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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. September 2018 um 8:38 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Hambacher Forst
  2. Ein Meister der Ablenkung
  3. Sommerhoch am Arbeitsmarkt dank fragwürdigem Teilzeitboom
  4. Wohnst du noch …?
  5. Krisenmodus: Gemeinden kommen trotz Steuererhöhungen nicht aus der Krise
  6. Paritätischer Gesamtverband: 50 Milliarden mehr für die Rente “bringt uns kostenmäßig nicht um”
  7. Nach dem Juncker-Deal mit Donald Trump: Schleusen auf für Fracking-Gas
  8. Jede Familie zahlt 3000 Euro für Finanzkrise
  9. Idlib: Drohungen der Türkei Richtung Damaskus
  10. Fehlen in Österreich wirklich 162.000 Fachkräfte?
  11. Nicaragua: Journalisten fordern Berufsethos in den Medien
  12. SPD und Heisterhagen trennen sich
  13. Prominenter Grüner verlässt Bundestag – und gründet Bürgerbewegung

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Hambacher Fort
    1. Konzern lässt räumen
      Polizeieinsatz im Hambacher Forst: NRW-Landesregierung und RWE gehen gegen Camp von Umweltaktivisten vor.
      Am Donnerstag morgen hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit der Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst begonnen. Demonstranten hielten das Waldgebiet zwischen Köln und Aachen seit Jahren besetzt, um eine Rodung zu verhindern. Der Stromkonzern RWE plant, für seine Braunkohlegewinnung mehr als die Hälfte der Bäume abzuholzen. Als Räumungsgrund gaben die zuständigen Behörden aber Sicherheitsbedenken und fehlenden Brandschutz an.
      In einem Schreiben der Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) und des Innenministers Herbert Reul (CDU) hieß es, bei einer Ortsbegehung hätte sich gezeigt: »Aus etwaigen Bretterbuden sind buchstäblich Häuser in Bäumen geworden«, die so nie genehmigt worden wären. »Weil Gefahr in Verzug für Leib und Leben besteht, waren die Behörden jetzt gezwungen, den Abriss dieser Baumhäuser anzuordnen.«
      Quelle: junge Welt
    2. Hambacher Forst: CDU auf Krawall gebürstet
      In der Tat ist das Vorgehen der schwarz-gelben Landesregierung und RWEs ein klares Zeichen dafür, dass der Konzern keinerlei Interesse an einem Kompromiss und einen zivilisierten Dialog in der noch bis in den Herbst rein tagenden Kohlekommission hat.
      Auch Teile der CDU und der Liberalen scheinen vollkommen auf Krawall gebürstet: Während Ostdeutschland noch immer auf ausreichend Regen wartet, das Land mancherorts so ausgetrocknet ist, dass die Wintersaat nicht ausgebracht werden kann, während die hochsommerlichen Temperaturen noch immer nicht vorbei sind, während Tropensturm nach Tropensturm wütet, setzt die Kohleindustrie und die ihr ergebenen Politiker auf Gewalt und kaltschnäuzige Unterdrückung demokratischen Protestes, um auch noch den letzten Krümel Kohle verbrennen zu können.
      Und wie immer hat es keinen Mangel an Hilfspolizisten in den Redaktionsstuben. Die Zeit liefert unter obigen Link ein interessantes Beispiel journalistischer Vorverurteilung: Ein dpa-Foto zeigt eine auf einem Hochsitz sitzende Person in einer passiven Haltung. Die Bildunterschrift lautet: “Auf seinem Hochsitz leistet dieser Aktivist der Räumung im Hambacher Forst Widerstand.”
      Quelle: Telepolis
    3. Reden statt Roden – Hände weg vom Hambacher Forst – Kohleausstieg jetzt!
      in Dutzend Anti-Kohle-Gruppen, Anti-Atomkraft-Initiativen und Umweltverbände rufen für morgen, Donnerstag, 13. September 2018, um 16 Uhr zu einer gemeinsamen Kundgebung vor der Düsseldorfer Staatskanzlei auf. Motto der Protestaktion wird sein: „Reden statt Roden – Ministerpräsident Laschet will uns verkohlen. Hände weg vom Hambacher Forst – Kohleausstieg jetzt!“ Die Umweltschützer kritisieren scharf, dass sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und die schwarz-gelbe Landesregierung im langjährigen Konflikt um den Hambacher Forst und beim dringend notwendigen Kohleausstieg einseitig auf die Seite von RWE stellen.
