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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 13. Dezember 2018 um 8:34 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Bei Gelb über die Ampel
  2. Alles oder nichts
  3. Rüstungsexporte: Deutschland liefert über Umwege weiter nach Saudi-Arabien
  4. Viele Zusteller arbeiten zu miserablen Löhnen
  5. Die Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmer in Deutschland werden immer kürzer. Oder doch nicht?
  6. 100 Millionen Fehltage: Deutlich mehr Arbeitnehmer leiden unter Stress und Depression
  7. Gewinne statt Gemeinwohl: Der Profit mit der Pflege
  8. Karlsruhe prüft Hungerstrafen
  9. Schwarz-Blaue EU-Ratspräsidentschaft: Konzerne sind die großen Gewinner
  10. JEFTA bedient einmal mehr einseitig Konzerninteressen
  11. Klimagipfel in Kattowitz: Raus aus der Kohle – aber sozialverträglich
  12. Attentat von Straßburg: „Ein Problem der Exklusion nicht der Religion“
  13. “Schattenarmee” soll Liste mit Gegnern erstellt haben
  14. Die Rückkehr der Militärs
  15. 40 Jahre „Radikalenerlass: “Berufsverbote wirken nach
  16. Potenzial Ultralinker ist besorgniserregend
  17. Fabio De Masi “Ich bin ein investigativer Politiker”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Bei Gelb über die Ampel
    Eine naheliegende Maßnahme im demokratischen System, sich gegen die regierende Politik zu wehren, wäre es, sein Wahlverhalten zu verändern. Wenn nun aber verschiedene Regierungen mit unterschiedlichen Machtverhältnissen im Wesentlichen die gleiche Politik betreiben, ist Ratlosigkeit eine nachvollziehbare Reaktion. Die Rede von den “Einheitsparteien” als pauschale Kritik ist zwar völlig überzogen, da sich sogar innerhalb der verschiedenen Flügel einzelner Parteien grundlegende Meinungsverschiedenheiten bemerkbar machen. Doch scheint die allgemeine Tendenz, bei der öffentlichen Daseinsvorsorge zu sparen, während Einzelne immer obszönere Privatvermögen ansammeln können, auch nicht von solchen Parteien ernsthaft in Frage gestellt zu werden, die sich sozialdemokratisch nennen. Die Langzeitfolge: Je extremer ein politisches Angebot vom Status Quo abweicht, desto attraktiver wird es für diejenigen, die sich massive Veränderungen ersehnen.
    Krankenhäuser und Pflege, Schulen und Wissenschaft, Polizei und Justiz, Altersvorsorge und Arbeitslosengeld, und nicht zuletzt der Wohnungsmarkt – wo immer die öffentliche Hand zum Tragen kommt, sind Bereiche des Gemeinwohls chronisch unterfinanziert. Andererseits erreichen die Privatvermögen von Superreichen nie gekannte Rekordhöhen. Seit der Kohl-Regierung ist keine einzige Steueränderung des Bundes zulasten der Vermögenden ausgefallen. Gleichzeitig leidet eine breite Mittelschicht unter einer enormen Abgabenlast, die große Teile ihres Einkommens an einen Staat abführt, der anschließend bei der allgemeinen Daseinsvorsorge spart. Das ist so schwierig vermittelbar wie der Umstand, dass Aktienbesitz geringer besteuert wird als tatsächliche Arbeit.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  2. Alles oder nichts
    Unter dem Druck faktisch unerfüllbarer Forderungen Berlins und der EU für den Brexit ist am gestrigen Dienstag die Regierungskrise in London eskaliert. Nur knapp ist es Premierministerin Theresa May gelungen, sich trotz eines Misstrauensvotums im Amt zu halten. Letzter Auslöser für den Beinahesturz war der sogenannte Backstop: Brüssel besteht auf einer Regelung, die Großbritannien womöglich dauerhaft ohne eigenständige Austrittsoption der Zollunion unterwirft und eine Handelsgrenze zwischen zwei Teilen des Vereinigten Königreichs errichtet. Die Bestimmungen entsprechen den Interessen der Bundesrepublik, stürzen Großbritannien aber ins Chaos. Auch in Frankreich geht die aktuelle Regierungskrise zu guten Teilen darauf zurück, dass Berlin Paris seinen Austeritätsprogrammen unterworfen hat, jegliches Entgegenkommen auf EU-Ebene aber ablehnt. In Frankreich und in Großbritannien profitiert die äußerste Rechte – ebenso wie in Italien: Dort haben Forderungen Berlins – drastische Kürzungsdiktate – das alte Polit-Establishment bereits zerrieben.
