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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 24. Oktober 2018 um 8:49 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Abschied vom INF-Vertrag
  2. Grüne bei der Landtagswahl in Hessen: Punkt für Punkt ganz nach vorn
  3. Pierre Moscovici – der letzte Socialiste
  4. Ein Tag nach Cum-Ex Enthüllung: Sozialbetrug: Regierung jagt Sozialleistungs-Empfänger – aber schont Millionen-Betrüger
  5. Saudi Arabien
  6. Das war’s für 2018
  7. Steigende Mietkosten verstärken Ungleichheit
  8. Eliten-Forscher Hartmann: Eine kleine abgehobene Gruppe bringt die Demokratie in Gefahr
  9. Wie Merkels Hessen-Manöver zum Eigentor wurde
  10. Nationalismus und Faktenfeindschaft
  11. Die EU ist am Ende – Es merkt nur keiner
  12. Deutsche Rechtsradikale marschieren in Kiew
  13. Darum reagiert Trump auf Kashoggis Ermordung so zurückhaltend
  14. Diktatur mit Ansage : Bolsonaros Drohungen
  15. Wenn Kinder Krieg spielen
  16. AfD und Gewerkschaften
  17. Marktforscher fordern mehr Sorgfalt bei Berichten über Umfragen
  18. Gönn dir, Sawsan Chebli!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Abschied vom INF-Vertrag
    Deutsche Regierungspolitiker warnen vor einem Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem INF-Vertrag. US-Präsident Donald Trump hatte diesen Schritt am Wochenende angekündigt. Der INF-Vertrag, der am 8. Dezember 1987 abgeschlossen wurde, verpflichtete die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion zur Vernichtung sämtlicher landgestützter nuklearer Mittelstreckenraketen und untersagte ihnen die erneute Beschaffung des Waffentyps. Kündigt Washington das Abkommen, droht Europa ein weiterer nuklearer Rüstungswettlauf. Experten kritisieren, für Trumps Behauptung, Moskau habe den INF-Vertrag gebrochen, lägen keine Beweise vor; umgekehrt seien Russlands Vorwürfe, Washington verstoße mit seiner Raketenabwehr in Osteuropa seinerseits gegen das Abrüstungsabkommen, “schwer zu entkräften”. Führende Berliner Militärpolitiker warnen, eine etwaige Debatte über die erneute Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Europa könne nicht nur “gewaltigen öffentlichen Protest” auslösen; sie verschiebe auch das militärische Kräfteverhältnis zu deutschen Ungunsten.
    “Keine belastbaren Informationen”
    (…) Die US-Administration hat keinerlei sichere Beweise für ihre Behauptung vorgebracht. Schon im vergangenen Dezember bestätigte ein deutscher Luftwaffenoberst im Generalstabsdienst, der am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik forscht, “belastbare und überzeugende Informationen” wie Fotos oder Videos, die die Vorwürfe belegen würden, seien nicht bekannt. Man könne daher nur vermuten, dass die USA sich auf “menschliche Quellen”, also auf Geheimdienstangaben, stützten. Damit hätte die Behauptung, Russland verstieße gegen den INF-Vertrag, dieselbe Qualität wie die frühere Behauptung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen…
    “Schwer zu entkräften”
    Umgekehrt gehen russische Stellen davon aus, dass die Vereinigten Staaten ihrerseits gegen den INF-Vertrag verstoßen. Gegenstand des Vorwurfs ist in diesem Fall die NATO-Raketenabwehr (“Aegis ashore”), die auf einem Stützpunkt im Rumänien bereits einsatzbereit ist und auf einem zweiten Stützpunkt in Polen aufgebaut wird. …
    “Um die gegenseitigen Vorwürfe auszuräumen, wären wechselseitige Informationen und Inspektionen notwendig”, stellte im März die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) fest: “Dazu müsste das 2001 beendete INF-Inspektionsregime reaktiviert und modifiziert werden.” Das wäre nach Washingtons angekündigtem Austritt aus dem INF-Vertrag endgültig unmöglich. (…)
    Die Bundesregierung hat sich bislang in der NATO den US-Vorwürfen angeschlossen…
    Quelle: German Foreign Policy
  2. Grüne bei der Landtagswahl in Hessen: Punkt für Punkt ganz nach vorn
    Rot–Rot–Grün ist möglich
    Es gibt eine Reihe solcher Punkte, die die hessischen Grünen in den letzten fünf Jahren bei ihrem Koalitionspartner CDU nicht haben durchsetzen können. Etwa eine gesetzliche Regelung, nach der Städte mit angespannter Wohnungssituation die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindern können. Auch da verspricht die Partei für die nächste Legislaturperiode eine neue gesetzliche Regelung.
    Gut möglich, dass die Hessen-Grünen nach der Landtagswahl am 28. Oktober ihre Themen tatsächlich durchsetzen können. Der aktuelle Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir könnte neuer Ministerpräsident werden. In Umfragen liegt seine Partei bei 21 Prozent, genauso wie die SPD.
    Ministerpräsident Volker Bouffiers CDU liegt mit aktuell 26 Prozent zwölf Prozentpunkte unter dem Ergebnis von 2013. Rechnerisch möglich wären demnach Dreierbündnisse aus Grünen, SPD und Linken oder auch aus SPD, Grünen und FDP. Eine Mehrheit für die amtierende schwarz-grüne Regierung ist in den Umfragen ungewiss.
    Die Bilanz ist gemischt
    Im Regierungsbündnis mit der CDU mussten die grünen Koalitionäre einige Kröten schlucken. Am Frankfurter Flughafen wird das dritte Terminal gebaut, im Wahlkampf 2013 hatten die Grünen noch dagegen plakatiert. Die von Al-Wazir ausgehandelte freiwillige „Lärmobergrenze“ sichert allenfalls den Status quo. Die Luftverkehrswirtschaft hat sich vorbehalten, sie aufzukündigen, wenn sie zusätzliche Kapazitäten, sprich mehr Starts und Landungen braucht.
