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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 30. September 2019 um 8:19 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Genossen und Linke machen Front gegen Schuldenbremse
  2. 50 Millionen DM, das waren einmal “Peanuts” – 30 Milliarden €, das ist weniger als ein Staubkorn
  3. Für Europa reicht’s (nicht)…
  4. Minus 40 Milliarden: Warum Tarifflucht uns alle teuer zu stehen kommt
  5. „Der freie Markt regelt es nicht“
  6. Der klappernde Mietendeckel
  7. Die Bahn drückt uns die Verspätungen rein
  8. Inszenierter Streit bei der Grundrente
  9. Mehrheit findet das Klimapaket unzureichend
  10. Großer Wurf?
  11. Angst und Endlichkeit
  12. Vorsicht, defekt!
  13. Hälfte der europäischen Baumarten bedroht
  14. Hygiene-Berichte bleiben geheim: Berliner Bezirke sabotieren „Topf Secret“
  15. Nur als »Franco« vorgestellt
  16. Britische Untersuchung: Brexit doch nicht vom Kreml bezahlt
  17. No 431
  18. Eine hochschulpolitische Herausforderung

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Genossen und Linke machen Front gegen Schuldenbremse
    Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz, SPD-Finanzminister Scholz hält an der schwarzen Null fest: Dagegen formiert sich lagerübergreifend eine Allianz im Bundestag – dabei sind Abgeordnete von SPD und Linken. (…)
    Das “Fachgespräch” am 27. November im Bundestag steht unter dem Motto “Investieren! Bremst die Schuldenbremse Deutschlands Zukunft?”. Veranstalter sind die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe, ihr Fraktionskollege Michael Schrodi sowie die Parlamentarier Fabio de Masi, Victor Perli und Jörg Cezanne von der Linkspartei.
    Zu der Veranstaltung haben sie prominente Ökonomen eingeladen. Es kommen Michael Hüther, der eher liberale Chef des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), und Jens Südekum, ein eher linker Volkswirtschaftsprofessor von der Universität Düsseldorf. Beide wettern seit Monaten gegen die Schuldenbremse.
    Die Argumentation der Ökonomen: Die Vorschrift fessele den Staat in seiner Fähigkeit, Geld für wachstumsfördernde Investitionen auszugeben. Das sei fatal, vor allem angesichts niedriger Zinsen. Die Regierung könne derzeit praktisch zum Nulltarif Kredite aufnehmen, Investitionen würden sich, weil sie volkswirtschaftlich eine Rendite abwerfen, also selbst finanzieren. Der Verzicht darauf bedeute Wohlstandsverluste. (…)
    So viel Einigkeit ist selten unter Ökonomen unterschiedlicher Glaubensrichtungen, aber auch unter Sozialdemokraten und Linken. “Die schwarze Null ist aus meiner Sicht ein Fetisch, der nicht haltbar ist”, sagt Mitveranstalterin Kiziltepe. “Wir brauchen einen Pakt für Investitionen statt schwarzer Null und Schuldenbremse.” In den vergangenen Jahren hätten Bund und Länder bei Weitem nicht genug investiert.
    Ähnlich sieht das ihr Kollege de Masi von der Linksfraktion. “Deutschland begräbt seine Zukunft unter der Schuldenbremse”, sagt er. Es sei verrückt, bei Minuszinsen nicht mehr zu investieren. “Schienen, Krankenhäuser oder Universitäten nutzen auch unseren Enkelkindern. Es ist deshalb sinnvoll, deren Finanzierung auch über Kredite zeitlich zu strecken.” Der Staat müsse jetzt investieren und nicht erst dann, wenn die Krise komme. Investitionen bräuchten Zeit, bis sie wirken. Nötig sei eine goldene Regel, die Kredite im Umfang der Investitionen ermögliche.
    Quelle: Spiegel Online
  2. 50 Millionen DM, das waren einmal “Peanuts” – 30 Milliarden €, das ist weniger als ein Staubkorn
    Ein Finanzierungsloch von über 30 Milliarden € bei der Deutschen Rentenversicherung wird verschwiegen. Eine bundesweit verbreitete Pressemitteilung dazu wird ignoriert. Es geht um nicht weniger als ein totales Medienversagen. Die Betrogenen sind 38 Millionen Beitragszahler.
    Im Jahr 1994 bezeichnete Hilmar Kopper als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank offene Rechnungen eines Pleitebaulöwen von 50 Millionen DM als „Peanuts“. Das löste öffentliche Empörung aus und „Peanuts“ wurde zum „Unwort des Jahres“ erkoren.
    2019 erklärt die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung (DRV), Anneli Buntenbach, eine Unterdeckung im Haushalt von 30 Milliarden € – und löst damit gar nichts aus. Die Relevanz für die Pressemedien in diesem Land war Null. Es war weniger als ein Staubkorn.
    Wie kann das sein?
    Mit etwas Sarkasmus könnte man vermuten, dass es Topp-Meldungen gegeben hätte, wären die „Experten“ Börsch-Supan oder Raffelhüschen oder die Bertelsmann-Stiftung die Nachrichtengeber gewesen. Aber es war ja nur die Vorsitzende der Deutschen Rentenversicherung, die nicht weniger als 58 Millionen Mitglieder zählt.
    Aus der Pressemitteilung vom 27.06.2019: „Buntenbach forderte abschließend, dass Leistungen der Rentenversicherung, die wie die Mütterrente nicht auf Beiträgen beruhen, vollständig aus Steuermitteln zu finanzieren seien. Jüngste Berechnungen hätten gezeigt, dass derzeit eine jährliche Unterdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen durch den Bund in Höhe von 30 Milliarden Euro bestehe. Buntenbach unterstrich daher die Forderung nach einer systemgerechten Finanzierung.“ (siehe auch Thema: Versicherungsfremde Leistungen)
    Nichts Genaues weiß man?
    Das Sozialministerium beantwortet parlamentarische Anfragen oder Auskunftsersuchen der Presse nach folgendem Muster:
    „Die nicht beitragsgedeckten („versicherungsfremden“) Leistungen lassen sich nicht exakt beziffern, denn es gibt in Wissenschaft und Praxis keine eindeutige und konsensfähige Abgrenzung dieser Leistungen.… Es gibt somit weder eine Statistik zum Umfang der nicht beitragsgedeckten Leistungen, noch lassen sie sich dem Kontenrahmen der Träger der Deutschen Rentenversicherung entnehmen.“
    Man weiß es aber ziemlich genau:
    Denn im Jahr 2004 wurden die nicht beitragsgedeckten Leistungen für das Jahr 2003 definiert und deren Höhe ermittelt. Das geschah durch Fachleute des Bundessozialministeriums und des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR, das ist der Vorgänger der DRV). In dem abgestimmten Gutachten wird eine Unterdeckung von 23,5 Mrd. € (12,0% der Rentenausgaben) ausgewiesen.
    Die nächste systematische Erhebung (DRV 1/2012) erfolgte erst 2012. Für das Jahr 2009 wurde der Unterdeckungsbetrag mit 13,0 Mrd. € (6,4% der Rentenausgaben) berechnet. Große Einwände aus „Wissenschaft und Praxis“ gab es nicht (*). Das mag auch daran gelegen haben, dass für das Jahr 2017 ein Fehlbetrag von lediglich 1,4 Mrd. € (0,5%) prognostiziert wurde.
    Und nun kam die Mitteilung, dass die Unterdeckung im Jahr 2017 nicht 1,4 Mrd €, sondern sage und schreibe 31,3 Mrd. € (12,3%) betragen habe. Sämtliche gesamtgesellschaftlich begründeten Rentenreformen wurden so gut wie ausschließlich aus den Beitragseinnahmen finanziert.
    Die Finanzminister lehnten die Finanzierung aus dem Bundehaushalt kategorisch ab. Sie konnten sich in ihren „schwarzen Nullen“ sonnen. In Wirklichkeit funktioniert das nur, weil sie auf Schattenhaushalte bei den Sozialversicherungen zurückgriffen (**). Tendenz steigend.
    Quelle: Seniorenaufstand
  3. Für Europa reicht’s (nicht)…
    Zwei designierte Kommissare aus Osteuropa sind vom EU-Parlament schon zurückgewiesen worden – warum eigentlich nicht mehr? Europa nicht den Leyen überlassen!
    Quelle: Martin Sonneborn via You Tube

