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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 11. August 2019 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Alle Zeichen stehen auf Rezession – aber Berlin will nicht handeln
  2. Realistischer Antikapitalismus statt moralische Umerziehungsversuche
  3. Warum Schuldenabbau kontraproduktiv sein kann
  4. Der Fachkräftemangel zeigt sich nicht an den Gehältern
  5. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz laugt den Balkan aus
  6. Frankreich: Brutale Polizeigewalt bringt Regierung in Bedrängnis
  7. Rheinbad Düsseldorf: Was von der Randale übrig bleibt
  8. Hiroshima, Nagasaki und Fukushima
  9. Ungleichheit durch Familienbetriebe
  10. Asymmetrische Berichterstattung

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Alle Zeichen stehen auf Rezession – aber Berlin will nicht handeln
    Zahlen lügen nicht. Die aktuellen Wirtschaftsdaten weisen Richtung Abschwung. Darauf müsste der Staat reagieren – und Schulden machen. Doch in Deutschland regiert der Sparfetisch.
    Die Industrieproduktion ist im Juni ein weiteres Mal gefallen, und zwar mit minus 1,5 Prozent viel stärker, als von Analysten erwartet. Die Produktion folgt damit dem ebenfalls seit vielen Monaten schwächer werdenden Auftragseingang. […]
    Es gibt aber einen sehr großen Marktteilnehmer, der sich dieser Dynamik aus Eigeninteresse entgegenstellen kann – den Staat. Das ist die im Prinzip unbestrittene Lehre von Keynes. Denn der Staat ist über die Steuern am Erfolg der Privaten beteiligt und muss mehr Geld ausgeben, wenn die Arbeitslosigkeit steigt. Wenn alle sparen wollen, muss der Staat deshalb mehr Geld ausgeben, damit seine Finanzen nicht mit der Wirtschaft in den Abwärtsstrudel geraten. Dann sehen auch die privaten Akteure wieder mehr Chancen statt nur Risiken und geben wieder bereitwilliger Geld aus.
    Aber leider hat sich gerade in Deutschland das allzu lange eingeübte Mantra von der Ursünde des Schuldenmachens verselbstständigt. Finanzminister sonnen sich im Glanz des Images als Sparfuchs und wollen auf diesen Glanz nicht verzichten – selbst wenn man mit Schuldenmachen inflationsbereinigt sogar um die zwei Prozent pro Jahr verdienen kann. Die Prügel bekommen ja nicht sie, sondern ihre Amtsnachfolger, die später hohe Schulden machen müssen, wenn sinkende Steuereinnahmen, steigende Sozialausgaben und teure Bankenrettungen die Staatsfinanzen zerrüttet haben werden.
    Quelle: Norbert Häring im Handelsblatt
  2. Realistischer Antikapitalismus statt moralische Umerziehungsversuche
    Wolfgang Streeck über Europa, Migration, Gendersternchen und die Krise der Linken.
    Nicht zuletzt das Thema Migration hat sich für linke Parteien als so schwierig wie schmerzhaft erwiesen. Wie sieht eine überzeugende linke Position für Sie aus?
    Die deutschen Unternehmen sind hungrig nach Arbeitskräften, nach qualifizierten ebenso wie nach solchen, die mit der Hälfte des deutschen Mindestlohns, vom Jobcenter auf Hartz IV aufgestockt, zufrieden wären. Eine florierende regionale Wirtschaft wächst schneller als das regional nachwachsende Arbeitsangebot; dieses braucht fast zwei Jahrzehnte, um für Arbeitgeber und Sozialversicherer Gewinn abzuwerfen. Also Einwanderung. Man denke an den Daimler-Mann Zetsche, der im Merkel-Herbst 2015 den „Beginn eines zweiten Wirtschaftswunders“ herbeifabulierte. Ein Zuwanderungsgesetz hat es aber erst vor ein paar Monaten gegeben, so groß war bis dahin der Widerstand sowohl der alten CDU als auch der Ge-werkschaften, und für die neoliberale Utopie eines offenen Arbeitsmarkts mit unbegrenztem Arbeitsangebot hätte es oh-nehin nicht gereicht.
