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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 27. Juli 2018 um 8:25 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Juncker & Trump
  2. Kommentar: BRICS-Staaten plädieren für multilaterales Handelssystem
  3. How the EU has become an incubator for fascism
  4. Im Kassenwettbewerb geht es nicht um das Wohl der Patientinnen und Patienten
  5. Sozial, gerecht und cool
  6. Paritätischer kritisiert fehlende Fort- und Weiterbildungen für Arbeitslose
  7. Ryanair-Flugbegleiterin packt aus: “Wenn ihr für 20 Euro in den Urlaub fliegt, hat das seinen Preis”
  8. Die regionale Bedeutung des Handwerks für Beschäftigung und Ausbildung
  9. Weniger Genehmigungen für Rüstungsexporte
  10. Tel Aviv hilft Islamisten
  11. Ausnahme wird Zustand
  12. Wenn der Staat ein Loch ins Gefängnis sprengen lässt
  13. “Die Tyrannei des Wachstums”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Juncker & Trump
    1. Juncker – Trump: Another Fake Deal
      Was soll man von Junckers Handelspakt mit US-Präsident Trump halten? Ist es ein Durchbruch, wie man in Berlin jubelt, oder eine “handelspolitische Kapitulation”, wie man in Paris unkt?
      Zunächst einmal ist es eine gute Nachricht, dass die drohende Eskalation im Handelsstreit abgewendet wurde. Auch dass Trump nun verhandeln will, ist ein Fortschritt. Allerdings finden die Verhandlungen nach US-Konditionen statt. Die illegalen Strafzölle auf Stahl und Aluminium werden nicht zurückgenommen, sondern nur geprüft.
      Die EU lässt sich also auf Gespräche mit “vorgehaltenem Revolver” ein – ein bisher einmaliger Vorgang und noch dazu ein klarer Bruch der Brüsseler Absprachen. Juncker bricht auch sein Wort, wenn er Trump bei Sojabohnen und Flüssiggas entgegenkommt. Zumindest fürs Soja hat er kein Mandat. Und er kann auch nicht sicherstellen, dass die Europäer mehr Soja kaufen.
      Beim Flüssiggas dürfte es noch Jahre dauern, bis die nötigen Terminals stehen. Bisher ist das Gas aus den USA nicht einmal wettbewerbsfähig, da viel zu teuer.
      Quelle: Lost in Europe
    2. Flüssiggas: Erzwingen die USA den Abschied von der Marktwirtschaft?
      Gestern versprach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dem US-Präsidenten Donald Trump zur Abwendung von Zöllen auf deutsche Autos die vermehrte Abnahme von US-Flüssiggas und amerikanischen Sojabohnen durch EU-Länder (vgl. Juncker erkauft vorläufigen US-Verzicht auf Autozölle). Wie Juncker diese Versprechen konkret einlösen will, ist noch nicht klar.
      Bei Sojabohnen kann die EU den Import relativ einfach steigern, indem sie Vorschriften abbaut, die ihn hemmen. Etwas schwieriger wird es beim Flüssiggas. Dass das nicht mehr Abnehmer findet, liegt nämlich vor allem daran, dass es sowohl wegen seiner relativ aufwendigen Förderung aus Schiefer als auch wegen des Seetransports mit Kühlung und Kompression deutlich teurer ist als über Pipelines geliefertes Erdgas. Deshalb sind die insgesamt 26 europäischen Flüssiggas-Terminals aktuell mit nur 55 von 235 verfügbaren Milliarden Kubikmetern ausgelastet. Selbst dieser Auslastungsgrad kommt nur dadurch zustande, dass beispielsweise in Litauen die Regierung den staatlichen Energieversorger anwies, einen Liefervertrag zu schließen und auch andere Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtete, diesem Mindestmengen abzunehmen.
      Quelle: Telepolis
    3. Wirtschaft erwartet Taten
      Während Minister Altmaier (CDU) über die Annäherung im Handelsstreit Freude äußert, sieht die Linke keinen Grund zum Feiern.
      Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich am Donnerstag erleichtert über die Annäherung im Handelsstreit mit den USA gezeigt. Die Einigung aus dem Krisentreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sei „ein gutes Ergebnis für Arbeit und Wohlstand in der EU, in Deutschland und weltweit“, so Altmaier an seinem Wohnsitz im Saarland. Der erfolgreiche Verlauf der Gespräche sei „ein guter Anfang“ und nehme vielen Menschen die Sorge, dass die Weltwirtschaft in den nächsten Monaten schweren Schaden nehmen könnte. Es sei gelungen, den Beginn eines Handelskrieges zu vermeiden und stattdessen zum Verhandlungstisch zurückzukehren. „Das eröffnet die Chance, dass wir Zölle senken statt sie zu erhöhen, dass wir global die Weltwirtschaft stärken und dass wir dafür sorgen, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden können, auch bei uns in Deutschland und Europa.“ Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte, Europa habe „bewiesen, dass es sich nicht spalten lässt“.
      Dagegen kritisierte der SPD-Europapolitiker Bernd Lange, die Verhandlungsposition der EU sei vielmehr „geschwächt“. Trump habe weder die Strafzölle auf Stahl und Aluminium zurückgenommen, noch seine Drohung mit „Abschottungszöllen gegen europäische Autos und Autoteile“, sagte der Vorsitzende des Außenhandelsausschusses im Europaparlament. Die Strafzölle blieben damit Trumps „Drohpotenzial“ in den anstehenden Gesprächen über Handelserleichterungen.
      Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Fabio De Masi, sieht nach dem Treffen in Washington keinen Grund zum Feiern: „Der Jubel von Bundeswirtschaftsminister Altmaier ist so schlicht wie ein Tweet von Donald Trump.“ Das Ergebnis stelle bestenfalls einen Waffenstillstand im Handelskrieg dar, denn der rauchende Colt von US-Autozöllen bleibe dabei geladen. De Masi forderte, die EU müsse unabhängiger von den USA werden. Dies erfordere die Stärkung der Binnenwirtschaft in Deutschland, um die Exportabhängigkeit zu reduzieren, und eine neue Entspannungspolitik mit Russland.
      Quelle: FR Online
    4. Attac: Abbau von Zöllen setzt Entwicklungsländer unter Druck
      Roland Süß von der globalisierungskritischen Organisation Attac sieht die Vereinbarungen im Handelsstreit zwischen der EU und den USA kritisch: Die US-Regierung wolle mit der Abmachung ihre eigenen Vorteile und die der Industriestaaten absichern, sagte er im Dlf. Schwellen- und Entwicklungsländer hätten das Nachsehen. […]
      Die Agenda, die inhaltliche Ausrichtung von dem, was verhandelt werden soll, ist jetzt ganz einfach von Trump und den USA gesetzt worden, und insofern hat sich natürlich die EU da schon sehr deutlich erpressen lassen. Weil das, was jetzt auf dem Tisch liegt, würde nach unserer Meinung wirklich zu einer gravierenden schädlichen Auswirkung letztendlich führen, die teilweise weitergehen würde von den schädlichen Auswirkungen, wie das bei TTIP der Fall war.
      Wenn man wirklich sagt, man will die Industriezölle, sagen wir jetzt mal, entweder EU und USA oder in G7 – das ist jetzt ja mal zweitrangig -, wenn diese großen westlichen Industrienationen, die ihre Märkte ja entwickelt haben, wo die Industrie ja robust ist, alle Zölle abbauen, dann wird das zu einem massiven Druck letztendlich führen für andere Länder, nicht nur die Schwellenländer, sondern auch gerade Entwicklungsländer hätten dann eine massive Verschärfung ihrer Situation. Ihre Produkte würden ganz einfach noch wettbewerbsunfähiger sein, und das hätte eine massive Auswirkung auf deren Entwicklung und hätte mit Sicherheit auch eine Auswirkung auf die Flüchtlingsbewegung zum Beispiel nach Europa.
