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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 17. Mai 2019 um 16:33 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Größte Budgetanhebung seit Jahrzehnten: Deutschland erhöht Verteidigungsausgaben kräftig
  2. Mietpreisbremse: Kein Risiko für Vermieter
  3. “Die haben kein Unrechtsbewusstsein, wenn man Steuern hinterzieht”
  4. 52 Milliarden – Trotzdem löst der Geldsegen für die Bahn keinen Jubel aus
  5. Prekäre Arbeit
  6. Reaktionen zur Arbeitszeiterfassung: “Stechuhr im 21. Jahrhundert”
  7. Deutschland im Wirtschaftskrieg
  8. Politisch gezüchtete Dominanz – Über »deutsche Champions«, Quasimonopole und die sozialen Folgen der Konzentration
  9. Bavaria‘s Next Toptafel
  10. „Geordnete-Rückkehr“-Gesetz: Durch schlechtere Behandlung sind Menschen nicht weg
  11. Reaktion auf den Kurs Kiews
  12. Derivate-Geschäfte in Italien: Staatsanwälte fordern Millionen von der Deutschen Bank
  13. BAföG-Reform reicht bei weitem nicht
  14. Fehler bei Abiturklausuren – Schüler müssen noch mal ran
  15. Noch mehr Spitzenkandidaten, noch mehr Verwirrung

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Größte Budgetanhebung seit Jahrzehnten: Deutschland erhöht Verteidigungsausgaben kräftig
    Die Bundeswehr gibt im laufenden Jahr fünf Milliarden Euro mehr für Aufgaben innerhalb des Nato-Bündnisses aus. Die Bundesregierung betont, das sei ein Rekord und reagiert damit auf Kritik aus den USA. […]
    Die Bundesregierung rechnet im laufenden Jahr mit für das Bündnis relevanten Ausgaben in Höhe von gut 47 Milliarden Euro. Das entspräche einem Plus von mehr als fünf Milliarden Euro im Vergleich zu 2018 und einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 1,35 Prozent. Einen solchen Anstieg habe es zumindest seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben.
    Mit den Zahlen hofft die Bundesregierung offensichtlich, den bündnisinternen Streit über die Verteidigungsausgaben zumindest eine Zeit lang entschärfen zu können. US-Präsident Donald Trump beklagt seit Langem eine unfaire Lastenteilung in der Nato und attackiert vor allem Deutschland wegen des vergleichsweise niedrigen Anteils seiner Verteidigungsausgaben am Staatsetat.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Eigentlich ungeheuerlich. Während die öffentliche Infrastruktur weiter verfällt, die Hochschulen und Universitäten weiter unterfinanziert sind, Deutschland weiter im unteren Drittel der öffentlichen Ausgaben für Bildung, der OECD-Länder rangiert, weiter der schwarzen Null gehuldigt wird, man sich angesichts rückläufiger Steuereinnahmen schon überlegt, wo man “sparen” könnte, ist für den sinnlosesten und nutzlosesten Haushaltsposten genug Geld vorhanden.

  2. Mietpreisbremse: Kein Risiko für Vermieter
    Wir untersuchen 100 Wohnungsanzeigen in Hamburg. Das Ergebnis ist eindeutig: Bei 73 Prozent der Wohnungen liegt der Verdacht nah, dass die Vermieter gegen die Mietpreisbremse verstoßen. Oft um mehrere hundert Euro pro Monat. Der Grund dafür ist laut Daniel Halmer von “wenigermiete.de” eine Lücke im Gesetz: “Der Vermieter darf das Geld, was er in der Vergangenheit bis zur Rüge des Mieters zu viel erhalten hat, einfach behalten. Das wird ihm nicht mehr weggenommen. Das heißt, er hat finanziell im Grunde nie einen Schaden, sondern kann immer nur Gewinn machen.” Also ist der Bruch des Gesetzes völlig risikofrei für den Vermieter. Eine Rückzahlung droht auch dann nicht, wenn man ertappt wird. Ein Fehler, der auch bei der Gesetzesverschärfung nicht korrigiert wurde. Und da nach Schätzungen von Experten bisher nur etwa vier bis fünf Prozent aller Mieter die Einhaltung der Regeln aus der Mietpreisbremse überprüfen, ist der Betrug für Vermieter lukrativ. Die Gesetzesverschärfung funktioniert also nicht.