    Da kamen der Syrienkrieg und die Kriege und Bürgerkriege in Afghanistan und Afrika gerade recht: „Schutzsuchende“ muss man, wenn man die Verfassung und das internationale Recht entsprechend auslegt, ungeprüft und unbegrenzt einlassen, auch die niedrig oder gar nicht qualifizierten. Dagegen konnte selbst die von ihren Wählern bedrängte CDU/CSU-Bundestagsfraktion nichts machen, die nicht nur von der Kanzlerin bedrängt wurde stillzuhalten, sondern auch von den Arbeitgebern im Bündnis mit den Kirchen, der SPD, den Grünen…
    So bekam „die Wirtschaft“ mit humanitärer Begründung, was sie mit wirtschaftlicher Begründung nicht hatte bekommen können: ein zusätzliches Arbeitsangebot sowohl für qualifizierte Tätigkeiten als auch für den Niedriglohnsektor, aus dem man sich jeweils das Beste heraussuchen und den Rest der Sozialhilfe überstellen kann. Dass „wir“ uns anschließend als „weltoffene“ Nation loben lassen konnten — ein „neues Deutschland“, das „aus seiner Geschichte gelernt“ hat — machte die Linke fast zum Merkel-Fanclub, insbesondere als sie dann die unvermeidliche Gegenbewegung als „neofaschis-tisch“ bekämpfen durfte. Dabei entging ihr, dass Merkel spätestens im Frühjahr 2016 erfolgreich daran ging, die Grenzen nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas wieder dicht zu machen, um so ihr politisches Überleben zu sichern. …
    Noch einmal zurück zur Schwäche der Linken: Die Debatte bezieht sich oft auf die Verteilung der politischen Aufmerksam-keit zwischen einer kulturellen und einer ökonomischen Konfliktachse. Welche ist aus ihrer Sicht ausschlaggebend? Auf welcher Ebene ist am dringendsten gegenzusteuern?
    Ich glaube nicht, dass die beiden Achsen starr rechtwinklig zueinander stehen, also nichts miteinander zu tun haben, in welchem Fall sie tatsächlich für die Linke ein Skylla-und-Charybdis-Dilemma aufwerfen würden. Entstanden ist das Prob-lem meiner Erinnerung nach aus der Ratlosigkeit der „Dritte Weg“-Linken in den 1990er Jahren darüber, was sie nach ihrer globalistischen Wende den Wählern noch anbieten könnten – Schutz vor Marktkräften und internationalem Wettbewerb jedenfalls nicht mehr. Die Antwort war die Propagierung liberal-libertärer, sogenannter post-materialistischer Wertorientie-rungen, die als im Trend liegend wahrgenommen wurden.
    Dadurch wurde die linke Basis gespalten: Diejenigen „neuen Libertären“, die man bis dahin noch ökonomisch hatte einbin-den können, sahen nun keinen Grund mehr, nicht gleich zu den aufsteigenden Grünen überzugehen; traditionelle Linkswäh-ler dagegen fanden sich einer Umerziehungsrhetorik ausgesetzt, die ihnen positive Bekenntnisse zu Lebensweisen abver-langte, die ihnen unverständlich, unheimlich oder gar unmoralisch erscheinen. Viele von ihnen wollten deshalb mit Politik nichts mehr zu tun haben. Andere wechselten zu rechtskonservativen oder, in Ermangelung derselben, rechten und rechts-radikalen Parteien.