      Antje Grothus, Vertreterin der Region und der betroffenen Menschen im Rheinischen Braunkohlerevier in der „Kohlekommission“ zur jetzigen Situation: „Nach allen mir aktuell vorliegenden Informationen darüber, mit welchen Mitteln die Landesregierung derzeit versucht, die Partikular-Interessen des Energiekonzerns RWE zu vertreten und Grundlagen für Räumungen und Rodungen im Hambacher Wald zu schaffen, stellt sich mir die Frage, wie Politiker das noch mit ihrem Gewissen vereinbaren können.“
      Dr. Angelika Claußen, Europavorsitzende der IPPNW ergänzt: „Die RWE-Kraftwerke Niederaußem, Neurath und Weisweiler gehören zu den zehn dreckigsten Kohlekraftwerken Europas. Sie verursachen zusammen pro Jahr mehr als 1.000 Todesfälle (HEAL-Studie “Europas dunkle Wolke”), der Tagebau in Hambach versorgt Niederaußem und Neurath. Die Kohlekommission und mit ihr Ministerpräsident Laschet muss daher diese Kraftwerke schließen, damit die Klimaschutzziele bis 2030 gemäß Koalitionsvertrag erreicht werden können“.
      Quelle: ippnw
    4. Räumung im Hambacher Forst ist politisches Totalversagen von Bundes- und Landesregierung
      Nach nunmehr sechs Jahren Waldbesetzungen im Hambacher Forst stellt die zuständige Baubehörde fest, dass die Baumhäuser gegen Brandschutzbestimmungen verstoßen. Zufällig fällt den Behörden dieser Umstand wenige Wochen vor der geplanten Rodung durch RWE ein. Damit macht sich die Politik zum Büttel der Profitinteressen eines alternden Kohlekonzerns, der Klimakiller Nr. 1 in Europa ist. Eines ist auch klar: Die Landesregierung NRW will die Kohlekommission zum Platzen bringen, um den Braunkohleabbau in der Region zu verlängern. Hier hat sie ausschließlich die Profitinteressen von RWE im Blick und ignoriert den fortschreitenden Klimawandel.
      Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
  2. Ein Meister der Ablenkung
    BfV-Chef Hans-Georg Maaßen fühlt sich oft missverstanden. Vielleicht liegt es daran, dass er im Streit um einzelne Wörter gern das große Bild aus dem Blick verliert.
    Es gibt Ämter, in denen es auf jedes Wort ankommt, wenn man sich öffentlich äußert. Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist ganz sicher ein solches Amt. Wer diese Position innehat, sollte jeden seiner Sätze vom Ende her denken. Er sollte sich der Wirkung seiner Worte bewusst sein, bevor er den Mund aufmacht.
    Hans-Georg Maaßen wird von Menschen, die ihn persönlich kennen, als sehr intelligent beschrieben. Der Verfassungsschutzchef bemüht sich bei öffentlichen Auftritten, einen ruhigen und überlegten Eindruck zu machen. Er erscheint stets im dunklen Anzug, am liebsten samt Weste. Er lächelt oft, aber er lacht nie. Vor allem aber spricht er so betont ruhig, als wähle er jedes seiner Worte mit Bedacht. Seine unverwechselbare winzige goldene Nickelbrille unterstreicht diesen Eindruck der Selbstkontrolle und Korrektheit.
    Maaßen ist Jurist und war eine Zeit lang Rechtsprofessor. Das prägt seine Art zu argumentieren. Er kann leidenschaftlich um die Definition eines Begriffs streiten. Penibel geht es dabei so lange um einzelne Wortdeutungen, bis dabei das große Bild, die eigentlichen Fragen aus dem Blick geraten. Es wirkt wie Absicht, wie eine Methode, um von sich und seinem Dienst abzulenken.
    Quelle: Kai Biermann auf Zeit Online

    dazu: Nach Maaßen-Anhörung im Innenausschuss
    Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen habe das Vertrauen schwer erschüttert und im Innenausschuss des Bundestages nicht wiederherstellen können, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl im Dlf. Und wenn das Vertrauen in den Verfassungsschutz fehle, müsse das personelle Konsequenzen haben. […]
    Heinlein: Jetzt haben Sie sehr elegant, Frau Högl, meine erste Frage weggebügelt. Noch einmal: Ende der Koalition, wenn Maaßen im Amt bleibt? Was denken Sie persönlich?
