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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 12. Februar 2019 um 8:31 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. SPD
  2. Trittbrett-Imperialismus – Grüne und Atomkonzern gegen Gazprom
  3. Gelbwesten
  4. Es ist Zeit, die Unternehmen höher zu besteuern
  5. Keine Heilsbringer
  6. Der Kapitalismus will aus allen Bürgern Migranten machen
  7. Sonderklagerechte für Konzerne erneut im EU-Parlament
  8. Lohnarbeit macht unfrei
  9. Reiche nehmen die Realität anders wahr
  10. South Korea will pay US$924 million to host American troops this year after Donald Trump demanded more money
  11. Gefährliche Euphorie – Der pauschale Zuspruch zur EU schadet nur
  12. Wie die Afrika-Politik der G20 den Agenda 2030-Prozess unterminiert
  13. Linksliberale Überheblichkeit geht mir auf die Nerven
  14. Linke Identitätspolitik – Partikularinteressen versus soziale Verantwortung?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. SPD
    1. SPD läutet traditionelles linkes Halbjahr vor wichtigen Wahlen ein
      Es ist wieder soweit: Die Führungsspitze der SPD hat heute Morgen bei einem Treffen im Willy-Brandt-Haus in Berlin den Beginn des traditionellen linken Halbjahres vor den nächsten Bundestagswahlen eingeläutet. In dieser Zeit ist das Spitzenpersonal darum bemüht, die SPD wie eine Partei wirken zu lassen, die Politik für Arbeiter und Geringverdiener macht.
      “Liebe Genossinnen und Genossen, das traditionelle linke Halbjahr vor der Bundestagswahl ist hiermit feierlich eröffnet”, verkündete der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann und klingelte laut hörbar mit der sogenannten “Glocke des kleinen Mannes”. Nachdem der Applaus abebbte, erklärte er: “Jetzt ist die Zeit gekommen, in der wir uns für einige Monate auf unsere sozialdemokratischen Wurzeln zurückbesinnen.”
      Ab sofort sei es SPD-Wahlkämpfern zur Schärfung des linken Profils der Partei ausdrücklich erlaubt, soziale Forderungen zugunsten der Arbeiterschaft zu formulieren: “Höhere Löhne, eine Abkehr von der Agenda 2010, Steuern runter, Steuern rauf für Reiche, höhere Renten – völlig egal!”, so Oppermann. “Aber bitte beachtet, liebe Genossen: Am Montag nach der Wahl werde ich diese Glocke noch einmal läuten. Und ab diesem Zeitpunkt muss das alles wieder vergessen sein.”
      Quelle: Der Postillon

      Anmerkung Jens Berger: Analytisch ist der Postillon seinen vermeintlich „seriösen“ Kollegen mal wieder um Längen voraus. Satirequalitäten offenbart indes mal wieder SPIEGEL Online …