    Quelle: NDR

    dazu: Zu viert auf 60 Quadratmetern: Wenn Familien zusammenrücken, weil ein Umzug zu teuer ist
    Anstatt umzuziehen, bleiben immer mehr Berliner Familien in Wohnungen, die zu klein sind. Einrichtungsberaterin Anja Ring hilft – auch in extremen Fällen.
    Bevor Jürgen Rüstow und seine Freundin schlafengehen, räumen sie einen Wäscheständer mit Kleidung beiseite und klettern auf ein Podest. Dort liegt ihr Bett, umzingelt von Regalen mit Ordnern und allerlei Kisten. Die Habseligkeiten anderswo verstauen können sie nicht. Die Familie teilt sich zu viert eine 3-Zimmer-Wohnung in Pankow, die kaum größer ist als 60 Quadratmeter. „Eigentlich bräuchten wir mehr Platz“, sagt Jürgen Rüstow. Doch ein Umzug wäre zu teuer, längst übersteigen die Preise bei Neuvermietungen in der Gegend das Budget der Familie. Deswegen rücken Jürgen Rüstow, seine Freundin und die Kinder zusammen, so wie viele Berliner aktuell. Hilfe bekommen sie dabei von Anja Ring.
    Die 48-Jährige ist Einrichtungsberaterin und heute bei Jürgen Rüstow zu Gast. Sie hat sich darauf spezialisiert, aus wenig Fläche viel Platz herauszuholen. Vor etwa eineinhalb Jahren hat sie die Nische für sich entdeckt, „nachdem in den Zeitungen immer öfter Geschichten über Wohnungsnot standen“, sagt sie.
    Quelle: Tagesspiegel

  3. “Die haben kein Unrechtsbewusstsein, wenn man Steuern hinterzieht”
    Steueroasen-Experte Hans-Lothar Merten erklärt, wie Luxemburg das wurde, was es heute noch ist – und welche Rolle deutsche Banken dabei spielen.
    Schließfächer in der Schweiz und Briefkastenfirmen auf karibischen Inseln: Hans-Lothar Merten, 77, beschäftigt sich seit Langem mit Steueroasen. Viele Jahre gab er jährlich das Standardwerk Steueroasen heraus, das die Vor-und Nachteile der verschiedenen Offshore-Staaten zusammenfasste. Der Publizist lebt in München. Von ihm erschien im Jahr 2017 das Buch “Vertreibung aus dem Paradies: 100 Jahre Steueroasen zwischen Nummernkonten, Briefkastenfirmen und Karibikinseln”.
    SZ: Wie ist Luxemburg zur Steueroase geworden?
    Hans-Lothar Merten: Deutsche Banken haben Luxemburg hochgezogen. Bundesweit haben die Banken plakatiert, das hat Luxemburg als Fluchtburg für Privatanleger überhaupt erst bekannt und interessant gemacht. Bevor die Zinsabschlagsteuer 1993 eingeführt wurde, gab es eine Kapitalfluchtbewegung deutscher Anleger. Damals gingen nicht nur die Gelder der Reichen, sondern auch kleinste Vermögen nach Luxemburg. Man ist mit dem Geld im Kofferraum nach Luxemburg gefahren, hauptsächlich waren das Menschen aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Die wollten in der Lage sein, selbst rasch über die Grenze fahren zu können. Damals wurden ja noch Coupons geschnitten, es ging also um Wertpapiere in physischer Form.