    Högl: Die SPD verlässt natürlich wegen Herrn Maaßen nicht die Koalition. Wir haben noch viele andere Themen und eine Menge im Koalitionsvertrag vereinbart.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung André Tautenhahn: Das Schautreffen im Kanzleramt sollte wohl nur dazu dienen, den Eindruck zu entkräften, die SPD hätte ihr stärkstes Druckmittel, den Ausstieg aus der Koalition, bereits aus der Hand gelegt. Gelungen ist das nicht, auch wenn Kevin Kühnert als gefragter Gesprächsgast in den Abendnachrichten weiterhin so tat, als wäre seine Partei auch zum Äußersten bereit. Es gibt keine Regierungskrise, weil niemand ernsthaft die Koalition verlassen will. Man hilft sich wohl eher gegenseitig. Am Samstag ist schließlich CSU-Parteitag.

  3. Sommerhoch am Arbeitsmarkt dank fragwürdigem Teilzeitboom
    Höchststände bei den Beschäftigtenzahlen, doch bis zuletzt beruhte der Jobboom vorrangig auf der Zunahme von Teilzeitarbeit. Treiber der Entwicklung ist die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen, die jedoch oft unfreiwillig in der Teilzeit stecken. Daran wird das Recht auf Brückenteilzeit wenig ändern.
    Nicht nur die Temperaturen haben in diesem Sommer Rekordwerte erreicht. Auch die Beschäftigung eilte von Allzeithoch zu Allzeithoch. Zuletzt (Juli 2018) hat das Statistische Bundesamt 44,75 Millionen Erwerbstätige (saisonbereinigter Wert) ausgewiesen, das waren so viel wie nie seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Trotz leicht nachlassender Dynamik gibt es bisher auch keine Anzeichen für ein Ende des Erwerbstätigenwachstums. Wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in seiner letzten Einschätzung zur wirtschaftlichen Lage verkündete, bleibe der Arbeitsmarkt in sehr guter Verfassung. Auch wenn sich seine Dynamik im Vergleich zum starken Vorjahr abgeschwächt habe, gingen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung weiter zurück.
    Nun ist die Zahl der Erwerbstätigen nicht von besonders großem Informationswert, denn als erwerbstätig gilt nach dem auch vom Statistischen Bundesamt verwendeten Erwerbstatuskonzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) jede Person ab einem Alter von 15 Jahren, die wenigstens eine Stunde für Lohn oder sonstiges Entgelt in einem Arbeitsverhältnis steht, selbstständig ein Gewerbe oder eine Landwirtschaft betreibt oder einen freien Beruf ausübt. Aufschlussreicher sind Angaben zur abhängigen Beschäftigung. Zur Jahresmitte waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) hochgerechnet 23,62 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig in Vollzeit, 9,25 Millionen in Teilzeit und 4,74 ausschließlich geringfügig beschäftigt. Auch dies in Summe ein Allzeithoch.
    Quelle: Blickpunkt WiSo
  4. Wohnst du noch …?
    Berlin galt lange Zeit als eine Metropole mit günstigen Mieten. Die Zeiten sind vorbei. Es herrscht Wohnungsnot
    Ende September erscheint das von Philipp Mattern herausgegebene Buch »Mieterkämpfe. Vom Kaiserreich bis heute – das Beispiel Berlin« im Verlag Bertz und Fischer. Die Redaktion dokumentiert daraus den Aufsatz des Herausgebers »Berlin ist billig!? Vom entspannten Markt zur neuen Wohnungsnot«. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zum Vorabdruck. (jW)
    Im Laufe der 1990er Jahre wurde die Wohnungsversorgung in Berlin einem weitgehend »freien Markt« überlassen, wie ihn die Stadt seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gekannt hatte. Die Mietpreisbindung und die Wohnungsgemeinnützigkeit im Westen waren aufgehoben, die kommunalen Wohnungsverwaltungen und das DDR-Mietrecht im Osten abgewickelt. Es ist einer historischen Sondersituation geschuldet, dass sich der Wohnungsmarkt just in diesem Moment zu entspannen begann und ein – aus heutiger Sicht – fast paradiesisches Jahrzehnt für die Mieterinnen und Mieter hereinbrach.