    Quelle: German Foreign Policy
  3. Rüstungsexporte: Deutschland liefert über Umwege weiter nach Saudi-Arabien
    Nach der Ermordung des Journalisten Khashoggi wollte die Bundesregierung alle Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien stoppen. Bei Kampfflugzeugen wie dem Eurofighter aber macht Berlin eine Ausnahme.
    Die Bundesregierung will trotz des Lieferstopps für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien andere europäische Nationen nicht am Export von Waffensystemen hindern, an deren Entwicklung Deutschland beteiligt ist. So plant Berlin nach SPIEGEL-Informationen kein Veto einzulegen, wenn Großbritannien in den nächsten Jahren den gemeinsam entwickelten Kampfjet Eurofighter nach Saudi-Arabien verkauft.
    Das geht aus einem Bericht an den Wirtschaftsausschuss des Bundestages hervor, in dem die Bundesregierung ihr weiteres Vorgehen mit Blick auf den Lieferstopp nach Saudi-Arabien erläutert. Der Bericht liegt dem SPIEGEL vor.
    Quelle: Spiegel Online
  4. Viele Zusteller arbeiten zu miserablen Löhnen
    Stunde um Stunde fahren sie umher, schleppen Pakete bis unters Dach – und nicht selten müssen sie wiederkommen, weil gerade keiner da war: Mehr als 490 000 Menschen arbeiten mittlerweile bei Post- und Zustelldiensten in Deutschland, wie die Bundesagentur für Arbeit nun ausgewertet hat. Vor allem Paketfirmen heuern vor Weihnachten Tausende Beschäftigte zusätzlich an, damit Geschenke rechtzeitig ankommen. Der Boom des Onlinehandels hat viele Arbeitsplätze in der Logistik geschaffen, oftmals allerdings zu jämmerlichen Konditionen.
    Nur 30 Prozent der Beschäftigten in der Branche haben eine Ausbildung abgeschlossen, etwa zur Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienste. 70 Prozent sind Hilfskräfte, arbeiten zum Großteil in Teilzeit oder als Minijobber. Das zeigt die Antwort der Arbeitsagentur auf eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser. Demnach verdienen Vollzeitaushilfen im Mittel 2044 Euro brutto im Monat. Mehr als die Hälfte von ihnen bleibe unterhalb der Niedriglohnschwelle, erhalte mithin weniger als 10,50 Euro pro Stunde.
    Quelle: Süddeutsche
  5. Die Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmer in Deutschland werden immer kürzer. Oder doch nicht?
    In der Antwort wird ausgeführt, dass die mittlere Dauer, konkret: die Mediandauer, der Beschäftigungsverhältnisse zwischen 2005 und 2017 von 58 auf rund 51 Monate abgesunken sei. Demnach bestand die Hälfte dieser Beschäftigungsverhältnisse zum Stichtag am 31.12.2017 seit weniger als 51 Monaten.
