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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 24. Juni 2018 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Wir Alternativlosen
  2. Aufrüstung
  3. Griechenland braucht einen Neuanfang
  4. Mythos „gemeinsame Lösung“
  5. Neufassung Urheberrecht
  6. Immobilien und Wohnungsmarkt
  7. “Kleine Auszeit” im Fünf-Sterne-Hotel
  8. Ein großer Erfolg: Die Reform der Entsenderichtlinie
  9. Gute Arbeit gegen Pflegenotstand
  10. Ein schwieriges Verhältnis
  11. Ohne die billige Müllhalde China verschärft sich das weltweite Plastikmüllproblem
  12. Genie des Agenda-Settings
  13. Doping, Menschenrechte, Hooligans
  14. Ein dreister Plan zur WM-Zeit
  15. Die Linken haben die soziale Frage vergessen
  16. Am Samstag beginnt die Stopp Ramstein Kampagne 2018

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wir Alternativlosen
    »Wir können nicht die im Iran-Geschäft engagierte deutsche Wirtschaft vor den US-Sanktionen schützen.« Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Außenminister Heiko Maas geben sich machtlos. Kanzlerin Merkel, alternativlos: Trumps rechtswidrige Aufkündigung des Vertragswerks mit Iran »beschädigt das Vertrauen im internationalen Umgang«.
    Die journalistische Hammelherde in den korporierten Massenmedien referiert die vermeintliche Hilf- und Ratlosigkeit des politischen Establishments und bohrt nicht nach. Keiner kommt auf die Idee, einmal wirklich sämtliche Handlungsoptionen der Europäer zu ermitteln und aufzulisten. Es gibt keine offene Debatte über alle Mittel der Gegenwehr Regierung und Parlament diskutieren nicht.
    Man hätte doch gar zu gern erfahren, was Trumps völkerrechtswidrigen Abenteuern entgegenzusetzen wäre – und warum unsere politische Kaste davor kneift. Der Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleibt trotz der Dringlichkeit dieser Fragen unbeachtet
    Wie wäre es, eine Klage bei der Welthandelsorganisation gegen den US-Vertragsbruch vorzubereiten? Washington hat bereits erste sanktionsbewehrte Verbote von Geschäften mit Iran gegen europäische Konzerne ausgesprochen (Airbus-Industries ist zum Beispiel davon betroffen). Wie darauf antworten?
    Erstens: Einbestellung des neuen US-Botschafters Richard Grenell. Der Mann mit der anrüchigen Vergangenheit hatte, kaum war er in Berlin akkreditiert, von der deutschen Wirtschaft verlangt, sofort ihre Geschäfte mit dem Iran abzubrechen.
    Zweitens: Schrittweise Aufhebung der deutschen und der EU-Sanktionen gegen Russland bis zur vollständigen Normalisierung.
    Drittens: Ein Gesetz zur knackigen Besteuerung von US-Konzernen, die bisher in der BRD zwar ein Milliardengeschäft machen, jedoch fast keine Steuern zahlen (Starbucks, General Motors, Microsoft, Apple, Amazon, Google, Facebook …).
    Quelle: Ossietzky
  2. Aufrüstung
    1. Von der Leyen will höheren Wehretat
      Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fordert wegen steigender Kosten für Rüstung und Personal einem Zeitungsbericht zufolge zusätzliche 25 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Wie die “Bild”-Zeitung unter Berufung auf einen vertraulichen Bericht aus dem Verteidigungsministerium schrieb, fordert die CDU-Politikerin bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 rund 15 Milliarden Euro mehr als im Etat vorgesehen und für 2022 noch einmal zusätzliche zehn Milliarden Euro.
      In dem 17-seitigen Papier listet die Verteidigungsministerin der Zeitung zufolge die Gründe für die zu erwartenden hohen Kosten auf: Dabei schlagen Rüstungsausgaben sowie Kosten für Personal und Betrieb am meisten zu Buche. Dem Papier zufolge sollen sich die Rüstungsausgaben bis 2023 von den derzeit geplanten 8,5 Milliarden Euro auf 17 Milliarden Euro verdoppeln. Gründe dafür seien unter anderem das neue Sturmgewehr und eine bessere Bewaffnung des Eurofighter-Jets.
      Bei den Kosten für Personal und Betrieb rechnet das Ministerium bis 2023 mit 34,4 Milliarden Euro (plus 3,4 Milliarden Euro), wie die “Bild”-Zeitung berichtete. Ein Grund dafür sei der geplante Zuwachs der Truppe von derzeit 174.000 auf 198.000 Soldaten. Auch die Instandhaltung der alten Technik werde immer teurer. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel seien “mehr als 200 neue Vorhaben” nicht mehr finanzierbar, warnt das Ministerium in dem Bericht. Bundeswehrsoldaten müssten auf Ausstattung wie neue Kampfschuhe und Helme verzichten, heißt es.
      Quelle: n-tv

      dazu: Union wirft Scholz Bruch des Koalitionsvertrags vor
      Mit seinem geplanten Wehretat bringt Finanzminister Olaf Scholz (SPD) das Verteidigungsministerium und die Unionsparteien gegen sich auf. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung bis 2022 rund 25 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr, als ihr Scholz bislang zugestehen will. Der „Spiegel“ zitiert zudem aus einem internen Dokument der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, wonach die mittelfristige Finanzplanung des Vizekanzlers aus Sicht der Unionsabgeordneten gegen den Koalitionsvertrag verstößt.
      Von der Leyen (CDU) verlangt nach „Bild“-Informationen bis Ende der Legislaturperiode (2021) rund 15 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr als eingeplant. Für das Folgejahr 2022 wolle sie noch einmal zehn Milliarden Euro zusätzlich, berichtete die Zeitung unter Berufung auf einen ihr vorliegenden vertraulichen Bericht des Verteidigungsministeriums. Darin heiße es, dass ohne mehr Geld „mehr als 200 neue Vorhaben“ nicht realisierbar seien, darunter europäische Gemeinschaftsprojekte wie die „Eurodrohne“. Zum „gewaltigen Modernisierungsbedarf“ der Truppe kämen die angestrebte Personalaufstockung und andere Kostenfaktoren hinzu.
      Der Wehretat ist der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt. Für das laufende Jahr sind bislang 38,5 Milliarden Euro vorgesehen, für das kommende 41,5 Milliarden Euro. Von der Leyen fordert jedoch schon seit längerem, dass ihr Etat mittelfristig auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigt – rund 60 Milliarden Euro jährlich. Vor allem Amerikas Präsident Donald Trump besteht darauf, dass Deutschland als Nato-Partner spätestens 2024 sogar zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert.
      Quelle: Frankfurter Allgemeine

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ganz, ganz schlimm. SPD und Union sind sich einig, massiv aufzurüsten, und streiten nur über die Nachkommastellen, wer der “unzuverlässigere NATO-Partner” ist; und dann soll die Bundeswehr nicht nur in der ganzen Welt Krieg führen, sondern gleich noch der allerletzten dünnen Fesseln, des Parlamentsvorbehalts laut GG, beraubt werden. Und das war die letzte Haltelinie, die man vielleicht aus dem Zweiten Weltkrieg gelernt hat. Furchtbar.

      Ergänzende Anmerkung Christian Reimann: Gibt es tatsächlich einen Dissenz zwischen der Bundesregierung und der Trump-Administration in dieser Sache? Oder möchte nicht viel mehr auch diese neue schwarz-rote Regierung „mehr Verantwortung für die Welt“ übernehmen, was mit Mehrausgaben für das Militär verbunden wäre?