    Im Bündnis mit der CDU mussten die Grünen einige Kröten schlucken
    Als Verkehrsminister darf Al-Wazir jetzt Autobahnabschnitte eröffnen, gegen die Grüne und Umweltschützer jahrzehntelang gestritten hatten. „Damit die Diesel-Fahrer nicht die Dummen sind“, klagt die schwarz-grüne Landesregierung sogar gegen das Diesel-Fahrverbot in Frankfurt.
    Die Grünen haben aber auch einiges erreicht: Überall im Land drehen sich mehr Windräder – mit der Angst vor „Windkraftmonstern“ hatte die hessische CDU zuvor Wahlkämpfe bestritten. Gegen starke Widerstände wurde der Staatsforst auf eine schonende Bewirtschaftung umgestellt.
    (…) Der Welt sagte Tarek Al-Wazir, erst nach Auszählung aller Stimmen werde sich zeigen, „was rechnerisch geht und – noch wichtiger – was mit wem inhaltlich geht“. Sein Regierungschef Bouffier und Bundeskanzlerin Angela Merkel warnten schon mal vorsorglich vor einer möglichen linken Mehrheit.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Sicher haben die Grünen hier und da Akzente gesetzt – aber der – vor vielen Jahren von den Grünen bekämpfte – Flughafen Frankfurt und der Autoverkehr sind sogar gewachsen, die Wohnungsnot auch, und die Grünen haben dem harten hessischen Polizeigesetz zugestimmt (die taz berichtete) “Sogar”, hätte man früher ergänzt, “logisch”, muß man heute sagen: eine ganz und gar angepaßte neoliberal-konservative Partei, für die die taz hier Werbung macht. Die Grünen werden “Punkt für Punkt immer schwärzer”, muß man leider sagen.

  3. Pierre Moscovici – der letzte Socialiste
    (…) Pierre Moscovici, der als Europäischer Kommissar für Wirtschaft und Finanzen der letzte französische Sozialist sein dürfte, der ein hohes politisches Amt bekleidet, hat (zusammen mit dem zuständigen Vizepräsidenten der Kommission, Valdis Dombrovskis) einen Brief geschrieben (hier in Englisch zu finden). Er schrieb dem italienischen Finanzminister als Antwort auf den Haushaltsentwurf der italienischen Regierung, man sehe in dem Entwurf eine in der Geschichte des Stabilitäts- und Wachstumspaktes beispiellose Abweichung von den vereinbarten Kürzungen der Staatsausgaben. Beide geben der italienischen Regierung bis heute Mittag Zeit, um darauf zu antworten.
    Das ist starker Tobak, der darauf hindeutet, dass die Kommission unter Führung eines französischen Kommissars, der einer untergegangenen Partei namens Parti Socialiste angehört, an Italien ein Exempel statuieren will. Da auch die EZB nichts tut, um die „Märkte“ im Zaum zu halten, wo mit italienischen Staatsanleihen spekuliert wird, braut sich über der italienischen Regierung der perfekte Sturm zusammen. Ohne Zweifel hat dieser Sturm das Ziel, die gerade gewählte italienische Regierung zu entmachten oder sie wenigstens so weit einzuschüchtern, dass sie sich in die europäische „Disziplin“ einfügt.
    Wer macht den perfekten Sturm?
    Man kann auch sicher sein, dass die Vorbereitung dieses Sturmes konzertiert abgelaufen ist und die deutsche Regierung daran maßgeblich beteiligt war….
    Was sollte Italien tun?
    (…) Italiens Wege aus der Krise sind entweder juristisch verbaut, von anderen Ländern blockiert oder aus Gründen unpassierbar, die Italien nicht zu verantworten hat. Der Weg über steigende Exportüberschüsse, den Italien früher oft mit Erfolg gegangen ist, gibt es in der Währungsunion nicht mehr, weil Deutschland mit seiner durch jahrelanges Lohndumping erworbenen überragenden Wettbewerbsstellung jeden Versuch in diese Richtung blockiert. Absolute Lohnsenkungen würden, nicht anders als in Griechenland, zu einem Zusammenbruch des ohnehin schwachen Binnenmarktes führen und die Arbeitslosigkeit unmittelbar erhöhen.
    Die Möglichkeiten der Geldpolitik sind für Italien und ganz Europa längst ausgereizt, so dass man von den Unternehmen, vom „Markt“, keine Lösung erwarten kann. Zudem sind auch in Italien die Unternehmen Netto-Sparer, was bedeutet, dass sie die Nachfragesituation unmittelbar verschlechtern statt sie zu verbessern. Es bleibt logisch zwingend in dieser Lage nur der Staat, der versuchen kann, über steigende Ausgaben und steigende Defizite das Land aus der jahrelangen Krise zu führen. Wer diesen Weg politisch oder juristisch blockiert, ist ein Narr…
    Quelle: Heiner Flassbeck bei Makroskop
  4. Ein Tag nach Cum-Ex Enthüllung: Sozialbetrug: Regierung jagt Sozialleistungs-Empfänger – aber schont Millionen-Betrüger
    Österreich soll vom Cum-Ex-Steuerbetrug stärker betroffen sein als bisher bekannt. Dabei holen sich Aktien-Händler Steuern vom Staat zurück, die sie gar nicht bezahlt haben. Europaweit geht man von 55 Milliarden Euro Schaden aus. Doch statt „Jagd auf Steuerbetrüger“ lässt Kickl über die Kronen Zeitung am nächsten Tag ankündigen: „Spezialeinheit von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) macht jetzt Jagd auf Sozialbetrüger“. Während man bei den Ärmsten genau schaut, ob sie nicht ein paar Euro zu viel bekommen, werden Unternehmer kaum noch kontrolliert. Ganz im Gegenteil: Bei ihnen werden Kontrollen und Strafen abgebaut – obwohl es um Milliarden geht. Ein Überblick.