    2. Genossen berauschen sich am Linksruck
      Union und Wirtschaftsverbände sind empört, die eigenen Leute begeistert: Mit ihrem Linkskurs setzt die SPD auf Konfrontation in der Koalition – und wirkt erstmals seit Langem mit sich selbst im Reinen.
      Die Union empört sich, die Linke wird nervös – die Sozialdemokraten spüren, dass sie ein Momentum erwischt haben. Die qualvolle Debatte über Hartz IV, der Unmut über Parteichefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz, die Attacken von Ex-Außenminister Sigmar Gabriel, all diese Probleme scheinen wie weggewischt. Tatsächlich haben sich die Reihen um Nahles und Scholz vorerst geschlossen. Dazu haben ausgerechnet die Angriffe Gabriels beigetragen, die viele Genossen für unsolidarisch und parteischädigend halten.
      Flügelübergreifend, von Juso-Chef Kevin Kühnert bis Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, loben Sozialdemokraten ihre Chefin für den Linkskurs: Kühnert spricht von einem “wichtigen Befreiungsschlag”, Weil von “einem wichtigen Schritt nach vorne”. Dies sei “ausdrücklich auch das Verdienst von Andrea Nahles”, sagte Weil.
      Quelle: SPIEGEL Online
    3. Schlechtes Marketing
      Gute-Kita-Gesetz, Starke-Familien-Gesetz, Respekt-Rente und jetzt Bürgergeld, das Hartz IV vergessen machen soll. Die SPD ist nur noch Abspielstation von Claims einer ziemlich schlechten Werbeagentur. Viel PR für wenig Inhalt. Man spricht lieber von Modernisierung statt die erforderliche Wiederherstellung des Sozialstaates zu liefern. Doch auch das bisschen Veränderungswille wird vom politischen Gegner noch gnadenlos attackiert, mit einer abenteuerlichen Argumentation.
      Es wäre alles nicht finanzierbar, heißt es. Das muss man sich mal vorstellen. Denn finanzierbar sind ganz selbstverständlich höhere Rüstungsausgaben von 17 Mrd. Euro bis 2024 und die Abschaffung des Soli mit rund 10 Mrd. Euro, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Natürlich könne man auch die Unternehmen steuerlich entlasten, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier nicht müde wird zu betonen. Das ist alles kein Problem.
      Nicht finanzierbar ist dagegen eine Grundrente mit rund 5 Mrd. Euro pro Jahr. Man solle doch bitteschön an das kürzlich entdeckte Haushaltsloch denken, sagen die, die sonst immer nach Steuersenkungen rufen. Plötzlich müsse auch ein Kassensturz her. Und dann ist da noch der Neulinke Christian “Che Guevara” Lindner, der es unbedingt vermeiden will, dass Millionärserben auch noch eine Respekt-Rente abgreifen dürfen.
      Dabei hat die Grundrente ein ganz anderes Problem. Sie wird nicht kommen, weil sie eben nur als schlechte PR-Aktion für eine Imageverbesserung der SPD in einem Wahljahr geplant wurde. Sie wäre auch nicht gerecht und böte vor allem auch keinen Schutz vor Altersarmut.
      Quelle: TauBlog
    4. Hartz IV – Die Regelsätze reichen überhaupt nicht aus
      Der vom SPD-Bundesvorstand verabschiedete Plan, Hartz IV durch ein Bürgergeld-Modell zu ersetzen, stößt bei der Stadtspitze nicht nur auf Unterstützung. Oberbürgermeister Dieter Reiter freut sich zwar, dass jetzt “endlich klare Vorschläge für eine tief greifende Reform von Hartz IV auf dem Tisch liegen”. Auch Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) zeigt sich im Wesentlichen zufrieden mit den Vorschlägen. Aber dennoch sieht Schiwy vor allem ein ganz wichtiges Thema nicht berücksichtigt: “Was mir fehlt, ist die Einführung regionaler Regelsätze.”
      Die Bedarfe für Ballungsräume und strukturschwache Gebiete könnten nicht gleich bemessen bleiben. “Die Regelsätze reichen überhaupt nicht aus, um die Lebenshaltungskosten in München zu decken.” Schiwy spricht sich für regional festgesetzte Sätze aus, aber auch generell für eine Erhöhung, ohne dafür konkrete Zahlen zu nennen. Derzeit erhalten alleinstehende Langzeitarbeitslose 424 Euro monatlich, dazu noch die Mietkosten in angemessener Höhe. Caritas und Diakonie dringen im Bund bereits seit längerer Zeit auf eine andere Berechnung des Bedarfs, die Diakonie kam auf 560 Euro.
      Das neue Bürgergeld-Modell, mit dem der SPD-Vorstand das 2005 eingeführte Hartz-IV-System ablösen will, sieht allerdings weder eine Regionalisierung noch höhere Regelsätze vor. Das Bürgergeld soll aber nach Darstellung der SPD “Regelungen beinhalten, mit denen speziellen Bedarfen und Härten begegnet werden kann, zum Beispiel für den Fall, dass plötzlich die Waschmaschine kaputtgeht und gleichzeitig die alte Winterjacke aufgetragen ist”.
      OB Reiter begrüßt dies: “Es war doch utopisch zu glauben, dass Menschen, die von Hartz IV leben, auch noch Geld ansparen können, um beispielsweise davon den kaputten Kühlschrank zu ersetzen.” Schiwy hätte dazu gerne die sogenannten einmaligen Leistungen in der Form wieder, wie es sie vor 2005 gab. “Die Leute schaffen es einfach nicht, Geld zur Seite zu legen”, etwa um eine kaputte Waschmaschine zur ersetzen, “weil sie ohnehin kaum etwas auf der Hand haben”, untermauert Schiwy ihre Forderung nach Wiedereinführung. Um defekte Haushaltsgeräte zu ersetzen, müssten jetzt Stiftungsmittel herhalten: “Da wird sehr viel abgewälzt auf private Wohltäter.”
      Quelle: SZ
  2. Trittbrett-Imperialismus – Grüne und Atomkonzern gegen Gazprom
    Reden wir übers Geschäft: Über der Ostseepipeline Nord Stream 2 ballen sich schwere ideologische Wolken. Rund um den russischen Staatskonzern “Gazprom” und seine Mit-Investoren, die BASF Tochter Wintershall und deren Partner hofft man einen guten Schnitt zu machen. Die US-Fracking-Industrie, die zur Zeit ein paar echte Absatz-Probleme hat, will natürlich auch Geld verdienen. Und, kaum getarnt durch den französischen Staat, ist da auch noch der französische Atomkonzern Areva, der das Unternehmen Gazprom zu Recht als echten Konkurrenten auf dem europäischen Energiemarkt begreift. Und dann gibt es da noch, scheinbar am Rande, eine Gruppe griechischer Reeder unter Führung von Peter Livanos. Der Mann lebt in der Schweiz, sein Vater war trotz seines griechischen Namens US-Bürger und ein prima Freund des Papandreou-Klan. Reden wir über Milliarden, reden wir über legale Korruption, reden wir darüber wie Kapitalinteressen die Regierungen steuern.
    Aber solch brutale Profitwahrheiten darf man natürlich der Bevölkerung nicht zumuten. Deshalb braucht das Kapital immer wieder neue Kleider. Den jüngsten Kostümball hat die Französische Regierung inszeniert, als sie die EU-Bestimmungen für den Energie-Import so ändern wollte, dass Energie zumindest teurer geworden wäre. Lauthals argumentiert haben die Franzosen aber mit der “Abhängigkeit Europas von russischem Gas”. – Im finnischen Dörfchen Eurajoki, nicht weit vom Bottnischen Meerbusen, baut der französische Konzern Areva das größte Atomkraftwerk Europas. Auf dem finnischen Markt treffen der russische Energie-Anbieter Gazprom und sein französischer Konkurrent Areva direkt aufeinander. Im afrikanischen Mali löst der Konzern Areva, der dort rund 5.000 Tonnen Uran abbauen will, Markt-Probleme mit Hilfe der französischen Armee und der Bundeswehr. Das ist deutlich unkomplizierter und billiger als der Unterhalt der vielen EU-Parlamentarier.
    Quelle: Rationalgalerie
  3. Gelbwesten
    1. Klassenkämpfer und Wutbürger
      Die Gelbwesten halten die Republik in Atem. Manche liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei, plündern Geschäfte. Andere demonstrieren für mehr soziale Gerechtigkeit. Wer steckt wirklich in diesen gelben Westen? Linke, Rechte oder Wutbürger?
      Die Gilets jaunes sind wieder das Topthema der Nachrichten. Wie jeden Samstag werden die Gelbwesten auch heute wieder auf die Straße gehen. Lautstark, kämpferisch und zum Teil gewalttätig. Sie eint ihr Hass auf Staatschef Macron. Aber woher rührt diese Wut? Was treibt sie an? Ich mache mich auf den Weg, zuerst zur Demo in Paris. Gelbwesten in Aktion treffen. …
      Männer mit weißen Armbinden lotsen die Ströme auf den Boulevard, beaufsichtigt von drei Männern mit roten Militärcappies und Orden auf der Brust. Breitbeinig stehen sie am Rand des Platzes, geben über Smartphone Anleitungen. Alle drei sind einschlägig bekannte Rechtsradikale.
      Der Demonstrationszug wird immer länger, erstreckt sich über mehrere hundert Meter. Die Gelbwesten schwingen Frankreich-Fahnen und Transparente: „Macron Rücktritt!“, „Weltrevolution gegen die Finanzwelt!“. Und immer wieder Schilder mit der Aufschrift RIC. Die Abkürzung steht für Volksentscheid. In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen sie abgehalten werden sollen, darauf bekomme ich nur schwammige Antworten.
      Wir wollen mehr Demokratie, sagt Philippe, der sich die drei Buchstaben vorn und hinten auf die Weste gemalt hat. Er arbeitet im Louvre-Museum.
      „Das Volk muss was zu sagen haben. Dafür brauchen wir Volksentscheide. Das ist die einzige Möglichkeit, unser Mitspracherecht durchzusetzen.“
      Das System der repräsentativen Demokratie würde er lieber heute als morgen abschaffen. Berufspolitiker sind korrupt, regieren die meiste Zeit gegen das Volk, sagt er. Einfache Bürger, per Los ausgewählt – die sollen die Geschicke des Landes lenken. Mit rechtsextremen Tendenzen in der Gelbwesten-Bewegung hat der Louvre-Angestellte kein Problem. Bei uns haben alle ihren Platz, wir schließen niemanden aus, verharmlost er. Auch Le Pen-Wähler nicht? …
      Ich habe vor allem Menschen getroffen, die wegen ihrer finanziellen Probleme auf die Straße gehen. Die noch hoffen, dass die Politiker reagieren. Aber es gibt auch die anderen. Gelbwesten, in deren Köpfen sich rechtspopulistische und rechtsextreme Ideen festgesetzt haben. Und sie sind schon erschreckend zahlreich.
      Quelle: Deutschlandfunk Kultur