    Quelle: Süddeutsche
  4. 52 Milliarden – Trotzdem löst der Geldsegen für die Bahn keinen Jubel aus
    Der Bund erhöht die Mittel für das Schienennetz deutlich, heißt es aus Regierungskreisen. Experten sehen damit die Unterfinanzierung der Bahninfrastruktur nicht behoben. […]
    Bund und Bahn verhandeln derzeit eine neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, mit der der Erhalt des Schienennetzes geregelt wird. Sie soll statt fünf Jahre nun zehn Jahre gelten. Die Bahn erhielte so insgesamt 52 Milliarden Euro für den Erhalt des Netzes, mit Eigenmitteln der Bahn sollen 83 Milliarden Euro investiert werden. Zudem sollen noch bis August in der Vereinbarung strengere Qualitätsparameter festgelegt werden, nach denen die Bahn das Schienennetz und die Brückenbauten künftig erhalten soll. Auch soll die Bahn regelmäßig einen qualitativ verbesserten Eisenbahnzustandsbericht vorlegen. Mit ihm will der Bund die Möglichkeit erhalten, die Verwendung der Mittel besser zu kontrollieren, wie es in Verhandlungskreisen hieß.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung André Tautenhahn: Der Bund will also die Verwendung der Mittel besser kontrollieren. Ist das nicht auch das Eingeständnis, dass die Privatisierung der Bahn ein großer Fehler war?

  5. Prekäre Arbeit
    1. Für eine progressive Wirtschaftspolitik!
      Die Einkommenskluft in Deutschland ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Durch den Ausbau des Niedriglohnsektors haben Geringverdiener heute real weniger Geld in der Tasche als in den 1990er Jahren. Wie diese Probleme gelöst werden können, wurde auf einer DGB-Konferenz am “Tag der progressiven Wirtschaftspolitik“ diskutiert. […]
      Beispiel Verteilungsgerechtigkeit: Leidtragende einer verfehlten Wirtschaftspolitik sind in erster Linie Beschäftigte mit kleinen Einkommen, wie auch eine neue Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschafts-forschung (DIW) zeigt. Der politisch vorangetriebene Ausbau des Niedriglohnsektors sowie prekärer und atypischer Arbeit führte unter dem Strich dazu, dass Geringverdiener heute real weniger in der Tasche haben als in den 1990er Jahren. Auch mittlere Einkommen haben wenig vom Wirtschaftswachstum profitiert (siehe Abbildung). Die reichsten zehn Prozent konnten ihr Einkommen hingegen real um 35 Prozent steigern. Die Einkommenskluft hat zugenommen, trotz Aufschwung auf den Arbeitsmarkt. Arbeit schützt immer weniger vor Armut. Der Anteil derer, die in Armut leben oder von ihr bedroht sind, wächst stetig. Es braucht eine Stärkung der Masseneinkommen und eine gerechtere Steuerpolitik.
      Quelle: DGB klartext
    2. Crowdwork: Menschen trainieren Algorithmen – für ein bis zwei Euro die Stunde
      Seit 2017 steigt die Nachfrage nach hochpräzisen Trainingsdaten für die Modelle Künstlicher Intelligenz (KI) der Automobilindustrie stark an. Enorme Mengen dieser Daten sind nötig, um das ehrgeizige Ziel des autonomen Fahrens zu erreichen. Damit aus selbstlernenden Algorithmen selbstlenkende Fahrzeuge werden können, braucht es zunächst viel menschliche Arbeit, die von Crowdworkern auf der ganzen Welt geleistet wird. Sie bringen den lernenden Maschinen das Hören, das Sehen und das umsichtige Fahren bei, indem sie Millionen Bilddateien mit Verkehrssituationen präzise so aufbereiten, dass sie für die KI zu verarbeiten sind. Da die Qualitätsanforderungen hoch sind, haben sich spezialisierte Plattformen etabliert, die den dort arbeitenden Online-Arbeitskräften teils eine höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen bieten als das beim Gros der etablierten Crowdwork-Plattformen üblich ist. Durch den weltweiten harten Wettbewerb unter Crowdworkerinnen und Crowdworkern gerät dieses höhere Niveau aber bereits wieder unter Druck. Auch, weil derzeit Hunderttausende gut qualifizierte notleidende Menschen aus Venezuela ihre Arbeit zu sehr niedrigen Preisen anbieten.
      Quelle: Hans Böckler Stiftung

      dazu: Wie Billiglöhner das selbstfahrende Auto mitentwickeln
      Bilddateien so bearbeiten, dass Künstliche Intelligenz sie auswerten kann – das ist einer der Aufgaben von sogenannten Klick-Arbeitern. Die meisten von ihnen stammen einer Studie zufolge aus dem krisengeplagten Venezuela.
