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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. Januar 2019 um 8:43 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Gelbwesten
  2. US-Botschafter “abschieben” – Wir sind keine US-Kolonie!
  3. Man accused of shooting down UN chief: ‘Sometimes you have to do things you don’t want to…’
  4. Der Protest der Menschen muss auf die Straßen und ins Parlament
  5. Merkel fordert Fortsetzung des Reformkurses
  6. Kramp-Karrenbauer will Betriebe bei Abgaben entlasten
  7. Hartz IV
  8. Neues Sozialsystem ist lahmgelegt
  9. »Um den Pflegenotstand zu stoppen, reichen Spahns Pläne nicht«
  10. Miete rauf, Rente runter
  11. Deutschlands nächstes Milliardengrab
  12. Deutsche Fußballklubs entdecken Türkei wieder
  13. Von der Leyen und das “Gorch Fock”-Debakel
  14. Zum Boxen nach Kiew
  15. Warum wählen Arbeiter die AfD?
  16. „Lügenpresse“ verbreitet AfD-Version der Attacke auf Bremer AfD-Chef
  17. Schöne Geschichte!
  18. „Die Welt lernt nicht dazu“

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Gelbwesten
    1. Alles kommt an die Oberfläche
      Ihre Zukunft ist ungewiss. Doch dank der Gelbwesten kennt ganz Frankreich Macrons lange Liste sozialer Grausamkeiten.
      Paris, 15. Dezember 2018. Auf der Place de l’Opéra verlesen drei Gelbwesten eine Rede „an das französische Volk und Präsident Emmanuel Macron“. Gleich zu Beginn verkünden sie: „Diese Bewegung gehört niemandem und allen. Sie ist der Aufschrei eines Volkes, dem seit vierzig Jahren alles geraubt wird, was es früher an seine Zukunft und seine Größe hat glauben lassen.“
      In kaum einem Monat ist aus dem Zorn über eine Benzinsteuer eine allgemeine Empörung über die soziale Lage und die Defizite der Demokratie gewachsen. Die Bewegung geht von einer kaum organisierten Bevölkerungsschicht aus, die sich in kürzester Zeit politisiert hat. Nur anderthalb Jahre nachdem Frankreich einen Präsidenten gewählt hat, der sich rühmte, die beiden großen Volksparteien der letzten vierzig Jahre hinweggefegt zu haben, sieht sich das Volk „seiner Zukunft beraubt“.
      Nun also der Absturz. Wie bei den anderen Wunderkindern seines Schlags, etwa Laurent Fabius, Tony Blair oder Matteo Renzi. Für das liberale Bürgertum ist die Enttäuschung riesig. Nach der Präsidentschaftswahl hatte es gehofft, Frankreich sei in stürmischen Zeiten zu einer Insel der Seligen geworden. Nach Macrons Krönung zu den Klängen der „Ode an die Freude“ stellte ihn die britische Wochen­zeitung The Economist als strahlenden Jesus dar, der übers Wasser läuft. (…)
      Dank der Gelbwesten kennt nun jeder die Liste der von der aktuellen Regierung begangenen Ungerechtigkeiten: Kürzung des Wohngelds (APL) um 5 Euro monatlich bei gleichzeitiger Senkung der Steuern auf Kapitalerträge; Streichung der Vermögensteuer (ISF) bei gleichzeitigem Kaufkraftschwund für Rentner. Und nicht zu vergessen die teuerste Maßnahme: die Steuergutschrift für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (CICE) für Unternehmen.
      Im nächsten Jahr wird der reichste Mann Europas Bernard Arnault, dem unter anderem die Supermarktkette Carrefour und der Luxusgüterkonzern LVMH sowie die Tageszeitungen Le Parisien und Les Échos gehören, gleich zweimal von den Vergünstigungen profitieren.
      Quelle: taz
    2. Insistierende Mobilisierung
      Zum “Acte IX” kamen 84.000 in ganz Frankreich nach offiziellen Quellen, inoffizielle gehen von weit mehr aus. Die Protestbewegung zeigte sich in vielen Städten
      Es kamen mehr als am letzten Samstag. Um 19 Uhr nannte das französische Innenministerium die Zahl von 84.000 Demonstranten in ganz Frankreich, die dem Aufruf zum “Acte IX” der Gilets Jaunes gefolgt waren. Am Samstag zuvor, dem achten seit Beginn der Proteste, hatte man als offizielle Teilnehmerzahl 50.000 angegeben.
      Der Protest der Gelbwesten geht weiter, hieß es vor einer Woche nach den vorangegangenen Wochenenden in der Weihnachts- und Neujahrszeit mit deutlich weniger Teilnehmern als zuvor. Gestern kamen nach offiziellen Zahlen 34.000 mehr.
      Wie das üblich ist, melden andere Quellen mehr Teilnehmer als das Ministerium unter Leitung von Christophe Castaner, der nicht daran interessiert ist, den Gelbwesten über solche Zahlen größeres Gewicht zuzuschreiben als nötig. Gar von 360.000 Teilnehmern liest man bei der Gewerkschaft Syndicat France Police-Policiers en Colère als Schätzung für 17 Uhr.
      Wo groß die wirkliche Teilnehmerzahl war, bleibt kontrovers. Als verlässlich gilt die Zahl von 80.000 Sicherheitskräften, die gestern im ganzen Land im Einsatz waren. Und die Liste der Städte, wo sich die Gilets Jaunes trafen, ist sehr lang: Reims, Annecy, Rouen, Bourges, Tours Poitiers, Angers, Cholet, Nantes, Vannes, Rennes, Quimper, Brest, Cherbourg, Caen, Creil, Arras, Lille, Lens, Epernay, Laon, Sedan, Verdun, Strasbourg, Metz, Nancy, Grenoble, Nice, Menton, Lyon, Montpellier, Marseille, Nîmes, Toulon, Saint-Brieuc, Saint-Étienne, Saint Nazaire, Clermont-Ferrand, Amiens, Dijon, Le Mans, Avignon, Toulouse, Bordeaux und Paris.
      Quelle: Telepolis
  2. US-Botschafter “abschieben” – Wir sind keine US-Kolonie!
    Wieder einmal ist US-Botschafter Richard Grenell ins Fettnäpfchen getreten. Er verschickte Drohbriefe an deutsche Firmen, um sie davor zu warnen, weiter an der Erdgas-Leitung “Nordstream 2” von Russland über die Ostsee nach Deutschland mitzuarbeiten.
    Der Mann ist ein Wiederholungstäter, er ist untragbar geworden. Er ist nicht bereit, das deutsche Grundgesetz zu achten. Das sieht nicht vor, dass ausländische Botschafter bestimmen, mit welchen Firmen deutsche Unternehmen Geschäfte machen dürfen.
    Wenn Merkel und Maas Mumm hätten, würden sie diesen “Diplomaten” “abschieben” und ihm ein Rückflug-Ticket in die USA schicken.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