      Anmerkung JK: Betrachtet man die Berichterstattung der deutschen “Qualitätsmedien” über Venezuela und Frankreich drängt sich der Begriff der kognitiven Dissonanz geradezu auf. Während der durch die USA inszenierte Coup in Venezuela nur geschieht um dem leidenden Volk Venezuelas in seinem verzweifelten Aufstand gegen einen korrupten Präsidenten zu Hilfe zu eilen, wird in den deutschen “Qualitätsmedien” nicht einmal im Ansatz diskutiert, wie die brutale Repression gegen den sozialen Protest der Gelbwesten, sowohl auf der Straße durch Polizeigewalt, als auch juristisch durch die willkürliche Verschärfung des Versammlungsrechts, mit den so gerne beschworenen westlichen bzw. europäischen Werten zusammenpasst.

    2. Macron will Kritik mit neuen Gesetzen ersticken
      Zweieinhalb Monate nach Beginn der Demonstrationen gegen die Reform-Politik von Präsident Emmanuel Macron ist in Frankreich noch immer keine Ruhe eingekehrt. Im Gegenteil, die «Gelben Westen» lassen – trotz den Zugeständnissen, die Macron bereits machen musste – nicht locker. So versammeln sich auch 2019 auf den Strassen von ganz Frankreich immer wieder Zehntausende Menschen, um unter anderem für Lohnerhöhungen und niedrigere Studiengebühren zu demonstrieren.
      Macron und seine Partei «La République en Marche» (LREM) sind mit ihrem Latein langsam am Ende. Nun reagiert der französische Präsident – entgegen seinen liberalen Positionen, mit denen er 2017 zur Präsidentschaftswahl in Frankreich antrat – zunehmend mit Repression. Das erfahren die Demonstranten auf der Strasse in Form von einem massiven und immer wieder auch brutalen Polizeieinsatz.
      Aber die französische Regierung reagiert auch mit neuen Gesetzen. Mit dem «Anti-Randalierer-Gesetz», das Bürgerrechte beschneidet. Und mit Eingriffen in die Medienfreiheit, die von französischen Medien so zusammengefasst werden: «Macron träumt davon, die Presse unter Aufsicht und die Informationen unter Kontrolle zu bringen.»
      Mit dem «Anti-Randalierer-Gesetz», das Anfang Februar vom französischen Parlament in erster Lesung gebilligt wurde, sollen Polizei und Behörden mehr Befugnisse erhalten: Ein Instrument, mit welchem die Sicherheitskräfte Demonstrationsverbote gegen Teilnehmer aussprechen können, die eine «besonders schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung» darstellen. Anders als bisher, wäre dazu kein richterlicher Entscheid mehr notwendig.
      Wer gegen das Demonstrationsverbot verstösst, muss mit sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe von 7500 Euro rechnen. Weiter könnte auf Grundlage des Gesetztes jedes Objekt in der Hand von Demonstranten zur Waffe werden – noch bevor eine allfällige kriminelle Tat überhaupt stattgefunden hat. Das heisst: Jede Demonstrantin und jeder Demonstrant könnte präventiv mit einem Demonstrationsverbot belegt werden – frei nach dem Ermessen der Sicherheitskräfte. Die so sanktionierten Demonstrationsteilnehmer sollen dann in einer neuen Datenbank erfasst werden.
      Damit sollen die Sanktionen gegen mutmasslich gewaltbereite Demonstrantinnen und Demonstranten deutlich verschärft werden. Die neue Gesetzesvorlage würde es ihnen auch verbieten, sich zu vermummen; Vermummungsverbote gibt es auch in einigen Schweizer Kantonen. Wer dagegen verstösst, riskiert in Frankreich eine Haftstrafe von einem Jahr. Ausserdem drohen 15.000 Euro Geldstrafe.
      Quelle: Infosperber
    3. Hände zerfetzt, Augen weg
      Zehntausende haben erneut am Samstag in zahlreichen Städten Frankreichs mit oder ohne gelbe Weste demonstriert. „Akt XIII“ hieß in der Bewegung der „Gilets jaunes“ die 13. Auflage der Straßenproteste seit Mitte November.
      Wie eine Woche zuvor stand die „Polizeigewalt“ im Zentrum. Die Gelbwestenbewegung zählt mittlerweile über 2.000 Verletzte. Elf Menschen sind an Blockaden auf Kreisverkehren oder Autobahnzufahrten gestorben.
      Auf desarmons.net werden im Detail die Opfer der Ordnungseinsätze aufgeführt, darunter bisher 5 Personen, die eine Hand verloren haben und 20, die voraussichtlich auf einem Auge blind bleiben.
      Ganz vorn bei der Pariser Kundgebung am Samstag waren mehrere Opfer der Polizeigewalt mit dabei, je nach Verletzung mit Krücken, Kopfverband, Augenklappen oder Rollstuhl.
      Unter ihnen befand sich Jérôme Rodrigues, der eine Woche zuvor auf der Bastille vermutlich von einem Hartgummigeschoss der Polizei an einem Auge schwer verletzt wurde und zu einem der prominentesten Sprecher der Bewegung aufrückte.
      Neue Beweise für die Anschuldigung, das Innenministerium setze auf Repression und verwende trotz bekannter Risiken unverhältnismäßige Mittel, hätten die Gelbwesten aufgrund der allzu zahlreichen Präzedenzfälle nicht gebraucht.
      Am Samstag hat indes ein weiterer Demonstrant bei der Explosion einer Polizei­granate eine Hand verloren, er wurde zudem am Kopf verletzt. Der 30-jährige Schlosser Sébastien M. war als Fotograf der Gilets jaunes ganz vorn dabei, als ein paar Hitzköpfe eine für Renovierungsarbeiten dienende Bretterwand vor dem Gebäude der Nationalversammlung zu demontieren versuchten. Die Polizei antwortete mit Tränengasgranaten.
      Hat Sébastien M. eine dieser Granaten in die Hand genommen, oder wurde er direkt getroffen? Laut Augenzeugen waren seine Verletzungen schrecklich. Eine Untersuchung soll nun klären, wie und warum er vermutlich von einer Granate vom Typ GLI-F4 verletzt wurde.
      Diese wird in Europa nur von Frankreichs Polizei bei Kundgebungen verwendet. Sie enthält 25 Gramm TNT, damit bei der Detonation nicht nur das Tränengas entweicht, sondern auch ein gewaltiger Knall erzeugt wird.
      Quelle: taz
    4. Die Gelbwesten sind nicht so unschuldig wie sie behaupten
      Kaum jemand kritisiert die Gewalt der Bewegung. Auch dass bei ihnen etliche Fremdenfeinde mitmarschieren, stört nur wenige. Das ist seltsam.
      Seit 13 Wochen ziehen jeden Samstag marodierende Horden durch Paris. Die Demonstrationen der Gilets jaunes sind zur Routine geworden, die brennenden Autos auch. Frankreich, könnte man meinen, ist einfach lässiger. Dort wissen die Leute, wie man mit Revolutionen umgeht. …
      Viele Gilets jaunes pochen auf die absolute Unschuld der Bewegung. Dabei sind die Umtriebe rechtsradikaler Gruppen innerhalb der Gelbwesten klar belegt. Für die Zerstörung des Triumphbogens in Paris Anfang Dezember wurden französische Neonazis verurteilt. Die deutsche AfD und Italiens bekanntester Rechtsaußen, Matteo Salvini, idealisieren die Gelbwesten ebenso wie Frankreichs rechtsradikale Marine Le Pen.
      Die Liebkosungen der Fremdenfeinde werden von vielen innerhalb der Bewegung mit dem Argument weggewischt, man lasse sich politisch nicht vereinnahmen. Doch nach drei Monaten auf der Straße sollte es möglich sein, eine Position zu mitjubelnden Rechtsradikalen zu finden. Dazu aber raffen sich die Facebook-Stars der Gelbwesten nicht auf. …
      Ja, es gibt Bewegungen, denen es gelingt, gleichzeitig für die Emanzipation von Benachteiligten und für ein gerechteres Wirtschaftssystem zu streiten. Die Gilets jaunes gehören nicht dazu.
      Quelle: Nadia Pantel in der SZ