    Für die Linken-Politikerin Sabine Zimmermann ist das ein Zeichen einer stärkeren Arbeitnehmer-Fluktuation am Arbeitsmarkt, die unter anderem durch einen Zuwachs an Befristungen und Projektstellen hervorgerufen würde. Doch stimmt diese Einschätzung? Dieser Frage geht auch der Artikel Wechseln Arbeitnehmer wirklich immer schneller ihren Job? nach. Und kommt zu interessanten Ergebnissen:
    »Die Zahlen des BMAS entstammen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) und beziehen sich auf den Bestand sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, hier zum Stichtag 31. Dezember 2017. Die mittlere Dauer von 51,2 Monaten berücksichtigt demnach alle zum Stichtag bestehenden, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Dazu zählen natürlich alle kurz vor dem Stichtag geschlossenen Arbeitsverhältnisse. Kommen also viele neue Beschäftigungsverhältnisse zustande, sinkt der Median insgesamt ab.«
    Die alleinige Betrachtung des Bestands der Beschäftigungsverhältnisse ist irreführend. Man muss sich die mittlere Dauer der beendeten Beschäftigungsverhältnisse anschauen.
    »Diese misst, wie lange die Beschäftigungsverhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Beendigung bestanden. Aus der Statistik der BA geht hervor, dass die mittlere Dauer der beendeten im Gegensatz zu den bestehenden Beschäftigungen sogar leicht gestiegen ist. Sie lag im Jahr 2017 bei 9,7 Monaten, 2013 waren es 9,1 Monate.«
    Fazit: Insgesamt lässt sich aus der BA-Statistik kein klarer Trend zu kurzfristigeren Beschäftigungsverhältnissen ablesen.
    Das soll keineswegs eine kritische und den Finger auf reale Missstände in vielen Branchen legende Betrachtung der Arbeitsmärkte zurückweisen, eine solche wird hier immer wieder in aller Deutlichkeit praktiziert, beispielsweise mit Blick auf Paketzusteller, Pflegekräfte usw.
    Aber man sollte bei der Analyse und Bewertung der Daten sorgfältig arbeiten und keine Thesen in die Welt setzen, die sich so nicht belegen lassen.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  6. 100 Millionen Fehltage: Deutlich mehr Arbeitnehmer leiden unter Stress und Depression
    Es ist die Schattenseite der modernen Arbeitswelt: Wegen Depressionen und anderer psychischer Leiden sind im vergangenen Jahr mehr als 100 Millionen Arbeitstage ausgefallen – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. […]
    Die Zahl der Arbeitnehmer, die wegen psychischer Leiden und Verhaltensstörungen ausfallen, hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2007 fielen wegen seelischer Erkrankungen 48 Millionen Krankheitstage an, im vergangenen Jahr waren es bereits 107 Millionen. Die Statistiker errechnen daraus Produktionsausfälle im Wert von 12,2 Milliarden Euro. Psychische Erkrankungen wie ein Burnout oder eine Depressionen sind damit bereits der zweithäufigste Grund, warum Arbeitnehmer von einem Arzt krankgeschrieben werden. […]
    Geht es nicht um Fehltage, sondern gleich um die ganze Erwerbsfähigkeit, fallen die Zahlen noch alarmierender aus. Dem Bericht zufolge mussten sich im vergangenen Jahr 71.300 Menschen wegen psychischer Probleme erwerbsunfähig melden und in Rente gehen. Seelische Leiden sind damit mit Abstand die häufigste Ursache für eine verminderte oder verlorene Erwerbsfähigkeit. Sie kommen bedeutend öfter vor als Renteneintritte wegen eines Tumors (21.600 Fälle) oder einer Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems (21.400).
    Quelle: FAZ

    dazu: Psychotherapeuten wehren sich gegen Spahns Patientenkontrolle
    Speziell ausgebildete Experten sollen künftig entscheiden, wer in Deutschland eine Psychotherapie bekommt. So will es zumindest Gesundheitsminister Jens Spahn – und löst damit einen Proteststurm aus.
    Menschen mit psychischen Problemen müssen in Deutschland lange auf einen Therapieplatz warten, im Schnitt fast fünf Monate. Gerade auf dem Land, wo es häufig deutlich weniger niedergelassene Psychotherapeuten gibt, kann die Wartezeit sogar deutlich länger sein. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Versorgung verbessern.