    Dazu: US-Botschafter Grenell schreibt Drohbriefe an deutsche Firmen
    Der Botschafter der USA in Deutschland, Richard Grenell, könnte erneut für diplomatische Spannungen zwischen den USA und Deutschland sorgen: Offenbar hat Grenell an mehrere deutsche Unternehmen, die am Bau der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt sind, Drohbriefe geschrieben. Darin warnt er nach Angaben der “Bild am Sonntag” vor US-Sanktionen, sollten die Firmen sich weiter an dem Projekt beteiligen. (…)
    Die direkte Einmischung von US-Botschafter Grenell durch die Briefe geht jedoch über diese Drohung hinaus und ist sehr ungewöhnlich. Wie die “Bild am Sonntag” aus dem Schreiben zitiert, sehe Grenell durch den Bau der Pipeline eine steigende Gefahr russischer Interventionen. Durch Nord Stream 2 und ebenso durch die “Turk Stream”-Pipeline würde der bisherige europäische Gasimport über die Ukraine überflüssig, wodurch die Ukraine an sicherheitspolitischer Bedeutung verlöre.
    Grenell kritisiert demnach auch, dass sich die EU in ihrer Energiesicherheit von Russland abhängig mache. “Im Ergebnis untergraben Firmen, die den Bau beider Pipelines unterstützen, aktiv die Sicherheit der Ukraine und Europas.” Der Botschafter droht: “Wir betonen, dass Firmen, die sich im russischen Energieexportsektor engagieren, sich an etwas beteiligen, das ein erhebliches Sanktionsrisiko nach sich ziehen könne.”
    Die Briefe verschickte Grenell nach Recherchen der “Bild am Sonntag” wohl in Abstimmung mit verschiedenen US-Behörden an mehrere deutsche Konzerne. Im Auswärtigen Amt stießen die Briefe demnach auf Unverständnis, Grenells Vorgehen entspreche nicht den diplomatischen Gepflogenheiten. Offiziell hat sich das Ministerium jedoch noch nicht geäußert. Ein Sprecher Grenells sagte der Zeitung, der Brief sei nicht als Drohung aufzufassen, “sondern als klare Botschaft der US-Politik”.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Ob diese Bundesregierung – und insbesondere Außenminister Maas – wenigstens in dieser Angelegenheit standhaft bleibt?

  3. Man accused of shooting down UN chief: ‘Sometimes you have to do things you don’t want to…’
    Exclusive research reveals that a British-trained Belgian mercenary admitted the killing of Dag Hammarskjöld in 1961
    RAF veteran ‘admitted 1961 killing of UN secretary general’
    Jan van Risseghem was only a teenager when his mother ordered him to flee Nazi-occupied Belgium for her native England with his brother Maurice. After hiding in a convent, and an epic journey across the war-torn continent, they reached safety in Portugal, then took a ship north.
    Once in England, the pair signed up with the Belgian resistance, and with the help of an uncle enrolled for flight training with the RAF, a decision that shaped not just their war, but the rest of their lives.
    Half a century later, flying skills he learned in Britain would also make the younger van Risseghem internationally notorious, when he was publicly linked to the plane crash that killed Swedish diplomat Dag Hammarskjöld, the UN secretary general, in 1961.
    Quelle: The Guardian

    Anmerkung Albrecht Müller: Ein ausgesprochen interessanter Bericht. Es geht um den Tod des UN Generalsekretärs im Jahre 1961 – ein Auftragsmord, wie vermutlich auch in anderen Fällen, zum Beispiel Olof Palme. Mord ist offensichtlich Teil imperialer Politik, gerade auch des Westens. – Marco Wenzel hat den Artikel übersetzt. Danke vielmals.

    Ein Mann wird beschuldigt, den UN-Chef erschossen zu haben: “Manchmal muss man Dinge tun, die man nicht will….”.
    Exklusive Untersuchungen enthüllen, dass ein in Grossbritannien ausgebildeter belgischer Söldner gestanden hat, Dag Hammarskjöld im Jahr 1961 ermordet zu haben.
    RAF-Veteran “gab 1961 die Ermordung des UN-Generalsekretärs zu”
    Jan van Risseghem war erst ein Teenager, als seine Mutter ihm befahl, aus dem von den Nazis besetzten Belgien mit seinem Bruder Maurice nach England, ihrem Heimatland, zu fliehen. Nachdem sie sich in einem Kloster versteckt hatten und eine erlebnisreiche Reise über den vom Krieg zerrütteten Kontinent unternommen hatten, erreichten sie sicher Portugal und nahmen von dort ein Schiff nach Norden.
    In England angekommen, meldeten die beiden sich beim belgischen Widerstand. Ein Onkel half ihnen dabei, ihnen eine Flugausbildung bei der RAF zu ermöglichen, eine Entscheidung, die nicht nur ihre Kriegserlebnisse, sondern auch den Rest ihres Lebens prägte.
    Quelle: The Guardian, deutshe Übersetzung von Maro Wenzel

  4. Der Protest der Menschen muss auf die Straßen und ins Parlament
    Diskussionen in der Politik und in den Parteien sollte man nicht als Krach oder Streit diffamieren, denn “Diskussionen müssen sein”, sagt Oskar Lafontaine im SR-Interview. Entscheidend sei, dass es zivilisiert zugehe. Es gebe auf die anstehenden großen Herausforderungen keine einfachen Antworten und deshalb seien Diskussionen auch so wichtig.
    Für die Linke sieht er – auch mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen – die Notwendigkeit, sich breiter aufzustellen. Sie müsse besser werden, wenn es darum gehe, “die Interessen der Vielen zu vertreten”. Viele würden gar nicht mehr zur Wahl gehen, weil sie das Gefühl haben, dass für sie sowieso niemand was tue. Und die Zahlen seien eindeutig. Weit über 40 Prozent der Menschen seien abgehängt, hätten nicht mehr das Einkommen wie in den 90er Jahren, so Lafontaine. “Wir müssen den Protest dieser Menschen auf die Straße bringen und ins Parlament.”
    Quelle: SR 3
  5. Merkel fordert Fortsetzung des Reformkurses
    Trotz der schmerzhaften Auswirkungen auf die Bürger müsse man auch die Fortschritte sehen und diesen Weg weitergehen, sagte Merkel zum Abschluss ihres zweitägigen Besuchs in Athen. Nur so könne sich die Wirtschaft weiter entwickeln.
    Zuvor hatte die Kanzlerin mit dem griechischen Präsidenten Pavlopoulos über die Reparationsforderungen wegen der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg in Höhe von 289 Milliarden Euro gesprochen. Pavlopoulos schlug vor, die Frage juristisch auf der europäischen Ebene zu klären. Merkel sagte, ihr seien die Verbrechen der Nationalsozialisten bewusst. Als Lehre daraus tue Deutschland alles, um gute Beziehungen zu Griechenland zu unterhalten und sich gegenseitig im Interesse beider Staaten zu unterstützen.
    Quelle: Dlf 24

    Anmerkung Christian Reimann: Die noch amtierende Bundeskanzlerin verschweigt: Deutschland verdient an Griechenland-Krise. Bei einer Fortsetzung dieses „Reformkurses“ profitiert vermutlich mehr die deutsche Elite in Unternehmen und Politik als die Bevölkerung in Griechenland.

