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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 17. Februar 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Münchner Sicherheitskonferenz
  2. Konferenz in Warschau: Pence fordert EU-Ausstieg aus Atomdeal
  3. Venezuela
  4. Buchbesprechung: Die Hintergründe des Aufstands der “Gelben Westen”
  5. Der Westafrikanische Franc: Frankreich und der unsichtbare Kolonialismus
  6. Regierung will Kontrolle über die Statistik Austria und bestimmen welche Informationen wir bekommen
  7. Strompreis: Steuergeschenke nur für Reiche?
  8. Megadeals mit Immobilien: Bürger zahlt, Investor strahlt
  9. Mindestlohn
  10. EU-Rat gibt grünes Licht für die extremste Version von Artikel 13
  11. Wofür braucht die ARD denn ein “Framing Manual”? Generalsekretärin Susanne Pfab über den viel diskutierten Sprach-Leitfaden
  12. SPD
  13. Der Kapitalismus will aus allen Bürgern Migranten machen
  14. Ozeane vor dem Kollaps

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Münchner Sicherheitskonferenz
    1. Die Ära der Großmachtrivalitäten
      Mit düsteren Prognosen stimmen die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz auf die am Freitag beginnende Großveranstaltung ein. Die Welt befinde sich gegenwärtig in einer “Ära der Großmachtrivalitäten”, in der “zentrale Bausteine der internationalen Ordnung” neu sortiert würden, urteilt Wolfgang Ischinger, Leiter der Konferenz. In den zentralen außen- und militärpolitischen Strategiepapieren der Vereinigten Staaten habe der neue “Großmächtewettbewerb” den “Anti-Terror-Krieg” als zentrales Kampffeld abgelöst, heißt es im neuen Munich Security Report, einem Hintergrundbericht zu der Veranstaltung. Dabei könne sich der Konflikt mit China aus Sicht des US-Establishments “zumindest” zu einem neuen Kalten Krieg entwickeln. Der Report geht davon aus, dass die Konflikte mit US-Präsident Donald Trump in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit noch zunehmen. Der EU bescheinigt das Papier unzureichende Bemühungen um “strategische Autonomie”. Ob die “Übergangsperiode” zu einer neuen “Ordnung” der Welt “friedlich sein” werde, das sei, heißtes, überhaupt nicht klar.
      (…) “Mindestens ein Kalter Krieg”
      Der “Großmächtewettbewerb”…hat, so heißt es, den “Anti-Terror-Krieg” der vergangenen beiden Jahrzehnte abgelöst. Der Begriff bezieht sich auf die US-Rivalität sowohl gegenüber Russland als auch gegenüber China; Washington stuft beide explizit als Rivalen ein. Zu China heißt es im Munich Security Report, in den USA werde heute die Auffassung weithin geteilt, das Land sei zum “dynamischsten und schwierigsten Konkurrenten der modernen Geschichte” geworden. Unter Trump hätten sich die US-Beziehungen zu Beijing denn auch “mehr und schneller verschlechtert als zu jedem Zeitpunkt seit der Aufnahme offizieller Kontakte im Jahr 1979”. Die derzeitige Administration scheine “zum Mindesten” bereit “zu akzeptieren, dass das Ergebnis ein neuer Kalter Krieg sein könnte”.
      Quelle: German Foreign Policy

      Anmerkung Marco Wenzel: seit Ende des zweiten Weltkriegs haben die USA uns das Märchen von der „gutartigen Hegemonie Amerikas“ erzählt. Bei der Verankerung dieses Märchens im Bewusstsein der Bevölkerung spielte der Council of Foreign Affairs (CFR) eine tragende Rolle. Während dieser ganzen Zeit haben die USA im Hintergrund, auch in Europa, Regierungen gestürzt, Wahlen manipuliert, Geheimarmeen aufgebaut (Gladio) und politische Morde begangen. Die Fassade scheint endlich zu bröckeln.

    2. Neue Wertegemeinschaft: Mit Donald Trump in die Willkürzone der internationalen Politik
      Gegen Russland, China und den Rest der Welt. Die aktuellen Entwicklungen lassen befürchten, dass sich die Bundesregierung der destruktiven Außenpolitik der Regierung unter Donald Trump unterordnet
      In den vergangenen Jahren beklagten sich zahlreiche europäische Politiker darüber, dass die Regierung unter Donald Trump willkürlich Vertragswerke und Abmachungen in den internationalen Beziehungen zerstört. Mit dem versuchten Putsch in Venezuela und dem amerikanischen Austritt aus dem INF-Vertrag hat sich der Tenor allerdings deutlich verschoben.
      Neuerdings beeilen sich auch zahlreiche deutsche Außenpolitiker, ihre Wertegemeinschaft mit Donald Trump, Mike Pompeo und Gina Haspel unter Beweis zu stellen, indem sie offensichtliche Rechtsbrüche in den internationalen Beziehungen begeistert unterstützen. Stephen Walt, Professor für internationale Politik an der Harvard-Universität, erinnerte mit Blick auf das Verhältnis zwischen USA und EU kürzlich daran, dass gemeinsame Werte eine “fromme Rhetorik” sind. Die “regelbasierte Ordnung” und eine “transatlantische Gemeinschaft” bezeichnet er als Schaufensterdekoration: “Der wahre Grund, warum sich die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit intensiv für die europäische Sicherheit eingesetzt haben, liegt darin, dass sie dachten, es läge im Interesse des Landes zu verhindern, dass ein einzelner Staat Europa dominiert und seine reichlich vorhandene industrielle Macht kontrolliert.”
      Im Gegensatz zu vielen deutschen Außenpolitikern ist dem Herausgeber von Foreign Policy dabei bewusst, dass Europa erheblich größer ist als die EU und etwa Russland miteinschließt. Mit einer gemeinsamen Politik, so Walt, könnte Europa mächtiger sein als die USA. Als Vertreter der realistischen Schule der Außenpolitik hält er fest, dass das Engagement der USA in Europa eigentlich einem Machtkampf um die Führung in der “westlichen Hemisphäre” entspringt.
      Quelle: Telepolis
    3. Sie wollen Krieg
      Höhere Militärausgaben, Ausstieg aus dem INF-Vertrag und ein schärferer Kurs gegen Russland
      Die Bundesregierung legte der NATO am Dienstag ein Strategiepapier vor, in dem sie sich verbindlich zu einer Erhöhung der Investitionen in die Bundeswehr und deren Ausrüstung bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bekennt. Zudem solle der Anstieg in den Jahren nach 2024 fortgesetzt werden. Langfristiges Ziel ist es, auf 2 Prozent des BIPs zu kommen, welches von den USA innerhalb der NATO gefordert und von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angestrebt wird.
      Die geplanten Militärausgaben belaufen sich für 2019 auf 43,2 Milliarden Euro. Sollten sie bis 2025 auf 1,5 Prozent des BIP steigen, wären das auf Basis aktueller Werte fast 51 Milliarden Euro. Da aber die Wirtschaft derzeit wächst, ist es möglich, dass die deutschen Militärausgaben bis 2025 auf mehr als 60 Milliarden Euro steigen werden.
      Neben den Verteidigungsausgaben stellt der Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag eine weitere Eskalationsstufe dar. […] Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Russland habe zwar den INF-Vertrag verletzt, dennoch müsse das „Gesprächsfenster“ offengehalten werden. „Leider ist Russland nicht bereit, Vertragstreue wiederherzustellen“, twitterte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und forderte „umfassende Rüstungskontrollen“. Der EVP-Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), nannte das mögliche Aus des Abkommens einen „Weckruf für Europa“ und sagte: „Wir müssen unsere eigenen Sicherheitsinteressen besser und stärker in die eigene Hand nehmen.“
      Während dessen rollt schweres Kriegsmaterial durch Deutschland gen Osten. Im Rahmen der US-Operation „Atlantic Resolve“ bewegen sich nach Angaben der US-Armee seit Januar Konvois mit mehr als 5 400 Soldaten und unter anderem 80 Panzer, 120 Bradley-Kampffahrzeuge, 15 Panzerhaubitzen und 80 Kampfhubschrauber in Richtung der Westgrenze Russlands.
      Quelle: unsere zeit
    4. Bund sponsert Kriegskonferenz
      “Das Sponsoring einer Kriegskonferenz mit Steuermitteln ist ein Unding”, empört sich die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz. Auf eine Schriftliche Frage der Abgeordneten zur Unterstützung der Konferenz durch den Bund teilte die Bundesregierung mit, es würden 290 Bundeswehrangehörige entsandt, um in den Bereichen Organisation, Transport, Sanitätsdienst und Dolmetscherleistungen zu unterstützen. Die Kosten hierfür werden damit deutlich über den 640.000 Euro liegen, die vor zwei Jahren für den Einsatz von lediglich 217 Soldaten fällig wurden. Hinzu kommt eine Förderung durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Höhe von 500.000 Euro. Jelpke kommentiert dazu weiter:
      „Über eine Million Euro für einen Ratschlag, an dem die Herrschenden über ihre Kriege diskutieren und Rüstungskonzerne ihre todbringenden Produkte anbieten – das ist ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler. Der Umfang des staatlichen Sponsorings beträgt rund ein Drittel des Gesamtbudgets der Konferenz. Ohne Steuergelder würde die Konferenz überhaupt nicht stattfinden – und das wäre auch gut so. Denn diese Konferenz liegt allein im Interesse der Kriegführenden und der Waffenschmiede. Aus diesem Grund werden sich auch in diesem Jahr zahlreiche Abgeordnete der LINKEN den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz anschließen.”
      Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
    5. Frieden statt Aufrüstung: Proteste gegen SIKO
      Kundgebung und Demonstration:
      Samstag, 16. Februar, 13 Uhr, Demo-Auftakt, Stachus;
      15 Uhr, Abschlusskundgebung, Marienplatz
      Friedenskonferenz:
      Freitag bis Sonntag, 15. bis 17. Februar, u.a. DGB-Haus, Schwanthalerstraße 64, München
      “Frieden statt Aufrüstung! – Nein zum Krieg!” Unter diesem Motto werden am Samstag Tausende Menschen in München auf die Straße gehen, um gegen die so genannte „Sicherheitskonferenz“ zu protestieren, zu der von Freitag bis Sonntag Staats- und Regierungschefs sowie hochrangige Vertreter aus Politik, Militär, Wirtschaft und Rüstungsindustrie in der Stadt zusammenkommen. Gemeinsam mit einem breiten Bündnis der Friedensbewegung ruft das globalisierungskritische Netzwerk Attac zu den Protesten mit auf und beteiligt sich an ihnen…
      Quelle: attac
  2. Konferenz in Warschau: Pence fordert EU-Ausstieg aus Atomdeal
    Auf der Nahost-Konferenz in Warschau unter US-Führung fordert Vizepräsident Pence die EU auf, ebenfalls aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen. Nicht nur Teheran sieht die Veranstaltung gegen sich gerichtet.
    Quelle: Tagesschau