    (…) Wenn Unternehmen Sozialbetrug begehen, wird weggeschaut
    Das alles passt ins Bild. Obwohl die großen Summen bei Sozialbetrug auf Unternehmerseite liegen, schwächt die ÖVP-FPÖ-Regierung die Kontrollen und reduziert die Strafen. Interesse an zahnlosen Regeln haben vor allem große Unternehmen, die Lohn- und Sozialdumping betreiben wollen. Und auf die scheint die Regierung zu hören:
    Die Prüfer der Gebietskrankenkassen werden dem Finanzminister unterstellt – sie dürfen Scheinselbständigkeit aber nicht mehr prüfen.
    Da Prüfer im Finanzministerium aber abgebaut werden, werden es insgesamt weniger.
    Und sollte dennoch ein Unternehmer erwischt werden, kommt er mit günstigen Pauschalen davon….
    Quelle: kontrat.at
  5. Saudi Arabien
    1. Wie Blackstone mit saudischem Geld eines von Trumps zentralen Wahlversprechen finanzieren wollte
      Die amerikanische Private-Equity-Firma Blackstone hatte von den Saudis eine Zusage über 20 Mrd. $ für einen Infrastrukturfonds erhalten. Als Gegenleistung erhielten die Araber auch besondere Konditionen und Rabatte.
      Das Vorhaben von Blackstone war in seinen Dimensionen spektakulär. Im Mai 2017 hatte das Private-Equity-Unternehmen angekündigt, einen Infrastrukturfonds von 40 Mrd. $ bereitzustellen. Die Hälfte des Geldes hatte der saudiarabische Staatsfonds (Public Investment Fund, PIF) zugesagt, den Rest sollten andere Investoren beisteuern. Mit diesem Kapital sowie zusätzlichen Krediten, so die damalige Mitteilung, sollte in Infrastrukturprojekte im Umfang von 100 Mrd. $ investiert werden, hauptsächlich in den USA. Die Erneuerung der veralteten Infrastruktur in den Vereinigten Staaten war eines der Versprechen von US-Präsident Donald Trump.
      Mit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi und der internationalen Kritik an Saudi-Arabien erscheint der Milliardenfonds nun plötzlich in einem anderen Licht. Selbst der Blackstone-CEO Stephen Schwarzman hat seine Teilnahme an der Future Investment Initiative, einer Wirtschaftskonferenz in Riad, abgesagt. Dies, obwohl er (wie etwa auch Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam) im Advisory Board der Veranstaltung sitzt.
      Quelle: NZZ
    2. USA kündigen erste Sanktionen gegen Saudi-Arabien an
      Es sei nicht hinnehmbar, dass ein Journalist durch Gewalt zum Schweigen gebracht werde: Mit diesen Worten haben die USA Sanktionen gegen Riad eingeleitet. Trump sprach im Fall Khashoggi von einer dilettantisch verschleierten Tötung. Nach dem gewaltsamen Tod des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi haben die USA erste Strafmaßnahmen gegen 21 saudi-arabische Verdächtige eingeleitet. Der amerikanische Außenminister Mike Pompeo sagte am Dienstag in Washington, die USA hätten Verdächtige in den Geheimdiensten, vom Königshof, aus dem Außenministerium und aus anderen saudi-arabischen Ministerien identifiziert. “Wir ergreifen angemessene Maßnahmen, die den Entzug von Visa beinhalten.”
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Jens Berger: Die USA entziehen also einigen „Verdächtigen“ die Visa – eine unglaublich harte „Sanktion“. Und hinter den Kulissen laufen die Geschäfte weiter blendend …

    3. Milliardendeals unterm Kronleuchter
      • Saudi-Arabien ist auf der Investorenkonferenz in Riad trotz einer möglichen Verwicklung in den Tod des Journalisten Khashoggis ein gefragter Geschäftspartner.
      • Mehr als 20 Chefs von Firmen wie JP Morgan, Ford, Uber, der Deutschen Bank und zuletzt auch Siemens hatten ihre Teilnahme abgesagt.
      • Saudi-Arabiens Ölminister drückt seine “Dankbarkeit für die vielen Freunde” aus, die den Weg nach Riad gefunden haben.

      Ungefähr zu jener Zeit, als in Ankara der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beginnt, über die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zu sprechen, wird am Dienstag im großen Ballsaal des Ritz Carlton in Riad ein schwerer Tisch mit goldenen Ornamenten auf die Bühne getragen. “Es geht hier auf dem Future Investment Forum nicht nur um philosophische Fragen, sondern auch darum, Geschäfte zu machen”, sagt Moderator Naser el-Tibi, der sonst für den regierungstreuen Fernsehsender al-Arabiya arbeitet. “Die Unterzeichnung von Verträgen und Absichtserklärungen wird die Attraktivität des Königreichs Saudi-Arabien für Investoren herausheben”, ruft er. Mehr als zwei Dutzend Verträge, Gesamtwert: mehr als 50 Milliarden Dollar.
      Manche der Deals waren zuvor schon bekannt, aber die Botschaft ist klar: Trotz des schwerwiegenden Verdachts, dass Khashoggi getötet wurde auf Anweisung höchster Kreise, ja vielleicht des mächtigen Kronprinzen Mohammed bin Salman höchstselbst, ist Saudi-Arabien weltweit ein gefragter Geschäftspartner, hat die Monarchie viele Freunde, auch im Ausland, obwohl sich westliche Partner im Moment lieber nicht öffentlich mit ihren Vertretern zeigen wollen.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

  6. Das war’s für 2018
    Bei angemessener Besetzung der Schichten in den Krankenhäusern wäre ab heute kein Personal mehr da. Beschäftigte »feiern Neujahr«
    In den Krankenhäusern wurde Silvester vorverlegt: Schon in der Nacht zum Dienstag wollten Pflegekräfte vielerorts den Jahreswechsel begehen – allerdings mit Selters statt Sekt, denn zu feiern gibt es nichts. Für 2018 wäre das vorhandene Personal bereits am 22. Oktober aufgebraucht, wenn die Schichten so besetzt würden, wie es für eine sichere Versorgung der Patientinnen und Patienten notwendig wäre. Das hat die Gewerkschaft Verdi auf Grundlage einer Befragung errechnet, an der sich bundesweit rund 600 Stationsteams beteiligten.