    Dazu: Die Ärmeren trifft es am härtesten
    Kanzlerin Merkel besucht Griechenland und zeigt Verständnis für die Menschen, die dort zu leiden haben. Gerade so, als hätte sie damit nichts zu tun. Der Leitartikel. (…)
    Angela Merkel und die Mehrheit der EU-Länder sind von der Notwendigkeit dieses massenhaften Leidens deshalb überzeugt, weil sie bestimmten Regeln zum Erreichen nationaler „Wettbewerbsfähigkeit“ folgen.
    Erstens: Die Staaten, jeder für sich, haben bei den Ausgaben so lange zu sparen, bis ihre Verschuldung unter ein bestimmtes Niveau gesunken oder am besten ganz verschwunden ist. Die Steuern für Reiche zu erhöhen, um den Haushalt durch mehr Einnahmen auszugleichen, ist nicht vorgesehen. Wenn, dann wird die Mehrwertsteuer erhöht, wie sowohl die Kanzlerin Merkel als auch ihr Gastgeber am Donnerstag, Griechenlands ehemals linker Regierungschef Alexis Tsipras, dies getan haben. Dass dies die Ärmeren am härtesten trifft, die einen großen Teil ihres Einkommens für den Konsum benötigen, wird in Kauf genommen. (…)
    Zweitens: Das Ziel besteht darin, den jeweiligen Staat, als wäre er ein Unternehmen, an „den Märkten“ wieder kreditfähig zu machen. Das ist es, was Merkel meint, wenn sie vom „Abschluss des dritten Programms“ spricht: Griechenland „darf“ sich wieder bei der Finanzindustrie verschulden, wenn auch nur bescheiden.
    Drittens: Unter „Hilfe“ der EU-Partner verstehen Merkel und die EU die jetzt beendete Bereitstellung von Krediten, die zum überwiegenden Teil in die Stabilisierung der griechischen Banken und nur zum geringen Teil in Investitionen geflossen sind, wenn überhaupt. Von einer Art Solidarpakt, mit dem die ökonomischen Unterschiede zumindest teilweise ausgeglichen und Investitionen in eine echte Wettbewerbsfähigkeit finanziert würden, ist keine Rede. Er gälte als – pfui! – „Transferunion“.
    Viertens: Die „Wettbewerbsfähigkeit“, die mit all dem erreicht werden soll, besteht vor allem darin, dass jedes Land seine Produkte möglichst gut (und günstig) auf dem Weltmarkt verkaufen kann. So wie Deutschland das mit seinen Exportüberschüssen, die übrigens gegen die Regeln der EU verstoßen, Jahr für Jahr tut. Dass die Überschüsse der einen notgedrungen immer auch Defizite von jemand anderem sind, wird in dieser Logik schlicht ignoriert.
    Das ist die Systematik, die sich im europäischen Binnenmarkt und im gemeinsamen Währungsraum durchgesetzt hat, als wäre sie „alternativlos“. Die Politik nimmt damit nicht nur die soziale Enteignung und die Verarmung von Millionen Menschen in Kauf. Sie fördert auch antieuropäische Stimmen und Stimmungen, bei denen sich am Ende die neuen Parteien von ganz rechts bedienen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung unseres Lesers P.R.: was die sogenannten Hilfeleistungen an Griechenland angingen und angehen, wurde bei uns in der Presse gelogen, dass sich die Balken biegen. Daran gemessen ist dieser Artikel aus der Frankfurter Rundschau vergleichsweise realistisch und ehrlich, was in gewisser Hinsicht ein Lichtblick ist.

  6. Kramp-Karrenbauer will Betriebe bei Abgaben entlasten
    Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer will die deutsche Wirtschaft mit Reformen vor einem Abschwung bewahren. „Wir müssen überlegen, wie wir die Binnenkonjunktur und unsere Wettbewerbssituation stärken können, etwa indem wir die Abgabenlast für Betriebe verringern durch eine Unternehmenssteuerreform“, sagte sie der „Welt am Sonntag“.
    Sie verstehe nicht, dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Steuerentlastungen erst bei einer konjunkturellen Eintrübung vorsehe. „Es wäre sinnvoller, diese Entlastung von Anfang an zu ermöglichen und nicht erst darauf zu warten, dass die Konjunktur schwächer wird“, sagte Kramp-Karrenbauer. Der Handelskrieg zwischen den USA und China setze die deutsche Industrie unter Druck.
    Gleichzeitig befände sich Deutschland mit der sozialen Marktwirtschaft in einem Systemwettbewerb etwa mit der chinesischen Wirtschaft. „All das sind Entwicklungen, die wir aktiv angehen müssen“, sagte die CDU-Chefin. Kramp-Karrenbauer kritisierte zudem SPD und Linkspartei. Diese würden die Diskussion über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für eine Neiddebatte missbrauchen. „Sie bezeichnen die zehn Prozent der Bevölkerung, die bisher nicht entlastet werden, als superreich“, betonte sie. „Dass es sich dabei oft um kleinere und mittlere Unternehmen handelt, die sehr wohl entlastet werden müssen, verschweigen sie.“
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Mit der Forderung nach Unternehmensteuersenkungen und der offensichtlichen Falschbehauptung, (weitere) Unternehmensteuersenkungen würden die Konjunktur anregen, stellt sich AKK auf die Seite von Wirtschaftsminister Altmaier, der jede Woche Unternehmensteuersenkungen fordert, von Friedrich Merz, dem CDU-Wirtschaftsrat und weiteren CDU-Vereinigungen. Wenn also z. B. die CDU-Mittelstandsvereinigung oder Merz zu Recht als Wirtschaftslobbyisten und Neoliberale genannt werden, dann gehört AKK direkt dazu. Und daß Scholz – wie hier geschrieben – ebenfalls “Steuerentlastungen erst bei einer konjunkturellen Eintrübung” plant, beweist zum x-ten Mal, daß die SPD aus demselben Holz geschnitzt ist. Das Pseudo-Umfallen selbst bei der sogenannten SPD-Linken dürfte leider nur noch eine Frage von Wochen sein.

    Ergänzende Anmerkung Christian Reimann: Frau Kamp-Karrenbauer erweist sich mit dieser Forderung als willige Helferin der Industrie und ihrer Lobby. Bitte lesen Sie dazu auch Eine Unternehmenssteuerreform ist das Gebot der Stunde.

  7. Hartz IV
    1. Linksfraktion will neue Form der Arbeitslosenhilfe
      Wer 20 Jahre und länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe, dürfe nicht Gefahr laufen, bei längerer Arbeitslosigkeit alles zu verlieren, sagte Fraktionschefin Wagenknecht nach einer Klausurtagung der Bundestagsfraktion in Berlin. Ziel müsse es sein, dass diejenigen, die lange eingezahlt hätten, ihren Lebensstandard im Großen und Ganzen halten könnten. Das Konzept knüpfe an die Arbeitslosenhilfe an, wie es sie in Deutschland bis 2004 gab.
      Die Linke will vor den anstehenden Landtagswahlen den Dialog mit SPD, Grünen und Gewerkschaften suchen und Alternativen zu Hartz IV diskutieren. Fraktionschef Bartsch erklärte, Maßstab bei den Wahlen müssten Mehrheiten jenseits der CDU sein.
      Quelle: Dlf 24
    2. Sozialverband nennt Hartz-IV-Sanktionen grundgesetzwidrig
      Der Sozialverband VdK will vor dem Bundesverfassungsgericht für die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen eintreten. “Die Sanktionsvorschriften im Sozialgesetzbuch sind verfassungswidrig”, sagt Verbandspräsidentin Verena Bentele. Sie ist am Dienstag als Sachverständige zu einer mündlichen Verhandlung in Karlsruhe geladen.
      Das Gericht muss die Frage klären, ob die Kürzung von Leistungen bei Hartz-IV-Empfängern mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Sozialgericht Gotha hat die Verfassungsrichter um Prüfung gebeten. “Die Folgen können Menschen nicht nur in ihrer sozialen Teilhabe massiv einschränken, sondern auch die Existenz bedrohen”, sagt Bentele. Es gebe keine Belege dafür, dass die Sanktionen die langfristige Eingliederung in den Arbeitsmarkt förderten. Stattdessen führten sie häufig in eine Verschuldungsspirale. Da bei den Strafen weder die persönlichen Umstände berücksichtigt würden noch Härtefallregelungen vorgesehen seien, so Bentele, seien diese “unverhältnismäßig “.
      Von September 2017 bis August 2018 haben die Jobcenter 931.000 neue Sanktionen verhängt, etwa 77 Prozent davon wegen Meldeversäumnissen. Betroffen waren rund drei Prozent der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünenfraktion hervor. Im Durchschnitt wurden dabei die Leistungen um 110 Euro gekürzt, knapp 13 Euro betrafen im Schnitt Kürzungen bei den Wohnkosten.
      Quelle: Spiegel Online