      Quelle: Spiegel Online

    3. Musikschulen: Musikpädagogen in prekärer Lage
      Weniger als 50 Prozent der Musikschullehrkräfte in Deutschland sind fest angestellt und werden nach Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt. Die Folgen für die Betroffenen: Leben an der Armutsgrenze. Immer mehr von ihnen geben ihren Beruf auf und den Musikschulen bricht der Nachwuchs weg.
      „Wenn jemand ein Instrument erlernt oder erlernt, mit seiner Stimme umzugehen, muss er seinen Körper benutzen, seine haptischen Fähigkeiten, seine Sinne benutzen, da ist der Atem dabei.“ So beschreibt die studierte Querflötistin Elisabeth Müller, was Musikschulen an Bildung leisten. Außerdem: „Frustrationstoleranz zu erlernen. Wenn ich nicht weiterkomme, was muss ich dann tun? Welche Umwege muss ich nehmen, wenn es nicht weitergeht? Das sind Schlüsselkompetenzen, die Menschen bis in den Beruf hinein brauchen.“
      In ihrem Beruf wäre die Verdi-Gewerkschafterin gern geblieben. Doch mit Anfang 30 fragte sie sich, ob sie mit diesem Job je eine Familie gründen könnte, ohne sich finanziell vom Partner abhängig zu machen.
      „Da habe ich gemerkt: Das wird als Musikschullehrerin nicht zu erreichen sein. Das Honorar, die Gehälter steigen nicht. Über die 12.000 bis 13.000 Euro brutto im Jahr kommen wir nicht hinaus. Der Sozialversicherungs-Schutz fehlt, wir zahlen in keine Rentenkasse ein, wir haben keinen Urlaub, von Elternzeit ganz zu schweigen. Da habe ich gemerkt, das kann so nicht weiterlaufen, deswegen habe ich mich umorientieren müssen, um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu haben.“
      Wer kann, springt ab. Manche Musikschulen tun sich schon schwer, Nachwuchs zu finden. Wer bleibt, leidet. Wie der Musikschullehrer, der Namen, Stadt und Instrument nicht preisgibt, weil er Schwierigkeiten befürchtet. Und weil er sich schämt, arm zu sein – als Honorarkraft angewiesen auf die Unterstützung seiner Frau, die eine Festanstellung an einer Musikschule hat.
      „Ich lebe sozusagen auf Kosten meiner Frau. Ich fahre ein altes Auto, das 280.000 Kilometer als Benziner runter hat, und habe Angst vor einer Reparatur. Ich finde es richtig menschenverachtend, wie ich bezahlt werde.“
      Quelle: Deutschlandfunk
    4. Die dunkle Seite der Zeitarbeit
      Mehr als eine Million Menschen arbeiten in Deutschland als Zeitarbeiter. Nicht überall werden sie auch gut behandelt, berichten Insider dem ZDF.
      Gesetzlich sei alles gut geregelt, viele Zeitarbeits-Unternehmen würden diese Regeln aber umgehen, klagen Beschäftigte in der Zeitarbeitsbranche. Und es gebe zu wenige Kontrollen, um die schwarzen Schafe zu bestrafen.
      In Deutschland kann jeder eine Zeitarbeitsfirma gründen. Spezielle Fachkenntnisse sind nicht erforderlich. Es gibt mehr als 52 000 Verleihbetriebe, und in den meisten werde auch ordentlich gearbeitet, sagt Manuela Schwarz, die selbst Chefin eines Zeitarbeitsunternehmens und zudem im Bundesvorstand des Branchenverbandes IGZ tätig ist: “Unternehmen sollen so flexibler mit Schwankungen der Auftragslage umgehen können. Zeitarbeit habe sich bewährt”, sagt sie.
      Kritiker wie Professor Klaus Dörre von der Universität Jena sehen das anders: “Zeitarbeit ist ein Beschäftigungsverhältnis, schlecht bezahlt, mit einem hohen Risiko und ohne Chance auf bessere Verhältnisse.” Und es gebe viele Missstände, sagt er: “Es geht bis dahin, dass der Lohn nicht gezahlt wird, dass Arbeitsschutzregelungen nicht eingehalten werden, dass Akkordbestimmungen nicht eingehalten werden, und das geht auf Kosten der Gesundheit.” Nach Untersuchungen von Dörre ist jeder zehnte Betrieb auffällig. Zudem gibt es Kritik an den Kontrollen in den Verleihbetrieben. Zuständig dafür sind die Bundesagentur für Arbeit sowie der Zoll.