    dazu: Deutsche Teilnahme an Warschauer Kriegskonferenz ist ein Fehler
    Die Teilnahme der Bundesregierung an der Kriegskonferenz der USA, Israels und Saudi-Arabiens gegen den Iran ist ein Fehler. Es ist löblich, dass Außenminister Heiko Maas nicht selbst zu der illustren Runde nach Warschau gefahren ist. Außenpolitisch konsequent und friedenspolitisch vernünftig wäre gewesen, auch auf die Entsendung eines Stellvertreters zu verzichten”, erklärt Sevim Dagdelen, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. Dagdelen weiter:
    „Die Bundesregierung und die EU machen sich außenpolitisch unglaubwürdig, wenn Saudi-Arabien von der EU-Kommission wegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf eine Schwarze Liste gesetzt werden soll, während die Kopf-ab-Diktatur in Warschau gleichzeitig als Teil einer Kriegskoalition gegen den Iran hofiert wird.
    Frieden und Stabilität im Nahen Osten wird es nur unter Einbeziehung aller Akteure geben. Statt sich ohne Not in Warschau an einer Konferenz zu beteiligen, deren offenbares Ziel die Vorbereitung eines Krieges gegen den Iran ist, sollte sich die Bundesregierung für eine Konferenz für den Nahen und Mittleren Osten nach dem Vorbild der KSZE stark machen. Notwendig sind Sicherheitsgarantien für alle Staaten der Region. Dazu gehört auch der Kampf um den Erhalt des von US-Präsident Donald Trump einseitig aufgekündigten internationalen Atomabkommens mit dem Iran.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

  3. Venezuela
    1. U.S. in direct contact with Venezuelan military, urging defections – source
      The United States is holding direct communications with members of Venezuela’s military urging them to abandon President Nicolas Maduro and is also preparing new sanctions aimed at increasing pressure on him, a senior White House official said. […]
      “We believe these to be those first couple pebbles before we start really seeing bigger rocks rolling down the hill,” the official said this week, speaking on condition of anonymity. “We’re still having conversations with members of the former Maduro regime, with military members, although those conversations are very, very limited.”
      Quelle: Reuters

      Anmerkung Jens Berger: Man kann den USA zumindest nicht vorwerfen, dass sie in Venezuela einen verdeckten Putsch durchziehen. Sie putschen ganz offen und kommunizieren das auch so.

    2. «Die Alternative wäre Krieg»
      Interview mit dem venezolanischen Soziologen Emiliano Teran Mantovani über die Akteure der Krise und mögliche Auswege.
      Quelle: RLS

      Anmerkung Jens Berger: Ein erfreulich informatives und unideologisches Interview, das die konstruktive Lösungen zumindest aufzeigt, die bislang in der erhitzten Debatte komplett untergehen.

    3. Strafrechtsexperte zu Venezuela “Anerkennung hat keine Wirkung”
      Ist die Anerkennung von Venezuelas selbst ernanntem Interimspräsidenten Guaidó völkerrechtlich legitim? Strafrechtsexperte Ambos hält den Schritt im tagesschau.de-Interview für problematisch – und wirkungslos.
      tagesschau.de: Die Bundesregierung hat Venezuelas selbst ernannten Präsidenten Juan Guaidó als Staatschef anerkannt. Ist das völkerrechtlich legitim?
      Ambos: Legitim vielleicht schon, aber mit Blick auf den Nichteinmischungsgrundsatz der UN-Satzung auf jeden Fall problematisch. Ein formaler Rechtsakt – wie etwa die Anerkennung einer Regierung – ist ein Eingriff in eine ureigene innerstaatliche Angelegenheit, nämlich in die Regierungsform und Regierungsbildung. Wenn die Einmischung in Richtung “Regime Change” geht, wird es noch problematischer.
      Quelle: Tagesschau

      dazu auch: No 398
      […] Die Anerkennung darf nicht vorzeitig, d.h. sie darf nicht erfolgen, bevor die neue Staatsgewalt sich endgültig durchgesetzt hat. Die vorzeitige Anerkennung für sich allein […] macht die Regierung nicht zur legitimen Regierung. Sie hat insoweit keine völkerrechtliche Wirkung. Andrerseits stellt sie eine Verletzung der legitimen Staatsgewalt dar durch die der Anerkennende sich der völkerrechtlichen Deliktshaftung aussetzt und die überdies unter dem Aspekt der Friedenssicherung erheblichen Bedenken begegnet.<< [...] Für die Drohung mit der Anerkennung des Interimspräsidenten gelten letztlich die gleichen Leitvorstellungen wie für die Anerkennung selbst. So hängt auch die Zulässigkeit der Drohung davon ab, wer zum Zeitpunkt der mit der Drohung in Aussicht gestellten Anerkennung die effektive Staatsgewalt in dem betroffenen Staat ausübt. [...] Die Fragestellung des Auftraggebers nach der Zulässigkeit der Drohung mit einer militärischen Intervention und der Inhaftierung eines noch amtierenden Staatsoberhauptes im Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base bezieht sich auf Äußerungen eines Sicherheitsberaters der US-amerikanischen Regierung, die in der Presse zitiert wurden. [...] Die Drohung mit einer militärischen Intervention ist eine Drohung mit Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit eines Staates. Da die VN gem. Art. 2 (1) ihrer Charta auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Mitgliedstaaten beruhen und eine Militärintervention dem Grundsatz der souveränen Gleichheit widerspricht, ist die Drohung auch mit den Zielen der VN unvereinbar. [...]”1 Quelle: Maskenfall