      Anmerkung JK: Ein Kommentar, der an Bösartigkeit nur schwer zu übertreffen ist und gleichzeitig die Position der deutschen „Qualitätsjournalisten“ zum Widerstand der französischen Bürger gegen die neoliberale Agenda illustriert. Interessant, dass sich Pantel dabei Elemente des indentitätspolitischen Diskurses bedient, um den Aufstand der Gelbwesten zu diffamieren. Da keine Positionen vertreten werden, die die Belange von Migranten und Flüchtlingne explizit berücksichtigen, wird der direkte Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit erhoben um die den Widerstand gegen die neoliberlae Agenda zu delegitimieren. Dabei sollte klar sein, dass, wer Widerstand gegen den Neoliberalismus leistet, die Interessen aller Benachteiligten und Marginalisierten vertritt, da gerade diese unter neoliberalen „Reformpolitik“ eines Emmanuel Macron besonders zu leiden haben. Was Frau Pantel wohl über die Opposition gegen den venezolanischen Präsidenten Maduro schreiben würde?

  4. Es ist Zeit, die Unternehmen höher zu besteuern
    Deutschland wird an einem Politikwechsel kaum vorbeikommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich bislang weitgehend darauf beschränkt, das Land wirtschaftsfreundlich zu verwalten. Soziale Beschlüsse wie der Mindestlohn dienten auch dazu, Regierungsbündnisse schmieden zu können. Weil Steuererhöhungen in den Koalitionsverträgen von vornherein ausgeschlossen waren, verweigerte sich die Regierung praktisch ihrer Aufgabe, über steuerliche Änderungen gesellschaftliche Anforderungen zu erfüllen – etwa Reichtum und Vermögen gleichmäßiger zu verteilen.
    Das Versäumnis ist umso größer, weil die vergangenen Steuerreformen dazu beitrugen, die Gräben in Deutschland zu verbreitern. Die letzte große Steuersenkung gab es für Unternehmen und Gutverdiener, als Rot-Grün 2005 den Spitzensteuersatz, der in den Neunzigern noch bei 53 Prozent lag, auf 42 Prozent senkte. Die letzte große Erhöhung, die der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent, traf 2007 alle Verbraucher – vor allem aber Geringverdiener.
    61 Prozent der Bundesbürger finden es nach einer Erhebung des ZDF-Politbarometers vom vergangenen Freitag gut, dass die SPD diesen Menschen über eine Grundrente ein würdiges Leben im Alter ermöglichen will. Der Streit darüber, wie diese Grundrente finanziert werden soll, zeigt allerdings, dass die Politik in alten Mustern denkt. Sie will reguläre Rentenbeitragszahler oder einfach die Staatskasse anzapfen. (…)
    Warum verzichtet sie darauf, die Unternehmen stärker zu belasten, die lange von niedrigen Löhnen profitiert haben? 40 Prozent aller Lohnabhängigen haben nichts von der glänzenden Lage der Wirtschaft im Portemonnaie gespürt, belegte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 2017.
    Statt die Profiteure in die Pflicht zu nehmen, läuft es bei der geplanten Grundrente wieder darauf hinaus, dass die Gewinne der Unternehmen, die sie in den vergangenen 15 Jahren gemacht haben, unangetastet bleiben, während die Verluste der Arbeitnehmer der Allgemeinheit aufgebürdet werden. (…)
    Soll der Wandel ins Digitale möglichst gerecht vonstattengehen, wird die Gesellschaft kaum daran vorbeikommen, künftig Besitz höher zu besteuern als Arbeit. Das durchzusetzen, ist die wahre Herausforderung, insbesondere für die Partei der Arbeit.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung JK: Der Kommentar greift einen wichtigen Aspekt auf, wirklich glaubwürdig wäre eine sozialpolitische Wende der SPD nur, wenn die Kosten dafür nicht wieder ausschließlich den Bürgern aufgebürdet würden. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Senkung des Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent eben durch die rot-grüne Koalition erfolgte. Die scharfe Reaktion aus der CDU auf die eigentlich noch bescheidenen Pläne der SPD, der Status Quo ante Agenda 2010 wäre damit noch lange nicht erreicht, zeigt wie es wirklich um die Humanität in der Partei der Kanzlerin der linksliberalen Herzen bestellt ist.