    Dazu: Skurrile EU-Kommissare!
    Derzeit läuft im EU-Parlament gerade die Überprüfung von von von vonderLeyens designierten Kommissaren. Ich fürchte, ich habe niemals zuvor eine derart unseriöse Politrentnergang gesehen… Smiley
    Quelle: Martin Sonneborn via You Tube

  4. Minus 40 Milliarden: Warum Tarifflucht uns alle teuer zu stehen kommt
    DGB-Berechnungen zeigen Kosten für die Allgemeinheit
    Weniger Steuereinnahmen, weniger Zahlungen in die Sozialkassen, weniger Kaufkraft: Durch Tarifflucht und Lohndumping entgehen Deutschland jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe. “Das Geld fehlt für den sozialen Ausgleich und für dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur und in Bildung”, kritisiert DGB-Vorstand Stefan Körzell. (…)
    Durch Tarifflucht und Lohndumping entgehen den Sozialversicherungen jedes Jahr rund 24,8 Milliarden Euro Beiträge. Bund, Ländern und Kommunen fehlen 14,9 Milliarden Steuereinahmen. Zusammen rund 40 Milliarden Euro. Und: Ohne Tarifvertrag hat der arbeitende Teil der Bevölkerung weniger Geld in der Tasche, das er ausgeben kann. Das wiederum hat Einfluss auf die Wirtschaft und die Konjunktur. Wären alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tarifgebunden, würde sich ihre Kaufkraft um 35 Milliarden erhöhen – Jahr für Jahr. Das hat der DGB auf Grundlage der letzten Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamts berechnet. Dabei wurden auch die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland deutlich. (…)
    “Eine geringe Tarifbindung und die grassierende Tarifflucht bringen die Allgemeinheit bei der Sozialversicherung und den Steuern um Milliardenbeträge“, kommentiert DGB-Vorstand Stefan Körzell die aktuelle Auswertung. „Das Geld fehlt für den sozialen Ausgleich und für dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur und in Bildung. Da müssen sich die Unternehmen dann schon mal die unbequeme Frage nach ihrer sozialen Verantwortung gefallen lassen, gerade auch angesichts der großen Umwälzungen, vor denen wir stehen.” (…)
    So kann die Politik die Tarifbindung stärken
    Doch nicht nur die Unternehmen, auch die Politik ist in der Pflicht. Nach Auffassung des DGB dürften öffentliche Aufträge und Fördergelder nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden. „Es ist ein Unding, dass der Staat mit Steuergeldern auch noch Lohndumping unterstützt. Stattdessen sollte der Staat seine öffentlichen Aufträge an Bedingungen für faire Bezahlung knüpfen“, sagt Stefan Körzell.
    Weitere mögliche Hebel sind die Reform der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen sowie bessere Regelungen zu Nachbindung und Nachwirkung von Tarifverträgen. „Tarifverträge sichern den sozialen Frieden und Gute Arbeit, sie sind ein hohes Gut in unserer Demokratie”, so Körzell weiter. “Die Sozialpartnerschaft ist aber keine Einbahnstraße. Alle bisherigen Reformen des Tarifautonomiestärkungsgesetzes haben keinerlei Wirkung erzielt. Deshalb gehört eine hohe Tarifbindung und starke Sozialpartnerschaft ganz oben auf die Agenda der Bundesregierung. Sie muss jetzt zeigen, dass sie es mit der Stärkung der Tarifbindung ernst meint.”
    Quelle: DGB
  5. „Der freie Markt regelt es nicht“
    taz: Herr Taheri, wie kommt es, dass Sie sich für das Thema Wohnen so stark engagieren?
    Rouzbeh Taheri: Ich bin seit meiner Schülerzeit stadtpolitisch aktiv, seit 25 Jahren. Zum Thema Mieten und Wohnen bin ich gekommen, als ich ab 2011 selbst davon betroffen war. Es ging um eine energetische Modernisierung mit entsprechender Mieterhöhung. Im Zuge dessen habe ich die Erfahrung gemacht, wie viel Druck auch für andere Menschen beim Thema Miete herrscht. Und auch, wie viel Geld damit gemacht wird. Ich habe mich dann zusammen mit meinen Nachbar*innen gewehrt. Das ist dann immer mehr geworden.
    Was ist Ihr Ziel?
    Ich bin dafür, Instrumente zu schaffen, die die Menschen ermächtigen, kollektives und öffentliches Eigentum zu schaffen. Es gibt viele Formen, öffentliches Eigentum zu schaffen und in kollektive Verwaltung zu übergeben: Genossenschaften, das Mietshäuser-Syndikat, Vereine. Eine Demokratisierung des Eigentums ist also das Ziel. Kurzfristig brauchen wir eine Annäherung der Verwaltungsformen der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften an die Ursprungsidee der Genossenschaft.
    Wann ist Ihr Ziel erreicht, wann haben Sie sich als Aktivist selbst überflüssig gemacht?
    Als Zielmarke nenne ich 50 Prozent der Wohnungen Berlins in öffentlichem oder nicht-profitorientiertem Eigentum. Und dass jede*r in dieser Stadt die Möglichkeit hat, menschenwürdig zu wohnen. Diese beiden Punkte bedingen einander.
    Ist der sozialdemokratische Wohnungsbau der Stadt Wien also ein Vorbild?
    Auch in Wien gibt es Probleme, aber es ist viel besser. Der Grund dafür ist, dass in Wien nur rund 10 Prozent der Wohnungen auf dem freien Markt sind. Alle anderen sind entweder städtisch, anderweitig gebunden oder durch einen Mietendeckel humanisiert. 40 Prozent sind öffentliches Eigentum, 15 Prozent genossenschaftliches Eigentum und etwas mehr als 30 Prozent sind in Wien mietengedeckelt. Nur so schafft man in einer kapitalistischen Metropole einen einigermaßen entspannten Wohnungsmarkt. Der freie Markt regelt es nicht.
    Quelle: taz
  6. Der klappernde Mietendeckel
    Die Vermieterverbände haben vorgeglüht. Anstatt sich den Spekulanten, Tricksern und Wucherern entgegenzustellen, sind sie ihren Kunden, den Mietern, in den Rücken gefallen. Das Ergebnis dieses Verbandsversagens: Es wird kaum noch differenziert, aus dem Eigentümer ist ein Feindbild geworden.
    Die regierende Politik nahm das gerne auf. „Wir holen uns die Stadt zurück“, lautet Berlins Leitbild unter Rot-Rot-Grün – bei einem Mietwohnungsanteil von 85 Prozent ein billiger Durchlauferhitzer.
    Dabei haben SPD und Linke mit ihrer Privatisierungspolitik in den Nullerjahren zur angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt und zur Champagnerlaune der Immobilienbranche maßgeblich beigetragen.
    Vor allem für die Linke ist der Wohnungskampf Teil einer öffentlichen Trauma-Therapie: Am Ende ihrer ersten Regierungsbeteiligung lag die Partei am Boden, die Stammwähler, unmittelbar betroffen von der Austeritätspolitik, fühlten sich verraten.
    Heute erwecken vor allem Linke und Grüne mit Heilsversprechen und symbolischen „Rückeroberungen“ visionäre Erwartungen, die an der Wirklichkeit scheitern müssen. Und auch die Opposition dreht die Flamme noch ein bisschen höher: Sie raunt von einer Wende zum Sozialismus und spricht von „DDR 2.0“ . Doch von Planwirtschaft ist die Koalition soweit entfernt wie der Hohenzollern-Nachwuchs vom Wiedereinzug ins Schloss.
    Es wirkt so, als hätte Maßlosigkeit von der Stadt Besitz ergriffen, beim Abkassieren der Mieter ebenso wie beim Servieren politischer Wunderrezepte. Es zählt nur noch die Übertreibung, der Superlativ.
    Von „Mietenwahnsinn“ spricht die Koalition, obwohl es eigentlich „Angebotsmietenwahnsinn“ heißen müsste – raketengleich in die Höhe geschossen sind nicht die Bestandsmieten, sondern die Preise bei Neuvermietung, weil die Stadt voller wird und der Wohnungsmarkt mangels ausreichenden Neubaus leerer.
    Von „Rückkaufwahnsinn“ sprechen dagegen die Kritiker der Koalition – und sehen sich bestätigt durch den neuesten Deal: Der Senat feiert sich für die Übernahme von 6000 Wohnungen des luxemburgischen Unternehmens Ado Properties durch die landeseigene Gewobag, der Preis: 920 Millionen Euro. Der Regierende Bürgermeister freut sich: „Für das Land Berlin ein Gewinn.“
    Quelle: Der Tagesspiegel