      Werden diese Mehrausgaben für die reine Verteidigung benötigt? Gibt es in Deutschland wirklich keine größeren Probleme als den Zustand der Bundeswehr? Eigentlich schon – einige Stichworte: Finanzen und Personal für Bildung/Wissenschaft sowie Instandsetzung z.B. der Verkehrsinfrastruktur (Bahn und Straßen) und die sichere gesetzliche(!) Rente.

    2. US-Rüstungshaushalt: Rekord
      Der US-Senat stimmte einem Rekordrüstungshaushalt von offiziell 716 Mrd. Dollar für das Jahr 2019 zu, berichtet u.a. die Washington Post: „The U.S. Senate on Monday voted to give the military $716 billion for 2019, approving one of the biggest defense budgets in modern American history despite concerns from some economists and lawmakers about the rapidly rising federal deficit. The 2019 military budget, approved by an 85-to-10 vote, gives America’s armed forces an $82 billion increase from 2017.”
      Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

      Anmerkung Christian Reimann: Von wegen Konfrontation mit den USA bzw. der Trump-Administration. Diesseits und jenseits des Atlantiks soll aufgerüstet werden. Darin sind sich die NATO-Mitgliedsstaaten anscheinend einig.

  3. Griechenland braucht einen Neuanfang
    Ein übertriebener Sparkurs und ein zu später Schuldenschnitt: Viele Entscheidungen zu Griechenland waren falsch. Heute kann die Eurogruppe zeigen, dass sie gelernt hat.
    Acht Jahre nach Beginn des ersten Hilfsprogramms für Griechenland ist es soweit – Griechenland soll wieder auf eigenen Füßen stehen. Die Eurogruppe soll heute das Ende des dritten Hilfsprogramms beschließen und die Modalitäten für die Zeit danach definieren. Ziel sollte es jetzt sein, einen tragfähigen Ausstieg aus dieser für alle Seiten sehr schmerzlichen Zeit zu beschließen – und zwar so, dass zukünftige Generationen sich nicht mehr fortlaufend mit dem Thema beschäftigen müssen. […]
    Doch die Fehler der vergangenen acht Jahre sollte man nicht nur in Griechenland suchen. Von Anfang an hat der Internationale Währungsfonds die Schuldenquote als nicht tragfähig eingestuft. Trotzdem kam es zu Beginn des ersten Programms nicht zu einem Schuldenschnitt – dem Land wurde stattdessen ein unmögliches Sparprogramm auferlegt. Das Ergebnis war ein noch stärkerer Einbruch des Bruttoinlandsproduktes, der nicht notwendig gewesen wäre.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung JK: “Ein übertriebener Sparkurs …”. Oh ha, eine späte Einsicht, die leider für die Mehrheit der griechischen Bürger zu spät kommt.

    dazu: Deutschland macht mit Griechenland-Hilfen 2,9 Milliarden Gewinn
    An diesem Donnerstag beraten die Euro-Finanzminister über die letzte Tranche aus dem aktuellen Hilfsprogramm für das hochverschuldete Land. Und pünktlich wird am Morgen bekannt, dass Deutschland von den Rettungsmaßnahmen profitiert hat – in Milliardenhöhe. Seit dem Jahr 2010 hat die Bundesrepublik insgesamt etwa 2,9 Milliarden Euro an Zinsgewinnen verdient.
    Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Demzufolge stammen die Gewinne vor allem aus Ankäufen griechischer Staatsanleihen im Rahmen des “Securities Market Programme” (SMP) der Europäischen Zentralbank (EZB), die bei der Bundesbank anfielen und dem Bundeshaushalt überwiesen wurden. Auch die Bundesbank kaufte in großer Zahl die Staatspapiere.
    Frühere Vereinbarungen sahen vor, dass Griechenland bei Erfüllung aller Spar- und Reformauflagen die SMP-Gewinne anderer Staaten ausbezahlt werden sollen. Der Antwort zufolge wurde aber nur 2013 ein Gesamtbetrag von zwei Milliarden Euro an Griechenland transferiert. 2014 gingen rund 1,8 Milliarden Euro auf ein Sperrkonto des Euro-Rettungsschirms ESM. Bei der Bundesbank wurden bis 2017 der Antwort zufolge rund 3,4 Milliarden Euro an Zinsgewinnen aus den SMP-Käufen erzielt. Nur 2013 und 2014 wurden Gewinne abgeführt an den ESM und an Griechenland. 2013 wurden rund 527 Millionen Euro und 2014 rund 387 Millionen zurücküberwiesen, was unterm Strich einen verbleibenden Gewinn von etwa 2,5 Milliarden Euro bedeutet. Hinzu kommen Zinsgewinne von 400 Millionen Euro aus einem Darlehen der Staatsbank KfW.
    Quelle: Süddeutsche

    und: Wie Syriza lernte, das Establishment zu lieben
    Die Diskussionen um die griechische Linksregierung sind ruhiger geworden. Dabei kann daraus vieles gelernt werden – vor allem, wie linke Politik nicht funktionieren kann.
    (…) Denn die griechischen Wählerinnen hatten nicht lediglich „bestimmte Maßnahmen“, sondern das gesamte neoliberale „weiter so“ des Krisenkapitalismus abgelehnt. Der Plan für das, was danach kommen könnte, war für die Mehrheit der Bevölkerung mit Sicherheit unbekannt – es herrschten neben Angst auch höchst widersprüchliche Vorstellungen, aber auf das Verbleiben im Teufelskreis der Sparpakete wurde verzichtet. Ein Sprung in die Zukunft, egal wie ungewiss: Der Stoff, aus dem revolutionäre Umwälzungen gemacht werden.
    (…) so stellte der Werdegang der Syriza einen harten Schlag für die gesamte griechische Linke dar, egal ob sie Tsipras’ Reformprojekt skeptisch oder feindselig gegenüberstand.
    (…) . Syriza vermied nicht nur die Konfrontation mit dem griechischen Kapital, sondern versuchte, sich als deren zuverlässiger Partner zu etablieren, „um das Beste für die Menschen rauszuholen“ – ein Weg, den die europäische Sozialdemokratie bereits ein Jahrhundert davor eingeschlagen hatte.
    (…) Heute gleicht die innerparteiliche Lage der Syriza einem Trauerspiel. Jede Kapitulation offenbart eine Gruppe von Mitgliedern und Abgeordneten, die „trotz alledem“ für die Partei noch weiterkämpfen möchten, bis die folgende Kapitulation diese auch zum Rück-, bzw. Austritt zwingt. Die Mehrheit der fähigsten Kader in der Jugendorganisation verließ die Partei bereits 2015. Manche schlossen sich der LAE an, doch viele blieben bewusst parteilos.
    (…) Der Werdegang von Syriza zeigt, dass in ihrem gesamteuropäischen Richtungsstreit das Dilemma der Linken nicht lediglich unter dem Dilemma „mehr oder weniger Europa“ oder „Regierungsbeteiligung oder Linkspopulismus“ subsumiert werden kann. Ein ausschließlicher Fokus darauf bei gleichzeitiger Vernachlässigung der zentralen Rolle der großen Masse der arbeitenden Bevölkerung kann die Linke langfristig lähmen – zum Beispiel, wenn als längst erledigt angesehene Debatten wieder auftauchen. In Griechenland ist es die Mazedonienfrage, in Deutschland der innerlinke Konflikt um Migration.
    Quelle: ada

    Anmerkung WM: Sehr lesenswert. Aus dem Scheitern der Syriza lassen sich viele Lehren für linke Parteien in allen Ländern ziehen. Die wichtigste Lehre ist vielleicht die: Auch wenn ihr die Mehrheit in allen Wahlen bekommt, die Systemveränderung lässt sich nicht im Parlament bewerkstelligen. Bessere Argumente und gutes Zureden nützen nichts: man wird euch nicht machen lassen!