      Dazu: Sanktionen in Hartz IV nicht mit der Verfassung vereinbar
      Tacheles e.V. hat in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe zu Beginn des Jahres eine Online-Befragung zu den Sanktionen im Sozialgesetzbuch II („Hartz IV“) durchgeführt. Die Beteiligung hat die Erwartungen bei weitem übertroffen. Mehr als 21.000 Menschen haben von ihren Erfahrungen mit Sanktionen im SGB II berichtet und ihre Einschätzungen mitgeteilt
      Teilgennomen haben nicht nur LeistungsbezieherInnen, sondern auch viele Menschen aus dem sozialen Bereich, die mit LeistungsbezieherInnen arbeiten und sie unterstützen, Auch Rechtsanwälte und viele MitarbeiterInnen von Jobcentern haben sich geäußert. Tacheles e.V. wird die Auswertung am kommenden Dienstag in der mündlichen Verhandlung einbringen und dann online zur Verfügung stellen.
      Thomé ergänzt: „Unsere Befragung hat ergeben, dass über 80 Prozent aller Antwortenden Sanktionen als nicht für ein Mittel halten, das geeignet ist, eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Sanktionen haben verheerende Auswirkungen auf die Lebenssituation der davon betroffenen Leistungsberechtigten. Nicht selten führen sie unmittelbar in Wohnungslosigkeit, Energieverlust und eine Schuldenspirale. Auch die JobcentermitarbeiterInnen sind der Auffassung, dass Arbeitsuchende in erster Linie mehr Unterstützung und bessere Beratung brauchen, um unabhängig von Unterstützung zu werden.“
      Neben den Befragungsergebnissen, die statistisch ausgewertet werden können, hat Tacheles fast 7.000 Mitteilungen von Betroffenen erhalten: „Diese werden wir am 15. Januar 2019 dem Verfassungsgericht komplett übergeben. Meist wird nur über die Hartz IV-Bezieher*innen geredet. Wir wollen sie mit der Veröffentlichung der Rückmeldungen selbst beim Gericht zu Wort kommen lassen.“ , so Thomé weiter.
      Tacheles e.V. ist der Auffassung, dass die Sanktionen im SGB II nicht mit der Verfassung vereinbar sind, weil sie denen, die sie treffen, die grundlegende Anerkennung als Menschen versagen. Diese grundlegende Anerkennung steht im Kern des Menschenwürdegrundsatzes aus Art. 1 Abs. 1 GG. Tacheles appelliert daher an das Bundesverfassungsgericht, die Sanktionen im SGB II für verfassungswidrig zu erklären.
      Quelle: Tacheles e.V.

  8. Neues Sozialsystem ist lahmgelegt
    Die lange geplante und äußerst kontroverse ­Sanierung des britischen Sozialleistungsprogramms ist wieder lahmgelegt. Die konservative Arbeitsministerin Amber Rudd kündigte Änderungen am „Universal Credit“ (UC) genannten System an und will die weitere Umstellung darauf fürs Erste stoppen. Rudd sprach davon, dass das System „mehr Mitgefühl“ haben müsse und momentan noch nicht richtig funktioniere. Nach diesen Verbesserungen solle das neue Programm dennoch bis 2023 im ganzen Land eingeführt werden.
    UC, eines der großen Projekte der seit 2010 konservativ geführten Regierung Großbritanniens, sollte sechs verschiedene Leistungen in einer einzigen monatlichen Auszahlung bündeln. Neben 8 Milliarden Pfund (9 Milliarden Euro) an Einsparungen sollte UC die Empfänger*Innen eigenverantwortlicher machen und so 300.000 Arbeitslosen zur Arbeit verhelfen.
    Doch bereits 2013, also von Anfang an, gab es technologische und administrative Problemen. So blieb UC lange im Teststadium für nur wenige Zehntausend Menschen. Immer wieder traten Probleme auf – und es gab heftige Kritik.
    Als problematisch erwies sich insbesondere eine sechswöchige Übergangslücke zwischen den alten Sozialleistungen und dem neuen System, sodass Menschen teilweise mittellos dastanden. Zudem sieht UC ein Limit vor, sodass Familien mit mehr als zwei Kindern bei weiterem Nachwuchs nicht noch zusätzliche Zahlungen für diesen bekommen. Letzteres soll sich ändern, erklärte Rudd jetzt.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Das britische System von Sozialleistungen ist durch Thatcher, später Blair und Cameron, wiederholt kaputtgespart worden mit der wirklich wahnsinnigen Begründung, das Land könne sich dieses System nicht leisten (im Gegensatz zu vielfach höheren Steuergeschenken an Reiche und Unternehmen) und der Behauptung, damit könne man die Arbeitslosen zur “Eigenverantwortung” animieren, d. h. zur Annahme von noch so schrecklichen und noch so schlecht bezahlten Jobs. Daß diese unglaubliche zynische Argumentation (“Sanierung des britischen Sozialleistungsprogramms” durch “8 Milliarden Pfund […] an Einsparungen soll[…] die Empfängerinnen eigenverantwortlicher machen und so 300.000 Arbeitslosen zur Arbeit verhelfen”) wortwörtlich, ohne Sarkasmus und Anführungszeichen, von der taz affirmativ aufgegriffen wird, ist leider nur typisch für diese mit den Grünen weit nach rechts gewanderte Zeitung. Alleine, daß man die schon für Familien mit zwei Kindern viel zu geringen Regelleistungen bei größeren Familien nicht aufstocken will, ist pervers. Hier wird beschrieben, wie alleine seltsame Regelungen zu noch weiteren Kürzungen führt, was sogar den britischen Richtern als asozial auffiel. Die taz dagegen schwätzt von einem “Neuen Sozialsystem”, obwohl UC nicht einmal die grundlegendsten Fürsorgeleistungen beinhaltet.