    Dazu: Einstiegsdroge in die Planwirtschaft
    Die Ruhe täuscht: Über den Berliner Mietendeckel wird noch immer hitzig gestritten. Seit der Entwurf von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) vorliegt, finden die entscheidenden Debatten zwar statt – nur hinter verschlossenen Türen.
    Experten und Verbände versuchen nun seit drei Wochen ihre Bedenken gegen den Entwurf geltend zu machen. Bis Mitte Oktober haben sie noch Zeit, dann werden ihre Argumente berücksichtigt oder verworfen, dann will der Senat das “Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (Berliner MietenWoG)” beschließen und dem Abgeordnetenhaus vorlegen. Wenn alles so läuft, wie Lompscher sich das vorstellt, könnte das Gesetz Anfang 2020 wirksam werden.
    Noch steht also alles unter Vorbehalt. Doch drei große Linien zeichnen sich bereits ab.

    • Erstens: Wegen der vielen Ausnahmeklauseln und Härtefallregelungen ist der Mietendeckel inzwischen so kompliziert geworden, dass die Festlegung der angemessenen Miete im Einzelfall zu einem aufwendigen – und von Streit begleiteten – Verfahren werden dürfte.
    • Zweitens werden sich wohl sehr viel weniger Mieter Hoffnung auf eine Mietsenkung machen können, als es zunächst den Anschein hatte.
    • Und zuletzt: Wenn die Regelung in fünf Jahren ausläuft, kommt das böse Erwachen.

    Die ersten beiden Aspekte sind schnell erklärt: Der Mietendeckel verbietet den Hausbesitzern, zunächst für fünf Jahre begrenzt, die Miete zu erhöhen. Diejenigen, deren Mietbelastung 30 Prozent des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens übersteigt, dürfen sogar eine Senkung verlangen. Wer mehr verdient, profitiert von dem Moratorium.
    Der Deckel soll laut Gesetzentwurf auch nur für eine begrenzte Fläche wirksam werden. Gesenkt wird die Miete allein für die im Berliner Wohnraumgesetz festgelegte “angemessene Quadratmeterzahl”. Für einen Ein-Personen-Haushalt sind das 50 Quadratmeter, für zwei Personen 65 Quadratmeter, 80 bei drei Personen und 90 bei vier. Für jedes weitere Haushaltsmitglied werden zwölf Quadratmeter hinzugerechnet.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers H.K.: Das Kapital der Wohnungswirtschaft schlägt zurück