      Anmerkung Christian Reimann: „Maskenfall“ zitiert aus einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Das vollständige Dokument trägt den Titel „Zur Anerkennung ausländischer Staatsoberhäupter“ und kann hier nachgelesen werden.

    4. “Zynische PR-Strategie”: Venezuela und die Blockade eines Grenzübergangs, der nie geöffnet war
      Washington drängt Caracas auf die Aufhebung der Blockade eines Grenzübergangs, über den US-Hilfsgüter zu den “hungernden Menschen” in Venezuela transportiert werden sollen. Dabei floss dort nie der Verkehr – denn Kolumbien blockiert den Übergang bereits seit langem.
      (…) In einem Tweet teilte US-Außenminister Mike Pompeo eben jenes Foto, um zu behaupten, dass “das venezolanische Militär unter Maduros Befehl die Hilfe… blockiert. Das Maduro-Regime muss die Hilfe für die hungernden Menschen durchlassen.” Und die Medien auch in Europa griffen seine Vorlage dankbar auf…
      Doch die Behauptung des US-Diplomaten hat einen Haken: Der Grenzübergang wird bereits seit 18 Monaten blockiert – nämlich von Kolumbien. Darauf machte der Blogger Justin Emery in einem Artikel auf medium.com aufmerksam. So zeigt ein im Juni 2017 veröffentlichtes Foto, wie der Grenzübergang auf kolumbianischer Seite durch einen Metallzaun und Betonblöcke verriegelt wurde…
      Quelle: RT Deutsch

      dazu auch: Shows für die Medien
      »Humanitäre Hilfe« für Venezuela: Wie die USA und Kolumbien Bilder produzieren – und sich beim Lügen erwischen lassen
      Auf der kolumbianischen Seite der 2016 fertiggestellten, aber nie eröffneten Grenzbrücke Tienditas nach Venezuela wurden Journalisten in- und ausländischer Medien am vergangenen Freitag zu einem Pressetermin eingeladen. Den Berichterstattern wurde ein Lager mit rund 46 Tonnen Waren gezeigt, darunter Lebensmittel, Hygiene- und Gesundheitsprodukte. Diese sollten nach Venezuela geliefert werden, um den dort herrschenden »humanitären Notstand« zu lindern, hieß es.
      Zu den Besuchern gehörte Freddy Durán von der venezolanischen Regionalzeitung La Nación. Er berichtet, dass die vorgeführten Pakete enthielten, was man auch in Venezuela auf jedem »solidarischen Markt« erhalten könne: Öl, Zucker, Milchpulver, Maismehl, Thunfisch und ähnliches. Den Aufdrucken auf den Packungen zufolge handelte es sich um kolumbianische Produkte, die auch im örtlichen Supermarkt erhältlich sind. Offenkundig wurde den Journalisten also keine Hilfslieferung vorgeführt, die aus den USA nach Kolumbien transportiert worden war.
      Quelle: junge Welt

    5. Keine Heilsbringer
      In Venezuela ein „Klima der Unregierbarkeit“ schaffen, den Staat „lahmlegen“ und ausländische Interventionen befürworten: Eben so hat Juan Requesens die Ziele seiner Oppositionspartei Primero Justicia immer beschrieben. Darin war die Opposition nun spektakulär erfolgreich. Umso bitterer, dass auch die mitunter exzesshaften Reaktionen, dass Arroganz und politische wie ökonomische Fehler seitens des Chávismus zu dem Chaos geführt haben, das in Venezuela herrscht – Gewalt, Korruption, Verfassungsbruch finden sich auf beiden Seiten.
      Doch von einer Opposition, die das Gebäude des Obersten Gerichts anzündet, weil ihr Urteile nicht passen, die sogar Lynchjustiz betreibt, davon hört man hier kaum etwas. Der Anwalt José Félix Pineda etwa, Kandidat für die verfassunggebende Versammlung, wurde von Angreifern in seinem Haus erschossen. Die Guarimbas, Gewaltaktionen der oppositionellen paramilitärischen Gruppen, führten allein 2014 zu 43 Toten und 878 Verletzten. Hiesigen Großmedien ist nur zu entnehmen, dass Oppositionelle in Haft sind; nie, dass es um den Vorwurf von Anstachelung zur Gewalt geht, wie berechtigt dieser im Einzelnen auch sein mag.
      Die wohlhabende Klasse hat Chávez’ Reformen zugunsten der Armen nie akzeptiert. Heute wird so getan, als herrschten vor den Sozialisten Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit im Land. Doch der Sieg der Bolivarischen Revolution 1999 war nicht auf eine Charme-Offensive zurückzuführen, sondern auf die angestaute Wut darüber, dass unter US-amerikanischer Vorherrschaft die Hälfte der Bevölkerung unter die Armutsgrenze fiel. In den 80er Jahren hatte eine Staatsverschuldung von 30 Milliarden US-Dollar zu den üblichen neoliberalen Spar- und Privatisierungsauflagen des Internationalen Währungsfonds geführt. Zehn Jahre vor Chávez’ Wahlsieg war ein mehrtägiger Hungeraufstand im ganzen Land ausgebrochen: der Caracazo, gegen den Milizen eingesetzt wurden – es gab laut Schätzungen bis zu 3.000 Tote. Der Internationale Gerichtshof verurteilte die Verletzung von Menschenrechten, verlangte Entschädigung für Mord und Folter – gezahlt wurde diese erst unter Chávez.
      Quelle: Freitag
    6. Hauptsache rechts
      Bundespräsident Steinmeier in Lateinamerika: Venezuela im Visier. Lob für neoliberale Regierungen
      Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier trifft auf seiner Reise nach Lateinamerika am Mittwoch in der Hauptstadt Ecuadors, Quito, ein, wo er unter anderem mit Präsident Lenín Moreno sprechen will. Der seit Mai 2017 amtierende Staatschef, den Steinmeier als Verbündeten in der Front gegen den Präsidenten Venezuelas, Nicolás Maduro, ansieht, steht im eigenen Land mittlerweile mit dem Rücken zur Wand. Einer am Sonntag vom Meinungsforschungsinstitut »Cedatos« veröffentlichten Umfrage zufolge glauben nur noch 32,7 Prozent der Ecuadorianer den Erklärungen ihres Präsidenten. Im August 2017, drei Monate nach seinem Amtsantritt, lag Morenos Glaubwürdigkeit noch bei rund 68 Prozent.
      Dem Präsidenten wird unter anderem Verrat an den Wählern und ein neoliberaler Kurswechsel vorgeworfen…. Seit seinem Machtantritt hat der Seitenwechsler die Anhänger Correas in der Regierung systematisch kaltgestellt und öffentliche Medien von unbequemen Journalisten gesäubert. Kritiker seiner Politik lässt Moreno auch juristisch verfolgen.
      (…) Der deutsche Bundespräsident hat davon entweder nichts mitbekommen, oder es interessiert ihn nicht. Ecuador sei »ein Beispiel für Öffnung, Aufbruch und Erneuerung«, erklärte Steinmeier in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der Zeitung El Comercio. Und während die aktuelle »Cedatos«-Umfrage am selben Tag ergeben hatte, dass zwei Drittel der Bevölkerung in Ecuador den neoliberalen Kurswechsel ablehnen, lobte der deutsche Sozialdemokrat: »Ich habe großen Respekt für die beherzten Reformen, die Staatspräsident Moreno und seine Regierung auf den Weg gebracht haben.« Besonders am Herzen liege ihm »die Zukunft der Demokratie«, vertraute Steinmeier der rechtskonservativen Tageszeitung außerdem an. »Wir sehen, wie sie an vielen Orten der Welt unter Druck ist. Wir sehen aber auch, wie an vielen Orten in der Welt neue Hoffnung keimt – wie in ihrer Nachbarschaft, in Venezuela.«
      Quelle: junge Welt