      Quelle: ZDF Zoom
  6. Reaktionen zur Arbeitszeiterfassung: “Stechuhr im 21. Jahrhundert”
    Arbeitgebervertreter haben das Urteil zur Arbeitszeiterfassung scharf kritisiert. Der Europäische Gerichtshof hatte Firmen verpflichtet, Arbeitszeiten systematisch zu erfassen – ein Unding, finden die Unternehmer.
    Sprecher der deutschen Arbeitgeber haben empört auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über eine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung reagiert. Diese Entscheidung wirke wie aus der Zeit gefallen, schimpfte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) am Dienstag.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Dass die Arbeitgeber die systematische Zeiterfassung als Unding ansehen, ist keine Überraschung. Sogenannte Vertrauensarbeitszeit gäbe es nicht, wenn sich die Unternehmen davon keinen Vorteil versprechen würden, der darin liegt, dass bei Vertrauensarbeitszeit eigentlich immer mehr gearbeitet wird als die vertraglich festgelegte Arbeitszeit erfordert.

  7. Deutschland im Wirtschaftskrieg
    Im Wirtschaftskrieg der Vereinigten Staaten gegen China warnen Experten vor der Verhängung “sekundärer”, auch Deutschland und die EU treffender US-Sanktionen gegen den chinesischen Konzern Huawei. Die Trump-Administration hat am Mittwoch den “nationalen Notstand” ausgerufen, um die Nutzung von Huawei-Technologie durch US-Unternehmen zu verbieten und auch den Verkauf von US-Produkten an den chinesischen Konzern zu untersagen. Ziel ist es, das Vorzeigeunternehmen, das eine wichtige Rolle bei Chinas technologischem Aufstieg spielt, irreparabel zu schädigen. “Sekundäre Sanktionen” würden allen Unternehmen weltweit Repressalien androhen, sollten sie sich dem Huawei-Boykott verweigern. Bereits jetzt schwächt der US-Wirtschaftskrieg gegen die Volksrepublik auch die deutsche Industrie. Zusätzlich will US-Präsident Donald Trump seine Strafzolldrohung gegen Kfz-Importe aus der EU nicht aufheben, sondern sie nur vertagen; die EU soll gezwungen werden, ihre Auto-Exporte binnen sechs Monaten freiwillig zu reduzieren. Eine weitere Eskalation des Wirtschaftskriegs droht.
    Quelle: German Foreign Policy
  8. Politisch gezüchtete Dominanz – Über »deutsche Champions«, Quasimonopole und die sozialen Folgen der Konzentration
    Wirtschaftsminister Altmaier will mit einer „Nationalen Industriestrategie“ große Konzerne wie Siemens, BASF, ThyssenKrupp oder die Deutsche Bank weiter stärken. Auch die Firmen des Mittelstands sollen durch erleichterte Fusionen und Übernahmen wachsen und wettbewerbsfähiger gemacht werden. Laut Altmaier sei die Schaffung deutscher und europäischer „Champions“ von „strategischer Bedeutung“ und im „nationalen Interesse“ (hier). Altmaiers Vorschläge drohen die Marktmacht großer Konzerne weiter zu steigern. Inwiefern marktdominante Unternehmen jedoch dem gesellschaftlichen Interesse dienen, wird kaum debattiert. Dabei zeigen die Erfahrungen, dass marktbestimmende Unternehmen Zulieferer unter Druck setzen und die Endverbraucherpreise mitunter steigen. Die Unternehmenskonzentration hat gravierende soziale und ökonomische Folgen: Löhne stagnieren und die soziale Ungleichheit nimmt zu, Produktionsbedingungen verschlechtern sich, Innovationen werden gehemmt und die Stabilität der Wirtschaft wird gefährdet.