    Quelle: IPG Journal
  3. Warum Schuldenabbau kontraproduktiv sein kann
    Deutschland kann sich gratulieren: Als erstes Land nach der Finanzkrise hält es die im Maastricht-Vertrag festgelegte Quo-te „Verschuldung zu Bruttosozialprodukt“ von 60 Prozent wieder ein. Aber kann es sein, dass zu wenig Schulden genauso ein Problem sind wie zu viele Schulden? Es soll hier nicht um das Anschieben der Nachfrage durch den Staat gehen, son-dern um die Bedeutung von Staatsanleihen für das Funktionieren unseres Finanzsystems.
    Während früher Banken untereinander Geld gegen „Vertrauen“ liehen, ist aus diesem Geschäft im wahrsten Sinne des Wortes eine Pfandleihe geworden. Man schließt Verträge, die auf Heller und Pfennig festlegen, wie offene Positionen, also Schulden, zu besichern sind. Als Sicherheit dienen in der Regel Anleihen höchster Bonität, da man davon ausgeht, dass diese Kredite nie ausfallen können.
    Nun ist leicht einzusehen, dass dem Rückgang der Staatsverschuldung ein Rückgang des Bestandes an Wertpapieren fol-gen muss. Wenn also erstklassige Staatsanleihen das „Schmiermittel“ sind und wir die Analogie zu einem Motor herstel-len, droht dem Finanzsystem bei zu niedrigem Ölstand der Kolbenfresser.
    Eine englische Versicherung berechnete, dass Mitte der 2030er Jahre keine deutschen Staatsanleihen mehr im Umlauf sein könnten. Schon jetzt haben europaweite Rating-Abstufungen und die allgegenwärtige Sparpolitik dazu geführt, dass das Volumen von Anleihen höchster Bonität in Europa nur noch zehn Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht, während es in den USA 70 Prozent sind. Auch wenn es nur um technische Aspekte geht, müssen die Akteure rechtzeitig darauf reagieren, um Friktionen bei der Zahlungsabwicklung zu vermeiden.
    Quelle: FR
  4. Der Fachkräftemangel zeigt sich nicht an den Gehältern
    Angeblich fehlten der Industrie noch nie so viele IT-Experten wie zurzeit. Doch die Firmen reißen sich um die vorhandenen Softwareentwickler offenbar nicht mit entsprechend höheren Gehältern.
    Einen “Rekordengpass in der IT” hat das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln in seinem MINT-Frühjahrsreport 2019 festgestellt. Wenn man dem Gesetz der freien Marktwirtschaft folgt, nach dem der Preis aus Angebot und Nachfrage entsteht, müssten die Gehälter von IT-Fachleuten in den vergangenen Jahren genauso exorbitant angewachsen sein wie der Mangel an diesen Menschen. Sind sie aber nicht. Das zeigt eine Auswertung von Gehaltsdaten, die Gehalt.de für Golem.de durchgeführt hat. Das Gehaltsportal verfügt nach eigenen Angaben über gut eine Million aktuelle Gehaltsdaten. Für Golem.de hat Gehalt.de die Einkommenssituation von IT-Profis in der IT-Branche nach den wichtigsten Kriterien ausgewertet, die wesentliche Auswirkungen auf die Höhe des Einkommens haben.
    Quelle: golem.de
  5. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz laugt den Balkan aus
    Die Bundesregierung will mehr Fachkräfte aus Osteuropa anwerben – bald erleichtert ein Gesetz die Migration. Doch was hier hilft, richtet dort Schäden an.
    Die verschärfte Personalnot im Gesundheitssektor lässt selbst den Minister in die Ferne schweifen. „Wir können jede Pflegekraft, die mit anpacken will, gut gebrauchen“, schlägt der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn Mitte Juli bei einem Treffen mit angehenden Krankenpflegern in der Kosovo-Hauptstadt Pristina die Anwerbertrommel.