      Anmerkung Marco Wenzel: Über Steinmeier habe ich mir nie Illusionen gemacht. Und was Moreno anbelangt: der arbeitet zurzeit, um sich bei den USA bei zu schmieren, unter anderem an der Vertreibung von Julian Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London. Dieselbe Botschaft, die Assange Juni 2012 noch großzügig Asyl gewahrt hatte. Damals aber war der progressive Rafael Correa Staatspräsident in Ecuador.

  4. Buchbesprechung: Die Hintergründe des Aufstands der “Gelben Westen”
    Der Aufstand der “Gelben Westen” ist ein Aufstand des ländlichen Frankreichs und der französischen Arbeiterklasse. Er hat die Eliten völlig überrascht. Das hätte nicht so sein müssen, denn Warnungen gab es genug, unter anderem von Christophe Guilluy. Der Wirtschaftsgeograph weist seit Jahren auf die Frakturen und schwerwiegenden sozialen Probleme der Gesellschaft als Folge einer neoliberalen Politik auf dem Rücken der Mehrheit der Franzosen hin. Eines seiner wichtigsten Bücher, das in Frankreich 2016 viel Aufsehen erregt hat, ist jetzt in englischer Sprache erchienen, unter dem Titel “Twilight of the Elites: Prosperity, the Periphery, and the Future of France” (Yale University Press 2019).
    Von Gastautor. Das Buch mit dem Originaltitel “Le Crépuscule de la France d’en Haut” ist zwar deutlich vor dem Beginn des Aufstands vollendet worden. Doch wer sich für dessen Hintergründe interessiert und Englisch besser als Französisch versteht, ist mit diesem Buch dennoch hervorragend bedient. Es gibt einen faszinierenden und beklemmenden Einblick in die schwerwiegenden sozialen Veränderungen, die die Rebellion ausgelöst haben. Und es lässt ahnen, dass sich die Lage in Frankreich nicht so schnell wieder beruhigen wird, selbst wenn das Macron-Regime Frankreich in einen totalitären Polizeistaat verwandelt – wovon ja bereits mehr als nur Ansätze zu sehen sind. Die äußerst bedenklichen Entwicklungen, die Guilluy für Frankreich beschreibt, lassen sich zumindest teilweise auch in Deutschland beobachten.
    Gemein haben Frankreich und Deutschland eine fast 30-jährige neoliberale Politik der Umverteilung von unten nach oben. In beiden Ländern stagnieren Löhne und Gehälter in realen Größen seit rund zwei Jahrzehnten. Die starken Einkommenszuwächse der Oberschicht und einer vergleichsweise kleinen oberen Mittelschicht, sowie die Ultraniedrigzinspolitik der Notenbanken haben zudem zum Phänomen der Gentrifizierung geführt. Wohnviertel und inzwischen sogar ganze Städte werden für Normalverdiener unerschwinglich, so dass diese daraus vertrieben werden. In Frankreich mit seinem wesentlich stärkeren Gegensatz von etwa 15 Metropolregionen und einem vergleichsweise dünn besiedelten ländlichen Gebiet, in dem es an Arbeitsplätzen, Infrastruktur und Institutionen der höheren Bildung fehlt, treten die sozialen Gegensätze klarer zutage als hierzulande.
    Guilluy spricht von “neuen Zitadellen”, von einer Neuauflage mittelalterlicher Städte mit einem wohlhabenden Bürgertum, die sich von einer verarmenden Landbevölkerung immer mehr abgrenzen, wobei die steinernen Stadtmauern längst durch wesentlich effektivere finanzielle Mauern ersetzt worden sind. …
    Quelle: Norbert Häring
  5. Der Westafrikanische Franc: Frankreich und der unsichtbare Kolonialismus
    Kolonialismus – ein Fehler der Vergangenheit? In West- und Zentralafrika setzt Frankreich die Ausbeutung seiner ehemaligen Kolonien fort – unter anderem über eine Währung, die alte Machtverhältnisse zementiert und die wirtschaftliche Entwicklung blockiert. Die Folgen: Armut, Konflikte und Migration.
    (…) Import billiger als Eigenproduktion
    Ein Phänomen, das sich in weiten Teilen Afrikas beobachten lässt: Urbane Eliten auf der einen Seite, große Armut an den Stadträndern und in den ländlichen Gebieten auf der anderen. Woher kommt das und warum haben jahrzehntelange Entwicklungshilfe und Milliardenzahlungen den afrikanischen Kontinent nicht aus der Armut holen können? Dafür gibt es unzählige Gründe. Eine der zentralen Ursachen findet sich hier auf dem Markt in Dakar. Auf den Etiketten der Hosen und T-Shirts finden sich gut bekannte Namen und Marken: Zara, H&M, Wrangler und Co. Alles Secondhand.
    In Westafrika liegen einige der wichtigsten Baumwollanbaugebiete der Welt – eine eigenständige Textilindustrie gibt es allerdings kaum. Nicht einmal zehn Prozent der Baumwolle werden vor Ort verarbeitet. Im Normalfall ist es billiger, gebrauchte Kleidung aus Europa zu importieren, als sie in Westafrika zu produzieren. Wie ist das möglich in einem Teil der Welt, in dem Arbeitskraft kaum etwas kostet?
    (…) Kolonialmacht Frankreich profitiert bis heute
    …Handelsverträge, die im Gegenzug für die Unabhängigkeit unterzeichnet wurden. Bis heute sichert sich Frankreich mit diesen alten Verträgen einen bevorzugten Zugang zu den Ressourcen in den ehemaligen Kolonien.
    (…) Der Franc CFA – Mittel wirtschaftlicher Ausbeutung
    Doch es sind nicht nur diese alten Verträge, mit denen sich Frankreich weiterhin wirtschaftliche Vorteile und Einfluss in seinen ehemaligen Kolonien sichert. Das eigentliche Kernstück kolonialer Kontinuität und finanzieller Kontrolle wird allzu leicht übersehen: der Franc CFA; der Franc für die „Colonies francaises d’afrique“, die französischen Kolonien Afrikas. Eine Währung, die von acht westafrikanischen Staaten und sechs Staaten Zentralafrikas verwendet wird. Beide Regionen haben ihre eigene Zentralbank, die Währungen sind allerdings beide mit dem gleichen Wechselkurs an den Euro gebunden und insofern austauschbar. Insgesamt nutzen 150 Millionen Menschen den Franc CFA.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung Marco Wenzel: Dieser Aspekt ist in Europa kaum bekannt. Wer an den Euro denkt, denkt nicht an die Bindung des CFA an den Euro.150 Millionen Menschen leben in den 14 Ländern der Subsahara, die über den CFA an den Euro gebunden und über diesen Transmissionsriemen von Frankreich abhängig sind. Die EU selber zählt etwa 500 Millionen Einwohner, davon 350 Millionen in der Eurozone. Deshalb hat die französische Regierung panische Angst vor einer Ausbreitung der Bewegung der Gelbwesten auf ihre Auslandsbesitztümer. Auch dort wächst die Verarmung der Bevölkerung, auch dort sind sie sauer auf die Regierung in Paris und deshalb beginnen auch dort die Unruhen, inspiriert von den Gelbwesten im französischen Mutterland. Die könnten schnell zu Forderungen nach Loslösung der Abhängigkeit von französischem Neokolonialismus mutieren. Und in den Kolonien sind Proteste noch schwieriger unter Kontrolle zu bringen, als in Frankreich selber.