    Seine Idee: Künftig sollen speziell geschulte Ärzte und Psychotherapeuten Patienten mit psychischen Problemen voruntersuchen und entscheiden, wer welche Therapie bekommt. Das geht aus dem Gesetzentwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hervor, mit dem sich der Bundestag am Freitag in erster Lesung beschäftigen soll.
    Das Problem: Psychologen, Ärzte und Psychotherapeuten sind wenig begeistert von Spahns Plänen. Im Gegenteil, es regt sich heftiger Widerstand. Fast 150.000 Menschen haben eine Petition unterzeichnet, die die geplante Neuerung kippen soll. Auch der Bundesrat lehnt das Vorhaben des Gesundheitsministers ab.
    Quelle: Spiegel Online

    dazu auch: Petition 85363: Heilberufe – Ablehnung des Gesetzentwurfs zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vom 25.10.2018
    Eine derartige Selektion, bevor eine Behandlung in Anspruch genommen werden kann, hebelt den freien Zugang zum ärztlichen oder Psychologischen Psychotherapeuten aus.
    Quelle: Bundestag

  7. Gewinne statt Gemeinwohl: Der Profit mit der Pflege
    Jahrhundertelang war die Pflege Sache der Familie, der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände. Inzwischen drängen internationale Kapitalanleger in den Markt. Auf Kosten der Pflegebedürftigen?
    Uringeruch, Schimmel, überfordertes Personal: Immer wieder werden unzumutbare Zustände in deutschen Pflegeheimen bekannt. Bei zwei Häusern der Alloheim-Gruppe beispielsweise wurde vor einiger Zeit wegen massiver Pflegemängel die Schließung angeordnet. Sie konnten nur weiterbetrieben werden, weil ein anderer Betreiber sie übernahm. In weiteren Heimen der Gruppe wurden ähnliche Missstände öffentlich. Auch wenn Alloheim diese teilweise bestreitet.
    Alloheim ist mit rund 170 Einrichtungen einer der größten Anbieter auf dem privaten Pflegemarkt. Zumindest in einigen dieser Einrichtungen scheint Profitmaximierung offenbar Priorität zu haben. Innerhalb weniger Jahre wechselte das Unternehmen mehrfach den Eigentümer. Inzwischen gehört es dem schwedischen Finanzinvestor Nordic Capital.
    Quelle: Tagesschau
  8. Karlsruhe prüft Hungerstrafen
    Die Zahl der Hartz-IV-Bezieher ist leicht gesunken, die Sanktionswut der Jobcenter aber ungebrochen. Zwischen September 2017 und August 2018 war mehr als jeder zehnte erwerbsfähige Leistungsbezieher (rund 413.000) von einer Kürzungsstrafe betroffen. Das geht aus am Montag veröffentlichten neuen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Allein in diesem August hatten die Jobcenter mehr als 7.200 Mittellosen die gesamten Bezüge einschließlich Mietzuschuss für drei Monate gestrichen – Existenzminimum hin oder her. Knapp die Hälfte der Sanktionierten war jünger als 25 Jahre. Als Verstoß gegen die Grundrechte auf Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit und die freie Berufswahl bezeichnet das Sozialgericht Gotha in Thüringen diese Praxis. Über dessen Richtervorlage aus dem Jahr 2016 wird das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach mündlicher Verhandlung am 15. Januar entscheiden. Damit beschäftigt sich Karlsruhe erstmals seit der Einführung von Hartz IV vor 14 Jahren mit den umstrittenen Sanktionen.