      Quelle: Deutschlandfunk
    5. TTIP light
      Was nach den ‚Handelsgesprächen‘ zwischen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump gefeiert wird, ist in Wahrheit ein deutlicher Schritt der Abkehr vom Ziel einer fairen und demokratischen Welthandelsordnung, kritisiert der handelspolitische Sprecher der Linksfraktion im Europäischen Parlament, Helmut Scholz. „Die ‚Sonderregelungen‘, die Trump und Juncker vereinbarten, sind nichts anderes als ein TTIP light.“
      Der LINKE-Europapolitiker weiter: „Den internationalen Handelsbeziehungen wird gleich in mehrfacher Hinsicht geschadet. Erstens werden Erleichterungen wie Almosen an die Bittsteller aus Europa vergeben. Mit gleichberechtigten Handelsbeziehungen hat das nichts zu tun. Gerade weil die Vereinbarungen auch zu Lasten anderer Regionen gehen werden und andere Handelskonflikte, insbesondere jener mit China, ungelöst bleiben. Trump braucht das Aufbrechen der wirtschaftlichen und handelspolitischen Zusammenarbeit der EU mit anderen Staaten, die eine Durchsetzung der ‚America first‘-Strategie erschwert.“
      „Zweitens wurden das Europaparlament und insbesondere der Ausschuss für internationalen Handel (INTA) offensichtlich an der Nase herumgeführt. Denn dort hatte die Kommission solche Deals wie den jetzigen ausdrücklich ausgeschlossen. Ein neues Mandat für Verhandlungen sei notwendig. Dies zeigt auch, dass eine reale Mitsprache der Abgeordneten in Handelsfragen, wie sich schon bei TTIP, CETA und JEFTA zeigte, nicht erwünscht, weil unbequem ist.“
      „Drittens sind die Hauptprofiteure der Abmachung sind abermals vor allem die europäischen Automobilkonzerne. Gerade das erneute Vorpreschen des deutschen Wirtschaftsministers Peter Altmaier in Unterstützung der Dealerei von Washington spricht für sich. Trotz der Weigerung Trumps, die Androhung von Zollerhebungen auf EU-Autoexporte (PKWs) ausdrücklich vor den weiteren ‚Verhandlungen‘ jetzt eindeutig zurückzunehmen. Ein Schelm, wer dabei nicht an Lobbyismus denkt.“
      Viertens „lassen die Ankündigungen von Malmström und Juncker in Washington nach den Gesprächen mit den US-amerikanischen Partnern grundsätzlich Fragen nach den sozialen und beschäftigungspolitischen, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards und Normen offen. Kein Wort auch zum Dienstleistungssektor, in dem die USA handelspolitisches Übergewicht haben.”
      „Was soll damit an konstruktivem Inhalt in die Gespräche mit anderen gleichberechtigten Handelspartnern im Rahmen der angestrebten und sicherlich überfälligen Reformen der WTO eingebracht werden, wenn nun doch, wie vom US-Präsidenten angedeutet, die transatlantische Achse USA-EU das Maß aller Dinge sein soll? Der Handelskrieg droht endgültig global zu werden. Und es wird in einer zunehmend vernetzten, voneinander abhängigen Volkswirtschaften geprägten Weltwirtschaft keinen Gewinner geben; schon gar nicht in Bezug auf das Erreichen der 17 Ziele der UNO-Nachhaltigkeitsagenda 2030, die das Maß der Dinge sein muss.“
      Quelle: DIE LINKE im Europaparlament
  2. Kommentar: BRICS-Staaten plädieren für multilaterales Handelssystem
    Das dreitägige Gipfeltreffen der BRICS-Staaten hat am Mittwoch im südafrikanischen Johannesburg begonnen. In dem Kommentar „Die Trump-Bedrohung im Handelskriegen gibt BRICS-Staaten neue Bedeutung” wies die britische Presseagentur Reuters darauf hin, dass im vergangenen Jahr das gesamte Bruttoinlandsprodukt der fünf BRICS-Staaten über 17 Billionen US-Dollar betragen habe, sogar mehr als das der EU. Die BRICS-Staaten würden gemeinsam für einen Multilateralismus auf der Welt plädieren, während die Strafzölle von US-Präsidenten Donald Trump eventuell zu weltweiten Handelskriegen führen könnten. Die möglichen Handelsstreits könnten neue Impulse für die BRICS-Staaten geben. (…)
    Etwa 68 Millionen Chinesen sind in den vergangenen fünf Jahren aus der Armut befreit worden, was bedeutet, dass man, weltweit betrachtet, einen guten Erfolg in der menschlichen Geschichte erzielt hat. Durch die multilateralen und bilateralen wirtschaftlichen und kulturellen Kooperationen im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative, insbesondere durch das Sommer-Davos-Forum und das BRICS-Staaten-Gipfeltreffen in Xiamen im vergangenen Jahr, hat China der internationalen Gemeinschaft das inklusive Wachstum und die Entwicklungsidee der BRICS-Staaten „Offenheit und Inklusion, Kooperation und Win-Win” vorgestellt. Dies hat einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des Wohlstands und zur Förderung des weltweiten inklusiven Wirtschaftswachstums geleistet.