  7. Die Bahn drückt uns die Verspätungen rein
    Thierry Mallet, Chef des Verkehrsbetreibers Transdev, über die Deutsche Bahn, Lokführer und den neuen Großaktionär. (…)
    Sie sind auf die Kooperation mit dem Schienenbetreiber DB Netz angewiesen, der zugleich eine Tochter Ihres schärfsten Rivalen DB ist. Läuft der Wettbewerb fair?
    Die Zusammenarbeit mit DB Netz ist sehr mühsam. Im deutschen Schienennetz gibt es viele Engpässe. Wenn die Disponenten deshalb Prioritäten setzen müssen, geben sie den DB-Fernzügen immer den Vorrang, weil der Bahn-Vorstand an der Pünktlichkeit des Fernverkehrs gemessen wird. Dann kommen die Regionalzüge und die Frachtzüge der DB. Und erst dann kommen unsere Fahrzeuge und die der übrigen Wettbewerber. Diese Diskriminierung erleben wir jeden Tag. Die Bahn drückt uns die Verspätungen rein. (…)
    Sie haben einen neuen Großaktionär: Die deutsche Milliardärsfamilie Rethmann ist mit 34 Prozent bei Transdev eingestiegen. Macht Sie das zu einem “Airbus des Personenverkehrs”, wie Ihr neuer Verwaltungsrat Ludger Rethmann schwärmt?
    Airbus ist eine tolle Referenz. Immerhin sind wir heute schon das wichtigste ausländische Transportunternehmen in Deutschland.
    Was sollen die Rethmanns, die ihr Vermögen mit der Abfallfirma Remondis und dem Logistikunternehmen Rhenus gemacht haben, einem Personenbeförderer wie Transdev bringen?
    Die Rethmanns bringen sich sehr aktiv in Entscheidungen ein, sind im Verwaltungsrat immer tipptopp vorbereitet. Ich finde, ihre Unternehmensphilosophie ist typisch deutsch und typisch Familienunternehmen: Sie ist langfristig orientiert und das bereichert uns. Außerdem verlangen sie von uns nicht, jährlich Dividende abzuliefern. Die Erträge dürfen im Unternehmen bleiben und dienen für Investitionen. Das waren wir von früheren Aktionären nicht gewohnt.
    Könnte Ihnen die Rethmann-Gruppe helfen, den Markt städtischer Verkehrsbetriebe in Deutschland zu knacken?
    Der Plan ist, dass uns Rethmann hier Türen öffnet. Das Unternehmen ist dank des Entsorgungsgeschäfts bestens in den deutschen Kommunen verdrahtet. Mit einigen Städten suchen wir gerade behutsam das Gespräch. Die deutschen Stadtwerke können einen radikalen Wechsel vertragen.
    Was sind die Argumente, mit denen Sie deutsche Stadträte überzeugen wollen?
    Wir bieten nicht nur die bloße Transportleistung, sondern optimieren das gesamte Liniennetz, indem wir es bei Bedarf neu konzipieren. In Frankreich oder den Niederlanden sparen wir den Kommunen dadurch erhebliche Summen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers M.J.: Mobilität ist also immer noch kein Basisgut der Daseinsvorsorge, sondern weiterhin eine privatwirtschaftliche Verfügungsmasse, die sich von Milliardären finanzieren läßt und „3% Rendite auf den Umsatz“ verspricht.

    Dafür dann aber vertragswidrig in ganzen Regionen schonmal tagelang GAR KEINE Leistung anbietet. Der pöhse pöhse Arbeitsmarkt…

    Wenn der Gesamtzusammenhang (NDS berichteten!) nicht so jammervoll, nicht so entsetzlich wäre… Und Politik und Mainstream hängen immer noch an ihrer Schwachsinns-Idologie von „Mehr Wettbewerb! Mehr Markt!“ an.

    Selbst mal angenommen, die künstlich herbeigeführte Fehlallokation von „Humankapital“ (zuviele Juristen, Betriebs- und Verwaltungswirte, zuwenig Lokführer) ließe sich marktwirtschaftlich darstellen: Was hilft dann „mehr Wettbewerb“?

    Am Ende muß es für die Anbieter DEUTLICH teuer werden; sie konkurrieren da nicht mit Tellerwäscher-Unternehmen, sondern mit diesen ganzen Bullshit-Bürojobs, in die viel zu viel Geld gepumpt wird!

    Warum soll ein junger Mensch sich diesen Timetable-Job zumuten, zumal aus Mangel an Anschauungsmaterial auch gar keine Trainspotter und Bahnliebhaber mehr heranwachsen?

    Und „Lokführer“ lernt man nicht nebenbei in der schönen neuen Welt der neoliberalen „morgens angeln, nachmittags ein Buch schreiben“-Welt der Dauerumschulung auf Flachwitzniveau, von der sie alle faseln.

    Folge: ÖPN/FV wird auch für die NUTZER teurer. Das soll nun die Alternative zum Individualverkehr sein?

    Wie man es auch dreht und wendet: Kapitalismus funktioniert nicht! Jedenfalls nicht bei natürlichen Monopolen und Basisgütern der Daseinsvorsorge!

  8. Inszenierter Streit bei der Grundrente
    Der Streit um die Grundrente währt schon lang. Er dreht sich dabei noch immer um die Bedürftigkeitsprüfung, über die mittlerweile auch in einem Arbeitskreis der Großen Koalition gesprochen wird. Es gibt eigentlich keinen Grund, die Klärung dieser simplen Frage künstlich in die Länge zu ziehen. Nun war zuletzt binnen kurzer Zeit von einem Einigungskorridor die Rede und danach bereits ein Kompromiss so gut wie verkündet, als schließlich das vorübergehende Scheitern der Gespräche bekanntgegeben wurde. Um die Sache geht es dabei nicht. Das Hin und Her ist nur für das Koalitionsklima und die Simulation von Politik von Bedeutung. (…)
    Das Problem mit der Grundrente liegt sowieso woanders. Sie hilft den Menschen ein wenig, ja, aber sie schützt einfach nicht vor Altersarmut. Das größte Hindernis bleibt die Regelung, wonach die Betroffenen 35 Beitragsjahre vorweisen müssen. Das schließt einen großen Kreis einfach von vornherein aus. Hinzu kommt, dass einige, die Anspruch auf eine Grundrente haben, auch dann nicht über das Grundsicherungsniveau hinauskommen und es damit vollkommen egal ist, ob die Grundrente mit oder ohne Bedürftigkeitsprüfung geliefert wird. Wer auf Grundsicherungsniveau landet, muss sich so oder so vor den Behörden ausziehen.
    Die Grundrente ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, aber auf jeden Fall nicht der große Wurf, zu dem die SPD eine Einigung wieder aufbauschen wird. Für die Fortsetzung der Großen Koalition wird es aber reichen, weil man in der öffentlichen Darstellung vor allem den langen und harten Kampf mit dem unnachgiebigen Koalitionspartner betonen wird. Daher braucht es den inszenierten Streit mit der Union. Für die CDU/CSU wäre ein Nachgeben bei Zugeständnissen wie immer kein großer Verlust, da die Bundeskanzlerin das Ergebnis ohnehin für sich reklamieren wird. Darüber hinaus gibt es eine solch sparsame Sozialpolitik wie mit der SPD sonst mit keinem anderen Bündnispartner.
    Quelle: TauBlog