    Auf der Suche nach Arbeitskräften sind immer mehr Rekrutierer aus dem reichen Norden im ausgezehrten EU-Wartesaal auf dem Westbalkan unterwegs. Denn in Westeuropa werden Fachkräfte händeringend gesucht. Bei den ausgebluteten EU-Anwärtern sitzen hingegen immer mehr Auswanderwillige auf gepackten Koffern. …
    2020 tritt in Deutschland das Anfang Juni vom Bundestag abgesegnete „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ in Kraft. Dieses soll qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten die Arbeit und Arbeitssuche in Deutschland erheblich erleichtern – und das nicht nur in sogenannten Engpassberufen: Es entfällt die bisherige Vorrangprüfung, die EU- Bürgern bisher einen Vorrang bei der Besetzung freier Stellen einräumt.
    Berlin erhofft sich von dem Gesetz eine Linderung des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften. Im EU-Wartesaal fürchten Arbeitgeber hingegen, dass sich der Sog in die Ferne verstärkt, dass immer mehr Fachkräfte abwandern. Schon seit 2015 hätten jährlich mindestens 50.000 Menschen Bosnien und Herzegowina verlassen, klagt die Zeitung „Euro Blic“ im bosnischen Banja Luka: „Wenn in Deutschland das Gesetz in Kraft tritt, das die Auswanderungsprozeduren vereinfachen und beschleunigen wird, könnte es auf dem heimischen Arbeitsmarkt zu einem nie erlebten Kollaps kommen.“
    Quelle: Tagesspiegel
  6. Frankreich: Brutale Polizeigewalt bringt Regierung in Bedrängnis
    Proteste zum Tod von Steve Maia Caniço, seltsame Auszeichnungen für Polizisten, manipulierte Beweisführungen und Unwahrheiten – der öffentliche Druck wächst
    Möglicherweise ist sie nicht vorbei, die Protestbewegung der “Gelbwesten”, die Frankreich seit Herbst 2018 in Atem hielt. Es ist eine Protestbewegung politisch und sozial heterogenen Charakters, die sich im Laufe der Monate wandelte – und von ihren anfänglich stark rechts besetzten Ausgangsmilieus ablöste, auch Gewerkschaften gesellten sich ab Anfang Dezember 2018 hinzu – und ziemlich unterschiedliche Bewertungen erfuhr.
    Darum, eine irgendwie abschließende Bewertung zu treffen, kann und soll es an dieser Stelle nicht gehen. Zumal Staatspräsident Emmanuel Macron selbst laut öffentlichen Bekundungen davon ausgeht, dass die Sache nicht abgeschlossen, also für seine Regierung nicht ausgestanden sei.
    Ebenso wenig ausgestanden ist unterdessen ein Thema, das im Zusammenhang mit den “Gelbwesten”-Protesten ebenfalls viele Debatten und Polemiken auslöste und auch aus anderen Gründen ins aktuelle Geschehen drängt: die von der französischen Polizei ausgeübte Gewalt.
    Im Zusammenhang mit der Protestbewegung der “Gelbwesten” ermittelt die Dienstinspektion IGPN – die im Folgenden noch näher vorgestellt werden wird – derzeit in 288 Fällen wegen mutmaßlicher, nicht vom Gesetz gedeckter Gewaltanwendung durch die Polizei, wie just an diesem Montag bekannt wurde.
    Quelle: Telepolis
  7. Rheinbad Düsseldorf: Was von der Randale übrig bleibt
    Von “Terror” und “Gewalt” war die Rede, von “Nordafrikanern”, die ein Freibad in Angst und Schrecken versetzt hätten. Zwei Wochen später bleibt davon so gut wie nichts übrig, zeigen Recherchen von Monitor.
    Am 26. Juli um 17:46 Uhr wird die Leitstelle der Düsseldorfer Polizei alarmiert: Eine große Gruppe Jugendlicher blockiere die Rutsche des Rheinbades in Düsseldorf. Als die Polizei eintrifft, scheint die Lage ruhig. Dennoch wird um 18:18 die Badezeit vorzeitig beendet. Später ist von Räumung die Rede. Basierend auf den Angaben des Badbetreibers erklärt ein Polizeisprecher gegenüber Journalisten, es habe sich “augenscheinlich (…) um 50 bis 60 Jugendliche und junge Männer nordafrikanischen Typus” gehandelt. Diese Meldung wird einen politischen und medialen Sturm auslösen.