  4. Mythos „gemeinsame Lösung“
    Laut Regierungssprecher Steffen Seibert wird Merkel am kommenden Sonntag in Brüssel mit den Regierungschefs „einer Reihe betroffener und interessierter Staaten“ zu einem „informellen Arbeitstreffen“ zusammenkommen. Bei dem Treffen, zu dem offiziell EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eingeladen hat und das der Vorbereitung des EU-Gipfel am 28. und 29. Juni dienen soll, werde es um „aktuelle Fragen der Migration“ gehen, kündigte Seibert am Mittwoch in Berlin an.
    Juncker eilt damit Merkel zu Hilfe. Offiziell geht es zwar nur um ein „informelles Arbeitstreffen“, mit dem der EU-Gipfel Ende kommender Woche vorbereitet werden soll. Doch in der Sache hat sich der Luxemburger zuletzt immer mehr der Position der deutschen Kanzlerin angenähert. Selbst in der Wortwahl passt sich Juncker an. Es gehe darum, „an europäischen Lösungen zu arbeiten“, sagte er.
    Vor zwei Wochen klang das noch ganz anders. Bei einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz in Brüssel stellte sich Juncker hinter dessen Plan, die „Sicherung der Außengrenzen“ zur absoluten Priorität zu erklären.
    Von den Binnengrenzen, um die es Bundesinnenminster Horst Seehofer geht, war ebenso wenig die Rede wie von Rückführungen in andere EU-Länder. Auch eine faire Lastenteilung, wie sie Merkel fordert, war kein Thema.
    Quelle: taz

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ – und die Medien stochern im Theaterdonner.

    dazu: Unehrliche Debatte – Flüchtlingsstreit entzündet sich an falschen Stellen
    Wer dieser Tage die Debatten in Deutschland verfolgt, muss unweigerlich den Eindruck gewinnen, das Thema Flüchtlinge sei das mit Abstand wichtigste in unserem Land. Das ist absurd. Gewiss, es ist ein drängendes Problem. Es fehlt an Wohnungen, Schulen und Kindergärten werden belastet. Von den menschlichen Tragödien ganz zu schweigen. Und doch, mit Verlaub, hier sind die Maßstäbe verrutscht. Der Kardinalfehler war nicht, dass Kanzlerin Merkel in einer dramatischen Notlage Abertausende Flüchtlinge ins Land ließ. Das unverzeihliche Versäumnis war, dass ihrem “Wir schaffen das” keine gemeinsame Anstrengung folgte, um sicherzustellen, wie das gelingen soll. An diesem schwerwiegenden Fehler hängt die ganze hässliche Debatte, die sich seither entwickelt hat – und die das Land spaltet wie selten ein Thema zuvor. Natürlich kann Deutschland nicht alle Flüchtlinge aufnehmen. Es gibt Grenzen der Belastbarkeit. Trotzdem sollte man ein paar grundlegende Zahlen zur Kenntnis nehmen. 2017 waren weltweit 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht – so viel wie nie zuvor. Die meisten sind aber keineswegs in die reicheren Länder geströmt. Rund 40 Millionen sind im eigenen Land geflohen, weitere Millionen in die Nachbarstaaten. 85 Prozent aller Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern. Gleichwohl, alle Appelle, die Debatte zu versachlichen, verpuffen derzeit, wenn sie nicht sogar neue Beschimpfungen auslösen. Wenn dann ein so entsetzlicher Fall hinzukommt wie der der 15-jährigen Susanna, die von einem irakischen Flüchtling vermutlich erst vergewaltigt und dann getötet wurde, brechen auch bei vielen besonnen Menschen Dämme. Der Streit wird so erbittert geführt, dass die CSU aus Angst wegen des Flüchtlingsthemas ihr absolute Mehrheit im Landtag einzubüßen, selbst die Große Koalition in Berlin aufs Spiel setzt. Auch Folgen für die gesamte EU interessieren die CSU-Führung nicht. Es werden Begriffe wie “Asyltourismus” unters Volk geworfen, die ins “Wörterbuch der Unmenschen” gehören – von Politikern, die Kreuze in Amtsstuben aufhängen lassen.
    Quelle: Nürnberger Nachrichten

    Anmerkung unseres Lesers G.G.: Journalismus, wie wir ihn in diesen Tagen dringend brauchen. Leider sind solche Artikel in der Mehrzahl der Medien nicht zu finden.

    dazu: SPON-Umfrage: Mehrheit wünscht sich bundesweite CSU
    Fast täglich attackiert die CSU Kanzlerin Merkel. Sollte die Partei auf Bundesebene antreten? Eine Mehrheit spricht sich im SPON-Trend dafür aus – will aber zugleich eine europäische Flüchtlingspolitik.
    Seit Wochen kriselt es heftig zwischen CDU und CSU, die Union droht zu zerbrechen. Damit könnte auch eine alte Abmachung ihre Gültigkeit verlieren: Dass die CSU als Regionalpartei nur in Bayern antritt und in anderen Bundesländern der CDU keine Konkurrenz macht. In Krisenzeiten benutzte die CSU diese Option immer wieder als Druckmittel gegenüber den Christdemokraten. Doch schon lange waren die Zerwürfnisse zwischen den Schwesterparteien nicht mehr so erheblich wie jetzt. Eine SPIEGEL-ONLINE-Umfrage zeigt: Eine Mehrheit der Befragten würde es begrüßen, wenn die CSU auch im Bund eigenständig antritt.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Quot errat demonstrandum, dass der Streit um die Flüchtlingspolitik eine Inszenierung ist, um potenzielle AfD-Wähler bei der Stange zu halten.