    Dazu: Auf dem Weg zu einem neuen Sozialstaat?

  5. Keine Heilsbringer
    In Venezuela ein „Klima der Unregierbarkeit“ schaffen, den Staat „lahmlegen“ und ausländische Interventionen befürworten: Eben so hat Juan Requesens die Ziele seiner Oppositionspartei Primero Justicia immer beschrieben. Darin war die Opposition nun spektakulär erfolgreich. Umso bitterer, dass auch die mitunter exzesshaften Reaktionen, dass Arroganz und politische wie ökonomische Fehler seitens des Chávismus zu dem Chaos geführt haben, das in Venezuela herrscht – Gewalt, Korruption, Verfassungsbruch finden sich auf beiden Seiten.
    Doch von einer Opposition, die das Gebäude des Obersten Gerichts anzündet, weil ihr Urteile nicht passen, die sogar Lynchjustiz betreibt, davon hört man hier kaum etwas. Der Anwalt José Félix Pineda etwa, Kandidat für die verfassunggebende Versammlung, wurde von Angreifern in seinem Haus erschossen. Die Guarimbas, Gewaltaktionen der oppositionellen paramilitärischen Gruppen, führten allein 2014 zu 43 Toten und 878 Verletzten. Hiesigen Großmedien ist nur zu entnehmen, dass Oppositionelle in Haft sind; nie, dass es um den Vorwurf von Anstachelung zur Gewalt geht, wie berechtigt dieser im Einzelnen auch sein mag.
    Die wohlhabende Klasse hat Chávez’ Reformen zugunsten der Armen nie akzeptiert. Heute wird so getan, als herrschten vor den Sozialisten Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit im Land. Doch der Sieg der Bolivarischen Revolution 1999 war nicht auf eine Charme-Offensive zurückzuführen, sondern auf die angestaute Wut darüber, dass unter US-amerikanischer Vorherrschaft die Hälfte der Bevölkerung unter die Armutsgrenze fiel. In den 80er Jahren hatte eine Staatsverschuldung von 30 Milliarden US-Dollar zu den üblichen neoliberalen Spar- und Privatisierungsauflagen des Internationalen Währungsfonds geführt. Zehn Jahre vor Chávez’ Wahlsieg war ein mehrtägiger Hungeraufstand im ganzen Land ausgebrochen: der Caracazo, gegen den Milizen eingesetzt wurden – es gab laut Schätzungen bis zu 3.000 Tote. Der Internationale Gerichtshof verurteilte die Verletzung von Menschenrechten, verlangte Entschädigung für Mord und Folter – gezahlt wurde diese erst unter Chávez.
    Quelle: Freitag
  6. Der Kapitalismus will aus allen Bürgern Migranten machen
    Mit ihren Konzepten zur Migration löse die UN keine Probleme, so Diego Fusaro im Gespräch mit RT. Laut dem italienischen Philosophen ist die nationale Souveränität die letzte Bastion der Demokratie, die es zu verteidigen gelte.
    Laut UN-Generalsekretär António Guterres erlaube die Migration “Millionen Menschen, nach neuen Möglichkeiten zu suchen, was sowohl den Herkunfts- als auch den Ankunftsgemeinschaften zugute kommt”. Stimmt das?
    Ich gehe in die entgegengesetzte Richtung zu der von António Guterres und dem Chor des politisch korrekten Gedankens. Dieser wiederholt, dass es Afrikaner gebe, die nach Europa kommen wollen, weil Afrika rückständiger sei als Europa – dass Europa das Eldorado der Hoffnung sei usw. Dies ist jedoch die rassistische Erzählung des einseitigen Denkens. In Wirklichkeit befinden wir uns in der dritten
    Phase des Kolonialismus. … und zwar die Phase des globalisierten Kolonialismus, mit dem afrikanische Länder destabilisiert werden. Stichwort: NATO-Krieg gegen Libyen. Und auf diese Weise wird die Flucht der Afrikaner – die “willkommen”, doch in Wirklichkeit nach Europa abgeschoben sind – vom Kapitalismus rücksichtslos ausgenutzt, um die Kosten der einheimischen Arbeitsmigranten zu senken und das Profil des Migranten zu verallgemeinern – das heißt, um uns alle zu Migranten zu machen. Der Kapitalismus will Migranten nicht integrieren. Er will aus allen Bürgern Migranten machen. Das Profil des prekären Migranten ist: staatenlos, ohne Wurzeln, ständig in Bewegung, denn er ist dem freien Verkehr von Waren und Personen ausgeliefert. Das ist Masseneinwanderung heute. …
    Warum scheint die UNO die Migration als eine Art Allheilmittel zu sehen für die Probleme der Unterentwicklung und für die Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern? Es gäbe wirklich keine anderen Lösungen?
    Dies ist in Wirklichkeit nur die Fassade, die die Substanz ideologisch verbirgt. Die Substanz ist die eines Ausbeutungsprozesses der Arbeitskraft, die den Hebel der bei Marx beschriebenen industriellen Reservearmee benutzt: Das heißt, Massen von idealen Sklaven deportieren, wie die Afrikaner. Die Afrikaner sind ideale Sklaven, weil sie aus ihrem Territorium deportiert und in ein Land geworfen werden, in dem sie die Sprache nicht kennen, in dem sie keine territorialen Wurzeln haben, in dem sie sich nicht verteidigen können. Deshalb liebt das Kapital die Masseneinwanderung so sehr.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung JK: Ein äußerst bemerkenswertes Interview. Der Wunschtraum der Neoliberalen ist die Weltgesellschaft ohne Grenzen für Kapital, Waren und Arbeitskräfte, also auch ein globaler, offener Arbeitsmarkt auf dem sich die Löhne am besten auf ein globalisiertes, möglichst niedriges Niveau einpendeln. Der Wahnsinn dabei, dass diese Dystopie der Neoliberalen heute ihre engagiertesten Unterstützer bei vielen aus der politischen Linken findet. Diego Fusaro geht hier sogar soweit, dass von den heutigen, fast ausschließlich an kulturellen Themen orientierten Linksparteien keinerlei Impulse mehr für die Veränderung der herrschenden Verhältnisse zu erwarten sei.