    Siehe dazu auch: “Afrika und der CFA-Franc: Ein System “freiwilliger Knechtschaft”?” sowie: “Euro-Kolonialismus in Afrika: Der unbekannte Skandal, der Millionen in die Emigration zwingt“.

  6. Regierung will Kontrolle über die Statistik Austria und bestimmen welche Informationen wir bekommen
    Die Regierung will die Statistik Austria ans Kanzleramt binden. Kurz und Co. wollen dadurch kontrollieren, ob und wann Statistiken veröffentlicht werden. Schon in der Vergangenheit hat Schwarz-Blau gezeigt, dass sie mit unabhängigen Fakten wenig anfangen können.
    Über 1,5 Millionen Menschen sind in Österreich armutsgefährdet. Die reichsten 5 % der Österreicher besitzen 45% des gesamten Vermögens in unserem Land. Diese Daten hat die Statistik Austria im April 2018 in ihrem jährlich erscheinenden Armutsbericht präsentiert – zum ersten Mal seit Jahren ohne das Sozialministerium. Denn die Regierung wollte den Bericht keine große Aufmerksamkeit zukommen lassen. Das ist nur ein Beispiel für den Umgang von schwarz-blau mit für sie unvorteilhaften Fakten. Jetzt soll das Statistik Amt umstrukturiert und an das Bundeskanzleramt gebunden werden. Sebastian Kurz hätte damit die Kontrolle über eine eigentlich unabhängige Organisation und damit auch darüber welche Fakten veröffentlicht werden.
    Quelle: Kontrast.at
  7. Strompreis: Steuergeschenke nur für Reiche?
    Die Union plant ein neues Leckerli für Höchstverdiener und Millionäre, an Verbrauchssteuern für die Masse wird hingegen erbittert festgehalten […]
    Um 7,5 Cent pro Kilowattstunde könnte die Stromrechnung für private Haushalte niedriger ausfallen, wenn der Fiskus auf die Stromsteuer sowie einen Teil der Mehrwertsteuer verzichten und dann noch die Subventionierung der energieintensiven Betriebe übernehmen würde, die bisher über die sogenannte EEG-Umlage den privaten Kunden aufgehalst wird. Bei rund 120 Milliarden Kilowattstunden, die private Haushalte verbrauchen, macht das für den Staatshaushalt ein jährliches Minus von neun Milliarden Euro aus.
    Hört sich nach viel an? Ein kleiner Vergleich: Die Union drängt gerade darauf, den sogenannten Soli abzuschaffen – und zwar für alle, nicht nur für die unteren Einkommensgruppen, wie es die SPD vorschlägt. Das Gros der Soli-Einnahmen von rund 18 Milliarden Euro kommt von den Besserverdienenden, während niedrige Einkommen kaum belastet werden.
    Ein Steuerpflichtiger aus dem reichsten Hundertstel der Bevölkerung zahlt 12.600 Euro im Jahr, schreibt die Zeit, während die ersten 1000 Euro Monatseinkommen und die zusätzlichen Kinderfreibeträge nicht mit der Zusatzabgabe belastet werden. Das kleine Geschenk, das CDU und CSU den Reichen und Superreichen mit der pauschalen Abschaffung machen würde, bedeutete für den Fiskus jährliche Mindereinnahmen von rund 11 Milliarden Euro.
    Oder mit anderen Worten: Steuergeschenke sind offensichtlich möglich, aber nicht für das Gros der privaten Haushalte, die unter der Last der Stromrechnungen ächzen.
    Quelle: Telepolis
  8. Megadeals mit Immobilien: Bürger zahlt, Investor strahlt
    Investoren kaufen Hunderttausende Wohnungen. Mit sogenannten Share Deals sparen sie Steuern und unterlaufen die Rechte der Kommunen. So funktioniert der Trick.
    Die Bewohner des vierstöckigen Mietshauses in Berlin-Kreuzberg haben seit vergangenem Jahr einen neuen Vermieter. Die Deutsche Wohnen, der zweitgrößte Vermietungskonzern Deutschlands, hat das Gebäude, Reichenberger Straße 55, gekauft. Nimmt man es genau, wechselte allerdings nicht das Haus den Eigentümer – sondern die BOW 3 GmbH, Amtsgericht Landshut Handelsregister B Nummer 9278. Der wiederum gehört das Haus.
    Das klingt nach Erbsenzählerei. Doch dem Land Berlin sind dadurch rund acht Millionen Euro Steuereinnahmen entgangen. “Share Deals” heißen die Konstruktionen, bei denen Investoren nicht Häuser und Grundstücke kaufen und verkaufen, sondern Unternehmen. Stellen die Beteiligten es geschickt an, lässt sich damit die Grunderwerbsteuer größtenteils sparen. Eine Steuer, die jeder Bürger zahlen muss, wenn er sich ein Haus oder eine Eigentumswohnung kauft. Zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises werden je nach Bundesland fällig – außer eben, man lebt in der Welt der Immobilienriesen.
    Quelle: Spiegel Online
  9. Mindestlohn
    1. Mindestlöhne: Im EU-Mittel kräftige Zuwächse, in Westeuropa meist über 9,60 Euro, neue Ansätze für europäische Koordination
      Die Mindestlöhne in den 22 EU-Staaten, die über eine gesetzliche Lohnuntergrenze verfügen, sind zuletzt im Mittel kräftig angehoben worden – nominal um 4,8 und nach Abzug der Inflation um 2,7 Prozent. 20 EU-Staaten haben ihre Mindestlöhne zum 1. Januar, zum 1. Februar 2019 oder in der zweiten Hälfte 2018 erhöht, in Großbritannien ist eine Anhebung des National Minimum Wage für April beschlossen. Erstmals seit sieben Jahren stieg zum 1. Februar auch der griechische Mindestlohn wieder. Lediglich in Lettland gibt es aktuell keine Erhöhung. Die nominalen Steigerungen waren die zweitstärksten seit 2009. Das zeigt der neue Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Der deutsche Mindestlohn ist mit 9,19 Euro pro Stunde weiterhin spürbar niedriger als die Lohnuntergrenzen in den westeuropäischen Euro-Staaten, die alle 9,66 Euro und mehr Stundenlohn vorsehen, in Frankreich erstmals über zehn und in Luxemburg sogar 11,97 Euro.
      Quelle: Hans Böckler Stiftung

      Anmerkung JK: Auch beim Mindestlohn manifestiert sich das Bestreben, den größten Niedriglohnsektor Europas aufrecht zu erhalten.