    Anmerkung Christian Reimann: Auch an diesem Beispiel kann erkannt werden, wie groß den schwarz-roten Groß-Koalitionären die Bedeutung von Inszenierungen sind und wie wenig Interesse – oder gar Kenntnis – sie vom Alltag von Millionen Bürgerinnen und Bürgern haben. Zu befürchten ist, dass diese Bundesregierung auch bei diesem Thema an der realen Lebenswelt vorbei entscheiden wird. Die Entscheidung dürfte dann dennoch von der medialen Hofberichterstattung als Erfolg dieser Koalition verkauft werden.

  9. Mehrheit findet das Klimapaket unzureichend

    Über die Hälfte der Befragten meint, dass das von der Bundesregierung verabschiedete Maßnahmenpaket zum Klimaschutz nicht weit genug geht. Das zeigt das aktuelle ZDF-Politbarometer.
    Quelle: ZDF

    Dazu: #Klimakabarett : Beschwerde über die unzureichenden Entwürfe und den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen
    Am 20.09.19 hat das sog. Klimakabinett vollkommen unzureichende Maßnahmen für den Klimaschutz beschlossen. Wir haben einige Mustertexte für Beschwerden vorbereitet, diese können verwendet und personalisiert werden. Unsere jeweilige persönliche Betroffenheit ist NICHT im Text enthalten und die Pointe ist erst mal hart.
    Quelle: Artikel 17 GG

  10. Großer Wurf?
    Die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft EVG sind sich uneins über den Schienenausbau. Vieles fehlt noch bis zur umweltschonenenden Mobilität. (…)
    Anders als der Bahn-Vorstand bewertet die Eisenbahngewerkschaft EVG das Klimapaket als halbherzig und keinen großen Wurf. „Wir verkennen nicht, dass zahlreiche Maßnahmen auf eine Stärkung des Verkehrsträgers Schiene ausgerichtet sind. Aber wir müssen auch feststellen, dass es sich dabei oftmals um Absichtserklärungen handelt, die in der Umsetzung, vor allem aber in der Finanzierung vage bleiben“, kritisierte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. (…)
    Um Kapazitäten für mehr Fahrgäste zu schaffen und mehr Pünktlichkeit zu erreichen, müsse das Netz ganz grundlegend in Ordnung gebracht werden. Doch die dafür erforderlichen Mittel seien im Klimapakt nicht enthalten.
    Die EVG fordert die Einrichtung eines Schienenfonds, mit dem die nötigen Maßnahmen zur Sanierung der Infrastruktur und der Ausbau des Schienennetzes finanziert werden. Bahn-Chef Lutz sagte zur Kritik der EVG nur, er mache sich „das Kleinreden der Beschlüsse von Freitag nicht zu eigen“.
    Doch auch das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene fordert Nachbesserungen. „Die Milliarden aus der Lkw-Maut dürfen nicht länger ausschließlich in den Bau von Autobahnen investiert werden, wie dies zurzeit gesetzlich vorgeschrieben ist“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege. Das Klimapaket sieht zwar ab 2023 einen CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut vor, doch das, so Flege, wirke nur, wenn das Geld auch in umweltfreundliche Mobilität investiert werde.
    Quelle: taz
  11. Angst und Endlichkeit
    Greta Thunberg hat in New York eine beeindruckende Rede gehalten. Auch weil sie dezidiert als Kind auftrat und Verantwortung zum Thema machte.
    Es war ein Satz für das Wörterbuch des immer noch jungen 21. Jahrhunderts, ein Satz, der eine Welt zum Einstürzen bringen könnte, wenn diese Welt dafür bereit wäre: „How dare you“, sagte Greta Thunberg in ihrer Rede bei der Uno in New York diese Woche – es war das „Yes, we can“ der Generation Greta, und nicht so sehr Wut, Enttäuschung oder Verletzung trieb diese Rede, trieb diesen Satz an, sondern etwas, für das es ein altmodisches deutsches Wort gibt: Entrüstung.
    Wie kann es sein, sagte sie, wie könnt ihr es wagen, sagte sie, wer gibt euch das Recht, sagte sie, unsere Welt zu zerstören – und die Wachheit, die Wundheit, die Direktheit, mit der sie es sagte, machte klar, wie verstellt, verdreht, verlogen die Worte derjenigen sind, die eine rhetorische Rüstung tragen, die sich verstecken hinter Begriffen von Wahrheit, von Politik, von Rationalität, die längst brüchig geworden sind vor dem Hintergrund der Klimakrise, und je länger sie sich verstecken, desto mehr verlieren sie an Legitimität.
    Denn das war das Einschneidende dieses Auftritts: Sprachlich, symbolisch, rhetorisch stellte Greta Thunberg die Systemfrage – wenn ihr, Demokraten, Kleptokraten, Technokraten, Autokraten, Erwachsene, nicht in der Lage seid zu sehen, dass das Versprechen von Immer-weiter-so und ewigem Wachstum in den kollektiven Ruin führt, dann habt ihr das Recht verloren, für uns zu sprechen. Dann kündigen wir von unserer Seite, der Jugend, der Zukunft, den Generationenvertrag auf, den ihr gebrochen habt. (…)
    Die Botschaft von Greta Thunberg ist eine der praktischen Vernunft und der säkularen Ethik: Ich habe erkannt, vor dem Hintergrund der Endlichkeit allen Lebens, dass mein Handeln dazu führt, den Planeten zu zerstören, und ich ändere darum dieses Handeln, ich sehe die systemischen Zusammenhänge, aber ich fange mit mir an, im Sinne des kategorischen Imperativs Kants, seltsam verdammt dieser Tage und dabei Grundlage ethischen Handelns überhaupt – wie kann es sein, dass ihr, Erwachsene, sehenden Auges weitermacht mit der Zerstörung der Erde? Wie kann es sein, dass ich, das Kind, euch zeigen muss, was Vernunft ist?
    Quelle: taz
  12. Vorsicht, defekt!
    »Technologie und Innovation«, das ist derzeit das glänzende Geschwisterpaar, die magische Formel, die alles zum Guten wenden soll. FDP-Chef Christian Lindner will auf jeden Verzicht verzichten und stattdessen »durch beste & neueste Technik erreichen, dass die Menschen frei leben, während wir gleichzeitig etwas für die Klimaschutz tun«. CDUler Friedrich Merz sekundiert: »Die Herausforderung des Klimawandels können nur durch Technologie gelöst werden«. Subtext: und nicht durch Systemwandel.
    Das vor einigen Jahrzehnten modisch gewordene Wort »Technologie« will mehr sein als bloße Technik. Das Wort verströmt Autorität, Wissenschaft, Fortschritt per se, das Gute. Es fordert Respekt und bringt zum Schweigen. Zwar trugen die Technologien und Innovationen der Vergangenheit dazu bei, Umwelt zu zerstören. Doch soll man sie anders sehen, als Versprechen: Erfindungsreichtum und Ingenieurskunst werden uns retten!
    Dieses Versprechen tut so, als fehlten der Menschheit nur die richtige Maschinen, um das Klima zu schützen. Klimawandel gilt damit als so etwas wie ein technischer Defekt, der noch behoben werden muss. Man fragt sich: Um welchen Defekt handelt es sich? Warum funktioniert die Technologie noch nicht so richtig?
    Antwort: Entscheidender Funktionsfehler der bestehenden Technik ist, dass sie nicht profitabel ist. Sie funktioniert, aber sie taugt nicht als Geschäftsmittel. Denn sie ist zu teuer und das bedeutet: schmutzige Alternativen sind schlicht profitabler, weil billiger. Der Funktionsfehler der sauberen Technologie ist meist die mangelnde Kapitalrendite.
    Das Problem ist also eines der herrschenden Wirtschaftsweise. Mit der Rede von der rettenden Technologie dagegen werden Fokus und alle Hoffnung auf noch zu entwickelnde Apparate und Prozesse gelenkt, also auf die Unternehmen, die diese Apparate entwickeln sollen – und damit exakt auf jene Wirtschaftsakteure, die das Klima seit Jahrzehnten geschäftstüchtig ruinieren.
    Quelle: neues deutschland