    Seit der Vereinigung träumte Berlin davon, eine Weltstadt zu werden. Doch während die Stadt Mitte der 1990er Jahre einen regelrechten Bauboom erfuhr und frohlockend dem bevorstehenden Umzug von Bundesregierung und Ministerien sowie der Ansiedlung von Konzernzentralen entgegensah, verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage. Nicht zuletzt aufgrund des Wegfalls der Subventionen im Westteil und der Abwicklung zahlreicher Betriebe im Ostteil sank die Wirtschaftsleistung, und die Arbeitslosenquote stieg drastisch. Als 1997 noch über 30.000 neue Wohnungen fertiggestellt wurden, war der beginnende Rückgang der Einwohnerzahl schon deutlich zu erkennen: Berlin schrumpfte, der Leerstand wuchs, und so gab es um die Jahrtausendwende in der Stadt deutlich mehr Wohnungen als Haushalte. Einzig das nach dem Mauerfall erstmals für Westberliner zugängliche Brandenburger Umland wurde stärker besiedelt und zum Speckgürtel. In der Stadt selbst stand das gestiegene Angebot an Wohnraum einer gesunkenen Nachfrage gegenüber. Den Mechanismen des Marktes folgend hieß das: niedrige Mieten und eine große Auswahl. Berlin galt als billig – jedenfalls wenn man es mit anderen deutschen Großstädten und europäischen Metropolen verglich. Ein Ruf, der dieser Stadt fatalerweise noch viel zu lange anhaften sollte…
    Quelle: junge Welt

    dazu: Gemeinsam gegen den #Mietenwahnsinn!
    Am 21. September findet im Bundeskanzleramt ein »Wohngipfel« der Bundesregierung statt. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis organisiert am Vortrag einen »Gegengipfel« und parallel zum »Wohngipfel« der Bundesregierung eine Demonstration für bezahlbare Mieten. Wir dokumentieren den Aufruf im Folgenden.
    Raus aus dem #Mietenwahnsinn! – Gemeinsam gegen Spaltung, Verdrängung und Wohnungslosigkeit – bezahlbarer Wohnraum für alle statt mehr Rendite für wenige.
    Deutschland hat eine Wohnungskrise.
    Besonders in den Städten schießen die Boden-, Immobilien- und Mietpreise in absurde Höhen. Als Folge steigen die Immobilienvermögen rasant. Während abertausende Menschen in der Angst leben, aufgrund von Mietsteigerungen und Kündigungen ihre Wohnungen zu verlieren oder keine geeignete Wohnung zu finden, steigt die Rendite für Wenige. Immer mehr Einkommen geht für die Miete drauf. Lohnsteigerungen werden aufgefressen. Vielerorts ist Wohnen zum Armutsrisiko geworden. Die Wohnungslosigkeit wächst. Oft müssen soziale Träger Menschen mit Betreuungsbedarf abweisen. Diskriminierung und teilweise offener Rassismus erschweren die Wohnungssuche. Unterdessen verliert der Wohnungsmarkt Woche für Woche durch Mieterhöhungen, Wohnungswechsel, Modernisierung und Kündigungen tausende leistbare Wohnungen.
    Quelle: Blickpunkt WiSo

  5. Krisenmodus: Gemeinden kommen trotz Steuererhöhungen nicht aus der Krise
    Der Streit über die finanzielle Lage der Kommunen wird immer mehr zum Kampf um die Deutungshoheit über Zahlen und Begriffe. Besonders deutlich wurde dies in jüngster Vergangenheit durch die Berichterstattung über eine vom Beratungsunternehmen Ernest & Young (EY) erarbeitete Studie. Mit solchen Papieren, für die EY von keiner Stelle einen Auftrag hatte, will das Unternehmen Beratungsaufträge von Kommunen generieren, ein typischer Vorgang. „Kräftige Steuererhöhungen zeigen Wirkung: Deutsche Kommunen erwirtschaften wieder Überschüsse“, war der Titel der Pressemitteilung, mit der EY seine Studie der Öffentlichkeit präsentierte. Kenner des Analyse-Papiers mit dem Titel: „Entwicklung der kommunalen Realsteuern 2005 bis 2017“ dürfte diese Überschrift überraschen. Über die Entwicklung, ihre Verläufe und ihre möglichen Gründe findet sich nichts, schließlich werden in der gesamten Analyse keinerlei Wirkungszusammenhänge diskutiert.