  7. Sonderklagerechte für Konzerne erneut im EU-Parlament
    Am Mittwoch stimmt das Europäische Parlament über zwei Abkommen mit Singapur ab: Über das Handelsabkommen EUSFTA und über das Investitionsabkommen EUSIPA. Letzteres enthält die umstrittenen Sonderklagerechte für Konzerne, ISDS (Investor-state dispute settlement).
    Attac fordert die EU-Abgeordneten auf, beide Abkommen abzulehnen: „Mit EUSIPA würde die Paralleljustiz für Konzerne ausgeweitet, denn Singapur ist der wichtigste Handelspartner der EU in Südostasien. Die meisten in der Region tätigen europäischen Konzerne haben dort wichtige Niederlassungen. Nicht nur singapurische Firmen, sondern alle dort tätigen internationalen Konzerne könnten EU-Staaten auf Schadensersatz verklagen – für Gesetze, die unsere Gesundheit, unsere Arbeitsrechte und unsere Umwelt schützen“, warnt Attac-Handelsexperte Roland Süß.
    EUSIPA soll als Modell für künftige EU-Abkommen mit China, Mexiko und anderen Ländern dienen. Die Trennung von Handel- und Investitionsabkommen gibt den EU-Abgeordneten erstmals die Möglichkeit, ein starkes politisches Signal gegen Sonderrechte für Konzerne zu setzen. “Es ist Zeit, diese Paralleljustiz grundsätzlich abzuschaffen. Ein Nein zu EUSIPA wäre ein wichtiger Schritt dorthin“, sagt Roland Süß.
    Sonderklagerechte für Konzerne geraten weltweit immer mehr unter Druck. Länder wie Indien, Ecuador, Südafrika, Indonesien, Tansania und Bolivien haben entsprechende Abkommen bereits gekündigt. Mehr als 430.000 Menschen haben innerhalb von drei Wochen eine EU-weite Petition gegen ISDS unterzeichnet. Zahlreiche Organisationen aus den Philippinen, Indonesien und Malaysia erklären sich mit der EU-weiten Kampagne und dem Widerstand gegen EUSIPA in Europa solidarisch. Sie kennen die Auswirkungen von ISDS und fürchten, dass EUSIPA eine Vorlage für EU-Abkommen mit ihren Ländern sein wird.
    Während EUSIPA auch noch der Zustimmung aller nationalen Parlamente bedarf, muss das Handelsabkommen EUSFTA nur vom EU-Parlament abgestimmt werden. Auch EUSFTA ist höchst problematisch. Es enthält zwar Vorgaben zur Nachhaltigkeit, aber keine wirksamen Mechanismen, um den Schutz der Umwelt oder Rechte von Beschäftigten durchzusetzen. Singapur hat zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert. Hanni Gramann vom Attac-Rat: „Wir brauchen endlich Handelsabkommen, die Mensch und Umwelt ins Zentrum stellen, und verbindliche Regeln für Konzerne, mit denen diese im Falle der Verletzung von Menschenrechten zur Verantwortung gezogen werden können.“
    Quelle: attac.de

    Dazu: EU-Singapore investment deal protects the rich and powerful
    This Wednesday, 13th February, Members of the European Parliament will vote on a controversial investment deal between the EU and Singapore. This treaty is very similar to the investment chapters of CETA, the unpopular trade deal between the EU and Canada which outraged people all over Europe in 2015 and 2016.
    CETA made the news for a lot of reasons: the refusal of Wallonia to ratify it, the lack of transparency of its negotiations, its impact on the environment and climate change, etc. The deal is officially not yet ratified, as it has not been approved by all the EU Member States (only 12) and the European Court of Justice has not tabled whether this EU version of ISDS (Investor-State Dispute Settlement) is compatible with EU law.
    ISDS, a parallel justice system for rich individuals and multinationals, is still being heavily contested today. An alliance of over 150 European organisations, trade unions and social movements launched a petition in January 2019 to demand an end to ISDS, including the EU-Singapore investment deal. The petition has collected over 400,000 signatures until today.
    Nonetheless, Europe is on the way to expanding this flawed system further. On Wednesday, members of the European parliament will vote on an investment agreement between the EU and Singapore, an EU ISDS deal. The agreement, when in force, will provide rich individuals and powerful multinationals with the right to sue European countries and Singapore if a government passes a law, e.g. to restrict a dangerous chemical or to limit CO2 emissions.
    In a parallel legal system called ICS (Investment Court System, which is basically a rehash of ISDS), companies have managed to charge governments millions of Euros when certain environmental laws were enacted which impacted their profits. The system might have recently changed its name, but it has not changed its essence.
    Quelle: Friends of the earth