    Es sei menschenunwürdig, jemandem lebensnotwendige Mittel zu entziehen, hatten die Gothaer Richter argumentiert. Dies treibe Menschen in blanke Not, häufig verbunden mit Hunger, Obdachlosigkeit und gesundheitlichen Schäden. Betroffene verlören ihr Dach über dem Kopf, verschuldeten sich, würden in Schwarzarbeit oder Kriminalität gezwungen, heißt es. Wörtlich schreiben die Richter: »Die Folgen, die Sanktionen mit sich bringen, sind massiv und betreffen existentielle Bereiche menschlichen Überlebens wie die Versorgung mit Lebensmitteln, die ärztliche Versorgung oder die Existenz von Wohnraum.« Selbst schwere Straftaten dürften nicht mit derartigen Mitteln geahndet werden. Um solche gehe es dabei nicht einmal, sondern um unerwünschte Verhaltensweisen, wie etwa die Ablehnung eines Arbeitsangebots oder zu geringe Bewerbungsbemühungen. Die angedrohten Kürzungen von 30 bis 100 Prozent wirkten zudem wie ein mittelbarer Arbeitszwang. Den verbiete das Grundgesetz. (…)
    Die ehemalige Jobcentermitarbeiterin Inge Hannemann (Die Linke) wies am Montag im Gespräch mit junge Welt noch auf etwas anderes hin: »Die Gutscheine werden überhaupt nur als Darlehen gewährt«, erklärte sie. Betroffene müssen daher den Geldwert nach Ende der Sanktion in Raten von zehn Prozent vom Regelsatz abstottern. »Wenn Schulden hinzukommen wegen unbezahlter Rechnungen, Mietrückständen, Krankenkasse und so weiter, dann rutschen die Leute in eine Spirale, aus der sie oft nicht mehr herauskommen«, so Hannemann. Sie sei gespannt auf die Entscheidung, erwarte aber kein großes Zurückrudern nach 14 Jahren Hartz IV. »Möglicherweise werden sie die härteren Strafen für 15- bis 24jährige denen der Älteren anpassen, vielleicht auch fordern, den Jobcentern noch mehr Ermessensspielraum zu gewähren.« Letzteres würde ihrer Meinung nach »nur zu mehr Willkür führen«. Hannemann ist überzeugt, dass es letztlich um eine politische Entscheidung geht. Die Sanktionspraxis werde leider von breiten Bevölkerungsschichten mitgetragen.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Die von der Karlsruher Richterschaft zu überprüfenden Vorschriften – u.a. für die leidvollen Sanktionen und die Praxis von Darlehen und Gutscheinen – waren politische Absicht. Vor der Einführung der “Hartz-Gesetze” herrschten für die erwerbslosen Personen bessere Zustände. Oder sollten die Verantwortlichen, insbesondere die gelernten Juristen Wolfgang Clement als damals zuständiger Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und Gerhard Schröder als Bundeskanzler davon tatsächlich keine Ahnung gehabt haben? Das ist kaum vorstellbar …

  9. Schwarz-Blaue EU-Ratspräsidentschaft: Konzerne sind die großen Gewinner
    Rund zwei Wochen vor dem offiziellen Ende des österreichischen EU-Ratsvorsitzes hat der Nationalrat Bilanz über die vergangenen sechs Monaten gezogen. Auch wir haben uns die Ergebnisse der österreichischen Regierung in der EU angesehen: Während insgesamt wenig weitergegangen ist, können sich Verlags-, Atom- und Kohlekonzerne sowie Finanzspekulanten über die österreichische EU-Ratspräsidentschaft freuen. Eine Bilanz der Ratspräsidentschaft in drei Punkten.
    Quelle: Kontrast.at
  10. JEFTA bedient einmal mehr einseitig Konzerninteressen
    „Wenn das EU-Parlament JEFTA heute zustimmt, entfernt es sich noch weiter von den Interessen der Menschen. Europäischer Zusammenhalt braucht starke Arbeitnehmerrechte, soziale Gerechtigkeit, eine starke Demokratie, Umwelt- und Klimaschutz. All das wird durch JEFTA geschwächt”, erklärt Klaus Ernst, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der anstehenden Abstimmung über das japanisch-europäische Freihandelsabkommen im EU-Parlament. Ernst weiter:
    “JEFTA bedient einmal mehr einseitig Konzerninteressen. Schon zu seiner Vorbereitung traf sich die EU-Kommission zu 89 Prozent mit Wirtschaftslobbyisten, Gewerkschaften wurden gar nicht angehört – entsprechend sehen die Inhalte aus: Die regulatorische Kooperation, über die Beamte von EU-Kommission und japanischen Behörden wichtige Standards aufweichen oder abschaffen können, schwächt die demokratische Entscheidungsfindung.