    Stattdessen handelt es sich zum größten Teil um die Darstellung und Veranschaulichung von Daten des Statistischen Bundesamtes. Eine Einordnung dieser Zahlen erfolgt nur punktuell, etwa dann, wenn festgestellt wird, dass 69 Prozent der Kommunen im Jahr 2017 einen „hohen“ Gewerbesteuer-Hebesatz auswiesen. Wie das Statistische Bundesamt kürzlich mitteilte, lag der durchschnittliche Gewerbesteuer-Hebesatz im Jahr 2016 bei 400 Prozent. Warum die EY-Analyse vor diesem Hintergrund jeden Hebesatz ab 350 Prozent als „hoch“ klassifiziert, wird nicht weiter erklärt. Insgesamt eignet sich die Studie kaum als politischer Impulsgeber, was der Rezeption in zahlreichen überregionalen Medien jedoch keinen Abbruch tut….
    Quelle: unsere zeit
  6. Paritätischer Gesamtverband: 50 Milliarden mehr für die Rente “bringt uns kostenmäßig nicht um”
    Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, hält die Rentenpolitik der Bundesregierung für verfehlt. Er fordert deutlich mehr Steuergeld für die Rentenkasse und eine Abkehr von der Riester-Rente.
    “Eine gute Rentenpolitik würde uns kostenmäßig nicht umbringen. Wenn wir – bei einem derzeitigen Bruttoinlandsprodukt von 3,5 Billionen Euro – im Jahr 2030 50 Milliarden mehr für die Rente ausgeben sollten, steigt die Sozialquote vielleicht um einen Prozentpunkt auf knapp über 30 Prozent. Das hatten wir schon häufig in Deutschland”, sagte Schneider der Passauer Neuen Presse. “Da werden mit den Milliarden-Zahlen also ganz bewusst Horrorszenarien gemalt.” Die SPD spreche viel Richtiges an, wage aber in der Bundesregierung offensichtlich keine konsequente Rentenpolitik, sagte Schneider.
    Das Drei-Säulen-System in der Rente mit gesetzlicher, privater und betrieblicher Altersvorsorge sei gescheitert, kritisierte Schneider. Er fordert eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. “Eine konsequente Politik würde jetzt umkehren: Schluss mit Riester! Wir müssen über ein neues System nachdenken – und das ist ganz klar das alte.”
    Sein Verband fordert einen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde. “Aber selbst das deckt gerade mal eine Rente ab, die bei Vollerwerbstätigkeit und sehr langen Beitragszahlungen etw
    Quelle: pnp

    dazu: Die Rente meines Vaters: veränderte Bewertung von Ausbildungs- und Arbeitslosigkeitszeiten
    Um die Leistungsabsenkungen im Rentensystem der drei vergangenen Jahrzehnte anschaulich zu machen, wird die tatsächliche Versicherungsbiografie seines Vaters mit der fiktiven identischen Versicherungsbiografie des Autors kontrastiert, der 28 Jahre später geboren wurde. Dabei zeigt sich, dass insbesondere die rentenrechtliche Entwertung von Ausbildungs- und Arbeitslosigkeitszeiten zu drastisch niedrigeren Rentenanwartschaften des Sohnes führen. Die “Entsicherung” sozialer Risikolagen mit der Folge tatsächlicher Rentenabsenkungen spiegeln sich nicht in dem vieldiskutierten Rentenniveau wider.