    Anmerkung unseres Lesers J.H.S.: Lindner & Freunde sollten zur Kenntnis nehmen, dass „Technologie und Innovation“ in den Paris-Vereinbarungen bereits eingepreist sind. Denn der zugrundegelegte Emissionspfad setzt die Annahme sog. negativer Emissionen voraus, d.h. Entfernung schon bestehender Emissionen. Lindner & Freunde sollten vor dem weiteren inflationären Gebrauch von „Technologie und Innovation“ auch mal den Physiker seines Vertrauens konsultieren: Je mehr CO2-Entfernung desto größer die einzusetzende Energiemenge, die nicht fossil sein darf und die dann nicht für andere Prozesse zur Verfügung steht, ergo alles teurer macht. Abgesehen davon, dass es selbst im Blick auf das Wirken des Marktes irrational ist, für die ganze Menschheit eine Wette auf noch zu entwickelnde Technologie zu setzen. Die Vertreter der Wirtschaftskompetenz raten: Emissionsvermeidung ist letztlich günstiger …

  13. Hälfte der europäischen Baumarten bedroht
    In den europäischen Städten und Wäldern sind mehr als die Hälfte der Baumarten gefährdet. Neben Schädlingen seien auch Krankheiten, gebietsfremde Arten, nicht nachhaltiger Holzschlag und das Wachstum der Städte Ursachen für die Bedrohung, berichtete die Weltnaturschutzunion (IUCN) in einer Bestandsaufnahme.
    Sie hat die Bestände von allen in Europa bekannten 454 Baumarten untersucht. 265 davon kommen auf keinem anderen Kontinent vor. Von diesen 265 seien 58 Prozent bedroht. 66 stünden bereits auf der höchsten Stufe der Gefährdung und damit vor dem Aussterben. (…)
    In Deutschland seien vor allem Ebereschen (Sorbus) bedroht, sagte einer der Autoren, David Allen. “Die meisten sind bedroht, weil die Populationen sowieso klein sind oder durch die Umwandlung oder Schwächung ihrer Lebensräume.”
    Schlecht sieht es auch für die wilden Gewöhnlichen Rosskastanien (Aesculus hippocastanum) aus. Sie gelten seit 2017 als “gefährdet”, Stufe zwei der IUCN-Skala. Größte Bedrohung stelle neben einem Pilz die Balkan-Miniermotte dar. Sie breitet sich seit den 1980er Jahren von Südosteuropa über den ganzen Kontinent aus und hat kaum natürliche Feinde. IUCN schätzt die Zahl der wilden Gewöhnlichen Rosskastanien in Europa auf weniger als 10.000 Exemplare. Nicht berücksichtigt bei dieser Beurteilung sind die Bäume in Städten, Parks und Alleen. (…)
    Die IUCN-Wissenschaftler erstellten gleichzeitig neue europäische Rote Listen für Weichtiere, Sträucher und Moose. Mehr als ein Fünftel der Weichtiere und Moose und fast die Hälfte aller Straucharten seien bedroht, so die IUCN. Das liege vor allem an der Zerstörung der Wildnis, an eingeschleppten Arten, Agrarpraktiken und dem Klimawandel.
    Die IUCN teilt gefährdete Arten in sechs Kategorien ein: von “potenziell gefährdet” über “gefährdet”, “stark gefährdet”, “vom Aussterben bedroht” und “in der Natur ausgestorben” bis “ausgestorben”. Insgesamt listet sie weltweit mehr als 28.000 Tier- und Pflanzenarten als gefährdet.
    Quelle: tagesschau.de
  14. Hygiene-Berichte bleiben geheim: Berliner Bezirke sabotieren „Topf Secret“
    Über die Online-Plattform „Topf Secret“ haben Bürgerinnen und Bürger bislang mehr als 3.000 Anträge auf Herausgabe von Hygiene-Kontrollergebnissen zu Berliner Lebensmittelbetrieben gestellt – die zuständigen Bezirke haben jedoch so gut wie keine Anfrage rechtmäßig beantwortet, etliche sogar abgelehnt. foodwatch und die Transparenz-Initiative FragDenStaat haben nun gegen das Land Berlin Klage erhoben.
    Wer wissen will, wie sauber es im Lieblingsrestaurant oder beim Bäcker um die Ecke ist, tappt in Deutschland bislang im Dunkeln. Nur ein Bruchteil der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen von Lebensmittelbetrieben wird aktiv durch die Behörden veröffentlicht. Auf topf-secret.foodwatch.de ist es für Bürgerinnen und Bürger seit Anfang des Jahres jedoch möglich, amtliche Kontrollergebnisse abzufragen – auch solche, die die Behörden bislang geheim halten. Zudem können Verbraucherinnen und Verbraucher die Ergebnisse auf der Plattform veröffentlichen. Gesetzliche Grundlage ist das Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Bundesweit wurden bislang mehr als 37.000 solcher VIG-Anträge über „Topf Secret“ gestellt, alleine in Berlin sind es rund 3.000 Anträge.
    Im Gegensatz zu den meisten Behörden in der Bundesrepublik weigern sich die zuständigen Bezirksämter der Hauptstadt, die Bürgeranfragen rechtmäßig zu beantworten. Neukölln und Spandau lehnen alle Anträge ab. Alle anderen Bezirke halten die Füße still und entscheiden bislang nicht über die Anträge. In Berlin warten die Bürgerinnen und Bürger damit nun schon mehr als sieben Monate auf Antworten der Behörden. (…)
