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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 4. Oktober 2019 um 17:09 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Keynes is out. Konjunkturprogramme bringen nichts außer Schulden
  2. Freundschaftlicher Rat eines Europäers
  3. Putin im O-Ton: Die komplette Antwort Putins auf die Frage, was er über Greta denkt
  4. Wie die Grünen zur Wirtschaftspartei werden wollen
  5. Bei der Umsetzung der neuen Pflegeausbildung gibt es eine Menge praktischer Probleme. Im Mangelberuf könnte zusätzlicher Mangel entstehen
  6. Viel Schmutz bei Auftragsvergaben in der Gebäudereinigung!
  7. Bertelsmann-Stiftung: Politik unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit
  8. Grünen-Haushaltsexperte über Mautvergabe: „Scheuer hat den Bundestag belogen“
  9. China bestimmt die Regeln
  10. NSU-Ausschuss: “…unser nicht erfüllbarer Untersuchungsauftrag”
  11. Seit 2017 mehr als 50 Sprengstoffdelikte von Neonazis
  12. Polen vor der Wahl: Die scheinheilige Rolle der Kirche
  13. Lauterbach fordert Prostitutionsverbot
  14. Sand: Ein nur scheinbar unendlicher Rohstoff

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Keynes is out. Konjunkturprogramme bringen nichts außer Schulden
    Diese Aussage wurde leider glaubwürdig. Der Treppenwitz der Weltgeschichte ist: Konservative und wirtschaftsnahe Kreise wussten schon vor 40 Jahren, warum sie die Konjunktur nicht anfeuern, sondern dämpfen wollten. […]
    Es gab eine bemerkenswerte Koalition gegen eine aktive Konjunkturpolitik, die sich in den 1970er Jahren herausbildete. Damals verweigerten neoliberal geprägte konservative Politiker und Wissenschaftler sich der Einsicht, dass man in konjunkturell schwachen Perioden beschäftigungspolitisch durch staatliche Investitionen und Ausgaben nachlegen muss.
    In die gleiche Richtung wirkte das Argument einiger marxistisch geprägter Wissenschaftler. Auch für sie hatte Keynes ausgedient. Stattdessen diagnostizierten sie, Marx habe recht behalten, der Kapitalismus ersticke an seinen Widersprüchen, im konkreten Fall der Überproduktion. Das ist ein guter Beleg und ein Beispiel für die Manipulationsmethode, eine Botschaft – Keynes is out – aus verschiedenen Ecken auszusenden. Dann wird die Aussage um vieles glaubwürdiger. Und sie wurde leider glaubwürdig. Der Treppenwitz der Weltgeschichte dieser Konstellation ist folgender: Die Konservativen und die wirtschaftsnahen Kreise wussten sehr wohl, warum sie die Konjunktur nicht anfeuern, sondern dämpfen wollten. Sie verbanden damit die Absicht, die Löhne zu drücken und soziale Leistungen einzuschränken. Wie geschehen mit der Agenda 2010. Die marxistisch geprägten Kreise folgten ihrem Glauben und betrieben das Geschäft des Neoliberalismus ante portas. Denn dieser war die Antwort auf das angebliche Scheitern der keynesianischen Nachfragepolitik.
    Dies alles zu durchschauen ist für nationalökonomisch nicht gebildete Menschen ausgesprochen schwierig, das sei zugestanden. Aber wenn man ein eigenständig denkender Mensch bleiben will, dann muss man sich leider ein bisschen Wissen aneignen, jedenfalls sollte man vielfältig verbreiteten Parolen nicht hinterherlaufen. Eine solche Parole ist die Behauptung, Keynes sei out.
    Der Text ist ein Auszug aus dem neuen Buch des Autors: Albrecht Müller: Glaube wenig, hinterfrage alles, denke selbst. Wie man Manipulationen durchschaut, Westend 2019, 144 Seiten, 14 Euro.