    Quelle: CRI online

    Anmerkung Christian Reimann: Während Armut in China offensichtlich erfolgreich bekämpft wird, nimmt die Armut hierzulande zu. Auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten ist sie seit Jahren erschreckend hoch. Insbesondere in Deutschland kann zudem der Eindruck gewonnen werden, dass nicht Armut, sondern finanziell schwach ausgestattete Menschen bekämpft werden – z.B. durch Sanktionen im Rahmen der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld II (“Hartz IV”-Leistungen).

  3. How the EU has become an incubator for fascism
    Fascist policies and parties are on the rise again in the EU. This was not in the least unexpected. For years academics have been warning that the devastating effects of the EU’s neo-liberal policies, especially austerity, would result in such a political reaction: the re-awakening of nationalism, extremism, and racism. The so-called experts, europhiles, and the traditional political parties in the EU nations are bewailing this success of the far right, claiming it threatens the very values of the European Union. What no one is considering is that this development could well be a logical consequence of the EU’s policies of the past decades, actually stabilising the European Union and allowing the EU to fulfil its true goal: the absolute reign of neo-liberalism. That Neo-liberalism , which by its nature is anti-democratic, has an affinity to fascism must come as no surprise. The first testing ground for neo-liberal policy of its godfather, Milton Friedmann, was Pinochet´s Chile. The neo-liberal ideologue, Friedrich Hayek, commented approvingly, “my personal preference leans toward a liberal dictatorship rather than toward a democratic government devoid of liberalism”. With liberal Hayek understood freedom from regulation, tax, and unions – all essential tools to defend the rights of citizens against corporate might in a democracy. Key to this was removing the control of economic policy from representative democracy.
    Quelle: Brave New Europe

    dazu: Portugal Dared to Cast Aside Austerity. It’s Having a Major Revival.
    At a time of mounting uncertainty in Europe, the country has defied critics who insisted on austerity as the answer to the Continent’s economic and financial crisis. […]
    At a time of mounting uncertainty in Europe, Portugal has defied critics who have insisted on austerity as the answer to the Continent’s economic and financial crisis. While countries from Greece to Ireland — and for a stretch, Portugal itself — toed the line, Lisbon resisted, helping to stoke a revival that drove economic growth last year to its highest level in a decade. […]
    “What happened in Portugal shows that too much austerity deepens a recession, and creates a vicious circle,” Prime Minister António Costa said in an interview. “We devised an alternative to austerity, focusing on higher growth, and more and better jobs.” […]
    European officials are now admitting that Portugal may have found a better response to the crisis. Recently, they rewarded Lisbon by elevating the country’s finance minister, Mário Centeno, who helped engineer the changes, to president of the Eurogroup, the influential collective of eurozone finance ministers. The economic about-face had a remarkable impact on Portugal’s collective psyche. While discouragement lingers in Greece after a decade of spending cuts, Portugal’s recovery has pivoted around restoring confidence to get people and businesses motivated again.
    Quelle: New York Times

  4. Im Kassenwettbewerb geht es nicht um das Wohl der Patientinnen und Patienten
    Das herrschende Krankenkassensystem hat zu einer gefährlichen Schieflage geführt. Die Krankenkassen sind offenbar wesentlich stärker an der Behauptung ihrer Marktposition interessiert als an einer Erfüllung des gesetzlichen Versorgungsauftrags. Das bestätigen die Antworten der Bundesregierung (PDF) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.
    “Bei dem politisch angeheizten Kassenwettbewerb geht es nicht um das Wohl der Patientinnen und Patienten: Es ist doch absurd, dass die Krankenkassen immer mehr für Werbung und medizinisch umstrittene Satzungsleistungen ausgeben. Und zugleich wird ihnen verboten, für Brillen und Zahnersatz weitere Zuschüsse zu zahlen, die notwendig sind und für viele Menschen große finanzielle Belastungen bedeuten”, kommentiert Achim Kessler, Sprecher für Gesundheitsökonomie der Fraktion und Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestags, die Ergebnisse.
    Die Summe der Werbeausgaben hat sich seit 1995 bis 2016 verdreifacht (+320%) (Frage 18). Die Werbeausgaben betrugen 2016 fast 200 Millionen Euro (193,6 Millionen Euro). Der verschärfte Kassenwettbewerb zu einer Versechsfachung der sogenannten “zusätzlichen Satzungsleistungen” zwischen 2012 und 2016 geführt (Frage 1).