    »Zwischen dem 23. Oktober und dem 31. Dezember bricht die Versorgung in den Krankenhäusern nur deshalb nicht zusammen, weil Pflegekräfte regelmäßig über ihre Grenzen gehen, um Patienten und ihr Team nicht im Stich zu lassen«, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler am Montag in einer Mitteilung. »Das ist ein Skandal, auf den die Beschäftigten an diesem Tag bundesweit hinweisen.«
    Quelle: junge Welt
  7. Steigende Mietkosten verstärken Ungleichheit
    Im Verhältnis zu ihrem Einkommen zahlen Geringverdiener immer mehr für Wohnraum – Gutverdiener dagegen immer weniger.
    Die Schere zwischen Armen und Reichen geht durch die steigenden Miet- und Wohnkosten in Deutschland weiter auseinander. Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Studie der Humboldt-Universität in Kooperation mit dem University College in London. Die Wissenschaftler haben dabei die Einkommens- und Verbraucherstichprobe der Amtlichen Statistik zwischen 1993 und 2013 beobachtet und Daten von mehr als 100.000 Menschen ausgewertet.
    Demnach müssen Geringverdiener im Verhältnis zu ihrem Einkommen immer mehr fürs Wohnen bezahlen. Gleichzeitig sanken im Beobachtungszeitraum die Kosten für Mieten und Wohnen bei Personen mit den höchsten Einkommen. Mussten sie 1993 für Wohnraum noch 16 Prozent ihres Einkommens aufbringen, waren es 2013 noch 14 Prozent. Bei den 20 Prozent mit den geringsten Einkommen, stiegen die prozentualen Wohnkosten dagegen von 27 auf 39 Prozent.
    Reallöhne für Arme sinken – für Reiche nicht
    „Der Befund hat uns überrascht“, sagte Bernd Fitzenberger, Mitautor und Leiter des Ökonometrie-Instituts an der Humboldt-Universität, dem Tagesspiegel. Der überproportionale Anstieg der Wohnkosten verschärfe die Ungleichheit in Deutschland. „Die Schere geht an zwei Seiten auseinander“, sagte Fitzenberger und verwies auf die wachsende Lohnungleichheit. Der Studie zufolge sanken die Reallöhne für die untersten 20 Prozent der Einkommen in dem Untersuchungszeitraum um acht Prozent. Bei mittleren Einkommen entwickelten sich die Reallöhne zwischen 1993 und 2013 konstant leicht positiv. Bei Personen mit den besten Einkommen stiegen die Reallöhne am stärksten um durchschnittlich sieben Prozent…
    Quelle: Tagespiegel

    Dazu: Jetzt erreicht der Mietpreisboom die Provinz
    In Deutschlands größeren Städten sind Mietwohnungen für Normalverdiener mittlerweile unerschwinglich. Viele Menschen müssen deshalb, wenn sie eine neue Bleibe suchen, die Stadt verlassen und ins Umland ziehen – teilweise sogar noch weiter weg. Deshalb steigen jetzt auch in kleineren Städten die Mieten deutlich an.
    Das geht aus einer aktuellen Wohnungsmarktstatistik des Immobilienverbands IVD hervor. Demzufolge geht der Preisanstieg bei Neuvermietungen in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern zurück oder stagniert – je nach Ausstattungsstandard. In kleineren Orten mit weniger als 50.000 Einwohnern ging es dagegen seit dem dritten Quartal 2017 sprunghaft nach oben.
    So verzeichnete der IVD in Gemeinden mit einer Größe zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern einen Mietpreisanstieg von durchschnittlich rund sieben Prozent – bezogen auf Immobilien mit einem mittleren Wohnwert und einem Baujahr nach 1949. In Gemeinden mit 10.000 bis 20.000 Einwohnern gab es sogar einen Preisaufschlag von zehn Prozent. Im Vorjahr hatten diese Werte noch bei 1,8 beziehungsweise 0,5 Prozent gelegen.
    Quelle: Welt

  8. Eliten-Forscher Hartmann: Eine kleine abgehobene Gruppe bringt die Demokratie in Gefahr
    Sie sitzen in den obersten Etagen der Wirtschaft und sind eng mit Regierung und Medien verzahnt. Rund 4.000 Menschen in Deutschland und 1.000 in Österreich zählt der Soziologe Michael Hartmann zur „Elite“. Sie selbst stammen aus großbürgerlichen Familien und haben es wieder in Top-Positionen geschafft. Und jedes Jahr trennt sie noch mehr vom Rest der Gesellschaft: Die soziale Ungleichheit nimmt zu und bleibt für die Elite eine abstrakte Diskussion – denn sie wissen nicht, wie normale Menschen leben und kennen niemanden, der von existenziellen Sorgen geplagt ist. Trotz ihrer Abgehobenheit treffen sie Entscheidungen, die uns alle betreffen, wie uns Hartmann im Interview erklärt.
    Quelle: Kontrast.at
  9. Wie Merkels Hessen-Manöver zum Eigentor wurde
    Angela Merkel will Frankfurt vor Fahrverboten retten – und Parteifreund Volker Bouffier vor einem Wahldebakel. Doch der weiß gar nichts von seinem Glück und torpediert die Pläne der Kanzlerin – unfreiwillig.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsste sich ziemlich gut auskennen mit einem Gesetz, dessen Name ein echter Zungenbrecher ist: BImSchG. Das steht für Bundesimmissionsschutzgesetz. Als ehemalige Bundesumweltministerin weiß sie, dass diese 73 Paragraphen so ziemlich das beste sind, was der Gesundheit von 80 Millionen Bürgern passieren konnte. Darin geregelt sind Grenzwerte für den Ausstoß giftiger Stoffe, aus Fabrikschloten, Kraftwerken – aber auch aus dem Auspuff von Autos.