    2. Der Mindestlohn steigt – (fast) überall in Europa
      Deutschland ist Schlusslicht in Westeuropa
      Es geht bergauf, zum Teil sogar kräftig: In den 22 EU-Staaten, die eine gesetzliche Lohnuntergrenze haben, sind die Mindestlöhne im Schnitt um 4,8 Prozent gestiegen. Auch in Deutschland gab es eine Erhöhung – trotzdem sind wir immer noch Schlusslicht in Westeuropa. Die aktuellen Zahlen des WSI im Überblick.
      Quelle: DGB
    3. Mindestlohn ist Niedriglohn
      Einer von Fünf Beschäftigten arbeitet im Niedriglohnsektor, auch zum Mindestlohn von 9,19 Euro. Wie hoch der Mindestlohn sein müsste, um nach 45 Jahren Vollzeitarbeit eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen, hat Susanne Ferschl die Bundesregierung gefragt. […]
      Der durchschnittliche Bruttobedarf von Empfängerinnen und Empfängern der Grundsicherung im Alter, die außerhalb von Einrichtungen leben, beträgt 814 Euro (Stand Dezember 2017, Daten für Dezember 2018 werden erst im April/Mai 2019 vorliegen). Um eine Nettorente oberhalb dieses Betrags zu erhalten, würden aktuell 28,5 Entgeltpunkte benötigt. Um dies bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden über 45 Jahre versicherungspflichtiger Beschäftigung hinweg zu erreichen, wäre aktuell rechnerisch ein Stundenlohn von 12,80 Euro erforderlich. Diese Betrachtung vernachlässigt allerdings die zusätzliche Altersvorsorge, mit der eine deutlich höhere Gesamtversorgung erzielt werden kann. […]
      Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn soll existenzsichernd sein, eine armutsfeste Rente garantieren und sicherstellen, dass auch die unteren Lohngruppen – die besonders auf den Mindestlohn angewiesen sind – nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden.
      Diese Höhe deckt sich mit der Vorgabe der Linken, dass der Mindestlohn 60 Prozent des Durchschnittslohns betragen soll. Seit 2015 haben sich die Löhne laut Statistischem Bundesamt um 4,8 Prozent erhöht. Ein Plus von 4,8 Prozent auf den Durchschnittslohn des Jahres 2015 von 20,44 Euro entspricht einem Plus von 98 Cent bzw. einem Durchschnittslohn von 21,42 Euro. 60 Prozent davon ergeben 12,85 Euro, ein Betrag also, der deckungsgleich mit dem Stundenlohn ist, den die Bundesregierung aktuell für notwendig erachtet, um nach 45 Beitragsjahren eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erhalten: ein Stundenlohn von 12,80 Euro.
      Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
    4. Mindestausbildungsvergütung: “In der Brutto-Netto-Falle verheddert”
      Warum 504 Euro für alle nicht gerecht ist
      Bundesbildungsministerin Anja Karliczek will die Mindestausbildungsvergütung an das Schüler-BAföG koppeln – für mehr Gerechtigkeit. Doch sie vergleicht dabei “Äpfel mit Birnen”, kritisiert DGB-Vize Elke Hannack: Anders als Schüler zahlen Azubis Sozialabgaben – und hätten nach diesem Vorschlag über 100 Euro pro Monat weniger in der Tasche.
      Bundesbildungsministerin Anja Kaliczek will mit einer Mindestausbildungsvergütung die Leistung von Azubis anerkennen und ihnen Wertschätzung zukommen lassen. Das hat sie beim DGB-Tag der Berufsbildung in Berlin gesagt – und das klingt auch erstmal gut und richtig. Das Problem: Sie will die Höhe nicht, wie der DGB, an die tariflichen Ausbildungsvergütungen koppeln, sondern an das Schüler-BAföG, eine Sozialleistung also, die vollzeitschulisch Auszubildende erhalten. Und übersieht dabei, dass Auszubildende von ihrer Vergütung Arbeitslosen-, Kranken-, Unfall- und Rentenversicherungsbeiträge abführen müssen, Berufsfachschüler/nnen von ihrem BAFöG nicht. Die praktische Wirkung dieses Vorschlags wäre also, dass Auszubildende mit Mindestausbildungsvergütung deutlich schlechter gestellt werden als Berufsfachschüler/innen mit BAföG-Anspruch.
      Quelle: DGB
    5. Reaktion auf SPD Vorstoß: Darum fürchten die Gewerkschaften hohe Mindestlöhne
      Die SPD will den Mindestlohn perspektivisch bei zwölf Euro festschreiben. Die Gewerkschaften mahnen jedoch zur Vorsicht – aus einem ganz bestimmten Grund.
      Die SPD strebt mit ihrem neuen Sozialstaatskonzept nun offiziell eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro je Stunde an. Das wären 2,81 Euro oder gut 30 Prozent mehr als heute. Allerdings formuliert sie in ihrem Beschlusspapier einen kleinen Vorbehalt: Ziel sei eine „perspektivische Anhebung“ – also nicht unbedingt sofort und in einem Schritt. Erklären lässt sich das vor allem mit wachsenden Bedenken der Gewerkschaften, von deren Haltung zum Mindestlohn in der politischen Diskussion bisher kaum die Rede war.
      Tatsächlich mehren sich Hinweise darauf, dass ein Betrag von 12 Euro an der Obergrenze dessen kratzt, was die Gewerkschaften als Mindestlohn unterstützen. Nicht nur Arbeitgeber, sondern auch sie sehen allmählich die Gefahr eines politischen Überbietungswettbewerbs dazu. Sogar Verdi-Chef Frank Bsirske, der sich als Vorkämpfer für 10 Euro Mindestlohn….
      Die FAZ jubelt, denn die Forderung von 12€ Mindestlohn von

      • Minister Heil (SPD) ist nur “ perspektivisch“ zu verstehen.
      • Verdi-Chef Frank Bsirske ist gegen eine „sofortige“ Anhebung des Mindestlohns.
      • Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des DGB + Mitglied der Mindestlohnkommission sagt laut FAZ; „Die im Gesetz verankerte Evaluation des Mindestlohngesetzes im Jahre 2020 bietet der Politik die Möglichkeit, den Mindestlohn einmalig zu erhöhen. Wir als Gewerkschaften wollen, dass danach das bekannte Verfahren erhalten bleibt“.

      Der Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE),

      • Michael Vassilias, kleidet seine Bedenken gegen das 22-Euro-Ziel in einen Gegenvorschlag: „Der Staat solle die Differenz zu den 12 Euro so lange ausgleichen, bis der Mindestlohn 12 erreicht hat.“

      Angeblich ist der DGB gegen 12-Mindestlohn, da er sonst die Tarifverträge teilweise „überholt“….

      • Der DGB-Chef Hoffmann sagte:“Der Mindestlohn sei nur die zweitbeste Lösung. Wir sollten lieber die Tarifbindung ausweiten“.

      Quelle: FAZ

      Anmerkung Marco Wenzel: Der Artikel ist leider hinter einer Bezahlschranke

      Anmerkung unseres Lesers U.D.: Unter diesem Gesichtspunkt sollte sich die Gewerkschaften auflösen und ich dem BDI angliedern.

      Anmerkung J.K.: Die deutschen Gewerkschaften tun genau das, was die herrschende Oligarchie von ihnen erwartet. Nicht umsonst hat sich der Volksaufstand der Gelbwesten ohne Unterstützung der Gewerkschaften entwickelt. Wären die Gewerkschaften involviert gewesen, insbesondere die “gemäßigte” CFDT, hätte diese Bewegung niemals diese Wucht entfaltet, da es im neoliberalen Kapitalismus deren Aufgabe ist sozialen Protest aufzufangen und zu kanalisieren.