    Die Standardrente kann nicht sinken. Das ergibt sich aus ihrer Definition, weil sie auf 45 Entgeltpunkte normiert ist.1 Die tatsächlichen Renten im Rentenzugang können aber sehr wohl sinken. Und das tun sie auch. Tatsächlich sind z. B. in Westdeutschland von 2000 bis 2005 und in Ostdeutschland von 2000 bis 2010 (vgl. Abbildung 1) die Zahlbeträge der durchschnittlichen Altersrenten im Rentenzugang bei den Männern absolut gesunken, während die Standardrenten weiter gestiegen sind. Die sinkenden Rentenzahlbeträge im Rentenzugang der Männer resultieren vor allem aus Arbeitslosigkeits- und Niedriglohnbezugszeiten.2 Bei den Männern zeigt sich seit rund 20 Jahren, dass jüngere Geburtskohorten im selben Lebensjahr durchschnittlich niedrigere Entgeltpunktesummen aufweisen als früher geborene Vergleichsgruppen.3 Die “Standardrente” ist also für real existierende Versicherte immer schwerer zu erreichen. Anders als der Name suggeriert, ist die Standardrente immer weniger “Standard” oder “Normalfall”, sondern zunehmend eine Illusion.4 Aus diesem Grund eignet sich das Rentenniveau nicht als Indikator zur Messung des Leistungsniveaus im Rentensystem. Es misst nicht die Leistungsrücknahmen, die aus veränderten Bewertungsvorschriften rentenrechtlicher Zeiten resultieren. Wichtige Leistungskürzungen der letzten drei Jahrzehnte mit erheblichen Folgen für die aktuellen Rentenzugänge sind…
    Quelle: Wirtschaftsdienst

  7. Nach dem Juncker-Deal mit Donald Trump: Schleusen auf für Fracking-Gas
    Die Bundesregierung unterstützt den Bau von LNG-Terminals in Deutschland und Kanada. Die sind weder klimapolitisch noch wirtschaftlich sinnvoll, aber nützlich im Handelskrieg mit der Trump-Regierung
    Bei seiner Rede zur Lage der Union versuchte Jean-Claude Juncker am Mittwoch alle negativen Entwicklungen der letzten Jahre auszublenden. Der Kommissionspräsident richtete sich in dieser Funktion ein letztes Mal an das Europäische Parlament. Währenddessen tagen in Brüssel die Experten und versuchen im Hintergrund, die grundsätzlichen transatlantischen Differenzen beizulegen. Nach Junckers Besuch in Washington bleiben der EU nur 120 Tage, um etwa die von Trump angedrohten Auto-Strafzölle abzuwenden.
    Ende Juli hatte Jean-Claude Juncker in den USA zugesagt, dass die EU-Staaten demnächst mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) aus Nordamerika einführen werde. Brisant ist diese Zusage vor allem deshalb, weil in den USA vor allem mithilfe von Fracking gefördert wird.
    Wissenschaftler sind sich einig, dass die klimaschädlichen Emissionen bei der Fracking-Förderung und der LNG-Verflüssigung deutlich über denen der konventionellen Förderung und dem Pipeline-Transport liegen. Zu diesem Ergebnis kommen nicht zuletzt die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages.
    Quelle: Telepolis
  8. Jede Familie zahlt 3000 Euro für Finanzkrise
    Die Finanzkrise hat die deutschen Steuerzahler eine zweistellige Milliardensumme gekostet – und es könnte noch teurer werden. Bis Ende 2017 summieren sich die Kosten der öffentlichen Haushalte auf 59 Milliarden Euro. Darin enthalten sind ausgereichte Garantien, Kredite und Kapitalspritzen. Diese Summe ist nur vorläufig, weil die Hilfen nicht abgeschlossen sind. Neue Zahlen weisen darauf hin, dass die Kosten auf mehr als 68 Milliarden Euro steigen werden. Es ist das erste Mal, dass die Bundesregierung die Daten zusammenhängend herausgibt. Sie gehen aus einer Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. “Die Bankenkrise in Deutschland ist noch nicht vorbei”, sagt der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick.
    Bund, Länder und Kommunen sind also zehn Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise weiter damit beschäftigt, heimische Banken zu stützen. Die Bilanz sei “verheerend”, sagt Schick. Es werde erstmals sichtbar, wie stark die Bürger belastet worden seien. “Eine vierköpfige Familie hat mehr als 3000 Euro für die Pleitebanken bezahlt.” Hinzu kämen die indirekten Kosten der Bankenkrise, also Entlassungen und Konjunkturpakete, Eurokrise und Streit in Europa, Nullzinsen und Probleme bei der Altersvorsorge und steigende Mieten.
    Quelle: Süddeutsche

    dazu: Pleite von Lehman Brothers vor zehn Jahren “Wann waren wir dem Abgrund am nächsten, Herr Asmussen?”