  5. Neufassung Urheberrecht
    1. Rechtsexperte über Upload-Filter: “Der Urheber schießt sich selber in den Fuß”
      Die EU will das Urheberrecht reformieren und schlägt einen Upload-Filter im Netz vor. Aus Sicht des Rechtsexperten Martin Kretschmer ist das ein gravierender Eingriff, der Innovationen im Netz verhindert.
      Am heutigen Mittwoch stimmen im Rechtsausschuss des EU-Parlaments die Abgeordneten im Rahmen einer Neufassung des Urheberrechts auch über Upload-Filter ab. Spricht sich die Mehrheit dafür aus, dann würden sich damit grundlegende Elemente der Netzkultur verändern. Das hätte spürbare Auswirkungen: Selbst harmlose Verlinkungen zu einer externen Website, die User klicken können – etwa von Diensten wie Twitter oder Online-Enzyklopädien zuhauf genutzt – wären nicht mehr möglich, ohne vorher Lizenzen dafür zu erwerben.
      Wie ernst die Lage ist, bestätigte Martin Kretschmer, Professor für Immaterialgüterrecht an der Universität Glasgow, im Deutschlandfunk Kultur. Er ist zudem Mitautor einer Studie für die EU in Sachen Urheberrechtsreform. Das Brisante daran: Die Studie wurde zunächst zurückgehalten – da sie dem Entwurf der Kommission eher kritisch gegenüberstand. Erst im vergangenen Dezember wurde der Text veröffentlicht.
      Zahlreiche neue Internet-Dienste seien in den letzten zehn Jahren entstanden, viele weitere stünden in den Startlöchern. “Das Ziel der ursprünglichen Regelung der Haftbarkeit war, Innovation zuzulassen. Wenn wir jetzt auf eine Filterstrategie umbauen, werden sich zum einen viele dieser Dienste gar nicht ergeben. Und zweitens werden viele der Handlungen, die wir als Nutzer vornehmen, schwieriger”, sagte Kretschmer.
      Quelle: Deutschlandfunk Kultur
    2. Upload-Filter und Leistungsschutzrecht: Europa entkernt das Internet
      Das EU-Parlament hat die Weichen für ein restriktives Urheberrecht gestellt. Nun drohen der Aufbau einer gigantischen Filter-Infrastruktur und gravierende Beschränkungen des Internets.
      24 Artikel umfasst die geplante EU-Urheberrechtsreform. Zwei davon sind für das Internet von besonderer Bedeutung: Artikel 11 und Artikel 13. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat mehrheitlich für Versionen dieser beiden Artikel gestimmt, die absehbar mehr Schaden anrichten, als Nutzen bringen werden. Folgt das Plenum diesem Votum, wird Europa das Internet entkernen.
      Artikel 11 nämlich hätte die Einführung eines europaweiten Leistungsschutzrechts für Presseverleger zur Folge: Jegliche kommerziellen Onlinedienste, die Inhalte von Verlagen in digitaler Form nutzen wollen, sollen dafür Geld zahlen – wobei “Nutzen” alles sein kann, was über die bloße Verlinkung hinausgeht. In Deutschland existiert dieses Recht seit 2013 und darf getrost als totaler Flop bezeichnet werden. Wie die gesamteuropäische Lösung ein Erfolg werden soll, ist nicht zu erkennen. Durch schwammige oder gar fehlende Definitionen wird sie auf Jahre für massive Rechtsunsicherheit sorgen.
      Quelle: Spiegel Online
    3. EU-Entscheid für Leistungsschutz: Bahn frei für Verlags-Trojaner unter falscher Flagge von „fairen Lizenzen“
      Der maßgebliche EU-Ausschuss hat sich heute für die Einführung von Uploadfiltern und das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ausgesprochen. Was sind die Folgen, wenn die Regelungen künftig Bestandteil des europäischen Rechts werden? MEEDIA-Gastautorin Anja Neubauer ist skeptisch. Die Rechtsexpertin fürchtet, dass dies das Urheberrecht auf EU-Ebene nicht vereinheitlicht, sondern verkompliziert. Urheber selbst gehen im Ergebnis sogar leer aus und Verwerter wittern das ganz große Geld. Ihr Fazit: Die Richtlinie ist in Gänze missglückt.
      Quelle: meedia.de
  6. Immobilien und Wohnungsmarkt
    1. Der große Ausverkauf
      Wie internationale Finanzkonzerne mit Hilfe einer willigen Politik die öffentlichen Wohnungsbestände übernommen haben. Die organisierte Katastrophe auf dem Wohnungsmarkt
      Vonovia. Schon mal gehört? So heißt der größte Eigentümer von Mietwohnungen in Deutschland. Vonovia gehören 355.000 Wohnungen in den größeren deutschen Städten, zum Beispiel 32.500 in Berlin. Zusätzlich verwaltet der Konzern 65.000 Wohnungen anderer Eigentümer. Anfang Mai dieses Jahres feierte Vonovia-Chef Rolf Buch bei der Aktionärsversammlung im RuhrCongress-Centrum Bochum die Erfolge: Für das Jahr 2017 beträgt der Reingewinn 2,567 Milliarden Euro. Die Dividende für die Aktionäre wird um 15 Prozent erhöht. Und wer sind die Aktionäre, bei denen die Dividenden aus den 2,567 Mrd. Euro Reingewinn landen? Es sind die ­Finanzkonzerne Blackrock, Norges, Barclays Capital, Lansdowne Partners, Invesco, Wellcome Trust, Wellington, Terra Firma, Cicap und Citigroup. Sie haben ihren operativen Sitz vor allem in New York und London und ihren Steuersitz in den bekannten Finanzoasen wie Delaware / USA und den Niederlanden.
      (…) Aber mit Vonovia ist das Wohnungs­eigentum dieser Großaktionäre kei­nes-wegs erschöpft. Der zweitgrößte ­Eigen-tümer von Mietwohnungen in Deutsch- land heißt Deutsche Wohnen AG. Der Konzern mit heute 163.000 Wohnungen, davon 100.000 in Berlin, wurde schrittweise von der Deutschen Bank zusammengekauft. Auch er gehört heute weitgehend denselben Aktionären wie Vonovia, nämlich Sun Life Financial, Blackrock und Norges. Ähnlich ist es bei der Landesentwicklungs-Gesellschaft (LEG): Die 91.000 Wohnungen des Landes Nordrhein-Westfalen wurden 2008 von der CDU-FDP-­Landesregierung zunächst an Whitehall, eine Tochter von Goldman Sachs, verkauft. Seit dem Börsengang heißen hier die neuen Eigentümer Blackrock, Massachusetts Financial, Deutsche Bank, AXA Versicherungen und BNP Paribas Investment Partners (Frankreich).
      Gigantische Mietsteigerungen
      Die skandalösen Zahlen, auf denen die ­Erfolge von Vonovia und Blackrock & Co beruhen, wurden bei der Hauptversammlung im Bochumer RuhrCongress am 9. Mai nicht direkt genannt, aber die Aktionäre kannten sie und freuten sich klammheimlich: Seit 2008 sind die Mieten in Berlin um 76 Prozent gestiegen, in München um 43 Prozent, in Stuttgart um 41 Prozent, in Nürnberg um 38 Prozent, in Leipzig und Bremen und Frankfurt um 35 Prozent, in Dresden um 34 Prozent, in Dortmund um 33 Prozent, in Münster um 31 Prozent, in Hamburg und Köln um 30 Prozent. (…)
      Quelle: Verdi
    2. Steuervermeidung durch Share Deals entschlossen eindämmen
      Der Plan der Finanzministerkonferenz, die Schwelle für den steuerfreien Grunderwerb über Share Deals auf 90 Prozent zu begrenzen, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Natürlich müssen verfassungsrechtliche Grenzen bedacht werden. Aber der Staat kann doch nicht einerseits den kleinen Häuslebauern immer höhere Grunderwerbsteuern auferlegen und dann tatenlos zusehen, wie finanzstarke Immobilieninvestoren diese Grunderwerbsteuer systematisch umgehen“, erklärt Jörg Cezanne, für die Fraktion DIE LINKE Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Bei der heutigen Konferenz der Länderfinanzminister wird über den weiteren Umgang mit sogenannten Share Deals zur Umgehung der Grunderwerbsteuer gesprochen. Durch dieses Schlupfloch entgeht dem Staat mindestens eine Milliarde Euro jährlich. Cezanne weiter:
      „Die Schritte, die die Länderfinanzminister zur Vermeidung dieses Steuerschlupflochs ergreifen wollen, sind halbherzig. Sehr viel besser wäre es, sie würden sich zum sogenannten ‚quotalen Besteuerungsverfahren’ durchringen. Dabei wird anteiliger Grunderwerb wenigstens auch anteilig besteuert. So würden z.B. bei Übernahme von mehr als 50 Prozent eines Grundstückseigentümers auch 50 Prozent der entsprechenden Grunderwerbsteuer fällig, bei Erwerb von mehr als 75 Prozent eines Grundstückseigentümers entsprechend 75 Prozent der fälligen Steuer. Auch zu diesem Modell haben die Länderfinanzminister ein Rechtsgutachten eingeholt, welches die Chancen durchaus als positiv bewertet. Wir fordern die Finanzminister von Bund und Ländern auf, diesen Weg zu beschreiten und Share Deals endlich mit vollem gesetzlichem Einsatz zu bekämpfen.“
      Quelle: Linksfraktion
    3. Mafia setzt auf Immobilien in Deutschland
      Der boomende deutsche Immobilienmarkt lockt verstärkt Kriminelle an. Ein Problem ist Geldwäsche. “Beim Immobiliensektor handelt es sich aufgrund der dort vorhandenen hohen Transaktionsvolumina um einen Sektor mit herausgehobenem Risiko”, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion.
      Von den erfassten 563 Verfahren zur Organisierten Kriminalität im Jahr 2016 gebe es bei sieben Prozent “Geldwäscheaktivitäten mittels Investitionen in Immobilien”. Dabei gehe es in fast der Hälfte der Fälle um russische und italienische Gruppen. Zugleich wird eine hohe Dunkelziffer eingeräumt. Seit 2009 haben sich laut Regierung die Geldumsätze im Immobiliensektor deutlich erhöht, für 2016 werden sie auf 237,5 Milliarden Euro beziffert.
      Zuletzt machten Hinweise Schlagzeilen, dass auf EU-Sanktionslisten stehende russische Oligarchen über Mittelsmänner in gefragte Immobilien zum Beispiel in Berlin investieren. Ein Hauptproblem ist die Verschleierung der wahren Besitzer und Investoren über verschachtelte Firmenkonstrukte. (…)
      Dringend notwendig sei ein zentrales und öffentliches Immobilienregister, in dem die wahren Eigentümer eingetragen sind. Die Geldwäscheaufsicht im Immobiliensektor sei ein Flickenteppich und in vielen Bundesländern schlichtweg ein Witz. “Wir sehen bislang nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges”, meinte Paus. Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic betonte: “Trotz der hohen Dunkelziffer sprechen die Zahlen der Bundesregierung eine eindeutige Sprache, der Immobilienmarkt ist ein Hoch-Risiko-Sektor für Geldwäsche”.
      Quelle: n-tv