  10. EU-Rat gibt grünes Licht für die extremste Version von Artikel 13
    Heute Nacht haben sich die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten auf jene neue gemeinsame Position zur Urheberrechtsreform verständigt, die Anfang der Woche bereits geleaked war.
    Das Umfallen der deutschen Bundesregierung beendete die zuvorige Pattsituation. Da half es leider auch nichts, dass sich Malta und die Slowakei auf die Seite von Italien, Polen, den Niederlanden, Schweden, Finnland und Luxemburg schlugen, die bereits zuvor gegen den aktuellen Stand der Richtlinie gestimmt hatten.
    Deutschland zählt nun zu den Befürwortern von Artikel 13 und den dadurch vorgeschriebenen Uploadfiltern, nachdem sich die Regierung mit Frankreich in geheimen Verhandlungen auf einen faulen Kompromiss geeinigt hatte. Der Deutsch-Französische Deal ist die bislang extremste Version von Artikel 13 und verlangt von allen Plattformen, die älter sind als 3 Jahre, eine automatische Zensur der Uploads ihrer Nutzer*innen. Selbst noch jüngeren Plattformen gibt sie völlig unerfüllbare Pflichten auf, die sie in den Ruin treiben würden (in meinem letzten Blogpost habe ich den Deal analysiert).
    Die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD begibt sich damit wie bereits befürchtet in direkten Konflikt mit ihrem Koalitionsvertrag, der kein Jahr alt ist und Uploadfilter explizit als unverhältnismäßig ablehnt. Dieser Bruch des Koalitionsvertrags sorgt kurz vor der Europawahl sicher nicht für Sympathien für Union und SPD, gerade unter Jung- und Erstwähler*innen. Derweil haben sich bereits zahlreiche netzpolitische Expert*innen von Union und SPD dem Protest gegen Uploadfilter angeschlossen.
    Quelle: Julia Reda
  11. Wofür braucht die ARD denn ein “Framing Manual”? Generalsekretärin Susanne Pfab über den viel diskutierten Sprach-Leitfaden
    Aktuell macht ein “Framing Manual” die Runde durch Redaktionen. Das 89-seitige Dokument stammt vom Berkeley International Framing Institut und wurde im Auftrag der ARD erstellt. In dem an ARD-Mitarbeiter gerichteten Papier wird umfangreich beschrieben, wie mit Hilfe des so genannten Framings bestimmte Sichtweisen in die öffentliche Debatte eingebracht werden können. MEEDIA sprach mit der ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab über das Manual und auch die Kritik daran.
    Quelle: Meedia

    dazu: Neues deutsches Sendungsbewusstsein: Die ARD will mit Moral das Publikum einseifen
    Ein internes Manual vom «Berkeley International Framing Institute» soll dabei helfen, dass ARD-Zuschauer ihre Gebühren weniger als Pflichtbeitrag, sondern als eine Art Spende für den guten Zweck betrachten.
    Als letzthin beim «Tatort» eine farbige Kommissarin vom Spielfilm-Verantwortlichen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) eingeführt wurde mit einer kleinen Hassbotschaft an die Adresse der AfD, dachte man eigentlich noch an den Ausreisser eines Übereifrigen im Fach «Gesinnung statt Fakten». Nun gibt aber ein Manual zu reden, das die ARD selber beim «Berkeley International Framing Institute» bestellte.
    Dieses lässt die Bemerkung, «Alexander Gauland und Konsorten» würden die schwarze Kommissarin «nicht als Nachbarin haben wollen», nun plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen. Über die Bedienungsanleitung, welche die ARD mit Verweis aufs «Urheberrecht» nicht herausgibt, sollen sich nämlich ARD-Mitarbeiter beugen, um die berühmte Wirkmacht der Sprache zu begreifen. Dies allerdings nicht, damit aus ihnen bessere Journalisten werden, sondern um selber ein bisschen zu manipulieren und die Themen ihrem Publikum umso wirkungsmächtiger zu verkaufen. …
    Zuschauer, die Zwangsgebühren entrichten, pardon: sich «proaktiv» und «selbstbestimmt» am «gemeinsamen Rundfunk ARD» beteiligen, wie das jetzt in Zukunft heissen soll, verhilft man so zum wohlwollenden Wir-Gefühl. Denn wer möchte sich gerade in Deutschland schon unter die Rassisten einreihen lassen?
    Skeptischen Beitragszahlern könne nun also geholfen werden, kommentierte «Die Welt» angesichts des rund hundertseitigen Kompendiums das neue Sendungsbewusstsein. Denn wer schon mal von sich behaupten kann, er habe seine Zwangsgebühr wenigstens für die Bekämpfung von Herr Gauland gezahlt, ja, der schaut doch mit nachhaltig gutem Gewissen Mord und Totschlag am Sonntagabend.
    Quelle: NZZ

  12. SPD
    1. SPD läutet traditionelles linkes Halbjahr vor wichtigen Wahlen ein
      Es ist wieder soweit: Die Führungsspitze der SPD hat heute Morgen bei einem Treffen im Willy-Brandt-Haus in Berlin den Beginn des traditionellen linken Halbjahres vor den nächsten Bundestagswahlen eingeläutet. In dieser Zeit ist das Spitzenpersonal darum bemüht, die SPD wie eine Partei wirken zu lassen, die Politik für Arbeiter und Geringverdiener macht.
      “Liebe Genossinnen und Genossen, das traditionelle linke Halbjahr vor der Bundestagswahl ist hiermit feierlich eröffnet”, verkündete der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann und klingelte laut hörbar mit der sogenannten “Glocke des kleinen Mannes”. Nachdem der Applaus abebbte, erklärte er: “Jetzt ist die Zeit gekommen, in der wir uns für einige Monate auf unsere sozialdemokratischen Wurzeln zurückbesinnen.”
      Ab sofort sei es SPD-Wahlkämpfern zur Schärfung des linken Profils der Partei ausdrücklich erlaubt, soziale Forderungen zugunsten der Arbeiterschaft zu formulieren: “Höhere Löhne, eine Abkehr von der Agenda 2010, Steuern runter, Steuern rauf für Reiche, höhere Renten – völlig egal!”, so Oppermann. “Aber bitte beachtet, liebe Genossen: Am Montag nach der Wahl werde ich diese Glocke noch einmal läuten. Und ab diesem Zeitpunkt muss das alles wieder vergessen sein.”
      Quelle: Der Postillon

      Anmerkung Jens Berger: Analytisch ist der Postillon seinen vermeintlich „seriösen“ Kollegen mal wieder um Längen voraus. Satirequalitäten offenbart indes mal wieder SPIEGEL Online …