    In den Folgetagen schreibt die Presse davon, dass Jugendliche das Rheinbad belagert hätten, es habe “Tumult” und “Randale” gegeben, ein “Klima der Angst” geherrscht. Auch in den Nachrichtensendungen der großen Fernsehsender ist in den Folgetagen von Randale die Rede und davon, dass das Schwimmbad evakuiert werden musste. Und immer wieder fällt der Hinweis, die Jugendlichen hätten einen nordafrikanischen Hintergrund. Tatsächlich wurden im Zuge der Schließung des Bades nur die Personalien von zwei Beteiligten aufgenommen. Einer hatte die Bademeisterin beleidigt, ein anderer einen Polizisten. Beide waren deutsche Staatsangehörige.
    Quelle: Tagesschau
  8. Hiroshima, Nagasaki und Fukushima
    Der Mahnruf des missachteten Gewissens
    Vor 74 Jahren warfen US-Soldaten erstmals in der Menschheitsgeschichte eine Atombombe auf bewohntes Gebiet ab. Ihr Ziel am 6. August, morgens um 8.15 Uhr, war die südjapanische Stadt Hiroshima. Nur drei Tage später fiel die zweite Atombombe auf Nagasaki. Am 6.August 1945 starben in Hiroshima 140.000 Menschen und kurz danach in Nagasaki 73.000.
    Die US-Regierung rechtfertigt ihren brutalen Einsatz bis heute mit dem Argument, dass nur durch die beiden Atombomben der Zweite Weltkrieg im Fernen Osten rasch beendet werden konnte.
    Bis zum Jahr 2019 sind jedoch noch einmal mehr als doppelt so viele Menschen an den Spätfolgen nuklearer Verstrahlung gestorben – insgesamt über 400.000. Und das Sterben geht bis heute weiter – noch 74 Jahre nach den Atombomben.
    Vor einigen Jahren hatten mich die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki zu Vorträgen eingeladen. Mein Thema hieß “Vom Atomzeitalter ins Solarzeitalter”. Wichtigere Orte zu diesem Thema gibt es wohl nicht.
    Wer in Hiroshima und Nagasaki mit Strahlungsopfern spricht oder die beiden eindrucksvollen Gedenkstätten besucht, dem öffnet sich das Tor zur Hölle auf Erden. Im August 1945 geschah ein Massenmord wie ihn sich die Welt bis dahin nicht vorstellen konnte. Innerhalb von Sekunden haben sich Zehntausende von Menschen in Nichts aufgelöst, waren allenfalls ein Häufchen Asche oder für den Rest ihres Lebens verstrahlt und verkrüppelt.
    Am meisten erschüttert hat mich jedoch eine Zahl, die der Oberbürgermeister von Hiroshima nannte: Jedes Jahr sterben heute noch in Japan über 3000 Menschen an den Folgen atomarer Verstrahlung aus dem Jahr 1945. Kurz vor meinem Vortrag in Nagasaki schob mir der stellvertretende Oberbürgermeister noch einen handgeschriebenem Zettel zu, auf den er die aktuelle Zahl der in seiner Stadt bisher durch atomare Verstrahlung getöteten Menschen geschrieben hatte: 140.144!
    Quelle: Telepolis

    dazu Sahra Wagenknecht: Heute vor 74 Jahren zerstörte eine Atombombe Hiroshima, drei Tage später eine weitere die Stadt Nagasaki. Über hunderttausend Menschen starben, viele leiden bis heute an den Folgen. Die Opfer mahnen uns: Wir müssen auf eine Welt ohne Atomwaffen hinarbeiten. Ein erster Schritt ist der Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel und das Ende der nuklearen Teilhabe. Die Bundesregierung muss sich für eine Neuauflage des INF-Abrüstungsvertrags einsetzen und dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten!