  9. »Um den Pflegenotstand zu stoppen, reichen Spahns Pläne nicht«
    Das Selbstlob des Gesundheitsministeriums ist bei genauerem Hinsehen große Augenwischerei. Ohne Gesamtkonzept, ohne echten Reformwillen und ohne politische Orientierung doktert Minister Spahn an den Auswüchsen der verfehlten Pflegepolitik der letzten Jahrzehnte herum. Und so muss hinter jeden Schritt für die Pflege ein großes ABER gesetzt werden, weil zu wenig getan und orientierungslos vorgegangen wird. Um den Pflegenotstand zu stoppen, reicht das nicht.
    2019 werden mehr Pflegestellen finanziert. In der Altenpflege werden 13.000 neue Stellen geschaffen. ABER die Arbeitsbedingungen und die Gehälter in der Pflege sind so schlecht, dass ausgeschriebene Stellen monatelang unbesetzt bleiben. Fast die Hälfte der Altenpfleger*innen sind über 50 Jahre alt, viel zu wenige werden ausgebildet und die Menschen werden immer älter.
    In den Krankenhäusern werden mehr Pflegestellen finanziert. In diesem Jahr übernehmen die Krankenkassen die Kosten für jede neu geschaffene und jede aufgestockte Stelle in der Pflege am Bett. Ab 2020 werden die Personalkosten für Pflegekräfte nicht mehr durch die Fallpauschalen (unter)finanziert, sondern kostendeckend erstattet. Das ist ein Fortschritt, der für alle Berufsgruppen im Krankenhaus gelten muss.
    ABER um dem Pflegenotstand in Krankenhäusern ein Ende zu bereiten, greift diese Regelung zu kurz: Noch immer verweigert die Bundesregierung eine gesetzliche Personalbemessung, die sich am pflegerischen Bedarf orientiert. Die sogenannten Personaluntergrenzen sind ein großer Bluff und eine herbe Enttäuschung für alle Pflegekräfte und Patient*innen. Sie gelten nur in sehr wenigen Bereichen und werden keine spürbare Wirkung haben.
    Es kommt Bewegung in die Pflege, weil auch viele Arbeitgeber*innen erkannt haben, dass sie etwas tun müssen, um die Fachkräfte zu halten. So werden plötzlich immer häufiger Tariflöhne gezahlt. ABER durch die Gehaltssteigerungen werden die Eigenanteile für die Bewohner*innen in den Pflegeheimen dramatisch teurer. Und da die Pflegeversicherung nur eine Teilleistungsversicherung ist, müssen die Betroffenen und ihre Familien das bezahlen. Die Kosten tragen also die Menschen mit Pflegebedarf, auch wenn die Arbeitgeber*innen sich mit den Erfolgen brüsten. Die Interessen der Pflegekräfte dürfen aber nicht gegen die Interessen der Menschen mit Pflegebedarf ausgespielt werden.
    Quelle: Die Linke. im Bundestag
  10. Miete rauf, Rente runter
    Wird sie sich diese Stadt, in der sie seit 20 Jahren lebt, als Rentnerin überhaupt noch leisten können?
    Viele Bürgerinnen und Bürger müssten sich diese Frage stellen, besonders in den Großstädten, findet Matthias Günther: “Deutschland steht ein Alterswohnproblem bevor. Die Entwicklung wird einem Großteil der Seniorenhaushalte in Deutschland zu schaffen machen”, warnt der Vorstand des Pestel-Instituts in Hannover. Das Institut wurde vom einstigen niedersächsischen Wissenschaftsminister Eduard Pestel gegründet und hat sich auf die Erstellung von Szenarien für den Wohnungsmarkt spezialisiert. Sein neuestes Szenario sieht so aus: Weil die Renten künftig schrumpfen, die Wohnkosten dagegen steigen, müssten eigentlich massenhaft Senioren in kleinere Wohnungen umziehen. “Aber genau davon gibt es viel zu wenige”, sagt der Ökonom Günther. Und vor allem gebe es noch weniger seniorengerechte Wohnungen, bundesweit nämlich nur 700.000. Etwa drei Millionen altersgerechte Wohnungen fehlten auf absehbare Zeit, beziffert das Pestel-Institut. Zu dieser Zahl kam schon das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in seinen Studien. Günther sagt es so: “Deutschland steuert sehenden Auges auf die graue Wohnungsnot zu.”
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die übliche Fehlinformation aka Fake News. Die Wohnungsnot droht nicht nur, z. B. in 10 oder 15 Jahren, sie ist schon lange da. Viele Rentner können sich inzwischen Wohnungen in Großstädten nicht mehr leisten und wandern in die noch günstige ostdeutsche Provinz oder gleich ins billigere Ausland aus. Und daß die ZEIT hier wortreich Krokodilstränen vergießt, soll wohl übertünchen, daß sie sich seit vielen, vielen Jahren ganz im neoliberalen Geist der Agenda 2010 durchgehend für Lohnsenkungen und Rentenkürzungen eingesetzt hat. Das Ergebnis ist nur logisch.

    Anmerkung Christian Reimann: Das ist auch eine Folge des neoliberalen Privatisierungswahns, der hier nicht einmal erwähnt wird: Viele Kommunen haben ihre Wohnungsbestände verkauft. Betroffen waren und sind insbesondere die kleinen und günstigen Wohnungen, die nun – z.B. nach Renovierungsarbeiten – Höchstpreise erzielen können. Die (privaten) Immobilienkonzerne dürften kein Interesse an günstigen Mieten haben – ein Beispiel: Vonovia senkt die Mieten in Osnabrück-Schinkel nun doch nicht.

    Übrigens: Wesentlichen Anteil an dieser verschlechterten Situation rund um das Thema Wohnungen hat die Regierung von Helmut Kohl. Während seiner Kanzlerschaft ist die Gemeinnützigkeit aller Wohnungsgenossenschaften in Deutschland abgeschafft und die Eigenbedarfskündigung erfunden worden. Bitte lesen dazu erneut Werner Rügemers Text Nichts zu danken: Helmut Kohl war nicht nur zufällig korrupt.

  11. Deutschlands nächstes Milliardengrab
    Nie wieder Banken aufpäppeln mit dem Geld der Steuerzahler, lautete ein Versprechen der Politik nach der Finanzkrise. Doch nach dem verlustreichen Debakel um die HSH Nordbank droht genau das im Norden der Republik.
    Wenn Niedersachsen einen Wettbewerb über Schönrednerei in der Politik starten würde, hätten Peter-Jürgen Schneider und Reinhold Hilbers beste Chancen auf den Siegerlorbeer. Der eine war bis November 2017 Finanzminister, der andere folgte ihm auf dem Posten. Beide übten sich darin, die desaströse Lage der Norddeutschen Landesbank (NordLB) zu verharmlosen. (…)
    Fest steht: Aus eigener Kraft ist das Unternehmen nicht in der Lage, die Erwartungen der EU-Bankenaufsicht zu erfüllen, die nötigen Milliarden in den ersten drei Monaten 2019 aufzutreiben. Die Brüsseler Wächter passen sehr genau auf, woher das Geld kommen wird. Beim Verdacht einer verkappten Subvention würden sie wie einst bei der WestLB rigoros einschreiten.
    Das Problem muss allen voran das Land Niedersachsen lösen, dem 60 Prozent der Bank gehören. Die Sparkassen sind mit gut 26 Prozent beteiligt, Sachsen-Anhalt mit knapp sechs Prozent. Dem Finanzminister bleiben theoretisch zwei Varianten: Steuergeld aus der Landeskasse nachschießen oder private Geldgeber an Bord holen. (…)
    Tatsächlich klopften schon Mitte 2018 Privatinvestoren bei Hilbers an. Der Christdemokrat steht der Beteiligung privaten Kapitals aufgeschlossener gegenüber als die SPD, mit der die CDU in Niedersachsen regiert. Die Gewerkschaft Verdi lehnt eine Privatisierung strikt ab: “Private Banken sind vor allem am kurzfristigen Ertrag interessiert, während die NordLB langfristig die norddeutsche Wirtschaft unterstützt”, heißt es bei Verdi. Grünen-Finanzexperte Wenzel meint: “Die Bank droht in eine problematische Abhängigkeit von einigen wenigen Hedgefonds zu geraten.”
    Dennoch läuft alles darauf hinaus: Die Commerzbank, die sich überraschend – und wohl nie ernsthaft – um die NordLB beworben hatte, ist aus dem Bieterverfahren genauso schnell wieder raus wie die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Im Rennen befinden sich allein noch die US-Firmen Cerberus, Centerbridge und Apollo. Cerberus gehört zu den Käufern der HSH Nordbank, die die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein nach Riesenverlusten mit Schiffskrediten auf Druck aus Brüssel verlustreich verkaufen
    Quelle: n-tv
  12. Deutsche Fußballklubs entdecken Türkei wieder
    Wegen der politischen Lage haben die deutschen Profiklubs die Türkei zuletzt für Trainingslager gemieden. Das ändert sich langsam. (…)
    Der Ort an der türkischen Südküste war für die deutschen Profiklubs mal das, was heute Marbella an der Costa del Sol ist. Dann aber gab es im Sommer 2016 den versuchten Putsch in der Türkei, auf den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit aller Härte reagiert. (…)
    Die politischen Spannungen wirkten sich auch auf die Reisegewohnheiten deutscher Fußballklubs aus. In der Winterpause 2017/18 war kein Klub aus der Bundesliga und 2. Liga in der Türkei, um sich dort auf die Rückrunde vorzubereiten. “Wir fliegen nicht in die Türkei. Mit Erdogan will ich nichts zu tun haben”, hatte Gertjan Verbeek gesagt, damals noch Trainer des VfL Bochum. (…)
    “Es gab quasi einen Stopp durch die politische Entwicklung und eine extreme Zurückhaltung”, sagt Dieter Burdenski im Gespräch mit der Sportschau. Der ehemalige Torwart des SV Werder Bremen organisiert mit seiner Firma unter anderem Trainingslager, auch in der Türkei. “Es hat sich jetzt ein bisschen gebessert”, sagt Burdenski über die Winterpause 2018/19, “es hat sich ein wenig beruhigt.”
    Diese Einschätzung teilt Christoph Rottmüller, der für ein führendes Unternehmen der Branche Trainingslager organisiert: “Es gibt eine spürbare Veränderung.” Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei habe sich entspannt, zumindest werde es so wahrgenommen, so Rottmüller: “Auch die Aufhebung des Ausnahmezustands im Juli 2018 spielt sicher eine Rolle.” (…)
    Das Auswärtige Amt hält dennoch Warnungen aufrecht: “Reisenden wird dennoch empfohlen, sich von politischen Veranstaltungen und grundsätzlich von größeren Menschenansammlungen fernzuhalten.” Weiter heißt es bei den Reise- und Sicherheitshinweisen zur Türkei: “In den letzten beiden Jahren wurden vermehrt auch deutsche Staatsangehörige willkürlich inhaftiert. Festnahmen und Strafverfolgungen deutscher Staatsangehöriger erfolgten mehrfach in Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien.”
    Quelle: Sportschau