    Quelle: Zebrablogs
  9. Bavaria‘s Next Toptafel
    In Bayern soll die beste Tafel des Freistaats gekürt werden – ein Preis, der stellvertretend für das Staatsversagen der vergangenen Jahre steht
    Im vergangenen Jahr feierte die Tafel ein großes Jubiläum: 25 Jahre war es her, dass in Berlin die erste Filiale eröffnet wurde. Im Laufe eines Vierteljahrhunderts wuchs die Anzahl der Dependancen. Über 2.000 Tafel-Läden und Ausgabestellen sollen es mittlerweile sein. Ganz offenbar gibt es im wahrsten Wortsinne unzählig viele, denn nicht mal die Website der Organisation selbst weiß eine exakte Zahl zu benennen. Man kann jedoch auch ohne genaues Zahlenmaterial folgern: Die Tafel wurde ein krachender Erfolg.
    Nun ja, vielleicht nicht unbedingt Die Tafel selbst, sondern eher die Verhältnisse, die von Wirtschaft und Politik geschaffen wurden, haben für eine erfolgreiche Etablierung und Expansion der Organisation gesorgt. Seitdem die Agenda 2010 für Armut per Gesetz sorgte, wuchs die Anzahl der städtischen Tafel-Betriebe: Im Jahr 2002 waren es noch 310 Städte und Gemeinden, die eine Tafel vorzuweisen hatten – mittlerweile sind es mehr als 940.
    Diese an sich traurige Entwicklung hielt natürlich im Jubiläumsjahr nicht von Feierlichkeiten und Gratulationen ab. Ganz im Gegenteil. Regionale und überregionale Medien lobten den ehrenamtlichen Einsatz und die gute Idee, aus für den Abfall bestimmten Produkten eine Aktion der Hilfsbereitschaft zu formen. Die Bundeskanzlerin ließ zur Feierstunde über ihren Sprecher Steffen Seibert mitteilen, dass wir es bei der Tafel mit einem »wahren Schatz unseres Landes« zu tun hätten.
    Eine Politik, die die Tafel überflüssig macht, sie mehr und mehr zurückdrängt und sie zu einem entbehrlichen Ex-Schatz dieses Landes werden lässt, scheint für die Bundesregierung weiterhin keine Alternative zu sein – man zeigte sich 2018 dankbar für das langjährige Wachsen und Gedeihen der Armenspeisung und legte keinerlei Funken Selbstkritik an den Tag.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  10. „Geordnete-Rückkehr“-Gesetz: Durch schlechtere Behandlung sind Menschen nicht weg
    Die geplanten Verschärfungen bei Abschiebungen gingen zum Teil zu weit, kommentiert Gudula Geuther. Problematisch sei etwa der Kerngedanke des Gesetzes: Wer an der eigenen Abschiebung nicht mitwirke, solle schlechter gestellt werden. Ausreisepflichtige könnten oft nichts dafür, wenn Papiere fehlten.
    Die Abschiebung, oder anders: Die Durchsetzung der Ausreisepflicht. Sie müsse besser funktionieren, betonte Bundesinnenminister Horst Seehofer heute im Bundestag. Und weiter: Das brauchen wir, damit die Akzeptanz der Bevölkerung für die Schutzbedürftigen erhalten bleibt.
    Diese Aussage ist richtig. Und richtig ist auch: Recht, das nicht durchgesetzt wird, entwertet sich selbst. Es ist diese Sorge, es ist auch das Bemühen, sich pragmatisch-handlungsfähig zu zeigen, um der AfD das Wasser abzugraben, was die Koalition treibt.
    Quelle: Deutschlandfunk
  11. Reaktion auf den Kurs Kiews
    Zur erleichterten Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft an Einwohner der Ukraine. Gastbeitrag
    Im Westen wird um das Dekret des russischen Präsidenten vom 24. April, das Erleichterungen bei der Aufnahme der Einwohner einzelner Regionen der Gebiete Donezk und Lugansk der Ukraine in die russische Staatsbürgerschaft vorsieht, künstlich eine ungesunde Aufregung entfacht. Wollen wir versuchen, das Bild zurechtzurücken.