    Die Bundesregierung gibt zudem keine Auflistung darüber, welche Krankenkassen wie viele Bonusprogramme, Wahltarife, Satzungsleistungen und Selektivverträge haben (Frage 21). “Die Versicherten haben keine Möglichkeit, sich über Tausende von Einzelverträgen der Krankenkassen zu informieren”, moniert Achim Kessler. Dabei sei zu bezweifeln, dass die Versicherten von den Verträgen überhaupt einen Vorteil haben. “Wirklich hilfreich für ihre Kassenwahl wäre dagegen Transparenz bei den Genehmigungen und Ablehnungen von Leistungsanträgen”, fordert Kessler. Doch ausgerechnet das lehne die Bundesregierung ab.
    Quelle: die Linke im Bundestag
  5. Sozial, gerecht und cool
    Soziale Dienstleistungen müssen endlich gesellschaftlich aufgewertet werden – vor allem durch höhere Löhne. Nur dann lassen sich genügend Fachkräfte finden, um den steigenden Bedarf an Pflege und Kinderbetreuung zu befriedigen. Zudem würde diese Aufwertung maßgeblich dazu beitragen, dass Männer und Frauen auch finanziell gleichgestellt werden.
    “Es muss cool sein, Pflegefachkraft zu sein.” Das zumindest sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD), als sie mit Arbeitsminister Hubertus Heil und Gesundheitsminister Jens Spahn kürzlich die „Konzertierte Aktion Pflege“ der Bundesregierung vorstellte. Doch lässt der Coolness-Faktor in den sozialen Dienstleistungsberufen zu wünschen übrig. Denn die Arbeit wird nicht nur schlecht bezahlt, sondern fordert viel, zumal es an Personal fehlt. In der Alten- und Krankenpflege beispielsweise sind rund 35.000 Stellen für Fach- und Hilfskräfte unbesetzt. Weil es nicht genug ErzieherInnen gibt, haben 30.000 Kinder unter drei Jahren keinen Betreuungsplatz, obwohl er ihnen rechtlich zusteht.
    Die DGB-Gewerkschaften fordern deshalb bessere Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung für die rund sechs Millionen Frauen und Männer, die in den frauendominierten sozialen Berufen arbeiten. Hinzu kommt, dass mehr Menschen einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnten, wenn sie ihre Kinder und pflegebedürftigen Angehörigen in qualitativ hochwertigen Pflege- und Betreuungseinrichtungen wissen. Die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit könnte somit gerechter gestaltet werden. Ohne die Aufwertung sozialer Dienstleistungen können wir keine Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen.
    Quelle: Gegenblende
  6. Paritätischer kritisiert fehlende Fort- und Weiterbildungen für Arbeitslose
    Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert den unzureichenden Umfang der Fort- und Weiterbildung für Arbeitslose. Nach einer Studie der Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbands erhielten im September 2017 nur fünf Prozent aller Arbeitslosen eine berufliche Weiterbildung, eine Weiterbildung mit Berufsabschluss sogar nur gut zwei Prozent.
    Die Förderung ist dabei unterschiedlich verteilt: während neun Prozent derjenigen, die Arbeitslosengeld bekommen, gefördert wurden, waren es bei Empfängern von Hartz IV nur gut drei Prozent. „Statt nachhaltige Qualifizierung für geringqualifizierte Arbeitslose anzubieten, die ansonsten nur kurzfristig Erfolg auf dem Arbeitsmarkt haben, setzten Agenturen für Arbeit und Jobcenter lieber auf schnelle Vermittlung“ kritisiert Werner Hesse, Geschäftsführer im Paritätischen Gesamtverband. In der Konsequenz werden zu viele Menschen in Arbeitslosigkeit zurückgelassen und ihnen eine Qualifizierung als Schlüssel für den nachhaltigen Arbeitsmarkterfolg verwehrt.
    Zusätzlich bestehen erhebliche Unterschiede bei den Arbeitsmarktchancen Geringqualifizierter in Ost und West. Obwohl das Arbeitslosigkeitsrisiko Ungelernter sich regional deutlich unterscheide, würden Möglichkeiten zu einem stärkeren Ausgleich der Risiken zu wenig genutzt. „In der Qualifizierungsoffensive des Bundesarbeitsministers muss die Förderung Arbeitsloser unter Berücksichtigung regionaler Bedarfe deutlich ausgebaut werden“ fordert deshalb Werner Hesse unter Bezugnahme auf eine jüngst von Arbeitsminister Heil vorgeschlagene Initiative, die auf einen Ausbau der Fort- und Weiterbildung von Beschäftigten zielt.