    Doch ihr Wissen schützt die Kanzlerin offenbar nicht vor einer peinlichen Panne bei dem Versuch, ein Fahrverbot in Frankfurt am Main zu verhindern. Die Bundesregierung will das Bundesimmissionsschutzgesetz ändern. So sollen Dieselfahrer weiterhin Zugang zur Innenstadt der Bankenmetropole haben. Auf diese Weise will Merkel zugleich eine Wahlschlappe ihres Parteikollegen Volker Bouffier bei der hessischen Landtagswahl am kommenden Sonntag vermeiden. Doch es ist alles andere als sicher, ob die Rechnung aufgeht.
    (…) Offensichtlich haben sich die Spitzenpolitiker der CDU nicht recht abgestimmt in ihrer Strategie, die Dieselfahrer (und Wähler) in Frankfurt zu beruhigen. Während die Kanzlerin Frankfurt mit ihrer BImSchG-Änderung vor Fahrverboten retten wollte, hat Bouffier die Stadt mit seiner unvorsichtig in seinem Brief erwähnten Messstation am Börneplatz in den Kreis der Fahrverbotsstädte hineinkatapultiert, gewissermaßen mit Brief und Siegel. Das Umweltbundesamt bestätigte gegenüber dem SPIEGEL, dass für Frankfurt nun offiziell 54 Mikrogramm und nicht mehr 47 gelten. Ein Fahrverbot dürfte nun kaum noch zu verhindern sein.
    Kanzlerin und Landesvater stehen jetzt blamiert da. Die Dieselfahrer zürnen über eine Politik, die sie und ihre von Wertverlusten betroffenen Wagen im Regen stehen lassen.
    Quelle: SPON
  10. Nationalismus und Faktenfeindschaft
    Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2008 begann, war der größte wirtschaftliche Belastungstest seit der Großen Depression und die größte Herausforderung für die gesellschaftlichen und politischen Systeme seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie brachte nicht nur Finanzmärkte und Währungen in Gefahr, sondern deckte zugleich ernste Regulierungs- und Steuerungsdefizite auf, die noch immer nicht vollständig behoben sind.
    Tatsächlich wird man die Krise von 2008 aller Voraussicht nach als einen Wendepunkt in Erinnerung behalten. Aber nicht, weil sie zu Reformen führte, die die wirtschaftliche Belastbarkeit stärkten und Schwächen beseitigten. Im Gegenteil: Das Versäumnis der Regierungen, Lehren aus der Großen Rezession zu ziehen, könnte den Weg für eine Reihe neuer wirtschaftlicher und sonstiger Krisen in den kommenden Jahrzehnten bereiten.
    (…) Immer mehr billiges Geld schafft letztlich neue gefährliche Finanzinstrumente
    Durch billiges Geld angeheizte bedeutende technologische Fortschritte können an den Märkten zu derart schnellen Veränderungen führen, dass der politische und institutionelle Wandel nicht nachkommt. Und es können neue Märkte entstehen, die frühen Anwendern oder Investoren, die davon profitieren, dass sie den nationalen und internationalen Regulierungsbehörden immer mehrere Schritte voraus sind, enorme Gewinne bieten.
    Genau das ist im Vorfeld der Krise von 2008 passiert. Neue, durch die Technologie ermöglichte Finanzinstrumente boten einigen Gelegenheit, enorme Summen zu verdienen. Doch die Regulierungsbehörden konnten mit den Neuerungen nicht Schritt halten, und diese brachten dann letztlich Risiken hervor, die die gesamte Volkswirtschaft in Mitleidenschaft zogen. Dies verweist auf einen grundlegenden Unterschied zwischen den globalen Krisen des 21. Jahrhunderts und beispielsweise der Großen Depression der 1930er-Jahre oder in der Tat allen vergangenen Krisen am Aktienmarkt. Aufgrund des Wachstums des Finanzsektors profitieren mehr Akteure kurzfristig von der unzureichenden Regulierung und schwachen Steuerung, was die Verhinderung heutiger Krisen erschwert…
    Quelle: DGB
  11. Die EU ist am Ende – Es merkt nur keiner
    In Brüssel versammeln sich die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem weiteren Gipfel. Die immergleichen Rituale und Reden täuschen darüber hinweg, dass die EU in ihrer bisherigen Form erledigt ist. Eine weitere Integration wird es nicht geben.
    Natürlich gibt es die EU noch, ihre Organe arbeiten zuverlässig und bürokratisch wie eh und je. Und sie beglückt die Bürger ihrer Mitgliedsstaaten immer noch mit absurden und unnötigen Vorschriften. Jüngstes Beispiel: Die neuen Berliner S-Bahn-Züge, die ab 2021 eingesetzt werden sollen, bekommen aufgrund einer EU-Richtlinie ein neues und besonders nervig piepsendes Türschließsignal. Kein Dü-Di-Dü mehr in Berlin.
    Ärgernisse wie dieses dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU seit mindestens drei Jahren nicht mehr funktioniert. Die Staats- und Regierungschefs, die sich am Mittwochabend zu einem neuen Gipfel in Brüssel versammelt haben, finden in wichtigen Fragen keine gemeinsame Linie mehr. Statt zu wirklichen Kompromissen kommt es seit Jahren nur noch zu gesichtswahrenden Scheinlösungen. In immer mehr Staaten gewinnen sogenannte populistische Parteien an Bedeutung, die eine weitere Integration ablehnen.
    Der sich derzeit zuspitzende Konflikt zwischen der EU-Kommission und der italienischen Regierung könnte die Krise der EU offen zu Tage treten lassen und die Existenz des Euro in Frage stellen. Während der Euro-Krise ab 2010 gelang es Deutschland noch, die EU auf den deutschen Pfad der Austerität zu bringen und die griechische Regierung 2015 brutal zur Unterwerfung zu zwingen.