      Anmerkung Christian Reimann: Über die Folgen des in Deutschland nicht vorhandenen Immobilienregisters hatte “Monitor” berichtet. An diesen Umständen könnte nun der neue Bundesfinanzminister Scholz maßgeblich etwas ändern, wenn er und sein Ministerium es ernsthaft wollen.

      Auch Fabio De Masi von der Partei Die Linke. hat bereits vor einigen Wochen auf diese Problematik hingewiesen und entsprechende Forderungen gestellt. Bitte lesen Sie dazu erneut Schattenfinanzindex 2018 – Deutschland ist Gangster’s Paradise.

  7. “Kleine Auszeit” im Fünf-Sterne-Hotel
    Der Industriekonzern Bilfinger steht wegen Korruption seit Jahren unter US-Aufsicht. Der Fall einer Tochterfirma zeigt, wie Manager mit dem Geld des Unternehmens geprasst haben.
    (…) In den vergangenen Tagen hat der SPIEGEL Unregelmäßigkeiten im Bilfinger-Imperium enthüllt. Sie deuten darauf hin, dass die Konzernleitung jahrelang nicht so genau hingesehen hat, wenn es um den Einsatz unlauterer Mittel im Wettbewerb um lukrative Aufträge ging. Das Beispiel BBS zeigt wie unter einem Brennglas, woran der Bilfinger-Konzern über Jahre hinweg krankte: Eine Gleichgültigkeit gegenüber ethischen Fragen der guten Unternehmensführung. Und dazu eine ausgeprägte Selbstbedienungsmentalität. Das legen vertrauliche Dokumente nahe, die dem SPIEGEL vorliegen.
    Bei BBS ging es nicht bloß um Spesenrittertum. Es ging auch um Korruption und mutmaßliche Selbstbereicherung in der Führungsspitze. Um sündhaft teure Geschenke, deren Empfänger bis heute unbekannt sind. Um Zuwendungen an Amtsträger, nebulöse Provisionszahlungen an Vertreter und Berater, millionenschwere Baukassen – und eine teils intransparente Buchhaltung.
    Mögliche Korruption in Bangladesch
    BBS, ein 1600-Mitarbeiter-Unternehmen mit Sitz in Oberhausen, hielt Kraftwerke instand, wartete und erneuerte sie. Ebenso wie die Konzernmutter Bilfinger machte auch BBS millionenschwere Geschäfte im Ausland. Jahrelang konnten die BBS-Manager kaum behelligt schalten und walten.
    (…) Aber BBS ist mittlerweile Vergangenheit. Im September 2017 schloss der Konzern das Unternehmen mit zwei weiteren Gesellschaften zur Billfinger Engineering & Technologies GmbH zusammen. Hoffentlich funktioniert dort das interne Kontrollsystem.
    Quelle: Spiegel

    dazu: Ein Koch als König
    Dem ehemaligen Politiker und Bilfinger-Chef Roland Koch werden in einem Bericht schwere Vorwürfe gemacht.
    Hessischer Ministerpräsident ist Roland Koch (CDU) schon seit fast acht Jahren nicht mehr. Und seine anschließende Karriere als Vorstand und Konzernchef des Bau- und Dienstleistungskonzerns Bilfinger fand vor knapp vier Jahren ein jähes Ende. Nun aber wird Koch erneut von seiner Vergangenheit eingeholt: Ein Aufseher des US-Justizministeriums wirft Koch vor, während seiner Zeit an der Spitze von Bilfinger allzu arglos mit dem Thema Korruption umgegangen zu sein. Koch war von 2011 bis 2014 Vorstandsvorsitzender des Mannheimer Unternehmens.
    Wie der „Spiegel“ berichtet, belastet der Anwalt Mark Livschitz Koch und seine einstigen Vorstandskollegen schwer. Livschitz wacht im Auftrag des amerikanischen Justizministeriums darüber, dass sich Bilfinger an die Regeln einer sauberen Unternehmensführung hält. Koch und die anderen Vorstände hätten sich „an keine Regeln gebunden“ gefühlt und „strategische Entscheidungen in korruptionsempfindlichen Bereichen“ gefällt, „ohne die Korruptionsproblematik zu bedenken“, beklagt der Anwalt demnach in vertraulichen Berichten.
    Im Februar hatte der Bilfinger-Aufsichtsrat beschlossen, Schadenersatz von Koch und weiteren ehemaligen Vorständen zu fordern. Im Raum steht eine Forderung von 120 Millionen Euro.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    und auch: Master in Korruption? Roland Koch lehrt an der Frankfurt School of Finance & Management
    Roland Koch lehrt heute an der privat betriebenen Frankfurt School of Finance & Management, obwohl (oder weil?) er als CDU-Politiker, Ministerpräsident und inzwischen auch Baukonzern-Manager in kriminelle, korrupte und oft einfach ekelhafte Affären verstrickt war. Raffgierig wurden in seinem Umfeld in Hessen Schwarze CDU-Kassen mit Schmiergeld gefüllt, das angeblich aus Erbschaften von „reichen Juden“ stammte. Aufrechte Steuerfahnder, die Steuern bei reichen Leuten eintreiben wollte, wurden schikaniert und mit widerlichen Methoden aus dem Amt gemobbt, ihre Existenz durch Psychiatrisierung zerstört. Auch beim Bauriesen Bilfinger leistete Koch miese Arbeit, trieb ihn an den Rand der Pleite und wg. Korruption will Bilfinger nun 120 Millionen Schadensersatz (weil die US-Behörden sie erwischt haben und natürlich wieder einmal nicht die deutsche Justiz).(…) Der tief in all diese dunklen Machenschaften verstrickte und für viele Schlampereien und Schweinereien auf höchster Ebene alleinverantwortliche Roland Koch erhielt für seine ruhmreichen Tätigkeiten folgende Auszeichnungen:…..
    Quelle: JASMINEREVOLUTION

    Anmerkung WM: Lesenswert. Der Aufstieg und Werdegang des umtriebigen Roland Koch. Vom hessischen CDU Landesvorsitzenden zum Ministerpräsidenten, danach zum Vorstandsvorsitzenden des Baukonzerns Bilfinger und schließlich zum Professor an der Frankfurt School of Finance and Management.