    Damit hiervon auch Arbeitslose profitieren, werden nach Angabe des Paritätischen eine verlässliche Lebensunterhaltssicherung während längerer Qualifizierungszeiten, neue Förderschwerpunkte der Arbeitsverwaltung bei der Qualifizierung und besser passende Bildungsmaßnahmen benötigt. Der Geschäftsführer plädiert für nachhaltige Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Aufstieg durch Bildung. Die Kurzexpertise kann auf der Homepage des Paritätischen hier heruntergeladen werden.
    Quelle: Der Paritätisch
  7. Ryanair-Flugbegleiterin packt aus: “Wenn ihr für 20 Euro in den Urlaub fliegt, hat das seinen Preis”
    Sie muss ihre Verpflegung fürs Flugzeug selbst mitbringen, verdient wenig – und bei Flugausfällen gar nichts: Hier berichtet eine Flugbegleiterin von Ryanair von ihren miserablen Arbeitsbedingungen.
    Das Kabinenpersonal von Ryanair ist am Mittwoch in mehreren Ländern in Streik getreten. Zwei Tage lang wollen Flugbegleiter und Piloten nicht zur Arbeit erscheinen. Europas größte Billigfluggesellschaft musste daher mitten in der Ferienzeit europaweit allein am Mittwoch um die 400 Flüge streichen. Die Kunden sind verärgert, und das Management von Ryanair drohte als Konsequenz des Streiks mit Stellenstreichungen.
    Was steckt hinter dem Streik? Hier berichtet eine Ryanair-Flugbegleiterin von miserablen Arbeitsbedingungen. Die Mitarbeiterin möchte zu ihrem eigenen Schutz anonym bleiben.
    Laut der Gewerkschaft Ver.di sind die meisten Flugbegleiterinnen bei Ryanair zwischen 18 und 30 Jahre alt und kommen aus wirtschaftlich gebeutelten Krisenländern in Süd- oder Osteuropa. Viele verlassen das Unternehmen nach kurzer Zeit wieder. Wer allerdings keine Fremdsprachen spricht, – Ryanair verlangt nur Englisch – dem falle ein Wechsel in Deutschland schwer. Und: Viele haben noch Schulden bei ihrem Arbeitgeber, da Flugbegleiter bis vor Kurzem ihre interne Kurzausbildung selbst zahlen mussten.
    Quelle: Spiegel Online

    An dieser Stelle stand ursprünglich eine redaktionelle Anmerkung, die so nicht haltbar ist. Nach kritischen Hinweisen einiger Leser haben wir uns entschlossen, diese Anmerkung zu streichen (JB).

  8. Die regionale Bedeutung des Handwerks für Beschäftigung und Ausbildung
    Die Zahl der Beschäftigten im Handwerk hat zwischen 2009 und 2015 um gut sechs Prozent zugenommen. Das klingt ordentlich, bleibt aber weit hinter der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsdynamik zurück. Auch im Ausbildungsbereich verliert das Handwerk an Boden. Allerdings unterscheidet sich die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation je nach Bundesland und Gewerbegruppe des Handwerks deutlich.
    In der öffentlichen Diskussion und Berichterstattung zur aktuellen Lage im deutschen Handwerk zeigt sich ein sehr gemischtes Bild. Die Einschätzungen reichen von einem Beschäftigungsaufbau quer durch das gesamte Handwerk bis hin zu eklatanten Personalengpässen und existenzbedrohendem Nachwuchsmangel, von einem konjunkturellen Allzeithoch bei der Auftragslage bis hin zur Sorge um das Verschwinden vieler kleiner Handwerksunternehmen bei gleichzeitigem Wachstum der mittleren und großen.
    Dass die Lage im deutschen Handwerk uneinheitlich ist, bestätigen auch aktuelle Analysen aus dem Regionalen Forschungsnetz des IAB. So verläuft die Entwicklung nicht nur von Region zu Region sehr unterschiedlich. In den einzelnen Gewerbezweigen des Handwerks variiert die Beschäftigungsdynamik ebenfalls stark.