    In einem internen Schriftwechsel mit den für „Topf Secret“ zuständigen Bezirksämtern bezeichnete die Berliner Senatsverwaltung die Anträge über „Topf Secret“ mehrfach als „grundsätzlich zulässig“. Staatsekretärin Margit Gottstein empfahl bereits im Februar, die Anträge „im üblichen Verwaltungsverfahren abzuarbeiten“. Mehrere Bezirke reagierten daraufhin mit scharfer Kritik: Das Bezirksamt Pankow teilte die rechtliche Bewertung nicht. Die Anträge über die Plattform seien „missbräuchlich“ gestellt. Mögliche Ablehnungsgründe würden von der Senatsverwaltung zudem „nicht“ gewürdigt. Auch das Bezirksamt Mitte bezeichnete die „massenhafte Antragsstellung“ über „Topf Secret“ als „rechtsmissbräuchlich“ und kündigte an, die Anträge abzulehnen.
    Die Senatsverwaltung prüfte daraufhin erneut die Rechtslage, kam jedoch in einem Gutachten vom 2. April zu dem Ergebnis: „In der hiesigen Konstellation scheidet rechtsmissbräuchliche Antragstellung (…) aus. (…) Sowohl die Antragsstellenden nach dem VIG als auch die Betreiber von ‘Topf Secret‘ wollen das Verbraucherinformationsgesetz nicht zweckwidrig nutzen. Sie verfolgen vielmehr genau das gleiche Ziel wie das VIG, nämlich eine umfassende Information der Verbraucher (…) sicherzustellen.“
    Quelle: foodwatch

    Anmerkung Christian Reimann: Interessant dazu ist auch der Hinweis “Interne Dokumente: Gastro-Lobbyverband wollte „Topf Secret“ von Bundesernährungsministerium verbieten lassen“.

  15. Nur als »Franco« vorgestellt
    Gegen den terrorverdächtigen Bundeswehr-Offizier Franco Albrecht, der sich zeitweise als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte, liegt offenbar mehr belastendes Material vor als bisher bekannt. Brisant ist das auch, weil Albrecht nach Informationen von junge Welt um die Jahreswende in Berlin Kontakt zu linken Gruppen gesucht und dabei nur seinen Vornamen genannt hat, ohne seinen rechten Hintergrund offenzulegen.
    Die Ende 2017 erhobene Anklage gegen Albrecht war vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main nicht zugelassen worden – die Bundesanwaltschaft hatte dagegen Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Die Entscheidung könnte demnächst fallen.
    Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Donnerstag wurden in einer Terminmappe des Oberleutnants Notizen gefunden, die als Ablaufplan für ein Attentat in Berlin gedeutet werden können. Das Medium berief sich auf einen entsprechenden Vermerk des Bundeskriminalamts (BKA). Demnach habe Albrecht von seiner Heimatstadt Offenbach aus mit einem Motorrad in die Hauptstadt fahren wollen, um dort von einem Komplizen eine Schrotflinte in Empfang zu nehmen. Laut RND sollte der Anschlag der Vorsitzenden der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, gelten. Dass Albrecht Kahane als Anschlagsopfer in den Blick genommen hatte, war bereits bekannt. Die Bundesanwaltschaft hatte bei der Anklageerhebung im Dezember 2017 mitgeteilt, dass dies aus »Aufzeichnungen des Angeschuldigten« hervorgehe, ohne Details zu nennen. (…)
    Mitglieder linker Gruppen, zu denen er später in Berlin Kontakt aufnahm, konnten den jungen Mann, der sich als »Franco« vorstellte, zunächst nicht einordnen. Thilo Haase vom Berliner Gesprächskreis der Nachdenkseiten sagte am Freitag gegenüber junge Welt, er habe zwar Medienberichte über »Franco A.« aus Offenbach gekannt, den terrorverdächtigen Oberleutnant aber nicht in der Hauptstadt vermutet. Außerdem habe dieser anders ausgesehen als auf Fotos, die im Internet kursierten. Außer zu dem Gesprächskreis habe Albrecht Kontakt zu einer Bezirksgruppe der Partei Die Linke gesucht. Auch hier habe er zunächst nur seinen Vornamen genannt. Als den Betroffenen klar wurde, mit wem sie es zu tun hatten, sei ihm jeweils nach kurzen Aussprachen mitgeteilt worden, dass er auf den Gruppentreffen unerwünscht sei. Obwohl Albrecht, wie Haase sagt, »Menschen für sich einnehmen« könne. Als äußerst manipulativ schilderte ihn eine Frau aus dem Umfeld der Friedensbewegung, die namentlich nicht genannt werden möchte.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Franco A. gilt als ein Teil des “Hannibal”-Komplexes, auf den auch die NachDenkSeiten hingewiesen haben. Bitte lesen Sie dazu auch “Wo bleibt die Resonanz auf die „Hannibal“-Recherche?“.