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Proficlubs buchen wieder Trainingslager in der Türkei – obwohl das Auswärtige Amt Reisende weiter warnt! Und Türken vermehrt Asylanträge in Deutschland stellen!

  13. Von der Leyen und das “Gorch Fock”-Debakel
    Die komplett verkorkste, sündhaft teure Reparatur des Segelschulschiffs “Gorch Fock” wird für Ursula von der Leyen zur handfesten Affäre. Ein geheimer Bericht des Bundesrechnungshofs enthüllt chaotische Zustände im Verteidigungsministerium. (…)
    Das Dossier ist für Ursula von der Leyen bitter und gefährlich. Angetreten als Kämpferin gegen explodierende Kosten bei Rüstungsprojekten muss sie nun nachlesen, wie unter ihrer Leitung bei der “Gorch Fock” fast alles falsch gemacht wurde, wie wichtige Informationen versandeten und sie am Ende aufgrund von falschen Zahlen womöglich zweimal entschied, die teure Mission weiterlaufen zu lassen.
    Die Instandsetzung der “Gorch Fock” hatte im November 2015 begonnen. Damals sollte das Schulschiff für 9,6 Millionen Euro wegen Schäden am Rumpf in 17 Wochen überholt werden. Mehr als drei Jahre später liegt das Schiff heute komplett zerlegt in der Werft. Die Arbeiten sind gestoppt. Erst wenn eine Task Force den Prüfbericht nachvollzogen hat, will von der Leyen entscheiden, ob und wie es weitergeht.
    Der Rechnungshof hat den Fall seit Juni 2018 recherchiert. Dabei entdeckten die Beamten eine Reihe von Planungsfehlern. So ignorierten Marine und Beschaffungsamt einen Bericht des Havariebeauftragten, der das Schiff bereits 2011 inspizierte und feststellte, dass die “schiffbauliche Untersuchung” seit Jahrzehnten nie richtig und umfassend durchgeführt wurde. (…)
    Von der Leyen ist durch den Bericht nur vordergründig entlastet. Dass sie durch fehlerhafte Vorlagen falsche Entscheidungen getroffen haben könnte, muss sie maßlos ärgern. Gleichwohl bleibt sie als Ministerin für alle Vorgänge in ihrem Haus verantwortlich, auch für die Erstellung von Leitungsvorlagen. Dass ihre Top-Beamten sie möglicherweise täuschten, ist also weit mehr als ein kleines Missgeschick.
    Ein Abstrafen der Verantwortlichen aber wird schwierig. Die beiden fehlerhaften Vorlagen gingen am Ende durch die Hände ihrer Staatssekretärin Katrin Suder, die allerdings hat das Haus schon verlassen. Die zweite Vorlage im März 2018 verantwortete letztlich Benedikt Zimmer, damals Leiter der Abteilung A. Zimmer aber ist heute eng an der Seite der Ministerin – als Rüstungsstaatssekretär.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Eigentlich müsste Frau von der Leyen längst bewiesen haben, dass sie auch für diesen Ministerposten nicht geeignet ist …

    passend dazu: Regierung genehmigt Rheinmetall Panzer-Show in Katar
    Die Bundesregierung fördert weiterhin den Verkauf deutscher Panzer in Staaten des Nahen Ostens. Nach SPIEGEL-Informationen erlaubte der Bundessicherheitsrat dem Waffenkonzern Rheinmetall, eines seiner neuesten Panzer-Modelle zu Werbezwecken auf einer Militärshow zum Nationalfeiertag in Katar Mitte Dezember 2018 zu präsentieren.
    Für die Vorführung des gerade erst fertig entwickelten Schützenpanzers “Lynx KF41” erhielt der Rüstungskonzern offiziell eine temporäre Ausfuhrgenehmigung. Das Gefährt kann laut Rheinmetall durch Feuerstärke und Panzerung jederzeit die “Überlegenheit auf dem Gefechtsfeld” sicherstellen.
    In Katar dann rollte der Schützenpanzer am 18. Dezember bei der großen Parade zum National Day mit, darauf prangte ein Logo der katarischen Militärpolizei. Mit dem kilometerlangen Aufzug präsentierte sich Katar als schlagkräftige Militärmacht am Golf. Seit Jahrzehnten kaufen die katarischen Scheichs auf der ganzen Welt modernste Militärtechnik ein.
    Insidern zufolge bahnt Rheinmetall aktuell den Verkauf einer ganzen Reihe der hochmodernen Panzer nach Katar an. Auftritte bei solchen Paraden sind aus Sicht der Manager eine willkommene Werbung, da der hochmoderne “Lynx”-Panzer vor der politischen Führung des Golfstaats sowie vielen ausländischen Ehrengästen präsentiert werden kann.
    Quelle: Spiegel Online