    Quelle: Albrecht Müller auf Makroskop
  2. Freundschaftlicher Rat eines Europäers
    Nicht ohne Grund fordert Deutschland einen politischen Kurswechsel der Europäischen Zentralbank. Der beste Weg, um das zu erreichen, ist einfach: Die Bundesregierung sollte aufhören, der gesamten Eurozone eine Sparpolitik aufzuzwingen. Ein offener Brief an meine deutschen Freunde. […]
    Kurz gesagt, liebe deutsche Freunde und Nachbarn: Sie haben so gesehen in vielerlei Hinsicht Recht, wenn sie die Geldpolitik der EZB scharf kritisieren und ändern wollen.
    Das Problem ist nur: vor allem Sie es sind, liebe deutschen Nachbarn, die in Wirklichkeit verhindern, dass die EZB-Politik sich ändert. Seit 2010 macht es das Dogma der deutschen Wirtschaftspolitik unmöglich, auf die Quantitative Lockerung zu verzichten – und zwar egal welche Koalition in Berlin in den vergangenen Jahren regiert. Deutschland beharrt einfach auf der raschen Rückkehr zu einer allgemeinen Sparpolitik und hat so 2011 die Verabschiedung des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung (Fiskalpakt) durchgesetzt. Gleichzeitig forderte die deutsche Regierung ihre europäischen Nachbarn und insbesondere die am stärksten in der Krise befindlichen Länder auf, drastische Maßnahmen zur Senkung der Arbeitskosten und zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes zu ergreifen. Vorbild sollte Gerhard Schröders Agenda 2010 sein. Dieser furchtbar giftige Cocktail hat die Eurozone wieder in Deflation und Rezession gestürzt und die 2010 begonnene Erholung beendet.
    Quelle: Gegenblende

    dazu: Das deutsche Problem
    Man kann das, was mit der EZB geschehen ist, nur mit geistiger Abschottung in Deutschland und mangelnden Sprachkenntnissen erklären. Man hätte auch in Deutschland sehen können, dass ein Europa ohne Erfolge beim Abbau der Arbeitslosigkeit, ohne Erfolge bei der Reduktion der öffentlichen Verschuldung, bei einer zunehmenden deflationären Tendenz und bei einer eklatanten Wachstumsschwäche immer mehr kritische Fragen aufwirft. Es war klar, dass eine solche Diagnose in Europa selbst und im Rest der Welt Analysen mit sich bringen würde, die auch Deutschlands Rolle nicht unberührt lassen. Und es musste auch erwartet werden, dass es im Rest der Welt weniger Menschen und Politiker gibt, die im Bereich der Ökonomik so sehr von Glaubensfragen geprägt sind wie in Deutschland und im gesamten deutschsprachigen Raum (zu dem man in dieser Sache die Niederlande dazuzählen müsste).
    Die heutige Zinspolitik der EZB, das zeigt Friederike Spiecker gerade in einer Artikelserie sehr plastisch und klar, ist das Ergebnis des Versagens der Wirtschafts- und Finanzpolitik (auf europäischer Ebene und in Deutschland) seit Beginn der EWU. Weil Deutschland glaubte, mit politischem Druck auf die eigenen Löhne kurz- und langfristig erfolgreich sein zu können, ist der deflationäre Bias zu Beginn der EWU entstanden. Weil Deutschland sich selbst und anderen niemals zugestand, etwas falsch gemacht zu haben, und darauf beharrte, die europäischen Partner müssten der deutschen Lösung nacheifern, hat er sich im zweiten Jahrzehnt verstärkt. Weil Deutschland in Sachen Fiskalpolitik schon in den 90er Jahren vollkommen unflexibel war und später auf Austeritätspolitik beharrt hat, war auch der letzte Politikbereich, der einen Ausweg hätte bieten können, in der EWU blockiert.