    Quelle: Sahra Wagenknecht auf Facebook

  9. Ungleichheit durch Familienbetriebe
    IWF kritisiert Familienunternehmen
    (…) Die Familienunternehmen werden gerne als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet. Doch nun hat der Internationale Währungsfonds (IWF) eine aktuelle Studie veröffentlicht, in der er die Familienunternehmen für die Ungleichheit in Deutschland verantwortlich macht, die immer stärker werde. Laut IWF ist die Bundesrepublik eines der Länder mit der höchsten Vermögens- und Einkommensungleichheit der Welt. Diese Schere nehme weiter zu. Eine Ursache dafür sieht der IWF bei den großen Familienunternehmen. In den Händen von wenigen konzentriere sich der Reichtum des Landes.
    Demnach sei es seit dem Jahr 2000 zu folgender Situation gekommen: Die exportstarken Familienunternehmen haben durch ihre Erfolge den Effekt verstärkt. Auf der anderen Seite hätten in der gleichen Zeit die Arbeitnehmer bei den Lohnerhöhungen Zurückhaltung geübt. Die hohe Sparquote bei dem reichsten Prozent hätte wiederum die Ungleichheit bei den Einkommen und dadurch in Folge bei den Vermögen verstärkt. Hier stellen die IWF-Ökonomen fest, dass Vermögens- und Einkommensungleichheit eng miteinander verbunden seien. Der IWF sieht es so, dass nach 2009 ein Großteil des Wohlstandzugewinns entstanden sei in Form einbehaltener Gewinne von Familienunternehmen. „Dieser Gewinn kommt damit nur wenigen zugute“, heißt es. Die Unternehmenssteuerreformen 2001 und 2008, die einbehaltene Gewinne steuerlich begünstigten, hätten diesen Effekt noch verstärkt…
    Quelle: Weser Kurier

    dazu: No 423
    “Nun stellt ausgerechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer neuen Studie fest: In Deutschland sind Familienunternehmen eine starke Triebkraft der Vermögens- und Einkommenskonzentration. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass zu den sogenannten Familienunternehmen Großbetriebe wie BMW gehören – hier geht es um Konzerne, die weltweit wirtschaften und großen Einfluss besitzen.
    Der Bericht des IWF hebt hervor, dass es in Deutschland eine im Vergleich zu anderen Ländern hohe Konzentration der Vermögen und der verfügbaren Einkommen gibt. In Übereineinstimmung mit vielen anderen Untersuchungen bestätigt der IWF in diesem Zusammenhang die wachsende soziale Spaltung der Gesellschaft, die auf diese Reichtums Konzentration zurückzuführen ist.
    Als eine wichtige Ursache für diese Entwicklung benennt der IWF die sogenannten Familienunternehmen. Großbesitzerinnen und -besitzer erhalten als Dividende für geerbte Unternehmensanteile bis zu eine Milliarde Euro jährlich. Die steigenden Gewinne auf den Exportmärkten kommen wegen der Trennung von Eigentum und Leitung in Eigentümer*innenunternehmen vor allem einigen wenigen Privatpersonen und ihren Familien zugute, argumentiert der IWF. Wegen der enormen Höhe der angeeigneten Gewinne und der hohen Sparquoten wachsen die Vermögen der Reichsten in Deutschland schneller als in anderen Ländern.
    Die Einkommen der Angestellten, die in solchen Unternehmen oft ohne Mitbestimmung der Arbeitnehmer*innenschaft verhandelt werden, haben dagegen in den letzten Jahrzehnten stagniert und entwickeln sich seit einigen Jahren nur sehr langsam. Laut IWF sind ein höheres Lohnwachstum und niedrigere Steuern für Gering- und Normalverdiener*innen wichtig, um der Einkommensungleichheit entgegen zu wirken.