  14. Zum Boxen nach Kiew
    US-amerikanische Rassisten und ukrainische Nazis sind offenbar dabei, sich zu vernetzen. Zu diesem Schluss kommt ein Artikel, der vor einigen Tagen auf dem linken US-Nachrichtenportal New Cold War veröffentlicht wurde. Demnach haben Ermittlungen des FBI in Kalifornien zu Hinweisen geführt, dass Aktivisten der kalifornischen Rassistenvereinigung RAM (Rise Above Movement) im Frühjahr 2018 nach Kiew gereist sind. Gastgeber sei das »Asow«-Regiment gewesen, jene faschistische und paramilitärische Formation, die die Wolfsangel als ihr Erkennungszeichen zeigt. (…)
    Vom »Asow«-Regiment ist im übrigen bekannt, dass es wie die Gäste aus den USA eine Ideologie des »White Supremacism«, der Vorstellung einer rassischen Überlegenheit der Weißen, vertritt. Andrji Bilezkij, Chef des Regiments und des »Nationalkorps« hat solche Ideen wiederholt formuliert. Unter ukrainischen Nazis ist die Auffassung geläufig, die Ukrainer seien die wahren »Arier« und unterschieden sich insbesondere hierdurch von den Russen und anderen »Mischvölkern«. Mehrfach gab es im letzten Jahr rassistische Übergriffe gegen Roma von Seiten ukrainischer Nazis. Dabei wurden Roma-Camps am Rande ukrainischer Städte von Nationalisten angegriffen und niedergebrannt, Bewohner verletzt und in einem Fall sogar getötet. Dabei war auch die mutmaßlich vom ukrainischen Innenministerium finanzierte Gruppe »C14« – die Zahl verweist auf eine aus 14 Worten bestehende Parole der »White Supremacists« – aktiv und vertrieb Roma etwa vom Kiewer Hauptbahnhof.
    Die Verbindungen, auf die die US-Ermittler jetzt gestoßen sind, könnten einige der Meldungen erklären, die von Zeit zu Zeit in Medien der international nicht anerkannten Volksrepubliken im Donbass auftauchen. In den Reihen der ukrainischen Streitkräfte und insbesondere der inzwischen in diese integrierten ehemaligen Freiwilligenbataillone kämpfen offenbar auch Ausländer. Durch Selbstzeugnisse in sozialen Medien ist die Beteiligung von Faschisten aus den meisten Ländern Westeuropas bekannt. Ein im US-Kongress verabschiedetes Verbot US-amerikanischer Unterstützung für das »Asow«-Regiment wegen dessen faschistischer und antisemitischer Ideologie wird offenbar in der Praxis umgangen. Dass in den Beständen von »Asow« auch neuere US-amerikanische Waffen wie etwa die Panzerabwehrraketen des Typs »Javelin« gesehen wurden, kann dabei nicht nur damit erklärt werden, dass die Kiewer Regierung das Material weitergegeben hat. Es gibt auch Fotos in sozialen Netzwerken, die US-Offiziere und Angehörige von »Asow« bei gemeinsamen Besprechungen zeigen.
    Quelle: junge Welt
  15. Warum wählen Arbeiter die AfD?
    Es hat keine fünf Jahre gedauert, bis aus der anfänglichen „Professorenpartei“ AfD, entstanden aus einer von „Honoratioren“ getragenen Bewegung gegen den Euro bzw. den „Euro-Rettungsschirm“, eine Formation mit politischer Prägekraft geworden ist. Die Partei dürfte mittlerweile die Sozialdemokraten als zweitstärkste politische Kraft in der BRD abgelöst haben. Es wäre jedoch zuviel der Ehre, der AfD zu attestieren, ihr Aufstieg habe das politische Koordinatensystem der BRD durcheinandergewirbelt. Denn tatsächlich sind durch ihren Erfolg nur existierende Tendenzen sichtbarer geworden: Der Rechtspopulismus hat vorhandener Fremdenfeindlichkeit und einem nationalistischen „Grundrauschen“ einen konkreten Ort gegeben. Die Deutschlandfahnen in den kleinbürgerlichen Vorstadtsiedlungen und auf den Balkonen der Sozialwohnungen sind schon lange vor dem Aufstieg der AfD unübersehbar gewesen. Zementierung der Spaltung Aus ihrer gemeinsamen Niederlage haben die etablierten Parteien offensichtlich nichts gelernt. Es ist Bestandteil der „Erfolgsbilanz“ der AfD, daß sich fast alle politischen Kräfte der BRD deren chauvinistischer Position in der Flüchtlingsfrage angenähert haben. Die Hoffnung, den politischen Konkurrenten auf diese Weise zurückdrängen zu können, hat sich nicht erfüllt. Am allerwenigsten sind die Sozialdemokraten in der Lage zu vermitteln, weshalb man sie wählen sollte. Aus beinahe jeder Äußerung des SPD-Personals wird deutlich, daß nichts, aber auch gar nichts aus dem dramatischen Absturz gelernt wurde. Versprochen wird zwar, die „Übertreibungen“ der Hartz-IV-Zumutungen zu „korrigieren“, aber zu mehr als zu „Schönheitsreparaturen“ scheint niemand bereit zu sein. Typisch ist die aktuelle Forderung der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles, die Sanktionen (Leistungskürzungen bei „Fehlverhalten“) für jüngere Hilfebedürftige abzuschaffen. Grundsätzlich wird damit allerdings weiterhin die Praxis akzeptiert, die Hilfssätze unter das Existenzminimum zu drücken – wovon jährlich fast eine Million Bedürftige betroffen sind. Nicht einmal ansatzweise existiert ein Bewußtsein davon, wie sehr sich die Partei mit den Angriffen auf die Sozialsysteme und die Lebensinteressen der Lohnabhängigen diskreditiert hat. Geradezu zynisch mutet an, daß ein „Neuanfang“ ausgerechnet mit Andrea Nahles gelingen soll, die sich bedenkenlos als Propagandarednerin der Schröderschen „Agenda-Politik“ betätigt und im demagogischen Jargon verkündet hatte: „Wir wollen die Leistungsbereitschaft der Menschen nicht durch karitative Transferlogiken einschläfern.“1 Die Umsetzung dieses Programms hieß Einschüchterung durch Verunsicherung. Es gibt also Gründe, warum den Sozialdemokraten die Stammwähler davongelaufen sind und etliche von ihnen inzwischen der AfD ihre Stimme geben. Man wird jedoch genauer hinsehen müssen, aus welchen gesellschaftlichen Schichten die AfD-Wähler kommen.
    Quelle: Rotfuchs (Beilage)

    Anmerkung unseres Lesers Peter Naumann: Hervorragende sehr interessante und tiefgründige sowie detaillierte Analyse, die aufgrund ihrer Aktualität des Problems sehr empfehlenswert zum Lesen ist. In diesem Beitrag werden jene notwendigen Fragen behandelt, die sich für den heutigen Kampf gegen die Rechte stellen. Dieser umfassende Artikel ist ein effektives theoretisches Bollwerk gegen den immer stärker werdenden Rechtsradikalismus.