    Quelle: Makroskop

    dazu wie zum Hohn: Frühere Top-Notenbanker kritisieren öffentlich die Politik der EZB
    In einem gemeinsamen Aufruf warnen ehemalige hochrangige Notenbanker vor den Folgen der lockeren Geldpolitik – darunter der Ex-Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger.
    Das Schreiben der ehemaligen Top-Notenbanker hat es in sich: „Als frühere Notenbanker und europäische Bürger sehen wir die anhaltende Krisenpolitik der EZB mit wachsender Sorge“, heißt es in einem Memorandum, das unter anderem die früheren EZB-Chefvolkswirte Jürgen Stark und Otmar Issing, der frühere Bundesbankchef Helmut Schlesinger und Ex-Gouverneure der österreichischen und niederländischen Notenbank unterschrieben haben.
    Quelle: Handelsblatt

  3. Putin im O-Ton: Die komplette Antwort Putins auf die Frage, was er über Greta denkt
    Putin hat sich in diesen Tagen öffentlich zu Greta Thunberg geäußert und ich habe schon kurz darüber berichtet. Da die Deutschen Medien aber seine Aussagen teilweise so aus dem Zusammenhang gerissen haben, dass sie einen anderen Sinn bekommen haben, übersetze ich nun seine komplette Antwort auf die Frage zu Greta. […]
    Simmons: Herr Präsident, was halten Sie von Greta Thunberg? Präsident Trump hat kürzlich getwittert: „Dieses Mädchen scheint sehr glücklich zu sein und hat eine glänzende Zukunft vor sich.“ Viele sagten, solche Aussagen seien etwas unhöflich. Was halten Sie von ihren Auftritten?
    Putin: Vielleicht enttäusche ich Sie, aber ich teile die allgemeine Begeisterung über Greta Thunbergs Auftritte nicht. Die Tatsache, dass junge Menschen, Jugendliche auf die akuten Probleme von heute, einschließlich der Umweltprobleme, hinweisen, ist richtig und sehr gut, das muss man in jedem Fall unterstützen. Aber wenn jemand Kinder und Jugendliche zum eigenen Vorteil benutzt, kann man das nur verurteilen. Es ist besonders schlimm, wenn jemand anderes versucht, Geld damit zu verdienen. Ich sage nicht, dass dies hier der Fall ist, aber wir müssen es genau im Auge behalten.
    Schließlich hat niemand Greta erklärt, dass die moderne Welt schwierig und komplex ist und sich schnell entwickelt. Und die Menschen in Afrika oder in vielen asiatischen Ländern wollen auf dem gleichen Wohlstandsniveau leben, wie in Schweden. Wie kann man das erreichen? Soll man sie heute zwingen, Sonnenenergie zu nutzen, wovon es in Afrika genug gibt? Hat ihr irgendjemand erklärt, was das kostet?
    Eben hat ein Kollege nur über Öl gesprochen. Es ist wahrscheinlich jedem bekannt, dass Öl die weltweit führende Energiequelle ist und dass es seine Führungsrolle in den nächsten 25 Jahren behalten wird. Das sind die Daten internationaler Experten. Ja, seine Bedeutung wird langsam abnehmen. Ja, erneuerbare Energien werden sehr schnell wachsen. Das ist alles wahr und wir müssen danach streben. Aber ist das heute eine bezahlbare Technologie für Entwicklungsländer? Sie ist dort kaum zugänglich, aber die Menschen wollen dort auf die gleiche Weise leben, wie in Schweden und das kann man nicht aufhalten. Erklären Sie ihnen, dass sie in den 20 oder 30 Jahren weiter in Armut leben müssen und ihre Kinder auch in Armut leben werden. Erklären Sie ihnen das. Alles sollte extrem professionell durchdacht sein.