  8. Ein großer Erfolg: Die Reform der Entsenderichtlinie
    Um die Europäische Union (EU) und dort speziell um die Wirtschafts- und Sozialpolitik ist es nicht gut bestellt. Große Ungleichgewichte und viel unbearbeiteter Problemdruck haben sich aufgestaut. Wir berichten über diese Dinge regelmäßig. Gleichwohl ist das Makroskop-Abo kein Abonnement auf schlechte Nachrichten. Heute wollen wir eine erfreuliche Entwicklung würdigen: Die Verabschiedung der Reform der Entsenderichtlinie durch das Europäische Parlament (EP) gegen Ende des vergangenen Monats. Dass dieser Erfolg gelang, war durchaus keine Selbstverständlichkeit.
    Werfen wir, um den Sachverhalt angemessen zu würdigen, zunächst einen Blick auf ein benachbartes Rechtsgebiet: auf das Gesellschaftsrecht, also das Recht der unternehmerischen Rechtsformen. Dort hat die extensive Interpretation der europäischen Niederlassungsfreiheit (Artikel 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU, AEUV) durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) dazu geführt, dass Unternehmensgründer und -eigentümer sich die Rechtsform ihrer Unternehmen frei unter den in der EU-28 vertretenen Rechtsformen auswählen können, unabhängig vom Ort ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten. Die EU-Mitgliedstaaten haben also das Recht verloren, den auf ihren Territorien tätigen Unternehmen ihr Gesellschaftsrecht aufzuzwingen. (…)
    Betrachten wir das Ergebnis nun nach Ländern, dann zeigen sich besonders große Mehrheiten für die Reform beispielsweise in Österreich, Bulgarien, Irland, Italien, Portugal, Slowenien und Spanien – nicht aus allen diesen Ländern hatten wir hohe Zustimmungswerte erwartet. Besonders viele Gegenstimmen kamen aus Großbritannien, Polen, Ungarn und Tschechien, was gut zu unseren Ausgangsüberlegungen passt.
    Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die Reform der Entsenderichtlinie in besonderem Maße eine Leistung der Sozialdemokraten, der Grünen und der Linken ist. Ihnen gelang es – unter kräftiger Mitwirkung der Gewerkschaften –, in ihren Reihen hohe Ausmaße an Kohärenz unter Einschluss auch der Abgeordneten aus jenen Ländern zu erreichen, bei denen wir die Befürwortung der Reform nicht unbedingt erwartet hätten. Allen, die daran mitgewirkt haben, kann man nur großen Respekt ausdrücken.
    Quelle: Makroskop
  9. Gute Arbeit gegen Pflegenotstand
    Die Aufwertung sozialer Berufe ist dringend notwendig. Wie das gelingen kann, zeigt eine aktuelle Analyse.
    In Deutschland herrscht Pflegenotstand, überall fehlen Fachkräfte. Wer daran etwas ändern will, muss laut einer Studie von Dorothea Voss und Christina Schildmann die Arbeitsbedingungen in den sozialen Berufen verbessern. Die Forscherinnen von der Hans-Böckler-Stiftung zeigen anhand zahlreicher Daten, wo die Probleme liegen – und wo Veränderungen ansetzen müssen. „Soziale Dienstleistungen sind Teil der gesellschaftlichen Infrastruktur“, so Voss und Schildmann. Eine moderne Gesellschaft, in der Frauen sowie Männer am Arbeitsmarkt teilhaben und die darüber hinaus immer älter wird, sei auf eine solche Infrastruktur dringend angewiesen. „Wo sie nicht zur Verfügung steht, wird das Leben im Alltag oft zur Zerreißprobe.“
    Ein zentraler Faktor, der soziale Dienstleistungsberufe unattraktiv macht, ist das relativ niedrige Einkommen. Viele Beschäftigte sind zudem körperlich und seelisch überlastet, oft als Folge zu schlechter Personalausstattung. Arbeit am Abend oder am Wochenende ist keine Seltenheit, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert. Hinzu kommt, dass ein unübersichtliches Ausbildungssystem die berufliche Mobilität und die Entwicklung im Lebensverlauf erschwert. „Benötigt werden konkrete Schritte für die Aufwertung sozialer Dienstleistungsarbeit – und zwar beim Entgelt, der Personalbemessung, der Arbeitszeit und der beruflichen Entwicklung“, so Voss und Schildmann.
    Quelle: Böckler Impuls

    dazu: Koordinaten verschoben: Pflegekräfte streiten für Entlastung
    Die Regierenden stehen beim Thema Pflege unter Druck. Seinen symbolhaften Ausdruck fand das am Mittwoch nachmittag vor dem Düsseldorfer Hyatt-Hotel: Unten 4.000 wütende Beschäftigte aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen – oben sämtliche 17 Gesundheitsminister des Bundes und der Länder. Dass diese sich genötigt sahen, sich auf einer Verdi-Bühne den Pfiffen und Sprechchören der Pflegekräfte zu stellen, belegt: Widerstand ist zweckvoll. Die vielen Demonstrationen, Aktionen und Streiks, die aufrüttelnden Auftritte von Pflegekräften in den Medien und in der Öffentlichkeit haben etwas bewirkt. Die politischen Entscheidungsträger müssen zumindest so tun, als würden sie zuhören, als hätten sie »verstanden«, wie der Bundesminister Jens Spahn (CDU) kürzlich zur besten Sendezeit kundtat.
    Die Koordinaten der Diskussion haben sich verschoben. Noch vor wenigen Jahren wurde noch jeder, der das marktwirtschaftliche Finanzierungssystem der Krankenhäuser über Fallpauschalen infrage stellte, für mehr oder weniger unzurechnungsfähig erklärt. Heute kündigt selbst der Rechtsaußen Spahn an, die Pflege »zu hundert Prozent« aus den Fallpauschalen herauszunehmen und hier zum Prinzip der Selbstkostendeckung zurückzukehren. Konsequent umgesetzt könnte dies das Ende eines Systems einläuten, das die Krankenhäuser in einen gnadenlosen Wettbewerb um die niedrigsten Personalkosten getrieben hat – was die zentrale Ursache der aktuellen Misere darstellt. Doch so weit sind wir noch nicht. Spahn und seine Kumpane spielen weiter auf Zeit.
    Quelle: junge Welt