    Was beschönigend ´wissenschaftsbasierter Ansatz` genannt wird, hebelt faktisch das fortschrittliche europäische Vorsorgeprinzip aus. Denn so können Produkte erst dann verboten werden, wenn ihre Schädlichkeit zweifelsfrei bewiesen ist. Außerdem erhöht sich der Liberalisierungsdruck auf die öffentliche Daseinsvorsorge.
    Gleichzeitig enthält das Nachhaltigkeitskapitel keine bindenden Verpflichtungen zu Klimaschutz, Arbeits- und Umweltstandards. Es bleibt in erster Linie zahnlose Kosmetik.
    Im Übrigen ist die Strategie der EU-Kommission, Konzernklagerechte extra zu verhandeln, um die Mitsprache der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten zu verhindern, unredlich. Fairer Handel, der das Wohl der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt, muss endlich zur Grundlage der EU-Handelspolitik gemacht werden.”
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
  11. Klimagipfel in Kattowitz: Raus aus der Kohle – aber sozialverträglich
    Der gerechte Übergang zu einer CO2-freien Wirtschaft ist ein Punkt auf der Agenda des UN-Weltklimagipfels. Großes Interesse besteht daher auch an der Kommission, die den deutschen Kohleausstieg gestalten soll. Umweltministerin Svenja Schulz erläuterte in Kattowitz, warum der länger dauert als geplant.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers A.L.: Raus aus der Kohle – aber sozialverträglich. Ein Widerspruch, den die Kommission nicht lösen kann. Sozialverträglich heißt, die Arbeitsplätze in der Kohleindustrie degressiv abzubauen. Die Frage steht seit langem im Raum, ohne dass eine Lösung von den Tarifpartnern für die Arbeitskräfte gesucht, gefunden und angeboten wurde. Warum das jetzt anders sein soll, wenn die Kommission es sich zur Aufgabe macht, bleibt zweifelhaft. Der CO²-Ausstoß, der aus der Kohleverbrennung herrührt, findet also länger als nötig statt. Ebenso die Landschaftszerstörung und die fließenden Gewinne der Konzerneigentümer.

  12. Attentat von Straßburg: „Ein Problem der Exklusion nicht der Religion“
    Die mutmaßliche Angreifer von Straßburg wurde offenbar im Gefängnis vom Kleinkriminellen zum Islamisten. Immer wieder radikalisieren sich Menschen in Haft, sagt unser Mitarbeiter Burkhard Birke. Doch die Gründe dafür befänden sich außerhalb der Gefängnismauern.
    Dass sich der mutmaßliche Attentäter von Straßburg, Chérif C., im Gefängnis radikalisierte, sei wahrscheinlich, sagt der frühere Frankreich-Korrespondent des Deutschlandfunks, Burkhard Birke.
    „Das ist ein Muster, das sich durch viele Profile der Attentäter der vergangenen Jahre zieht.“
    Kleinkriminelle würden sich im Gefängnis zu islamistischen Terroristen radikalisieren. Zu den bekannten Fällen gehören auch Mohammad Merah, der 2012 eine jüdische Schule in Toulouse angegriffen hatte, und Amedy Coulibaly, der in einem jüdischen Supermarkt in Paris mehrere Menschen getötet hatte.
    Chérif C. hatte am Dienstagabend auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt auf mehrere Menschen geschossen. Drei Menschen starben und 13 wurden verletzt. Der 29-jährige C. war in den vergangenen Jahren 27 Mal verurteilt worden wegen Diebstählen und Gewalttaten. Dafür saß er mindestens vier Jahre im Gefängnis. Ab 2016 saß er auch eine Haftstrafe in Konstanz und Freiburg ab, 2017 wurde er nach Frankreich verlegt.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  13. “Schattenarmee” soll Liste mit Gegnern erstellt haben
    Nachdem mehrere Medien über ein rechtsextremes Untergrundnetz aus Bundeswehrsoldaten berichtet haben, beschäftigt sich auch die Justiz mit den Vorwürfen. Der Generalbundesanwalt ist bei seinen Ermittlungen zu der angeblichen “Schattenarmee” auf eine Liste mit Namen vermeintlicher politischer Gegner gestoßen.