    Quelle: Anti-Spiegel
  4. Wie die Grünen zur Wirtschaftspartei werden wollen
    In seinem Leitantrag für den Parteitag stellt der Grünen-Bundesvorstand Pläne für den ökologischen Umbau der Marktwirtschaft vor. Geplant ist ein wirtschaftspolitischer Rundumschlag. […]
    Die Weiterentwicklung der ehemaligen Öko-, Friedens- und Anti-Atomkraft-Partei ist beachtlich – auch, was die Hinwendung zur Wirtschaft angeht. „Wir lassen die Unternehmen nicht allein“, lautet die Botschaft – und damit ist nicht nur der Mittelstand gemeint. So setzen sich die Grünen für bessere Abschreibungs- und Fördermöglichkeiten ein, um energieintensiven Konzernen den Weg in eine Welt ohne fossile Energien zu ebnen.
    Zugleich wollen sie den ökologischen Umbau über Quoten etwa für klimaneutralen Stahl in Autos oder auch Windrädern und Gebäuden planungssicher gestalten. Das von der Regierung geplante Klimaschutzgesetz hält die Oppositionspartei für das „ordnungspolitische Herzstück“, sieht es aber als unzureichend an. Die Grünen fordern, ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zuzulassen und den Weg dorthin durch verbindliche Quoten für Elektroautos zu bereiten.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung André Tautenhahn: Was soll denn klimaneutraler Stahl sein? Roheisen ist doch kein Stück Biofleisch, dass man bei Niedrigtemperatur schonend zu Stahl garen könnte. Es könnten natürlich auch die Ansätze für eine fossilfreie Stahlindustrie gemeint sein, die aber noch am Anfang steht und zunächst in Pilotanlagen erprobt werden soll.

  5. Bei der Umsetzung der neuen Pflegeausbildung gibt es eine Menge praktischer Probleme. Im Mangelberuf könnte zusätzlicher Mangel entstehen
    Karl-Josef Laumann (CDU), der Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, ist ein Mann, der sich auskennt in der Pflege. Von Dezember 2013 bis Juni 2017 war Laumann Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und Bevollmächtigter der Bundesregierung für Patienten und Pflege. Er weiß, wie es um die Pflege bestellt ist. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund: Er hält das Problem des Fachkräftemangels in der Pflege für nicht lösbar. „Es wird eine dauerhaft angespannte Situation bleiben, weil wir in den nächsten Jahren drei bis vier Prozent mehr Pflegebedürftige haben in NRW. Wo sollen diese Pflegekräfte denn herkommen, die sich um die Menschen kümmern?“, so der Minister am Rande einer Tagung des Bundesverbands für Ambulante Dienste und stationäre Pflege (bad) in Essen. Eine ehrliche Analyse – aber er ist zugleich Vollblutpolitiker und weiß, dass man anders als Hochschullehrer oder Journalisten nicht bei der Diagnose stehen bleiben darf, vor allem, wenn sie negativ daherkommt. Man muss irgendwas präsentieren, das nach Anpacken aussieht.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  6. Viel Schmutz bei Auftragsvergaben in der Gebäudereinigung!
    Die GebäudereinigerInnen stecken mitten in der Tarifrunde. Viele Arbeitgeber in der Branche legen den Beschäftigten Arbeitsverträge zu schlechteren Konditionen vor. Die Auftraggeber im öffentlichen Sektor nehmen häufig die üblen Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte in Kauf oder fördern diese durch eine Vergabe an billige Reinigungsfirmen. Den Arbeit- und Auftraggebern auf die Finger geschaut hat das #schlaglicht Nummer 35/2019.
    In der Gebäudereinigung knirscht es gewaltig. Im April hat der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks den bis Juli laufenden Rahmentarifvertrag einseitig gekündigt. Ein tarifpolitisches Foulspiel. Damit wollen sich die Möchtegern-Saubermänner vor einem Gerichtsurteil drücken, wonach Überstundenzuschläge auch für Teilzeitkräfte gelten müssen. Davon wollen die Firmen nichts wissen. Ohne den Tarifvertrag stehen für die Beschäftigten nun viele Errungenschaften auf dem Spiel. Mangelnde Wertschätzung gehört für die Arbeitgeber offenkundig zum Standardrepertoire!