    Bei Italien wird das nicht funktionieren. Italien ist zu groß, seine Schulden sind auch für die EU und die Banken ein Problem. Und die italienische Regierung ist – anders als die griechische – entschlossen und vorbereitet, im Fall der Fälle den Ausstieg aus dem Euro zu wagen. Welche Folgen ein solcher Schritt für die Union und ihre gemeinsame Währung hätte, ist nicht abzusehen.
    Die Währungsunion war von Anfang an eine Fehlkonstruktion. Der Euro hat den Ländern des Südens enorm viel Wachstum und Wohlstand gekostet, während er der deutschen Wirtschaft einen enormen Exportboom beschert hat. Die Ungleichgewichte sind nicht kleiner, sondern größer geworden, so dass ein Ende mit Schrecken statt des Schreckens ohne Ende immer wahrscheinlicher wird….
    Quelle: RT Deutsch
  12. Deutsche Rechtsradikale marschieren in Kiew
    Nazismus in der Ukraine ist ein Thema, zu dem die deutschen Medien gerne schweigen. Doch das dürfte nun zunehmend schwieriger werden: Deutsche Neo-Nazis beteiligten sich mit eigenen Delegationen und Fahnen an einem ukrainischen Nationalisten-Marsch, zu dem Tausende gekommen waren. Anlass war der “Tag der Vaterlandsverteidiger”.
    (…) Unter den Demonstranten in Kiew sah man in auffälligem Outfit und mit eigenen Fahnen und einem Transparent auch Mitglieder der NPD-Jugendorganisation “Junge Nationalisten” und der NPD-Abspaltung “Der Dritte Weg”.
    (…) Erst im Juli dieses Jahres war herausgekommen, dass die Bundeswehr seit 2014 verwundete ukrainische Soldaten, darunter mutmaßlich auch Rechtsradikale des Asow-Bataillons, mit einem speziell ausgerüsteten Lazarett-Flugzeug nach Deutschland ausfliegen und in Bundeswehrkrankenhäusern behandeln lässt.
    Für alle, die sich mit der Ukraine beschäftigen, ist die Teilnahme von deutschen Rechtsradikalen an einer Demonstration in Kiew, nicht erstaunlich. Kontakte zwischen der NPD und der rechtsradikalen Partei Swoboda, deren Militante sich führend am Staatsstreich in Kiew beteiligten, gab es bereits 2013, also noch vor dem Maidan in Kiew….
    Quelle: Rt Deutsch
  13. Darum reagiert Trump auf Kashoggis Ermordung so zurückhaltend
    Nicht die Politik, die wirtschaftlichen Interessen diktieren die Welt. Das zeigt sich gerade jetzt wieder in aller Deutlichkeit.
    Bei einem Wahlkampfauftritt vor Militärs auf dem Luftwaffenstützpunkt Luke in Arizona nannte US-Präsident Donald Trump die vom Königshaus in Riad angebotene Erklärung für den gewaltsamen Tod von Jamal Kashoggi «glaubwürdig» und wertete die Festnahme von 18 an der Tötung des Regimekritikers beteiligten Personen als «ersten großen Schritt». Gleich im nächsten Atemzug lobte Trump Saudiarabien als «großartigen Verbündeten» und verwies auf die saudischen Aufträge an US-Unternehmen in Höhe von 450 Milliarden Dollar, die er von seinem Besuch in Riad im April 2017 – seiner ersten Auslandsreise als Präsident – mitgebracht hatte. «Darunter 110 Milliarden Dollar für neue Waffen, die viele Jobs in unserer Rüstungsindustrie sichern und in erster Linie Euch zu Gute kommen», betonte Trump gegenüber den Militärs gleich mehrfach.
    Doch die äußerst lukrativen Rüstungsgeschäfte mit Riad sind nicht der einzige Grund für die windelweiche Haltung der Trump-Administration gegenüber dem Regime in Riad. Der US-Präsident braucht dringend eine Erhöhung der saudischen Ölproduktion und Exporte, um – insbesondere vor den US-Zwischenwahlen im November – ein weiteres Ansteigen der Benzin- und Heizölpreise sowie andere negative innenpolitische Folgen seiner Sanktionspolitik gegen Iran zu verhindern. Schon seit Mai ist die Nachfrage auf dem Welt-Ölmarkt grösser als das Angebot. Der Preis für ein Fass stieg seitdem von rund 50 auf knapp 75 US-Dollar. Entsprechend zogen die Benzinpreise in den USA in den letzten fünf Monaten bereits deutlich an.
    (…) Neben der Ölwaffe hat das Regime in Riad noch ein weiteres Druckmittel, um im Fall Kashoggi schärfere Kritik oder gar handfeste Sanktionsmaßnahmen der Trump-Administration zu verhindern. Saudiarabien ist der zwölftgrösste Gläubiger der USA….
    Quelle: infosperber
  14. Diktatur mit Ansage : Bolsonaros Drohungen
    Welchem politischen Lager man dort auch angehört: Wer in Brasilien am kommenden Sonntag nicht für Fernando Haddad stimmt, öffnet der Barbarei die Tür, ebnet einem Psychopathen den Weg zur Macht. 46 Prozent der gültig Wählenden liefen in der ersten Runde dem Rattenfänger nach, der mit dem Segen evangelikaler Sekten und der Hilfe des großen Geldes Goebbels’ Methoden in unsere Zeit überträgt. Für Faschisten in der oder ohne die Maske der Demokraten weltweit wäre ein Sieg Jair Bolsonaros dank Massenmanipulation ein Quantensprung. In der imperialistischen Rollback-Strategie für Lateinamerika kommt dem größten Land der Region eine entscheidende Rolle zu. Der »sanfte« Putsch 2016 stürzte Brasiliens schwache Demokratie ins Chaos. Der von Mainstreammedien immer wieder als rechtskonservativer oder rechtspopulistischer Politiker verharmloste Bolsonaro machte noch nie ein Geheimnis daraus, dass er für die terroristische Herrschaftsvariante steht. Bei einem großen Teil der Oberschicht brauchte er da nicht erst am republikanischen Lack kratzen.