    Vor zehn Jahren kollabierte die US-Bank Lehman Brothers – und die Finanzwelt stand am Abgrund. Jörg Asmussen war damals Krisenmanager im Finanzministerium. Im Interview erzählt er, wie brenzlig die Lage auch in Deutschland war. […]
    Asmussen: Es gab damals eine seit 20 Jahren andauernde Welle der Deregulierung des Finanzsektors – in der Politik, den Medien und der Wissenschaft – und ich war bis zum Krisenausbruch ein Teil davon, das habe ich wiederholt schon selbstkritisch gesagt. Die Banken hatten damals zum Beispiel zu wenig Eigenkapital oder durften zu viele Geschäfte neben der Bilanz machen. Zu dem Artikel über Verbriefungen kann ich sagen: Ja, der ist unter meinen Namen erschienen und ich trage dafür selbstverständlich die volle politische Verantwortung. Ich habe ihn aber nicht geschrieben und auch vor der Veröffentlichung nicht gelesen.
    SPIEGEL ONLINE: Wer hat ihn denn geschrieben?
    Asmussen: So funktionieren Ministerien. Da kommt eine Anfrage für einen Namensartikel in einer Fachzeitschrift, und dann schreibt der Apparat das. Heute weiß ich: Man sollte es zumindest vor der Veröffentlichung lesen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung André Tautenhahn: Man fragt sich, welche politische Verantwortung Asmussen je übernommen hätte. Zum Zeitpunkt der Finanzkrise war der Mann mit SPD-Parteibuch Abteilungsleiter, danach stieg er zum Staatssekretär auf und blieb auf dieser Position sogar unter Minister Schäuble. Später wechselte er ins Direktorium der EZB, um anschließend wieder als Staatssekretär, diesmal im Arbeitsministerium unter Andrea Nahles, tätig zu sein. Nun hat er die Seiten endgültig gewechselt und empfängt als Vertreter der Finanzwirtschaft Journalisten in der Lobby eines Luxushotels kurz vor einem Abflug nach Paris. Die Konsequenzen seiner Irrtümer sind ja wirklich schlimm.

  9. Idlib: Drohungen der Türkei Richtung Damaskus
    Mehr Waffen und Munition für verbündete Milizen und ein Coup des türkischen Geheimdienstes in Latakia
    Die Türkei steht wegen der angekündigten Idlib-Offensive unter Druck; nun hat sie gekontert. Laut Informationen der Nachrichtenagentur Reuters sollen mit der Türkei verbündete Milizen in Idlib Waffen und Munition aus dem Nachbarland erhalten haben.
    Die Rede ist von großen Mengen Munition und Grad-Raketen, die in den letzten Tagen geliefert wurden. Damit sei sichergestellt, dass die Milizen Kämpfe für eine längere Zeit durchhalten, wird ein hochrangiger Kommandeur der sogenannten Freien Syrischen Armee zitiert. Die Quellen für die Nachricht sind einzig Vertreter von Milizen, wie die Nachrichtenagentur aber immerhin bereits in der Überschrift deutlich macht.
    Es ist also eine Botschaft mit der Reuters-Nachricht verbunden; ohnehin dürften die großen Kriegsparteien die Lieferungen längst beobachtet haben. Es wurde ja auch schon vor Tagen darüber berichtet, dass Waffen und Munition von der Türkei nach Syrien transportiert werden, als Grund wurde dafür genannt, dass die türkischen Beobachtungsposten der Deeskalationszone in Idlib mit den Lieferungen verstärkt würden.
    Quelle: Telepolis
  10. Fehlen in Österreich wirklich 162.000 Fachkräfte?
    Analyse: Die Wirtschaftskammer klagt über Personalengpässe. Die Erhebungsmethode weist Schwächen auf.
    Seit Tagen geht Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer mit einer nach Eigendefinition „verdammt großen Zahl“ hausieren: 162.000 Fachkräfte-Stellen könnten derzeit in Österreich nicht besetzt werden. Aber wie kommt er auf diese Zahl? Sie stammt aus dem neuen Fachkräfteradar des von der Kammer beauftragten Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw).
    Dafür wurden im April 80.000 Betriebe angeschrieben, 4462 von ihnen antworteten und gaben ihre offenen Stellen bekannt. Rund 9000. Das ibw gewichtete die Antworten und rechnete die Zahlen dann auf alle 180.000 Mitgliedsbetriebe hoch. Anders als bei vergleichbaren Erhebungen deutscher Institute wurden die registrierten Arbeitslosen in der jeweiligen Branche nicht berücksichtigt. „Weil es dem Tiroler Betrieb ja nicht hilft, wenn es in Wien noch einen Job suchenden Koch gibt“, erläutert ibw-Experte Helmut Dornmayr.