    Jeden Tag leisten die Reinigungskräfte unverzichtbare Arbeit. Ohne sie blieben überall Mülleimer voll, Toiletten ungeputzt und Fenster schmutzig. Dennoch ist die Branche von prekären Jobs geprägt. 80 Prozent der Beschäftigten – größtenteils Frauen – schuften für gerade einmal 10,56 Euro pro Stunde. Parallel verdienen sich die Unternehmen eine goldene Nase. Die Branche hat in der letzten Dekade ihren Jahresumsatz um 57 Prozent auf 17,9 Mrd. Euro gesteigert (siehe Grafik). Nur ihre Beschäftigten sehen wenig davon.
    Quelle: DGB Niedersachsen #schlaglicht
  7. Bertelsmann-Stiftung: Politik unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit
    Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht regelmäßig Studien, die gerne von Politik und Medien aufgegriffen werden. Der Politikwissenschaftler Ulrich Müller ist einer der Gründer von LobbyControl und sieht die Stiftung kritisch: Man müsse sich immer wieder klar machen, dass sie kein neutrales Wissenschaftsinstitut sei, sondern dass ihre Ausrichtung von den Interessen des Bertelsmann-Konzerns gelenkt sei.
    Viele Unternehmer möchten mit ihrem Vermögen die Gesellschaft gestalten. Sie wollen Einfluss nehmen auf die politische Debatte, auf gesellschaftspolitische Entwicklungen, auf die Stimmung. Die Gründung einer Stiftung ist eine naheliegende Lösung. Doch wohltätige Stiftungen betreiben im Namen von Wissenschaft und sozialer Gerechtigkeit auch Politik – und das sehr gezielt.
    Zur Meisterschaft gebracht hat das die Bertelsmann-Stiftung – gegründet vor 42 Jahren von Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn, um, wie er selbst sagte, der Gesellschaft behilflich zu sein. Doch immer wieder wird beklagt, Bertelsmann setze die Politik unter Druck.
    Quelle: rbb inforadio
  8. Grünen-Haushaltsexperte über Mautvergabe: „Scheuer hat den Bundestag belogen“
    Um es klar zu sagen: Scheuer hat damit das Haushaltsrecht gebrochen und den Deutschen Bundestag belogen. Zudem hat der Minister dafür gesorgt, dass die Pkw-Mautvergabe privatisiert wurde, obwohl der Staat das in Eigenregie günstiger hätte umsetzen können. Die Kosten beim Staat wurden künstlich hochgerechnet.
    Großkundenrabatte hätten bei den Portokosten in voller Höhe eingepreist werden müssen, dann wäre das Projekt nie an Private vergeben worden. Die Folge wäre gewesen, dass dann auch jetzt nicht Entschädigungszahlungen drohen würden.
    Warum wollte Scheuer unbedingt, dass Private die Mauterhebung übernehmen?
    Das liegt meiner Ansicht daran, dass Andreas Scheuer für ein neoliberales Politikmodell steht, das die Privatisierung öffentlicher Aufgaben forciert. Er vergibt mehr und mehr Bereiche der öffentlichen Infrastruktur an Konzerne, die dafür hohe Renditen verlangen, oder, wenn das Projekt schief geht: hohe Entschädigungszahlungen. Und das obwohl der Bundesrechnungshof immer wieder ganz klar nachrechnet, dass bei ÖPP-Projekten die Privaten 20-40 Prozent teurer sind, als wenn der Staat selber mit mittelständischen Firmen bauen würde. Aber Andreas Scheuer lernt nicht aus seinen Fehlern.
    Warum wurden die Verträge vor dem Urteil des EuGH durchgezogen?