    In einer am Telefon gehaltenen und auf Demos seiner Anhänger in São Paulo und weiteren Orten übertragenen Ansprache ließ Bolsonaro an diesem Sonntag einmal mehr wissen, was Brasilien und der politische Gegner von ihm zu erwarten haben. Die Roten will er aus »unserem Vaterland verbannen« oder in den Knast stecken lassen. Seine Unterstützer stellten die Mehrheit dar und seien »das wahre Brasilien«. Die der Arbeiterpartei (PT) hätten »2016 verloren und werden kommende Woche wieder verlieren. Nur, dass die Säuberung diesmal sehr viel größer ausfällt« – wie man sie in der Geschichte Brasiliens »noch nie erlebt« habe. An Luiz Inácio Lula da Silva gewandt, kündigte er an: »Du wirst im Knast verfaulen.« Seinem Gegenkandidaten Haddad versprach Bolsonaro, dass auch dieser auf dem Weg ins Gefängnis sei: »Aber nicht, um dich (Lula) zu besuchen, sondern um ein paar Jahre an deiner Seite zu verbringen.« Offen droht Bolsonaro mit dem Militär, will die »PT-Bande« mit Hilfe der Polizei das Fürchten lehren. Die Aktivitäten der »Banditen von MST und MTST«, der Landlosen- und der »Bewegung der obdachlosen Arbeiter« will er als Terrorismus einstufen und verfolgen lassen.
    Bolsonaro möchte zurück zu den Methoden der Diktatur, die für ihn leider nicht mehr Tote »als ein Karneval in Rio« zur Folge hatte und deren Folterknecht Oberst Ustra er öffentlich sein Idol nennt. Der innere Feind ist derselbe geblieben, das Aufstacheln zu Hass und Gewalt bleibt straflos. Bolsonaros Anhänger folgen ihm. Justiz und Polizei stehen Pate, gehen bereits gegen linke Organisationen vor. Dem liberalen Bürgertum wird immerhin langsam unwohl. Der Faschismus an der Schwelle zur Macht ist die Quittung dafür, dass Brasilien mit den Verbrechen der Junta nie abrechnete, dass der tiefe Staat intakt blieb.
    Quelle: junge Welt

    Dazu: Bolsonaros Angriff auf Brasiliens Demokratie
    2016 wurde die linksgerichtete Dilma Rousseff vom rechtsaußen Kleptokraten und Oligarchen Michel Temer und seiner neoliberalen Kaste hinweggeputscht. Bei den jüngsten Wahlen gewann nun Jair Bolsonaro, der als eine hochexplosive Mischung aus Donald Trump, General al-Sisi und Rodrigo Duterte beschrieben werden kann – ein faschistischer Offizier wird in Kürze die fünftgrößte Demokratie der Welt regieren.
    (…) Hunger, Gewalt, Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne, Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit – die alltäglichen Probleme in Brasilien füllen eine lange Liste an Problemen. Statt um Lösungen in den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Verwerfungen zu ringen, korrumpierte sich das System von oben so, dass mit Bolsonaro fast schon die logische Konsequenz in den Startlöchern steht. Eine Vielzahl an sozialen Gruppen, die der Kandidat bereits beschimpft und verbal praktisch schon vor Amtsantritt zum Abschuss freigab, werden mit Angst und Schrecken auf die Stichwahl zwischen dem rechtsextremen Bolsonaro und dem zentristischen Fernando Haddad (PT) Ende des Monats schauen.
    (…) Schon schnellte die Landeswährung Real nach oben, nachdem fast die Hälfte der zur Wahl Gegangenen ihre Stimme an den rechtsradikalen Kandidaten gegeben hatten. Die liberale Demokratie hat sich im Zuge der Deregulierung der Märkte und dem Abbau elementarer Staatsverantwortlichkeiten selbst geschwächt. Bolsonaros Aufstieg in Brasilien ist ein klassisches Symptom des Zerfalls und zeugt von massivem Staatsversagen. Die Hoffnungen derer, die nicht für Brasiliens faschistoiden Präsidenten in spe votieren, ruhen nun auf Fernando Haddad, der einzige Kandidat aus der bürgerlichen Mitte. Das ehemalige Hoffnungsland des Kontinents steht so 2018 vor der größten Zäsur seit der formalen Einführung der Demokratie. Am 28. Oktober wird sich zeigen, ob Bolsonaro auch die letzten Prozent noch mobilisieren kann. In diesem Falle bekäme auch Brasilien ein überaus hässliches Antlitz.
    Quelle: justice now

  15. Wenn Kinder Krieg spielen
    Sie singen die Nationalhymne, lernen mit Waffen umzugehen und marschieren in Uniform: Statt in der Sonne zu liegen, verbringen viele amerikanische Schüler ihre Freizeit mit Drill und Unterricht. Die Fotografin Sarah Blesener ist sechs Monate durch die USA gereist und hat zwölf militärische Trainingslager für Kinder und Jugendliche besucht.
    Vor zwei Jahren fotografierte Blesener ähnliche Programme in Russland – in den Vereinigten Staaten kritisierten daraufhin viele diese Camps, nannten sie nationalistisch. “Dabei gibt es ganz Ähnliches auch bei uns”, sagt die Fotografin. Sie beschloss, in die USA zurückzukehren und dort die patriotische und militärische Erziehung zu dokumentieren. (…)
    Jährlich werden hier etwa eine halbe Million amerikanischer Kinder und Jugendliche unterrichtet: in patriotischen Lagern, die darauf abzielen, die Liebe zu Amerika zu fördern und Wissen über die religiösen Werte des Landes zu vermitteln; in militärischen Camps, in denen die Teilnehmer Disziplin erlernen und eine körperliche Ausbildung erhalten; oder in Überlebensschulen, in denen sie erfahren, wie man Notunterkünfte baut oder was bei einer Naturkatastrophe zu tun ist. (…)Viele der Jugendlager werden privat geführt und finanziert, von ehemaligen oder derzeitigen Militärangehörigen geleitet. Alle würden leugnen, dass es sich um Rekrutierungslager handele. “Aber das sind sie natürlich”, sagt Blesener. “Ein Kind in einem so jungen Alter an eine Aktivität oder eine Weltanschauung heranzuführen, ist eindeutig ein Weg, es in diese Richtung zu lenken.”