  8. Lohnarbeit macht unfrei
    Als Arbeitnehmer verzichten wir auf einen Teil unserer republikanischen Freiheiten, meint die politische Philosophin Elizabeth Anderson. Ihre Kritik der Lohnarbeit in den USA trifft auch auf Arbeitsbedingungen in Europa zu.
    Private Regierung“ – der Titel klingt paradox, denn normalerweise bezeichnet das Wort „Regierung“ eine sehr öffentliche Angelegenheit. Nicht so bei Elizabeth Anderson. Die US-amerikanische Professorin für Philosophie, die sich vor allem mit Theorien über Gleichheit einen Namen gemacht hat, definiert „private Regierung“ als eine willkürliche, nicht rechenschaftspflichtige Herrschaft über andere, und sie sieht diese Form der Regierung fast überall am Werk, wo wir in Lohnarbeit stehen. Wir haben diesbezüglich Scheuklappen auf, schreibt Anderson, wir leiden unter einer „politischen Hemiagnosie“, einer Krankheit, bei der man Teile des Körpers nicht wahrnehmen kann. Fakt aber sei, dass die meisten von uns gleichsam „unter der Autorität kommunistischer Diktatoren“ arbeiteten.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  9. Reiche nehmen die Realität anders wahr
    Kaum einer hat die Mächtigen so studiert wie Elitenforscher Michael Hartmann. Er erklärt, warum sich Spitzenmanager vermehrt zum Thema Ungleichheit äußern, wie ehrlich sie es meinen – und seine Lösung für das Problem.
    Herr Hartmann, der Permira-Chef Kurt Björklund hat gerade ein denkwürdiges Interview gegeben. Mit dem „Handelsblatt“ sprach er über Ungleichheit in der Gesellschaft. Und über die Rolle der Private Equity-Branche, für die er seit 23 Jahren arbeitet. Hat die Elite ein schlechtes Gewissen?
    Nein. Es gibt vielleicht eine kleine Minderheit, auf die das zutrifft. Herrn Björklund zähle ich aber nicht dazu.
    Warum?
    Das Interview mit Björklund wurde in Davos geführt. Die Mächtigen kommen gerne dorthin, um sich selbst auf die Brust zu klopfen und zu sagen: „Wir haben verstanden, die Ungleichheit ist schlimm.“ Es werden pflichtschuldig ein, zwei kritische Stimmen eingeladen und Manager lassen sich zu öffentlichen Äußerungen in diese Richtung hinreißen. Aber mit dem Ende von Davos ist auch das wieder vorbei. Zudem ziehen die CEOs keine Konsequenzen.
    Also eine reine PR-Strategie?
    Nicht nur. Wenn Ungleichheit in der Gesellschaft dazu führt, dass gewohnte demokratische Strukturen zerfallen, steigt auch die Unsicherheit für die Unternehmen. Wenn sie sich äußern, geht es ihnen darum, ihre Geschäftsmodelle zu schützen und nicht etwa um ernsthafte Maßnahmen zur Bekämpfung von Ungleichheit. Deshalb wird über solche Maßnahmen in diesen Kreisen nicht wirklich diskutiert und letztlich sind selbst Politiker wie Donald Trump oder Jair Bolsonaro für sie akzeptabel, wenn sie nur die Steuern für Unternehmen und die Reichen senken.
    Quelle: WirtschaftsWoche
  10. South Korea will pay US$924 million to host American troops this year after Donald Trump demanded more money
    • The agreement would expire in one year, and is less than the US$1 billion the US demanded
    • About 28,500 US troops are stationed in South Korea, where the United States has maintained a military presence since the 1950-53 Korean war

    South Korea and the United States struck a new deal Sunday on how much Seoul should pay for the US military presence on its soil, after previous rounds of failed negotiations caused worries about their decades-long alliance.
    The new deal must still be approved by South Korea’s parliament, but it would boost this year’s contribution to about 1.04 trillion won (US$924 million), Seoul’s Foreign Ministry said in a statement.
    Last year, South Korea provided about 960 billion won, roughly 40 per cent of the cost of the deployment of 28,500 US soldiers whose presence is meant to deter aggression from North Korea. US President Donald Trump has said South Korea should pay more.
    The allies had failed to reach a new cost-sharing plan during some 10 rounds of talks. On Sunday, Seoul’s Foreign Ministry said the countries signed a short-term agreement.
    Unlike past agreements, which lasted for five years, this one is expected to expire in a year, potentially forcing both sides back to the bargaining table within months.
    Quelle: South China Morning Post