    Seit mehr als fünf Jahren leben die Menschen in den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk unter Beschuss, sehen sich einer andauernden Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt, können unmöglich ihre Bürgerrechte verwirklichen. Das offizielle Kiew kündigte jede Verbindung mit ihnen einseitig auf, machte sie de facto zu Personen ohne Staatsbürgerschaft. Die Lage spitzt sich auch dadurch zu, dass die ukrainische Regierung die soziale und wirtschaftliche Blockade des Donbass verschärfte und legitimierte. Nach Schätzung des UN-Amtes zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten waren Ende 2018 rund 5,4 Millionen Menschen vom Konflikt im Südosten der Ukraine betroffen, 3,5 Millionen von ihnen benötigen humanitäre Hilfe. […]
    Dadurch setzt das Kiewer Regime den Kurs auf eine politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Isolation der östlichen Regionen fort und zeigt sich unwillig, die Menschen im Donbass in den ukrainischen Staat zu integrieren, ihrer Meinung Rechnung zu tragen.
    Quelle: junge Welt
  12. Derivate-Geschäfte in Italien: Staatsanwälte fordern Millionen von der Deutschen Bank
    Der Deutschen Bank droht wegen Derivate-Geschäften mit der italienischen Bank Monte Paschi ein teueres Nachspiel. In einem Gerichtsverfahren in Mailand forderte die Staatsanwaltschaft, 441 Millionen Euro bei der Deutschen Bank und 445 Millionen bei der japanischen Bank Nomura zu beschlagnahmen. Die Geldhäuser lehnten eine Stellungnahme ab.
    Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, mit Monte Paschi zusammengearbeitet zu haben, um Verluste der italienischen Bank in den Jahren 2008 bis 2012 zu vertuschen.
    Insgesamt müssen sich 13 ehemalige Mitarbeiter der Institute wegen Marktmanipulationen, Fehlern in der Buchhaltung und Täuschung der Regulierungsbehörden verantworten. Die Staatsanwaltschaft forderte Haftstrafen von bis zu acht Jahren.
    Quelle: Manager Magazin
  13. BAföG-Reform reicht bei weitem nicht
    Anlässlich des heute bevorstehenden Beschlusses des Deutschen Bundestags zur BAföG-Novelle sagte Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende:
    „Die von der Politik versprochene Trendwende hin zu mehr BAföG-Empfängern wird mit dieser Novelle nicht gelingen. Zu schwer wiegen die Versäumnisse jahrelanger Nullrunden, die die Studierendenförderung systematisch geschwächt haben. Das BAföG war in den vergangenen Jahrzehnten eine Strickleiter des sozialen Aufstiegs. Heute bekommen nur noch 12,7 Prozent von 2,8 Millionen Studierenden BAföG, Tendenz sinkend. Anja Karliczek wird deshalb noch in dieser Wahlperiode bei Freibeträgen und Bedarfssätzen eine weitere Schippe drauflegen müssen.
    Die Bundesregierung muss zudem zeitnah weitere Strukturreformen angehen. Damit das BAföG nicht austrocknet und dauerhaft der Preisentwicklung hinterherhinkt, muss endlich ein automatischer regelmäßiger Inflationsausgleich im Gesetz verankert werden.
    Aber auch andere Rahmenbedingungen im BAföG gehören verbessert: Statt einer Wohnkostenpauschale von 325 Euro, die in den großen Uni-Städten hinten und vorne nicht reicht, ist eine regionale Staffelung nach dem Wohngeldgesetz wesentlich sinnvoller. Viele junge Menschen scheuen ein Studium, weil sie sich nicht verschulden wollen. Deshalb ist es wichtig, dass das BAföG schrittweise auf einen Vollzuschuss umgestellt wird. Um Chancengleichheit beim Hochschulzugang zu verwirklichen, muss das Schüler/-innen-BAföG ab der 11. Klasse wieder eingeführt werden.“
    Quelle: DGB
  14. Fehler bei Abiturklausuren – Schüler müssen noch mal ran
    In die Abiturprüfungen im Fach Gemeinschaftskunde hat sich in Baden-Württemberg offenbar ein Fehler eingeschlichen. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, hatte das Ministerium Schülern von etwa 130 Gymnasien kurzfristig die Möglichkeit angeboten, ihre Prüfungen in dem Fach zu wiederholen.