    Eine Vertreterin der Bundesanwaltschaft sagte im Innenausschuss des Bundestags, auf der Liste befänden sich auch Namen von Politikern. Wie mehrere Teilnehmer der nicht öffentlichen Sitzung weiter berichteten, wollten Mitglieder des Netzwerks diese Menschen “zur Rechenschaft ziehen”. Was darunter genau zu verstehen ist, blieb demnach offen.
    Ein früheres Mitglied der “Prepper”-Chatgruppen war Oberleutnant Franco A., der sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte. Ein Vertreter des Bundesamts für Verfassungsschutz sagte dem Ausschuss laut Abgeordneten, Franco A. und sein Umfeld seien klar rechtsextrem einzustufen.
    Der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, bestätigte demnach, der MAD habe einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) als “Auskunftsperson” eingesetzt. Dieser sei aber bewusst nicht zum V-Mann gemacht worden.
    Ausschussmitglied Benjamin Strasser (FDP) erklärte: “Unabhängig von den noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen sind die Regierung und insbesondere die Nachrichtendienste gefordert, weitere Erkenntnisse zu der Tiefe und dem Umfang dieser Netzwerke zu gewinnen.”
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Besteht ein Zusammenhang zur offenbar getätigten Äußerung des AfD-Politikers Höcke in Richtung Bundespolizei, sie solle “ihren Vorgesetzten nicht mehr zu folgen, mit der Drohung, dass sie nach der Machtübernahme „des Volkes“ zur Rechenschaft gezogen werden würden“?

  14. Die Rückkehr der Militärs
    Der neue Präsident Bolsonaro steht für einen autoritären Staat und marktradikale Politik. Die Gewerkschaft befürchtet einen sozialen Absturz
    Am Neujahrstag 2019 wird der frühere Hauptmann Jair Messias Bolsonaro als Brasiliens 42. Präsident sein Amt antreten. In Schlüsselstellungen seiner Regierung wird er etliche hohe Offiziere postieren, sein Vize wird der General der Reserve Hamilton Mourão. Wie Bolsonaro ist der ein Anhänger der Diktatur, die von 1964 bis 1985 im größten Land Südamerikas herrschte. Hunderte staatliche Morde an Oppositionellen gehen auf ihr Konto. Die Herrschaft der Generäle klang damals mit einer Generalamnestie aus, strafrechtlich blieben die Täter in Uniform unbehelligt.
    Das gilt auch für Bolsonaros Idol, den 1985 verstorbenen Oberst Brilhante Ustra, der das gefürchtete Folterzentrum DOI-CODI in São Paulo geleitet hatte. Bolsonaros eigene Militärlaufbahn als Fallschirmjäger liegt bereits länger zurück. Seit 27 Jahren gehört er als Abgeordneter aus Rio de Janeiro dem Nationalkongress an. Politisch reißen konnte er in all den Jahren nichts, dafür machte Bolsonaro mit frauenfeindlichen, homophoben und rassistischen Ausfällen Schlagzeilen.
    Quelle: ver.di publik
  15. 40 Jahre „Radikalenerlass: “Berufsverbote wirken nach
    Zu radikal, um Post auszutragen oder zu unterrichten? 1972 sollte sichergestellt werden, dass keine „Verfassungsfeinde“ im öffentlichen Dienst arbeiten. Besonders Lehrer wurden mit einem Berufsverbot belegt. Der „Radikalenerlass“ wurde später gekippt – viele Betroffenen kämpfen bis heute mit den Folgen.