  10. Ein schwieriges Verhältnis
    Vor dem Hintergrund der Konfrontation zwischen dem Westen und Russland verschlechtern sich die Beziehungen der ehemaligen sowjetischen Republiken Estland, Lettland und Litauen zu Moskau
    Das Ende der UdSSR nahmen die Balten bereits als Außenstehende wahr. Zwar existierten noch vielfältige wirtschaftliche Verflechtungen, aber politisch ging man getrennte Wege. Daher waren die drei baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen nie Mitglieder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Sie betrachteten sich als jeweils identisch mit den vor 1940 existierenden selbständigen baltischen Staaten.
    Die Volkswirtschaften der baltischen Staaten konnten nach der Wiedererlangung ihrer Unabhängigkeit 1991 einen starken Zufluss ausländischer Investitionen verbuchen. Führend war und ist Estland, das pro Kopf die höchste Summe an Direktinvestitionen verzeichnete. Die Kapitalanleger kamen vor allem aus Skandinavien (71 Prozent der ausländischen Direktinvestititionen in Estland, 35 Prozent in Lettland, 45 Prozent in Litauen). Firmen aus dem Norden engagierten sich vorwiegend in der Informations- und Telekommunikationsbranche, im Finanzsektor sowie im Einzelhandel. Von den ausländischen Investoren gingen für die Modernisierung der baltischen Volkswirtschaften wichtige Innovationsimpulse aus. (…)
    Die starken russischsprachigen Minderheiten in Estland und Lettland waren und sind unzufrieden mit der Politik der estnischen und lettischen Regierungen, die Estnisch und Lettisch zu alleinigen Amtssprachen in ihren Ländern machten. Noch heute werden die russischen Einwohner daran gehindert, die Staatsbürgerschaften in diesen Ländern zu erhalten, wie das in den meisten anderen, nunmehr selbständigen ehemaligen Sowjetrepubliken, auch in Litauen, üblich ist. Das bedeutet: Nur jene Menschen, die glaubhaft machen können, dass ihre Vorfahren bereits vor 1940 auf lettischem oder estnischem Territorium gelebt hatten, können Bürger der beiden Staaten werden.
    Darunter waren und sind viele Menschen, die im Exil geboren wurden und das Baltikum nie gesehen hatten. Andere aber, die in der Sowjetzeit ihren Wohnsitz – häufig im Rahmen staatlicher Ansiedlungsprogramme – in die Lettische oder Estnische SSR verlegt hatten, bleiben von den Rechten, die mit der Staatsbürgerschaft verbunden sind, ausgeschlossen. Dieser Grundsatz ist auch aktuell die Basis des lettischen und estnischen Staatsbürgerschaftsrechts. Das führt dazu, dass bis heute eine Viertelmillion Menschen in Estland und eine halbe Million Einwohner Lettlands, darunter auch solche, die erst nach 1991 geboren wurden, die Staatsbürgerschaft nicht besitzen. Es ist der Versuch dieser Staaten, die demographischen Konsequenzen der Zugehörigkeit zur UdSSR auszublenden und damit Ausdruck einer hartnäckigen Realitätsverweigerung. Hintergrund für diese Politik ist neben dem rückwärtsgewandten Streben nach der Rekonstituierung ethnisch und alltagskulturell weitgehend homogener Staatsvölker vor allem die Angst, die eingebürgerten russischsprachigen Minderheiten könnten Wahlentscheidungen auf Landesebene beeinflussen. Von den ansonsten bei jeder Gelegenheit auf die Einhaltung der Menschenrechte pochenden EU-Gremien wird dieses Demokratieverständnis kommentarlos akzeptiert.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung unseres Lesers P.N.: Lesenswerter detailreicher Beitrag mit vielen interessanten Fakten zum besseren Verständnis der aktuellen Lage in den drei baltischen Staaten sowie deren Beziehungen zu Russland.

  11. Ohne die billige Müllhalde China verschärft sich das weltweite Plastikmüllproblem
    China hat bis Anfang des Jahres seit 1992 fast die Hälfte des weltweiten Plastikmülls aufgenommen, in den nächsten Jahren werden über 100 Millionen Tonnen anderweitig entsorgt werden müssen
    China hat zu Beginn des Jahres die Tore mit dem “Grünen Zaun” für den weltweiten Plastikmüll geschlossen (Zentraler Recyclinghof des Planeten ist geschlossen). Das Land, das die Maßnahme vorab angekündigt hatte, wollte nicht mehr Müllplatz für die Staaten werden, in denen weiter in Massen Plastik produziert und verwendet wird, während der Abfall in die Umwelt gelangt oder exportiert wird. Nun stehen die Länder, allen voran die EU und die USA, vor dem Problem, wohin mit den Plastikbergen, die weiter anwachsen, weil die Recyclingrate gering ist und nur Teile verbrannt werden.
    Dabei ist Plastik bereits überall vorhanden (Noch mehr Plastikmüll in den Meeren, Müllhalde Ozean), Mikroplastikteilchen finden sich in allen Gewässern und im Grundwasser, in Böden und in Organismen (Kleinste Plastikteilchen könnten global terrestrische Ökosysteme negativ verändern).
    Quelle: Telepolis
  12. Genie des Agenda-Settings
    Vor vier Jahren starb Frank Schirrmacher – heute ist der Zeitungs-Journalismus am Ende
    Jeder weiß, wie man ein Smartphone bedient; die politische Frage lautet umgekehrt: wie man verhindert, dass man vom Smartphone bedient wird.
    Der letzte Satz des letzten Artikels von Frank Schirrmacher in der FAZ
    Am 12. Juni 2014 starb Frank Schirrmacher – sein Tod markiert das Ende einer Ära, und vier Jahre nach seinem Tod ist nichts mehr übrig geblieben von dem, was Zeitungs-Journalismus vor vier Jahren noch war.
    Spieler und Provokateur
    Es gibt zwei Dinge, die eine Zeitung interessant machen, und über andere Medien herausheben: Dass sie viele und gute Auslands-Korrespondenten hat, und dass sie in der Lage ist Themen zu setzten und Debatten auszulösen.
    Genau dies beides war die Stärke der Faz unter ihrem Herausgeber Schirrmacher und dessen ganz persönliches Talent: Schirrmacher wusste, dass es für die Faz wichtiger ist, sich einen Kulturkorrespondenten in Venedig oder Peking zu leisten, als die Auflage um ein paar Prozentpunkte zu steigern.
    Ein halbes Jahr nach Schirrmachers Tod wurde der kommissarische Nachfolger als Faz-Herausgeber, Günther Nonnenmacher gefragt, ob die Faz nicht dringend eine Galionsfigur wie Schirrmacher brauche. Die Antwort Nonnenmachers die das ganze Mittelmaß dieser einstigen elitären Zeitung verdeutlichte war: “Hat Frank Schirrmacher, der wirklich ein berühmter Mann war, die Auflage der Faz steigern können? Kamen wegen ihm mehr Anzeigen?”
    Inzwischen geht die Auflage deutlich zurück, inzwischen hat die Faz ihr Tafelsilber, die Societätsdruckerei und das Verlagsgrundstück in Frankfurt verkauft. Man versucht sich hilflos darin, mit teuren Versuchsballons wie “FAZ Quarterly” und “FAZ Weekly” Anzeigenkunden zu gewinnen – und bereitet doch mittelfristig den Abschied vom Print in die digitale Welt vor. Kürzungen in der Redaktion, Entlassungen, die Streichung von Korrespondentenstellen schönen kurzfristig die Bilanz. Aber das Ende kommt näher.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Treffender kann man die derzeitigen Probleme unserer sogenannter Leitmedien nicht beschreiben.

  13. Doping, Menschenrechte, Hooligans
    Was hat dieses Foul mit Putin zu tun? Bei der WM in Russland versuchen die Fußballkommentatoren, die Spiele politisch einzuordnen. Das kann nur schiefgehen. […]
    Wenn der ARD-Kommentator Tom Bartels also sagt: “Wenn auf der Ehrentribüne die Strippenzieher des Dopingprogramms sitzen dürfen, dann ist das ein Schlag ins Gesicht des Fußballs”, ist das ein Blickwinkel, der vor allem auf Russland gerichtet zu sein scheint. Die Verquickungen von Funktionären, Sportärzten und Nationalmannschaft in der (west)deutschen Dopinggeschichte sind seit jeher marginal behandelt worden. Und eine Ex-Lichtgestalt der selbstbesoffenen Sommermärchen-Euphorie wie Franz Beckenbauer wäre erst mit heutigem Wissen als Strippenzieher innerhalb der Fifa-Mauscheleien attributierbar gewesen.
    Die Übersetzung der großen Weltpolitik in die Realität eines Fußballspiels ist jedenfalls nichts, wozu man Reportern raten würde. Versuchen sie es trotzdem, kommen Überleitungen des Grauens heraus, in denen nichts mehr stimmt. Das tollste Beispiel ist die Szene, in der Putin nach einem Tor Russlands im Eröffnungsspiel über den Fifa-Chef Infantino hinweg dem saudischen Vizepremier Mohammed bin Salman entschuldigend lächelnd die Hand reicht. Bartels bringt diese Geste (“Man will fair miteinander umgehen”) mit einem russischen Foul in Verbindung, das der Schnitt danach zeigt (“wär’ schön, wenn Russland damit anfängt”).
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung unseres Lesers L.M.: Es passieren noch Wunder.

