Hochschulen in der Regelstudienzeit studieren, erhöht sich die Quote der Geförderten geringfügig auf 0,46 Prozent. In diesem Jahr soll die Zahl der Stipendien nach Pinkwarts Plänen verdoppelt werden.
    Die Herausforderung für ein bundesweites Stipendienmodell ist ohnehin mit der Dimension des NRW-Modells kaum vergleichbar. Bezogen auf 2,1 Millionen Studenten in Deutschland müssten die Hochschulen 210 000 Partner für Stipendien finden.
    Das Hochschul-Informationssystem hat nachgewiesen, dass die Stipendien der elf Begabtenförderungswerke derzeit vor allem jene erreichen, die ohnehin bessere Startchancen haben: Studierende aus Akademikerfamilien. Andere bewerben sich erst gar nicht um die Stiftungsprogramme. Die Lehre daraus: Das Stipendium müsste vor der Entscheidung für ein Studium erreichbar sein, also in der Schule. Damit es jenen Lust aufs Studieren machen kann, die sich aus Geldsorgen sonst nicht einschrieben.
    Und selbst dann deckten die 300 Euro Förderung nicht einmal die Hälfte der monatlichen Kosten eines Studenten, die das Studentenwerk auf 770 Euro beziffert.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Dieses „nationale Stipendienprogramm“ ist eher eine Luftnummer. Bund und – wenn sie denn mitmachen – die Länder wollen nur von Universitäten und Fachhochschulen bei Wirtschaft und Privaten eingeworbene Stipendien in Höhe von 300 Euro im Monat bis zur Hälfte bezuschussen. Der Bund will also gerade ein Viertel oder 75 Euro pro Stipendiat tragen. Abgesehen davon, dass dieses Stipendium nicht im Ansatz bedarfsdeckend ist, wird das „Ziel, die Studienanfängerquote weiter zu steigern“ und eine Förderung von bildungspolitisch Benachteiligten mit solchen Begabtenstipendien jedenfalls nicht erreicht.


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