    Tatsächlich gibt es in manchen angeblichen Mangelberufen nach wie vor mehr Bewerber als offene Stellen. Bei Restaurantfachkräften meldet sogar das Tourismusland Tirol aktuell einen Überhang: 238 Arbeitslose kommen auf 189 offene Stellen. Ein vom deutschen Wifor-Institut für Oberösterreich erstellter „Fachkräftemonitor“ berücksichtigt auch das Angebot und kommt für 2018 zu weniger dramatischen Zahlen.
    Quelle: kurier.at
  11. Nicaragua: Journalisten fordern Berufsethos in den Medien
    Journalisten in Nicaragua haben für eine wahrheitsgemäße Berichterstattung und Respekt des journalistischen Berufsethos demonstriert. Hintergrund ist die schwere politische soziale Krise des Landes, in der auch Medien massiv polarisiert berichten. Die Teilnehmer einer Kundgebung trafen sich am “Platz des Journalisten” in Managua, um auf die gesellschaftliche und politische Bedeutung ihres Berufs aufmerksam zu machen.
    “Die Demokratie braucht einen gut funktionierenden Journalismus, um die Meinungsvielfalt zu garantieren. Eine Gesellschaft benötigt einen ehrlichen, kritischen Dialog, der ohne einen objektiven, neutralen Journalismus nicht stattfinden kann”, hieß es seitens der Teilnehmer. Vertreter der Berufsgemeinschaft kritisierten die wachsende Gefahr der Falschinformationen im Pressewesen, die zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit führten.
    “Ohne Vertrauen der Bevölkerung in die Informationen, die durch die Journalisten verbreitet werden, verlieren wir die Grundlage unseres Berufs”, sagte ein Journalist. Er kritisierte, dass zahlreiche Kollegen die gesamte Berufssparte in Gefahr brächten.
    Gerade in Bezug auf die Entwicklung der letzten Monate in Nicaragua habe es eine enorme Medienmanipulation gegeben, hieß es weiter. Dadurch sei das Land international in ein schlechtes Licht gerückt worden.
    Quelle: amerika21
  12. SPD und Heisterhagen trennen sich
    Die Sozialdemokraten verlieren eines ihrer jungen Talente. Nils Heisterhagen verlässt die SPD-Fraktion in Mainz – mit unbekanntem Ziel. […]
    Der 30-jährige Heisterhagen hatte über zwei Jahre lang in zahlreichen Medien von FAZ bis taz für eine Neuausrichtung der SPD geworben: Sie müsse einen neuen realistischen Kurs in der Migrations- und Integrationspolitik einschlagen, schrieb er kürzlich in der taz. Noch „entscheidender für die Linke (zu der die SPD gehört) ist jetzt, die ,soziale Frage’ zu thematisieren und ein wirtschaftspolitisches Alternativkonzept zum Marktradikalismus anzubieten“, meinte Heisterhagen. Im Mai veröffentlichte der Dietz-Verlag sein Buch „Die liberale Illusion. Warum wir einen linken Realismus brauchen“.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers U.B.: Ich hatte mich nach Lektüre diverser Artikel und Interviews von und mit Nils Heisterhagen (Autor des Buches „Die liberale Illusion. Warum wir einen linken Realismus brauchen“) schon gefragt, wie lange der Mann wohl noch für die SPD in NRW als Grundsatzreferent arbeiten darf. Nun ist die Frage beantwortet: Er darf nicht mehr. Mal wieder ein schöner Beleg dafür, dass die SPD ein Problem mit Sozialdemokraten hat. Wer nicht neoliberal ist, sondern tatsächlich ein richtiger Sozialdemokrat, der hat in der SPD nichts zu suchen. Die Funktionäre der SPD können es offenbar nicht abwarten, endlich in den einstelligen Bereich zu kommen. Und ich schätze, sie haben gute Chancen, ihr Ziel in Bayern in Kürze zu verwirklichen.

  13. Prominenter Grüner verlässt Bundestag – und gründet Bürgerbewegung
    Der Grünen-Finanzmarktexperte Gerhard Schick verlässt den Bundestag und gründet den Verein Finanzwende. Das prominent besetzte Bündnis will sich für eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte stark machen. Los gehen soll es am 15. September, genau zehn Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung unseres Lesers H.L.: Ist es ein Unterschied ob Sahra Wagenknecht eine Bürgerbewegung gründet oder ein Politiker der Grünen????


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