    Das hatte reine wahlkampftaktische Gründe und keine inhaltlichen. Der Vertrag für die Kontrolle der Maut wurde vor dem Vertrag für die Erhebung der Maut vergeben, was höchstungewöhnlich ist. Das geschah vier Tage vor der bayerischen Landtagswahl 2018. Das zeigt: Die Pkw-Maut war von Anfang ein reines Wahlkampfprojekt der CSU. Auch bei der Vergabe des Vertrags für Mauterhebung war das der Fall. Scheuer wollte unbedingt verhindern, dass durch ein Warten auf das EuGH-Urteil die schwierige Einführung der Pkw-Maut in die Phase des Bundestagswahlkampfes 2021 gerät.
    Quelle: Berliner Zeitung
  9. China bestimmt die Regeln
    Die Volksrepublik China feiert mit Pomp und Militärparade ihr 70-jähriges Bestehen. In dieser Zeit ist das Land nicht demokratischer geworden. Es ist aber zur Wirtschaftsmacht Nummer zwei in der Welt aufgestiegen. Das hat Konsequenzen, die China-Kenner Frank Sieren in seinem Buch „Zukunft? China!“ beleuchtet. Ein Auszug.
    Wir reden wir viel über die Frage, wie wir mit chinesischen Investitionen in Europa, zumal in Deutschland umgehen. Besonders hoch schlugen die Wellen, als der Augsburger Roboterhersteller Kuka für 4,5 Milliarden Euro im Herbst 2016 an den chinesischen Konzern Midea verkauft wurde. Die FAZ klagte, dass die Chinesen sich »die Perlen der deutschen Industrie sichern«. Und die Zeit titelte gar: “Aufkaufen und ausschlachten – China kauft uns auf”.
    Kuka ist der viertgrößte Roboterhersteller der Welt, geschluckt ausgerechnet von Chinas führendem Hersteller von Klimaanlagen und Haushaltsgeräten, der keine Expertise in der Automatisierung hat. Selten waren sich das Kanzleramt und das vom damaligen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel geführte Wirtschaftsministerium so einig. Hand in Hand wollen sie verhindern, dass Kuka in chinesische Hände fällt. Nur: Am Ende haben weder die Bundesregierung noch die EU eine rechtliche Handhabe, den Verkauf zu stoppen. Das Unternehmen geht Ende 2016 an die Chinesen.
    Quelle: Gegenblende

    dazu: 70 Jahre VR China: Gutes bewahren, in einem neuen Zeitalter neue Horizonte erschließen
    „Das sozialistische China steht heute stolz im Osten der Welt: Keine Macht kann den Status der großen Nation erschüttern und keine Macht kann den Fortschritt des chinesischen Volkes und der chinesischen Nation aufhalten. “Es tut gut, diese Worte des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zu hören, die er anlässlich der Feierlichkeiten zum 70. Gründungsjubiläum der VR China aussprach.
    Es tut gut natürlich für chinesische Ohren. Aber es ist zugleich gut für die Ohren der Welt. Denn diese Welt ist leider etwas aus den Fugen geraten. Das globale Klima ist durch manche Unruhen unsicher und fragil geworden. Da denken wir sofort an die Erschütterungen der Weltwirtschaft durch das unselige Wiederaufleben von Protektionismus und Anti-Globalisierung. Aber auch an die Missachtung internationaler Regeln und das Schüren politischer Konflikte zwischen Staaten oder auch innerhalb von anderen Staaten. All diese negativen Dinge wollen wir heute allerdings in den Hintergrund stellen. Mit Blick auf das genannte Jubiläum, mit Blick auf eine Geschichte, auf die die VR China mit Fug und Recht stolz sein kann. Und: Mit Blick auf eine Zukunft, die zuversichtliche Erwartungen weckt. Zuversichtliche Erwartungen nicht nur für die Menschen in China, sondern zugleich weltweit: Dass nämlich in diesem Weltmeer der Unruhen China weiterschreitet auf dem Weg der Stabilität, seine Rolle als herausragender Stabilitätsfaktor weiterpflegt.