  11. Gefährliche Euphorie – Der pauschale Zuspruch zur EU schadet nur
    Die Gretchenfrage des Europawahlkampfjahres 2019 »Nun sag, wie hast Du‘s mit der Union?« erleichtert den Neuen Rechten ihr Heilsversprechen einer scharfen Kehrtwende zurück zum Nationalstaat. …
    Was ist aber die richtige Reaktion hierauf? Die von der AfD und ihren europäischen Schwesterparteien angeregte Gewissensprüfung des »Dafür« und »Dagegen« polarisiert. Doch diese Polarisierung überwölbt die dahinter liegenden Konflikte. Sie adressiert nicht die konkreten Probleme mangelnder europäischer Kooperation und Lastenteilung in der Wirtschafts- und Währungsunion, der sozialen Spaltung des Kontinents und im Umgang mit Migrantinnen und Migranten. Sie hilft auch nicht bei der Annäherung an die Phänomene des Unmuts, über nicht eingelöste Versprechen der wirtschaftlichen Globalisierung; der Angst, sich individuell im Wettbewerb nicht behaupten zu können und pausenlos gegen den gesellschaftlichen Abstieg anzukämpfen; der Sorge, um eine orientierungs- und hilflose Politik, die sich in Aktionismus und Alternativlosigkeit erschöpft. …
    Quelle: IPG Journal
  12. Wie die Afrika-Politik der G20 den Agenda 2030-Prozess unterminiert
    Afrikanische Länder sollen für privates Kapital attraktiver werden. Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, werden durch solche Investitionen aber neue Ausplünderungszyklen befördert.
    Der G20-Gipfel 2017 in Hamburg dürfte vor allem wegen der zum Teil äußerst gewalttätigen Proteste in die Geschichtsbücher eingehen – inklusive eines in rechtsstaatlicher Hinsicht völlig aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatzes. Gleichwohl sollte nicht aus dem Blick geraten, dass in Hamburg auch Wegweisendes beschlossen wurde, unter anderem der von der Deutschen Bundesregierung lancierte “Compact with Africa” (Pakt mit Afrika).
    Blickt man freilich auf den von der Weltbank, dem IWF und der Afrikanischen Entwicklungsbank erarbeiteten Maßnahmenkatalog, wird schnell deutlich, dass es sich überwiegend um alten Wein in neuen Schläuchen handelt. Zugespitzter: Mindestens sieben Gründe sprechen dafür, dass der Compact with Africa zentrale Zielsetzungen der Agenda 2030 unterminiert und somit eine für Afrika brandgefährlichen Initiative darstellt.
    Erstens haben ausländische Privatinvestitionen Afrika in den letzten drei Jahrzehnten kaum nach vorne gebracht, eher im Gegenteil: Sie haben immer neue Ausplünderungszyklen begründet – samt Festschreibung der afrikanischen Wirtschaft auf einen bloßen Lieferanten agrarischer und mineralischer Rohstoffe. Beispielhaft erwähnt sei in diesem Kontext, dass 69 Prozent der Menschen, die von extremer Armut betroffen sind, ausgerechnet in solchen Ländern leben, in denen Öl, Gas und Mineralien eine dominante Rolle in der Wirtschaft spielen. Zweitens blendet der Compact with Africa globale Rahmenbedingungen weitgehend aus, also jene Stellschrauben, die ebenfalls für die ökonomische Marginalisierung der afrikanischen Länder verantwortlich sind, die aber politisch durchaus regulierbar wären – ob Martköffnungen (Stichwort: Freihandel), sinkende Rohstoffpreise oder Kapitalflucht. Drittens droht den beteiligten Ländern eine neue Schuldenkrise. Denn bei den geplanten Kapitalzuflüssen aus G20-Ländern handelt es sich nicht um Budgethilfen oder zinsgünstige Kredite wie in der klassischen Entwicklungszusammenarbeit, sondern um Direktinvestitionen oder Kredite zu Marktkonditionen. Die Investoren sollen also Geld verdienen. In internen Regierungspapieren ist sogar von einer garantierten Verzinsung von 4 bis 4,5 Prozent die Rede, nicht zuletzt für institutionelle Investoren wie Pensionsfonds oder Lebensversicherer. Viertens können ausländische Großinvestitionen nicht die Förderung mittlerer und kleiner (auch bäuerlicher) Betriebe ersetzen. Nur solche schaffen aber nachhaltige Arbeitsplätze in größerer Anzahl, vor allem im Zuge des Aufbaus regionaler Märkte. Fünftens wird im Compact with Africa nicht mit einem Wort auf die CO2-Reduktionsziele des Pariser Klimaabkommens eingegangen, genau das wäre aber bei einem Investitionsprogramm dieses Ausmaßes unumgänglich. Sechstens droht die Gefahr einer Abwärtsspirale von Sozial- und Umweltstandards – im Wettbewerb um neu Investoren. Dies passt siebtens dazu, dass der Compact with Africa dem Investorenschutz große Bedeutung beimisst, zu Beteiligungsverfahren durch die lokale Bevölkerung jedoch kein Wort verliert.
    Quelle: DGVN
  13. Linksliberale Überheblichkeit geht mir auf die Nerven
    Die Sozialdemokratie ist europaweit auf der Sinnsuche. Sie eilt von einer Wahlniederlage zur nächsten und wird von Flügelkämpfen gelähmt. In Deutschland hat der junge SPD-Parteitheoretiker Nils Heisterhagen mit seinen Thesen über den politischen Snobismus der Linken für heftige Debatten gesorgt. Auf Einladung des Bruno-Kreisky-Forums war Heisterhagen in Wien, um über sein Buch Die liberale Illusion. Warum wir einen linken Realismus brauchen (Dietz-Verlag, 2018) zu diskutieren.
    Quelle: Der Standard

    Anmerkung JK: Nils Heisterhagen trifft den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf.

  14. Linke Identitätspolitik – Partikularinteressen versus soziale Verantwortung?
    Kulturelle Anerkennung von Minderheiten gehört zu den Themen linker Politik. Gegenwärtig wird viel über Identitätspolitik diskutiert, sowohl in den USA als auch in Europa. Doch es gibt Kritik, auch aus linken Lagern: Die Vertretung der Interessen Einzelner befördere den Aufstieg der Rechten.
    Identitätspolitik bedeutet immer eine bewusst gesetzte Grenzziehung zwischen dem Eigenen (die dazu gehören) und dem Anderen (die ausgeschlossen sind). Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama formuliert in seinem neuen Buch, der vermeintlich vor allem linke Fokus auf „Partikularinteressen“ wie Feminismus, Homosexuellenrechte oder Black Lives Matter in den USA hätte Trump letztlich den Wahlsieg beschert und unter anderem den Aufstieg der Rechten auch in Europa zu verantworten.
    Die Auseinandersetzungen um Identitätspolitiken haben sich in den letzten Jahren verschärft. Angesichts der Wahl von Donald Trump zum US‑Präsidenten und der erstarkenden nationalistischen Rechten auch in Europa wurde von vielen Linken und Liberalen der Vorwurf erneuert, Identitätspolitik hätte den Aufstieg der Rechten und den Niedergang linker Bewegungen zu verantworten. Diese Kritik wird von ganz unterschiedlichen Intellektuellen vorgebracht, darunter der Philosoph Slavoj Žižek, Talkshow-Host Bill Maher, die Philosophin Nancy Fraser und nun auch der einflussreiche Politikwissenschaftler Francis Fukuyama.
    Einer der üblicherweise erhobenen Vorwürfe lautet, die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hätte die Wahl gegen Trump vor allem deshalb verloren, weil sie im Wahlkampf mit Themen wie Rechte von Frauen und von Homosexuellen Punkte hätte sammeln wollen – also: auf Identitätspolitik gesetzt hätte. Die ständigen Diskussionen um Rassismus, Sexismus und Dinge wie Transgender-Toiletten hätten dazu geführt, dass die Klassenfrage nicht mehr gestellt wurde. Die soziale Frage, als weit größeres Problem, hätten stattdessen die Rechten besetzt – und das hätte sich bitter gerächt. Viele sozial abgehängte Menschen, die sich nicht mehr von linken Parteien repräsentiert fühlen, wären so den Rechten in die Arme getrieben worden.
    In seinem vielbeachteten Buch „Der Glanz der Vergangenheit. Über den Geist der Reaktion“ fordert der amerikanische Politologe Mark Lilla, linke Politik solle sich wieder Anliegen widmen, die „einem Großteil der Bevölkerung am Herzen liegen“.
    Quelle: Deutschlandfunk


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