  16. „Lügenpresse“ verbreitet AfD-Version der Attacke auf Bremer AfD-Chef
    Die „Bild“-Zeitung wusste sofort, was passiert ist. Der Bremer AfD-Vorsitzende Frank Magnitz
    war auf dem Heimweg vom Neujahrsempfang des „Weser-Kurier“, als ihn drei Vermummte mit einem Kantholz erst bewusstlos schlugen und ihm anschließend am Boden liegend gegen den Kopf traten. Ein Bauarbeiter sei laut Polizei eingeschritten und konnte den Angriff abwehren.
    So stand es am Dienstag auf der Titelseite des Blattes. Ein schnörkelloser Indikativ, als wäre schon zweifelsfrei geklärt, wie der Überfall abgelaufen ist. Und für ein Detail war die Polizei als vertrauenswürdige Quelle angegeben.
    Doch die Quelle für die Darstellung von „Bild“ kann nicht die Polizei gewesen sein, sondern nur die AfD. Sie hatte am Montagabend eine Pressemitteilung mit all diesen Einzelheiten veröffentlicht.
    Die Polizei äußerte sich viel zurückhaltender. Sie sprach am nächsten Morgen von einem „unbekannten Gegenstand“, mit dem die Täter Magnitz gegen den Kopf geschlagen hätten. Vom mutigen Einschreiten eines Bauarbeiters war hier nicht die Rede; zwei Arbeiter hätten das Opfer am Boden liegend entdeckt und einen Rettungswagen gerufen.
    Am Dienstagabend widersprachen Polizei und Staatsanwaltschaft ausdrücklich der Darstellung der AfD. Die Aufnahmen von Überwachungskameras würden zeigen, dass Magnitz von einem von drei Männern von hinten angesprungen worden sei, daraufhin stürzte und mit dem Kopf auf dem Pflaster aufschlug. Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Verletzungen allein dem Sturz geschuldet sind. Die Männer seien sofort weggerannt. Sie ermittelt deshalb nicht mehr wegen versuchter Tötung, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung.
    Auf Nachfrage, wie sie zu ihrer irreführenden Darstellung auf Seite 1 kam, teilt die „Bild“-Zeitung mit, in den Artikel sei eine Meldung des „Weser-Kurier“ vom späten Montagabend „eingeflossen, die die Verwendung eines Kantholzes im Zusammenhang mit dem Polizeibericht thematisiert und somit zu diesem späten Zeitpunkt der aktuellen Meldungslage entsprach“. Der „Bild“-Artikel selbst nannte diese angebliche Quelle nicht.
    Quelle: Übermedien

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut Der Angriff auf den Bremer AfD-Vorsitzenden Magnitz verdient keinerlei Applaus, sondern Bedauern.

  17. Schöne Geschichte!
    Über Claas Relotius wäre längst schon alles gesagt, wenn nicht tatsächlich recht wenig gesagt worden wäre. Die Selbstkritik der Branche ergeht sich nur in Oberflächenkratzen. Zeit für eine Ursachenforschung.
    Die Wogen wollen sich nicht glätten, die Claas Relotius über den Flaggschiffen der Qualitätspresse aufgetürmt hat. Während der SPIEGEL immer noch an seiner reumütigen Offenlegung arbeitet, diskutiert man in den Gazetten unterdessen noch über den Schaden, den der Fälscher der Branche zugefügt hat. Wer hätte ahnen können, dass bei den Geschichten von dem sonst so sympathischen Claas etwas nicht stimmt? Und mal grundsätzlich gefragt: Vernebelt die Reportage nicht viel zu sehr die journalistischen Sinne, weil sie doch auch wirklich schnell zum Um- und Hinzudichten verführt, zum effektvollen Aufhübschen, ja letztendlich zum Geschichtenschreiben? So wie diese Geschichte über Fergus Falls zum Beispiel, die mittelamerikanische Kleinstadt, die Relotius mal eben so zur Brutstätte des archetypischen amerikanischen Hinterwäldlers umgedichtet hatte.
    Die Peinlichkeit trifft natürlich mitten ins Herz eines jeden aufrichtigen Redakteurs. Nur reicht die Art und Weise dieser selbstauferlegten Ursachenforschung schon aus? Dem medienkritischen Teil der Bevölkerung scheint es jedenfalls längst zu dämmern, dass Relotius nicht einfach als ein Einzeltäter in die Skandalgeschichtsbücher der Presse einsortiert werden kann. Irgendetwas stimmt da nicht mehr mit den verbissen verteidigten Qualitätsstandards der Branche. Und auch wenn die Kritik sich schnell in schrillen Tönen verirrt, so lässt sich diese wohl kaum mit der phrasenhaften Absichtsbekundung überdecken, in Zukunft nun alles wieder ein bisschen genauer nehmen zu wollen.
    Quelle: Makroskop
  18. „Die Welt lernt nicht dazu“
    Herr Lafontaine, werden Sie dem Grab von Rosa Luxemburg zum 100.Todestag am Dienstag in Berlin einen Besuch abstatten?
    LAFONTAINE Ja. Ich folge damit einer Tradition, die schon bei der Beerdigung von Rosa Luxemburg begonnen hat, als über 100 000 Berliner ihrem Sarg folgten. (…)
    Wenn Sie in der heutigen Zeit die Gelegenheit hätten, mit Rosa Luxemburg zu sprechen: Welches Kompliment würden Sie ihr machen?
    LAFONTAINE Dass sie sich mit Leidenschaft für ihre Ziele eingesetzt hat. Gerade wenn es um die Erhaltung des Friedens ging, hat sie unsere Wirtschaftsordnung ähnlich kritisch beurteilt wie heute Papst Franziskus, der sagt: Diese Wirtschaft tötet. Und wenn man die Kriege um Rohstoffe und Absatzmärkte im Vorderen Orient oder Afrika sieht, dann ist die Analyse von Rosa Luxemburg nach wie vor aktuell. (…)
    Was verbindet Sie persönlich heute mit Rosa Luxemburg?
    LAFONTAINE Ihr Eintreten für eine Politik des Friedens. Rosa Luxemburg hatte nach dem Ersten Weltkrieg vergeblich gefordert, die Rüstungsindustrie zu verstaatlichen, um zu verhindern, dass die Rüstungsindustrie die Politik zu Kriegen drängt. Vor dem militärisch-industriellen Komplex hat aus denselben Gründen ja auch später der amerikanische Präsident Eisenhower gewarnt. Die Welt lernt aber nicht dazu. Wie Trump rüstet auch die Regierung Merkel weiter auf und liefert Waffen in Kriegsgebiete. (…)
    Was, denken Sie, würde Rosa Luxemburg heute zum Zustand der SPD sagen?
    LAFONTAINE Sie trat leidenschaftlich für die Rechte der Arbeitnehmer und all derer ein, die um ihren Lebensunterhalt kämpfen mussten. Sie wäre sicherlich eine der schärfsten Kritikerinnen des auch von der SPD durch die Agenda 2010 zu verantwortenden Sozialabbaus.
    Die von Ihnen und Ihrer Frau Sahra Wagenknecht gegründete Sammlungsbewegung „Aufstehen“ kritisiert die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und wendet sich – anders als die meisten in Ihrer Partei – gegen offene Grenzen. Gerade auch vor dem Hintergrund des deutschen Arbeitsmarkts. Steht das nicht im krassen Gegensatz zu Rosa Luxemburgs Idee vom Sozialismus, der sich auch dem Internationalismus verschrieben hatte?
    LAFONTAINE Wir sind durchaus für offene Grenzen, aber wir finden, dass die Grenzen nicht nur nach einer, sondern nach zwei Seiten offen sein sollten. Statt die Milliarden lediglich für die Menschen auszugeben, die zu uns kommen, wollen wir auch, dass ein Teil dieser Milliarden ausgegeben wird, um den Millionen Menschen in den Lagern und Hungergebieten zu helfen, die zu schwach oder zu arm sind, um nach Deutschland zu kommen. Und statt den armen Ländern Fachkräfte abzuwerben, sollten wir Spezialisten in diese Länder schicken, um ihnen zu helfen. Mein Leitbild ist Albert Schweizer, der nach Afrika ging, um dort die Kranken zu versorgen. Heute werden Ärzte und Krankenschwestern aus Afrika angeworben, um hier zu arbeiten, als gäbe es dort keine Kranken.
    Quelle: Saarbrücker Zeitung


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