    Die Geschichte eines Ex-„Ausbilders“ – Klaus Lipps aus Baden-Baden, pensionierter Gymnasiallehrer, berichtet: „Ich war Mitglied in der DKP. Ich bin ein Alt-68er, und ich habe mir nicht allzu viel dabei gedacht, weil: ich hatte ja nicht vor, etwas anzustellen. Ich war ja auch schon Lehrer in Bühl in Baden-Baden, ich wurde zitiert, der Verfassungsschutz hatte Erkenntnisse gemeldet.“
    Das war im Jahr 1974. Klaus Lipps wurde aus dem Schuldienst befördert, wegen angeblich verfassungsfeindlicher Umtriebe. „Man hat uns nie beweisen können, dass wir Verfassungsfeinde gewesen wären. Man hat uns beweisen können, dass wir Schmalzbrote geschmiert haben am DKP Stand. Solche Dinge hat man uns vorgeworfen“, sagt Lipp.
    Quelle: Deutschlandfunk
  16. Potenzial Ultralinker ist besorgniserregend
    Nachdem es letzte Woche so aussah, als würde die Linkspartei offiziell Distanz zu den Protesten in Frankreich halten, sich mit der Skepsis zieren, es vielleicht ja doch eher mit einer Bewegung von »ultrarechtem Potenzial« zu tun zu haben, konnte man sich dann am Wochenende doch noch darauf besinnen, sich solidarisch zu den Zielen der Männer und Frauen in gelben Westen zu bekennen. Schließlich konnte man sich darauf einigen, eine »Ermutigung für Deutschland« in den Ereignissen jenseits des Rheins zu vermuten. Zum Glück, denn eine Linke, die es ernst meint, kann sich keine Unnahbarkeit leisten in dieser Angelegenheit. Die meisten Ziele der französischen Bewegung könnten ja auch aus einem Wahlprogramm der Linken stammen – wenn auch nicht alle.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  17. Fabio De Masi “Ich bin ein investigativer Politiker”
    De Masi ist kein Gegner der Marktwirtschaft. „Ein Linker hat nichts gegen Märkte, wenn sie funktionieren.“ Im wichtigsten Markt sei das aber nicht der Fall. „Finanzmärkte haben mittlerweile eine nukleare Dimension erreicht. Ihre Funktion sollte eigentlich sein, Kapital zu Investoren zu lenken. Damit haben heutige Finanzmärkte nur noch wenig zu tun.“ Die Realwirtschaft sei da nur noch das Sahnehäubchen. Stärkere Regulierung sei nötig. Da sieht er sich sogar durch Leute von der anderen Seite bestätigt. „Die marktradikale Erzählung stimmt einfach nicht. Die echten Ordoliberalen haben auch schon verstanden, dass Märkte reguliert sein müssen – weil sonst Wirtschaftsmacht entsteht, welche den Wettbewerb erschlägt.“
    Und solche Mächte sieht er längst am Werk. „Blackrock & Co. sind klassische Oligopolisten“, sagt er über die großen global agierenden Vermögensverwalter, die allüberall mit dabei seien und so letztlich nie verlören. Dass Frankreich und Deutschland nun statt einer umfassenden Finanztransaktionssteuer nur die deutlich abgespeckte Version einer EU-Börsensteuer anpeilen, die weder den Turbohandel eindämmt noch die Derivate erfasst, ist für ihn eine Enttäuschung. Eine Erklärung: „Präsident Macron will keine echte Finanztransaktionssteuer, die auch Derivate einschließt, weil die französischen Universalbanken vollgepumpt sind mit toxischen Papieren.“ Und zum Debattenthema am Donnerstag, dem Entstehen und der Vermeidung von Finanzkrisen, hat er auch eine eindeutige Meinung. „Wenn viel billiges Geld im Markt ist, die Einkommen aber nicht steigen, dann wird nicht investiert, weil die Unternehmen kein Absatzplus erwarten. Das Geld fließt dann in die Finanzmärkte und führt zu Börsenpreisblasen.“
    Quelle: Tagesspiegel


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