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Dass auch hierzulande Minderjährige bei der Bundeswehr sind, dürfte/sollte bekannt sein. Bitte lesen Sie dazu erneut Bundeswehr: Plakatkampagne mit einer Anmerkung.

  16. AfD und Gewerkschaften
    (…) Eine seriöse Bilanz, wie weit es dem rechten Rand gelungen ist, sich in den Betrieben und Betriebsräten fest zu setzen, kann erst nach Abschluss der Betriebsratswahlen gezogen werden. Allein im Bereich der IG Metall wird in circa 11.000 Betrieben um 78.000 Betriebsratsmandate gekämpft. Erste Ergebnisse aber gibt es schon.
    Hier nur in Stichworten:
    Bei Daimler sind rechte Listen unter verschiedenen Namen in fast allen Werken im Süden angetreten. In Untertürkheim mit seinen fast 30.000 Beschäftigten erreichte die IG Metall 37 der 47 Sitze im Betriebsrat, drei mehr als bei der letzten Wahl. Das „Zentrum Automobil“, seit 2014 mit 4 Sitzen im Betriebsrat und dieses Mal von Jürgen Elsässer, Compact & Co. gefördert, erreichte nun 6 Sitze, sein Zugewinn ging auf Kosten „unabhängiger“ und „christlicher“ Betriebsräte. Wobei anzumerken ist, dass nicht nur bei Daimler immer wieder auch rechte migrantische Kandidaten und Strömungen auftreten, wie türkische graue Wölfe, die griechische „Morgenröte“ und so weiter….
    Wie auch immer die Ergebnisse am Ende ausfallen werden: Die IG Metall wird sie ebenso wie alle anderen DGB-Gewerkschaften auswerten und über Konsequenzen nachdenken müssen. Verharmlosen, bagatellisieren und „einbinden“ als etwas „randständige“ Betriebsräte wird nicht gehen. Das ist unvereinbar mit den antifaschistischen Grundsätzen der Gewerkschaften und auch unvereinbar mit Artikel 1 unseres Grundgesetzes, der – siehe Artikel 75 Betriebsverfassungsgesetz – auch in den Betrieben wirksam verteidigt werden muss. Es kann sein, dass am Ende eine Art „Unvereinbarkeitsbeschluss“ des nächsten Gewerkschaftstages – bei der IG Metall findet er Ende 2019 statt – stehen muss.
    Quelle: Rüdiger Loetzer im Blättchen
  17. Marktforscher fordern mehr Sorgfalt bei Berichten über Umfragen
    Der ADM Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute wendet sich in einem offenem Brief an Vertreter der Medien. Hierin fordern sie, sorgfältiger mit dem Begriff Repäsentativität umzugehen.
    „Seit einiger Zeit nehmen wir mit großer Sorge wahr, dass in Zeitungen und Zeitschriften, in Radio- und Fernsehberichten sowie in der Onlineberichterstattung Umfrageergebnisse vermehrt als repräsentativ bezeichnet werden, auch wenn diese nicht repräsentativ sind“, schreiben Vorstand und Geschäftsführung in dem offenen Brief des ADM, der heute an Deutschlands Medienvertreter geht und der planung&analyse, dem Marktforschungsportal der HORIZONT-Medien, exklusiv vorliegt. „Dies ist ein unhaltbarer Zustand“, heißt es dort verbunden mit der Appell, dass „die Bezeichnung ‚repräsentativ‘ in der Berichterstattung korrekt verwendet wird.“
    Quelle: Horizont
  18. Gönn dir, Sawsan Chebli!
    Die SPD-Politikerin trägt auf einem Foto von 2014 Rolex – wie einige ihrer Kollegen aus anderen Parteien auch. Und wird heftig dafür angegriffen. Eine Frau und Muslima mit einem solchen Statussymbol – das scheint für manche zuviel zu sein. Stilkritik einer absurden Debatte.
    »Every Rolex tells a story« heißt der aktuelle Slogan der Uhrenmarke – kann Werbung treffender sein? Denn die neueste Geschichte, die geht so: Ein kleines Mädchen, dessen palästinensische Eltern einst geflohen sind, wächst mit 12 Geschwistern in zwei Zimmern in Berlin-Moabit auf, studiert nach der Schule Politikwissenschaften und steigt erst ins Auswärtige Amt, dann zur Staatssekretärin in der Berliner SPD auf. »Was für eine Erfolgsstory!«, will man an dieser Stelle bereits rufen. Aber die Geschichte geht natürlich noch weiter, es fehlt ja noch der Auftritt der besagten Uhr. […]
    Die hat sich die Karrierefrau namens Sawsan Chebli offensichtlich irgendwann geleistet, das kann man auf Fotos von 2014 sehen, wo sie eine Rolex Datejust 36 für 7300 Euro trägt. Klassische Amerikanischer-Traum-Dramaturgie also. Seht her! Jeder kann es schaffen! Strengt euch an!
    Quelle: SZ Magazin

    Anmerkung Jens Berger: Leider vergisst das SZ Magazin darauf hinzuweisen, dass Chebli in den Sozialen Netzwerken vor allem wegen ihrer himmelschreienden Inkompetenz und Verlogenheit auf ihrem Posten als Sprecherin des Auswärtigen Amts bekannt ist, die sich dann auch noch deutlich mit ihrem übersteigerten Ego beißt. Die „Story“ ist also nicht: Fleißige Migrantin hat Erfolg und zeigt ihn. Sondern: Inkompetente Opportunistin hat Erfolg.


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