    Quelle: IAB Forum
  9. Weniger Genehmigungen für Rüstungsexporte
    Die Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter sind im ersten Halbjahr 2018 stark zurückgegangen. Die Bundesregierung bewilligte zwischen Januar und Juni Exporte im Wert von 2,5 Milliarden Euro – das ist fast ein Drittel weniger als im Vorjahreszeitraum, als es noch 3,5 Milliarden Euro waren. Die Zahlen gehen aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur und dem Handelsblatt vorliegt.
    Hinter dem Einbruch der Genehmigungen wird die langwierige Regierungsbildung nach der vergangenen Bundestagswahl im September 2017 vermutet. Die Rüstungsindustrie hatte sich in der halbjährigen Übergangszeit zwischen Wahl und Vereidigung des neuen Kabinetts darüber beschwert, dass Anträge nur schleppend bearbeitet worden seien. Das sei auch an den Zahlen ablesbar: Demnach wurden im ersten Quartal nur Rüstungsexporte im Wert von 880 Millionen Euro genehmigt. Seit die neue Regierung im Amt sei, hätten die Genehmigungen wieder angezogen.
    Quelle: Zeit Online
  10. Tel Aviv hilft Islamisten
    Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Abschuss eines syrischen Kampfjets im Südwesten des Nachbarlandes durch die israelische Armee (IDF) als »angemessen« bezeichnet. Die syrischen Streitkräfte bestätigten den Tod eines der zwei Piloten. Damaskus wirft Tel Aviv vor, mit dem Angriff »bewaffnete Terrorgruppen« zu unterstützen. Der Jet war im Einsatz gegen die »Khalid Ibn Al-Walid«-Armee im Jarmukbecken.
    Ein IDF-Sprecher gab an, der Kampfjet habe »israelischen Luftraum« verletzt und sei daraufhin mit zwei »Patriot«-Raketen abgeschossen worden. Vorher habe man sich vergewissert, dass es sich nicht um eine russische Maschine handelte. Erst am Wochenende, anlässlich der spektakulär inszenierten »Rettungsaktion« für die sogenannten Weißhelme, hatte ein IDF-Sprecher bekräftigt, man halte sich im Syrien-Krieg an das Gebot der Nichteinmischung.
    Zum Abschuss des Kampfjets sagte ein namentlich nicht genannter Sprecher der syrischen Streitkräfte der Nachrichtenagentur SANA, das Flugzeug habe über dem Territorium der Arabischen Republik am Rande des Jarmukbeckens operiert. Syrische und jordanische Kampfjets hätten am Dienstag seit den frühen Morgenstunden das Gebiet im Südwesten bombardiert, um die dort verbliebenen Terrorgruppen zu vertreiben. Das Einsatzzone entlang der Grenzen zu Jordanien und den von Israel besetzten Golanhöhen umfasste 50 Quadratkilometer.
    Weil auch jordanische Kampfjets an den Angriffen teilnahmen, war die US-geführte »Anti-IS-Allianz«, der Jordanien angehört, über den Einsatz der syrischen Kampfjets informiert. Aufgrund der engen Koordination zwischen Israel, Russland und den USA dürfte der IDF-Führung klargewesen sein, dass der Kampfjet – sollte er tatsächlich den Luftraum über den besetzten Golanhöhen benutzt haben – nicht Israel, sondern die IS-Kampfverbände im Jarmukbecken angreifen wollte.
    Quelle: Karin Leukefeld auf junge Welt
  11. Ausnahme wird Zustand
    Türkei verabschiedet autoritäres »Antiterrorgesetz«. EU überweist 400 Millionen Euro an Regime in Ankara
    Am Mittwoch verabschiedete das türkische Parlament ein neues »Antiterrorgesetz«, das den staatlichen Behörden die Fortsetzung des am 19. Juli ausgelaufenen Ausnahmezustands (OHAL) ermöglicht. Letzterer war von Ankara nach dem Putschversuch vom Juli 2016 zur systematischen Säuberung des öffentlichen Dienstes von politischen Gegnern sowie zur Inhaftierung Zehntausender Oppositioneller verhängt worden.