    Zuvor hatte sich herausgestellt, dass ein in der Prüfung vorkommender Begriff im Unterricht an mehreren Schulen gar nicht behandelt wurde. In einer Aufgabe mussten die Prüflinge demnach die Bedeutung des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses Nato für die Friedenssicherung anhand eines “Kategorienmodells” erklären. Der Begriff gehört im Bildungsplan des Landes zum Schwerpunktthema Internationale Beziehungen, einem Teilbereich der Politikwissenschaften. Viele Schüler hatten das Wort “Kategorienmodell” laut dpa aber wohl noch nie gehört. Ein Sprecher des Kultusministeriums sagte, dass der Ausdruck möglicherweise nicht so gebräuchlich sei.
    “Wir weisen darauf hin, dass es keine Frage ist, ob man Lust hat, das zu unterrichten – man muss es unterrichten”, sagte die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) dem SWR.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers D.G.: Offensichtlich wird die Abiturprüfung genutzt, um die ‘korrekte’ politische Einstellung von Schülern abzufragen. Wie würde wohl eine Antwort bewertet, die NATO habe keine Bedeutung für die Friedenssicherung, sondern sei im Gegenteil ein Kriegsbündnis, das von den USA für völkerrechtswidrige Regimewechsel instrumentalisiert wird?

  15. Noch mehr Spitzenkandidaten, noch mehr Verwirrung
    Die Europawahl ist eben keine Direktwahl des Kommissionschefs. Es war ein grober Fehler, dass die Moderatoren das nicht klar gestellt haben. Sie taten die ganze Zeit so, als wären wir in den USA oder in Frankreich. Das EU-Parlament will sich mehr Macht sichern, das ist auch ok. Doch die Spielregeln müssen klar sein. Dazu zählt aber eben auch, dass es keine EU-weiten Wahllisten gibt – kaum jemand kann die “Spitzen” wirklich wählen. Weber können nur die Bayern wählen, Timmermans nur die Niederländer. Vestager wurde bisher nicht einmal von ihrer eigenen Regierung in Dänemark nominiert; sie ist eine politische Seiltänzerin.
    Das verwirrende Format hatte einen weiteren Nachteil: Kleine, europaweite (und europafreundliche) Listen wie Volt oder DIEM25 waren nicht eingeladen – und Nationalisten, Brexiters und andere EU-Gegner auch nicht. Es fehlten also ausgerechnet jene, die eine “Föderation” oder “Republik” Europa wollen – und die anderen, die die EU am liebsten ganz abschaffen oder komplett umkrempeln wollen, wie Matteo Salvini oder Marine Le Pen.
    Das ist ein ernstes Manko – wenn man bedenkt, daß viele Wähler glauben, die EU sei auf dem falschen Weg. Heute kam sogar eine Umfrage, derzufolge eine Mehrheit denkt, die Union könne binnen 20 Jahren verschwinden.
    Quelle: Lost in Europe

    dazu: Sozialdemokratie und EU-Wahlen: Macrons neuer Fan
    SPD-Spitzenkadidat Udo Bullmann dient sich bei Frankreichs Staatschef an. Denn: Den Sozialdemokraten steht das Wasser bis zum Hals.
    Eine Woche vor Beginn der Europawahl hat der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann, einen möglicher-weise entscheidenden taktischen Schwenk angedeutet. Nach-dem sich der SPD-Politiker früher vehement gegen Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und dessen „neoliberale und unsoziale“ Politik ausgesprochen hatte, will Bullmann nun ein „progressives Bündnis“ mit Macron und den Liberalen im EU-Parlament nicht mehr ausschließen.
    „Macron ist kein Sozialist, aber warum sollten wir nicht mit ihm reden?“, sagte Bullmann, der auch Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl in Deutschland ist, bei einem Pressegespräch in Brüssel. Die entscheidende Frage sei, „ob Macron in der Lage ist, sein Versprechen für eine progressive Politik einzulösen.“ In diesem Fall könne es nach der Europawahl zu einer „progressiven Allianz“ unter Einschluss der Liberalen kommen.
    Quelle: Eric Bonse in der taz


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