  14. Ein dreister Plan zur WM-Zeit
    Parteienfinanzierung Union und SPD wollen die staatlichen Zuschüsse für Parteien um 15 Prozent erhöhen. Die offizielle Begründung dafür ist vorgeschoben
    Manchmal ist sogar die CSU gegen die Obergrenze. Dann nämlich, wenn es um Geldzuwendungen geht. An diesem Freitag will die Große Koalition die gesetzlich festgelegte Obergrenze für staatliche Zuschüsse an Parteien von 165 auf 190 Millionen Euro erhöhen.
    Das wären auf einen Schlag 15 Prozent mehr. Während der Regelsatz von Hartz IV am 1. Januar gerade mal um 1,7 Prozent stieg, reicht den Regierungsparteien der jährliche Inflationsausgleich nicht aus.
    Ihren Mehrbedarf begründen sie mit den “horrenden Kosten”, die ihnen durch neue Medien und teure Mitgliederentscheide entstehen.
    Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssten sie künftig rund um die Uhr auf allen digitalen Plattformen präsent sein. Eine selbstbewusste Mitgliederschaft verlange immer häufiger Mitsprache bei Koalitionsverträgen und Spitzenkandidaten. Mehr Demokratie kostet.
    Doch in Wirklichkeit geht es den Regierungsparteien nicht um den ehrenwerten Versuch, die internen und externen Willensbildungsprozesse zu verbessern.
    Die ganz im Geheimen vorbereitete Geldbeschaffungsaktion ist die erste Vorsorgemaßnahme für den nächsten Bundestagswahlkampf. Die Union weiß, dass sie für den Aufbau und die Durchsetzung eines Merkel-Nachfolgers oder einer Merkel-Nachfolgerin viel Geld in die Hand nehmen muss.
    Und die SPD lässt in ihrer soeben veröffentlichten “Fehler-Analyse” des Schulz-Wahlkampfs durchblicken, wofür sie die zusätzlichen Millionen benötigt: Sie will das altmodisch und fehlerhaft arbeitende Willy-Brandt-Haus in ein “kommunikatives Kraftzentrum” umbauen und mit den “notwendigen personellen Ressourcen ausstatten”. Sie will “die Besten-der-Besten-Campaigner” einkaufen können und den “digitalen Bereich massiv ausbauen”. Den Parteiführungen geht es also weniger um Demokratisierung als um Zentralisierung.
    Quelle: Freitag

    Anmerkung Jens Berger: Es glaube aber jetzt niemand, dass dieses Vorhaben außerhalb der WM-Zeit die Menschen auf die Barrikaden bringen würde.

    Anmerkung JK: Es ist schon seltsam, wenn es darum geht sich die Taschen auf Kosten der Allgemeinheit zu füllen, ist man sich in der großen Koalition sehr schnell einig.

    dazu: Foulspiel an der Demokratie
    Um es klar zu sagen: Wir haben nichts gegen die staatliche Parteienfinanzierung. Sie bemisst sich in erster Linie nach Wahlergebnissen, und sie zu erhöhen könnte helfen, Parteien unabhängiger von Großspendern, Sponsoren und deren Interessen zu machen. Doch dafür sind gleichzeitig Obergrenzen für Parteispenden und mehr Transparenz notwendig – vor allem beim millionenschweren Parteisponsoring durch Unternehmen und Wirtschaftsverbände.
    Nicht nur wir mahnen dies seit Jahren an – auch die Anti-Korruptionsgruppe des Europarats (GRECO) schickt Deutschland deswegen immer wieder blaue Briefe. Aber Union und SPD sperren sich seit Jahren dagegen.
    Besonders frech: Ihre Eigenmittel-Erhöhung begründen sie trotzdem mit angeblich gestiegenen Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen. „Das habe ich schlicht und ergreifend nicht verstanden. Die gibt es nicht“, sagte die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger (Uni Konstanz) dazu treffend bei der Expertenanhörung am Montag.
    Schwarz-Rot hatte die Anhörung so kurzfristig angesetzt, dass nur drei von sieben Sachverständigen es schafften, eine schriftliche Stellungnahme einzureichen – eine halbe Stunde vor der Sitzung. Entsprechend groß war der Unmut in der Expertenrunde. Michael Koß (LMU München) sprach vom Bruch informeller Regeln und empfahl Schwarz-Rot gleich noch das Buch „Wie Demokratien sterben“. Aber auch inhaltlich hatten die Sachverständigen einiges auszusetzen. Die Konstanzer Professorin Schönberger nannte den Entwurf sogar „verfassungswidrig“.
    Auf jeden Fall gibt es wichtigere Baustellen bei der Parteienfinanzierung als die Staatszuschüsse. Das zeigen auch die gerade erst veröffentlichten Rechenschaftsberichte der Parteien für 2016. Wer die Parteien mit wieviel Geld „sponsert“ bleibt danach ebenso unklar wie die Frage, wer hinter der millionenschweren Wahlkampf-Unterstützung für die AfD steckt, die über einen dubiosen Tarnverein und die Schweizer Werbeagentur Goal AG abgewickelt wurde.
    Quelle: Lobby Control

  15. Die Linken haben die soziale Frage vergessen
    Der promovierte Philosoph Nils Heisterhagen steht in Diensten der SPD und rechnet in seinem neuen Buch mit der “liberalen Illusion” ab. Linke Parteien müssten wieder die “kleinen Leute” vertreten anstatt nach dem “Bio-Bürgertum” zu schielen, sagt er. Dazu gehöre auch Realismus in der Flüchtlingspolitik.
    Das liberale Bürgertum wähnt sich links, bildet aber tatsächlich eine Allianz mit dem neoliberalen Großkapital, sagt Nils Heisterhagen. Dieses Bürgertum definiere das Linkssein heute über Werte wie Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit, aber stelle die soziale Frage nicht mehr. “Teile der Links-Liberalen müssen linker werden. Sie müssen ökonomische Themen in den Mittelpunkt stellen und nicht so viel darüber reden, wie doof sie Donald Trump finden und welche Werte sie haben, die sie gegen die Rechtspopulisten verteidigen wollen”, sagt der SPD-Denker und Buchautor. Die Linke stehe am Abgrund, Selbstkritik habe die SPD dringend nötig. Mehr Staat, mehr Solidarität mahnt Heisterhagen an. Der Keynesianismus, also staatliche Investitionen in Infrastruktur, sei eine Alternative zum Neo-Liberalismus.
    Wenn die Linke in diesem Sinne wieder linker werde, dann könne sie der AfD Wähler abspenstig machen. Derzeit sei die AfD die Partei der “kleinen Leute” und der verängstigten Mittelschicht. “Die Abgehängten und Wütenden haben bei der Bundestagswahl rechts gewählt. Es würde helfen, von einer Polarisierung über Werte zu einer Polarisierung über ökonomische Interessen zu kommen, wo die Linke eindeutig die Interessen der unteren Mittelschicht, der kleinen Leute und derer vertritt, die sich unfair behandelt fühlen.”
    Der politische Diskurs sei von einem Kulturkampf zwischen den Liberalen und den Rechtspopulisten geprägt. “Im öffentlichen Diskurs ist zu viel Moralismus auf der einen und zu viel Hass auf der anderen Seite. Man könnte die politische Kultur befrieden, den Zusammenhalt stärken, indem man dafür sorgt, dass die Leute, die sich ökonomisch abgehängt fühlen, sagen können: Die Linken vertreten meine Interessen.”
    Quelle: Deutschlandfunk
  16. Am Samstag beginnt die Stopp Ramstein Kampagne 2018
    Hier das Programm und alle sonstigen Informationen zur Kampagne ramstein-kampagne.eu.
    Sie sind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen.


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