    Das nun von der Großen Nationalversammlung mit den Stimmen von AKP und MHP beschlossene Gesetz sieht ähnliche Einschränkungen demokratischer Rechte vor wie der OHAL: Massenentlassungen von Beamten, weitreichende Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, Befugnisse zur Begrenzung der Mobilität von unliebsamen Personen. Neu ist auch eine bis zu zwei Wochen dauernde verschärfte Untersuchungshaft, in der Gefangene vollständig isoliert werden können und kein Recht auf einen Anwalt haben. Diese Form der Ingewahrsamnahme gilt als besonders gefährlich, da sie der Folter von Gefangenen Tür und Tor öffnet.
    Quelle: junge Welt
  12. Wenn der Staat ein Loch ins Gefängnis sprengen lässt
    Um V-Leute nah beim „harten Kern“ der RAF zu platzieren, unternahmen die Behörden 1978 ein gewagtes Manöver. Doch die Operation „Celler Loch“ scheiterte, wurde Jahre später publik – und zum Skandal.
    Es donnerte genau um 2.54 Uhr morgens. Fortan war an die übliche Nachtruhe in der Justizvollzugsanstalt Celle nicht mehr zu denken. Denn in der massiven sechs Meter hohen Außenmauer des Gefängnisses klaffte ein etwa 40 Zentimeter großes Loch. Allerdings war die Sprengladung zu schwach gewesen, auch die hochfesten Armierungen aus Spezialstahl zu zerfetzten. Deshalb konnte durch das bald sprichwörtliche „Celler Loch“ niemand aus der Haft entkommen.
    Dennoch erschütterte die Explosion am 25. Juli 1978 die deutsche Politik – mit einigen Jahren Verspätung allerdings erst. Denn auf den ersten Blick schien es, als handele es sich um einen gescheiterten Versuch, den in Celle inhaftierten linksextremen Gewalttäter Sigurd Debus zu befreien.
    Quelle: Welt Online
  13. “Die Tyrannei des Wachstums”
    Der britische Anthropologe Jason Hickel zerpflückt die immer wieder formulierte These, die armen Länder des Südens könnten durch Entwicklung aufholen. In seinem Buch zeigt er, warum der bisherige Kampf gegen den Hunger erfolglos ist und warum es eine Revolution im Denken braucht. …
    Die Lebensverhältnisse auf der Erde haben sich nach Hickels Erkenntnissen voneinander entfernt: So habe sich etwa die Einkommenslücke zwischen Nord und Süd seit 1960 verdreifacht. Der Süden könnte heute besser da stehen, wenn der Norden sich nicht eingemischt hätte, schreibt der Autor. Denn als die Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika ab den 1950er Jahren unabhängig wurden, taten sie, was die früh industrialisierten Länder wie England oder die USA anfangs auch gemacht hatten.
    Sie förderten durch Zölle, Subventionen und andere Schutzmaßnahmen den Aufbau einer eigenen Industrie – mit Erfolg. In den 60er Jahren hatten diese Länder hohe Wachstumsraten, was auch Umverteilung ermöglichte. Die Lage für die Bevölkerung verbesserte sich deutlich, für Jason Hickel ein “postkoloniales Wirtschaftswunder”.
    Die Länder organisierten sich in der Gruppe der 77 und entwarfen sogar eine neue Weltwirtschaftsordnung, die aber am Widerstand des Nordens und den Umständen des Kalten Kriegs scheiterte. Das Wohlstandsmodell des Westens beruhte seit der Kolonialzeit wesentlich auf dem Süden als billigem Rohstofflieferanten und Absatzmarkt für Produkte.
    Jason Hickel schreibt: “Die developmentialistische Revolution – und die wachsende politische Macht des Südens – nagte an den Fundamenten des Weltsystems, von dem Europa und die Vereinigten Staaten sich abhängig gemacht hatten.”
    Der Autor beschreibt die Rolle der reichen Länder im armen Süden: Etliche progressive Regierungschefs in Entwicklungsländern wurden gestürzt oder ermordet: Mohammad Mossadegh im Iran, Thomas Sankara in Burkina Faso oder Patrice Lumumba im Kongo. Der Westen verhalf reihenweise Diktatoren zur Macht.
    Jason Hickel: “Die Tyrannei des Wachstums. Wie globale Ungleichheit die Welt spaltet und was dagegen zu tun ist”
    Quelle: Deutschlandfunk

    Hinweis: Lesen Sie dazu auch den Beitrag „Brennpunkt Afrika – Auch wenn die Debatte unbequem ist, müssen wir sie endlich führen“ auf den NachDenkSeiten.


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=45165