  16. Britische Untersuchung: Brexit doch nicht vom Kreml bezahlt
    Frei nach dem Motto “Es kann nicht sein, was nicht sein darf” wurden für das Ergebnis des Brexit-Referendums vom Juni 2016 umgehend Sündenböcke gesucht. Einer davon war Arron Banks, ein millionenschwerer Geschäftsmann aus Northwich, der mit einer Spende von 8,4 Millionen britischer Pfund zum größten Financier der Brexit-Kampagne von Nigel Farage wurde.
    Eine Untersuchungskommission des Wahlkomitees zur Herkunft der Spende war mit der der Darlegung von Banks nicht überzeugt, und umgehend wurden Mutmaßungen laut, dass sich in Wahrheit Russland hinter der Zahlung versteckt und somit aktiv in die inneren Angelegenheiten Großbritanniens eingegriffen haben könnte.
    Guy Verhofstadt, der belgische Brexit-Sprecher des EU-Parlaments, machte bei einer Parlamentssitzung keinen Hehl daraus, wen er tatsächlich für verantwortlich für den Brexit hält: “Putins Cheerleader” wie Nigel Farage. In dieser Rede beschuldigte er auch Banks, Gelder vom Kreml angenommen zu haben, um das Referendum zu “manipulieren”.
    Das ZDF widmete diesem Themenkomplex sogar eine eigene Doku unter dem Namen “Angriff auf die Demokratie – Wurde der Brexit gekauft?” Auch andere Medien wie beispielsweise das Handelsblatt (Die “Kreml-Connection des Brexit-Sponsors” vom 10. Juni 2018), die Basler Zeitung (Wurde der Brexit mit russischem Geld erkauft? vom 3. November 2018) oder die Süddeutsche Zeitung, folgten nur zu bereitwillig dieser Mutmaßung. (…)
    Nach monatelanger Untersuchung dieser Vorwürfe durch die National Crime Agency (NCA) kam diese nun aber zum Schluss, dass es keinerlei Beweise für eine russische Verschwörung gibt:
    Die NCA hat keinerlei Beweise erhalten, die darauf hindeuten, dass Herr Banks und seine Unternehmen Gelder von irgendeiner Drittpartei erhalten haben, um die Kredite zu finanzieren, oder dass er als Agent im Namen einer Drittpartei gehandelt hat.
    Wenig erstaunlich halten sich deutsche Medien mit dieser Meldung des Ergebnisses zurück, die ihre Mutmaßungen und Anschuldigungen zurückweist. Während sich das britische Wahlkomitee, das den Fall an die NCA übergeben hatte, nicht zufrieden mit den Ausgang der Ermittlungen zeigt, kündigte Banks an, gegen das Komitee zu klagen. Die öffentliche “Hexenjagd” habe ihn zehn Millionen britische Pfund gekostet, und am Ende sei es wie in den USA mit dem Mueller-Report ausgegangen, der Präsident Donald Trump von der angeblichen Absprache mit Russland freigesprochen hatte.
    Quelle: RT Deutsch
  17. No 431
    “Mich stört an Hartz IV, dass es denjenigen, die wirklich drinstecken im System, die Würde nimmt. Und mich stört daran, dass es vielen anderen Angst macht. Jeder, der sich da am Rande bewegt oder der weiß, er könnte möglicherweise den Arbeitsplatz verlieren und weiß, dass es nicht so schnell geht, einen neuen zu finden, muss Angst haben, dass er da reinrutscht in dieses System, und das ist einfach in vielen Bestandteilen entwürdigend. Und da müssen wir was dran ändern, der Sozialstaat muss sich kümmern und nicht die Menschen unter Druck setzen und diese Drangsal ausüben. […]
    Angst und Druck sind keine guten Ratgeber, keine guten Motivatoren. Das wissen wir doch. […]
    Ich würde auf jeden Fall die Sanktionen abschaffen, ich würde eine Kindergrundsicherung einführen und ich würde dafür sorgen, dass der Regelsatz auch höher ist, weil der nicht ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.”
    (Saskia Esken, Bewerberin um den Parteivorsitz der SPD im Team Esken / Borjans – Saskia Esken über ihre Kandidatur für den SPD-Vorsitz, Jung & Naiv, Folge 436, 22.9.2019)
    Quelle: Maskenfall

    Anmerkung Christian Reimann: Es gibt also doch noch Sozialdemokraten in der SPD.

  18. Eine hochschulpolitische Herausforderung
    Nach einer kürzlich von der Bertelsmann-Stiftung vorgelegten Studie fehlen bis 2025 mindestens 26.300 Grundschullehrerinnen und -lehrer. „Der Lehrkräftemangel ist auch eine hochschulpolitische Herausforderung“, sagt GEW-Vize Andreas Keller. (…)
    Der drastische Lehrkräftemangel ist für den stellvertretenden Vorsitzenden und Hochschulexperten der GEW, Andreas Keller, auch eine hochschulpolitische Herausforderung. „Es ist absurd, dass Lehramtsstudiengänge für die Primarstufe an vielen Universitäten mit einem hohen Numerus clausus belegt sind, während gleichzeitig die Grundschulen händeringend Lehrkräfte suchen. So passiert es, dass sich Studienberechtigte aus Verzweiflung in einen anderen Studiengang einschreiben und anschließend als Quer- und Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger anheuern. Die Unis müssen daher die NCs für ihre Lehramtsstudiengänge abschaffen und die Zahl der Studienplätze deutlich ausbauen“, sagte Keller.
    Dabei müssten Bund und Länder den Universitäten unter die Arme greifen, führte Keller aus. Ein Instrument dafür sei das kürzlich unterzeichnete Nachfolgeprogramm des Hochschulpakts, der Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“. „Nach den Vorgaben des Zukunftsvertrags müssen die Länder jetzt in Verpflichtungserklärungen darlegen, welche Schwerpunkte sie bei der Umsetzung des Vertrags und beim Einsatz der jährlich 3,8 Milliarden Euro setzen. Im Interesse der Zukunftschancen der jetzt auf die Welt kommenden Generation müssen die Länder dabei auch einen Schwerpunkt im Ausbau der Kapazitäten im Lehramtsstudium setzen“, mahnte der GEW-Vize.
    Dabei komme es auch darauf an, die hohen Studienabbrecherquoten zu senken. „Die Betreuungsrelationen an den Universitäten sind dramatisch: Auf eine Professorin oder einen Professor kommen über 60 Studierende. Wir brauchen daher mehr Professuren sowie einen Ausbau der unbefristeten Beschäftigungsverhältnisse im akademischen Mittelbau um die Qualität von Lehre und Studium zu verbessern“, führte Keller aus.
    Quelle: GEW


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