    2. Genossen berauschen sich am Linksruck
      Union und Wirtschaftsverbände sind empört, die eigenen Leute begeistert: Mit ihrem Linkskurs setzt die SPD auf Konfrontation in der Koalition – und wirkt erstmals seit Langem mit sich selbst im Reinen.
      Die Union empört sich, die Linke wird nervös – die Sozialdemokraten spüren, dass sie ein Momentum erwischt haben. Die qualvolle Debatte über Hartz IV, der Unmut über Parteichefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz, die Attacken von Ex-Außenminister Sigmar Gabriel, all diese Probleme scheinen wie weggewischt. Tatsächlich haben sich die Reihen um Nahles und Scholz vorerst geschlossen. Dazu haben ausgerechnet die Angriffe Gabriels beigetragen, die viele Genossen für unsolidarisch und parteischädigend halten.
      Flügelübergreifend, von Juso-Chef Kevin Kühnert bis Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, loben Sozialdemokraten ihre Chefin für den Linkskurs: Kühnert spricht von einem “wichtigen Befreiungsschlag”, Weil von “einem wichtigen Schritt nach vorne”. Dies sei “ausdrücklich auch das Verdienst von Andrea Nahles”, sagte Weil.
      Quelle: SPIEGEL Online
    3. Schlechtes Marketing
      Gute-Kita-Gesetz, Starke-Familien-Gesetz, Respekt-Rente und jetzt Bürgergeld, das Hartz IV vergessen machen soll. Die SPD ist nur noch Abspielstation von Claims einer ziemlich schlechten Werbeagentur. Viel PR für wenig Inhalt. Man spricht lieber von Modernisierung statt die erforderliche Wiederherstellung des Sozialstaates zu liefern. Doch auch das bisschen Veränderungswille wird vom politischen Gegner noch gnadenlos attackiert, mit einer abenteuerlichen Argumentation.
      Es wäre alles nicht finanzierbar, heißt es. Das muss man sich mal vorstellen. Denn finanzierbar sind ganz selbstverständlich höhere Rüstungsausgaben von 17 Mrd. Euro bis 2024 und die Abschaffung des Soli mit rund 10 Mrd. Euro, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Natürlich könne man auch die Unternehmen steuerlich entlasten, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier nicht müde wird zu betonen. Das ist alles kein Problem.
      Nicht finanzierbar ist dagegen eine Grundrente mit rund 5 Mrd. Euro pro Jahr. Man solle doch bitteschön an das kürzlich entdeckte Haushaltsloch denken, sagen die, die sonst immer nach Steuersenkungen rufen. Plötzlich müsse auch ein Kassensturz her. Und dann ist da noch der Neulinke Christian “Che Guevara” Lindner, der es unbedingt vermeiden will, dass Millionärserben auch noch eine Respekt-Rente abgreifen dürfen.
      Dabei hat die Grundrente ein ganz anderes Problem. Sie wird nicht kommen, weil sie eben nur als schlechte PR-Aktion für eine Imageverbesserung der SPD in einem Wahljahr geplant wurde. Sie wäre auch nicht gerecht und böte vor allem auch keinen Schutz vor Altersarmut.
      Quelle: TauBlog
    4. Lafontaine: SPD-Konzept ist Mogelpackung
      Der ehemalige SPD-Chef und jetzige Linken-Fraktionschef im saarländischen Landtag, Oscar Lafontaine hält das SPD-Konzept zum Sozialstaat für Unsinn. Das sagte er NDR Info.
      Quelle: NDR.de
  13. Der Kapitalismus will aus allen Bürgern Migranten machen
    Mit ihren Konzepten zur Migration löse die UN keine Probleme, so Diego Fusaro im Gespräch mit RT. Laut dem italienischen Philosophen ist die nationale Souveränität die letzte Bastion der Demokratie, die es zu verteidigen gelte.
    Laut UN-Generalsekretär António Guterres erlaube die Migration “Millionen Menschen, nach neuen Möglichkeiten zu suchen, was sowohl den Herkunfts- als auch den Ankunftsgemeinschaften zugute kommt”. Stimmt das?
    Ich gehe in die entgegengesetzte Richtung zu der von António Guterres und dem Chor des politisch korrekten Gedankens. Dieser wiederholt, dass es Afrikaner gebe, die nach Europa kommen wollen, weil Afrika rückständiger sei als Europa – dass Europa das Eldorado der Hoffnung sei usw. Dies ist jedoch die rassistische Erzählung des einseitigen Denkens. In Wirklichkeit befinden wir uns in der dritten
    Phase des Kolonialismus. … und zwar die Phase des globalisierten Kolonialismus, mit dem afrikanische Länder destabilisiert werden. Stichwort: NATO-Krieg gegen Libyen. Und auf diese Weise wird die Flucht der Afrikaner – die “willkommen”, doch in Wirklichkeit nach Europa abgeschoben sind – vom Kapitalismus rücksichtslos ausgenutzt, um die Kosten der einheimischen Arbeitsmigranten zu senken und das Profil des Migranten zu verallgemeinern – das heißt, um uns alle zu Migranten zu machen. Der Kapitalismus will Migranten nicht integrieren. Er will aus allen Bürgern Migranten machen. Das Profil des prekären Migranten ist: staatenlos, ohne Wurzeln, ständig in Bewegung, denn er ist dem freien Verkehr von Waren und Personen ausgeliefert. Das ist Masseneinwanderung heute. …
    Warum scheint die UNO die Migration als eine Art Allheilmittel zu sehen für die Probleme der Unterentwicklung und für die Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern? Es gäbe wirklich keine anderen Lösungen?
    Dies ist in Wirklichkeit nur die Fassade, die die Substanz ideologisch verbirgt. Die Substanz ist die eines Ausbeutungsprozesses der Arbeitskraft, die den Hebel der bei Marx beschriebenen industriellen Reservearmee benutzt: Das heißt, Massen von idealen Sklaven deportieren, wie die Afrikaner. Die Afrikaner sind ideale Sklaven, weil sie aus ihrem Territorium deportiert und in ein Land geworfen werden, in dem sie die Sprache nicht kennen, in dem sie keine territorialen Wurzeln haben, in dem sie sich nicht verteidigen können. Deshalb liebt das Kapital die Masseneinwanderung so sehr.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung JK: Ein äußerst bemerkenswertes Interview. Der Wunschtraum der Neoliberalen ist die Weltgesellschaft ohne Grenzen für Kapital, Waren und Arbeitskräfte, also auch ein globaler, offener Arbeitsmarkt auf dem sich die Löhne am besten auf ein globalisiertes, möglichst niedriges Niveau einpendeln. Der Wahnsinn dabei, dass diese Dystopie der Neoliberalen heute ihre engagiertesten Unterstützer bei vielen aus der politischen Linken findet. Diego Fusaro geht hier sogar soweit, dass von den heutigen, fast ausschließlich an kulturellen Themen orientierten Linksparteien keinerlei Impulse mehr für die Veränderung der herrschenden Verhältnisse zu erwarten sei.

  14. Ozeane vor dem Kollaps
    Seit vielen Jahren berichte ich über das Problem mit dem Plastikmüll. Doch noch nie gab es so viele Artikel und Beiträge in den Medien. Mittlerweile hört und liest man überall vom Plastik, vor allem dem Müll im Meer.
    Doch einige Meeresforscher können die hohe Aufmerksamkeit für das Thema nicht mehr nachvollziehen. Manche Wissenschaftler sprechen sogar schon von einem Medienhype. „Plastik im Meer ist ein Problem – doch bei weitem nicht das größte“, schreibt auch Nikolaus Gelpke. Der Gründer und Herausgeber von „Mare“ widmet sich mit seiner Zeitschrift und seinem Verlag dem Lebensraum Meer.
    „Ich stelle zunehmend fest, dass das Thema Plastikmüll in den Medien sehr stark vertreten ist, und zwar viel stärker, als ein viel wichtigeres Problem für die Ozeane, nämlich die Klimaerwärmung und der CO2-Ausstoß – und da nimmt Plastikmüll in den Medien eine so überbordend starke Stellung in den Medien ein, dass die wichtigeren Probleme wie eben CO2 oder auch Erwärmung der Meere quasi in den Hintergrund gerät, was natürlich nicht gut ist.“
    Der pH-Wert und die Temperatur der Meere haben sich über Jahrmillionen eingependelt. Das ganze Ökosystem ist auf diesen Zustand eingestellt. Es ist ein fein austarierter Prozess mit ganz kleinen Stellschrauben. Schon geringste Veränderungen können massive Auswirkungen haben – und die bringt der Klimawandel mit sich. Die Treibhausgase, die wir Menschen produzieren, halten Wärmestrahlen in der Atmosphäre fest. Einen Großteil davon absorbieren die Ozeane. Neben der Wärme nehmen die Weltmeere auch rund ein Drittel des ausgestoßenen Kohlendioxids auf. Beides hat gravierende Folgen für das Leben im Wasser:
    „Sie müssen sich das bei der Temperatur vorstellen, wenn ein Mensch von 37 auf 38 Grad eine höhere Temperatur besitzt, dann geht er von einem Normalzustand in den Zustand von Fieber. In den Meeren ist das ähnlich. Wenn Sie da einen Temperaturunterschied von einem Grad haben, dann stirbt ganz vieles im Meer oder es verändert sich das Ökosystem komplett.“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur


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