    Wirksame Erbschafts- und Schenkungssteuern könnten den immensen Zuwachs des Reichtums einiger weniger Privatpersonen abbremsen, so der IWF. Auch die Vermögensteuer wäre ein geeignetes Mittel, um die angehäuften Mittel für den dringend notwendigen Ausbau der Infrastruktur nutzbar zu machen und die wachsende Spaltung der Gesellschaft zu überwinden.
    Quelle: Maskenfall

    Anmerkung Marco Wenzel: Sieh an, sieh an, selbst der neoliberale IWF merkt, dass etwas faul ist im Staate Dänemark und mahnt sogar Erbschafts- und Vermögenssteuern an. Die Botschaft hör ich wohl… Hört sie aber auch die Bundesregierung?

  10. Asymmetrische Berichterstattung
    Man stelle sich vor, eine iranische Drohne würde über Florida abgeschossen oder ein paar Kilometer vor der amerikanischen Küste. Niemand würde über den exakten Abschussort diskutieren, vielmehr würden sich alle fragen, was diese Drohne dort zu suchen hatte – 11 000 Kilometer entfernt von Teheran.
    Als Iran am 20. Juni eine US-Drohne zerstörte, knapp außerhalb der Landesgrenze (Pentagon-Version) oder innerhalb des iranischen Luftraums (Teheran-Version), fragte kaum jemand nach der Legitimität der US-amerikanischen Militärpräsenz am Golf. Diese asymmetrische Berichterstattung der westlichen Medien, die sich daran orientiert, ob das Land, das internationales Recht verletzt, eine (gute) Demokratie oder ein (böser) autoritärer Staat ist, bleibt heute völlig unwidersprochen.
    Wenn man in der aktuellen Eskalation „Iran permanent als atomare oder sonstige Bedrohung darstellt, vermittelt man die Botschaft, dass man das Land angreifen müsse“, warnt Gregory Shupak. Für den Medienwissenschaftler an der Guelph-Humber-Universität in Toronto ist das Gegenteil der Wahrheit viel näher: dass nämlich „die USA Teheran bedrohen und nicht umgekehrt“. Schließlich sei es die Regierung in Washington, die mit ihren Sanktionen die iranische Wirtschaft zugrunde richtet und damit den Zugang der Bevölkerung zu Nahrungsmitteln und Medikamenten einschränkt. Und die ihren Gegner „mit Militärbasen sowie See-, Land- und Luftstreitkräften eingekreist hat, wogegen Iran den USA nichts Vergleichbares angetan hat“.
    Diese ungleiche Wahrnehmung, die „spontan“ die Großmacht USA begünstigt, stützt sich vor allem auf ein selektives Gedächtnis, ein Gemisch aus politisch induziertem Vergessen und von Medien transportierten Lügen, die auf Auslassungen basieren. Wer erinnert sich im Westen noch an Flug 655 der Iran Air? Am 3. Juli 1988 zerstörte der Kreuzer „USS Vincennes“, während er in iranischen Hoheitsgewässern patrouillierte, ein Linienflugzeug mit 290 Passagieren an Bord, das auf dem Weg nach Dubai war.
    Anfangs bestritten die USA, für den Abschuss verantwortlich zu sein; dann erklärte Washington, die „Vincennes“ habe sich in internationalen Gewässern befunden und man habe den iranischen Airbus für ein Jagdflugzeug gehalten, weil er bedrohlich auf den US-Kreuzer heruntergestoßen sei. Beides Lügen, wie sich später herausstellte. Am Ende äußerte die US-Regierung ihr „tiefes Bedauern“ über den Vorfall und zahlte 61,8 Millionen Dollar Entschädigung an die Familien der Opfer.
    Quelle: Le Monde diplomatique


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