    Quelle: German.China.org.cn

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Die Medien und Chinas „Machtdemonstration“. Erinnert sei auch an Werner Rügemer: Varianten des Kapitalismus – Ein Vergleich des westlichen mit dem chinesischen Kapitalismus und Hongkong – der neue Systemkonflikt.

    dazu auch: Rügemer: Krieg, Klimakrise und ‚Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts‘
    Werner Rügemer gilt immer noch als Geheimtipp, obwohl er viele Finanzskandale als erster ans Licht brachte: „Die Berater“ etwa enthüllte das heimliche Unwesen der globalen Unternehmensberater, aber: ‘Spiegel‘-Bestseller zum Thema wurden andere, die bei Rügemer abgekupfert hatten. Ratingagenturen, Heuschrecken, große Privatisierer insbesondere auch beim Plattmachen des DDR-Erbes waren Ziele seiner meist nüchternen, aber immer fundierten Kritik. Mit seiner Initiative gegen Arbeits-Unrecht steht Rügemer dezidiert auf der Seite der Arbeitenden gegen die Kapitalisten.
    Kein Wunder also, dass die Mainstream-Medien seine brisanten Bücher klein halten wollen und sich lieber in adressatloser Politik-Schelte am Klimawandel ergehen. Rügemer reibt den in Greta-Manie schwelgenden Medien die wahren Verantwortlichen unter die Nase. (…)
    Der westliche, US-geführte Kapitalismus wurde, so Rügemer, wieder aggressiver nach innen und außen. Der Westen führt erklärte und unerklärte Kriege (wie gegen Venezuela), erweitert seine globale Militärpräsenz, rüstet heimlich und offen Stellvertreter auf. Gegen die Flüchtlinge aus den wirtschaftlichen und militärischen Kriegsgebieten werden tödliche Mauern der verschiedensten Art hochgezogen, am europäischen Mittelmeer genauso wie an der Grenze zu Mexiko. Wohlstand für alle, Menschenrechte, Christentum – nichts bleibt, auf der Ebene der bisher Verantwortlichen, von den rituell beschworenen »westlichen Werten«.
    Wie dies von den USA und der EU als weltweite Strategie umgesetzt wird, erörtert Rügemers Buch. Als Gegenmodell zeigt den neuen Weg Chinas auf, der neue Industrien und Wachstum verwirklicht, dabei aber auf eine gerechtere Verteilung des Reichtums achtet und vielen Millionen Menschen mehr Wohlstand brachte. Bei China sieht er eine »Inklusive Globalisierung« in Aktion, die ärmere Bevölkerungsschichten und Länder der Dritten Welt mit ins Boot holt, statt sie immer mehr auszugrenzen und gnadenlos auszubeuten, wie die Westeliten es tun.
    Quelle: scharf-links

  10. NSU-Ausschuss: “…unser nicht erfüllbarer Untersuchungsauftrag”
    Streng genommen ist es eine Bankrotterklärung: “Der Untersuchungsauftrag konnte von uns nicht abgeschlossen werden”, sagt die Vorsitzende des Ausschusses, Dorothea Marx (SPD). “Im Anspruch, alles aufzuklären, sind wir gescheitert”, ergänzt Ausschussmitglied Katharina König-Preuss (Linke). Und die CDU-Fraktion schreibt in ihrem Sondervotum zum jetzt vorgelegten Abschlussbericht des Ausschusses: “Die Thüringer Landesregierung begleitete den Untersuchungsausschuss restriktiv, verzögernd und teilweise regelrecht destruktiv.”
    Gescheitert sind die Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses No. 2 vor allem an der Landesregierung, die sich ausgerechnet zusammensetzt aus den Parteien Linke, SPD und Grüne. Und zwar konkret daran, dass ihnen Informationen über Handeln und Wissen von V-Personen der Polizei komplett vorenthalten wurden. […]
    Dass die Quasi-Überschrift des 2200 Seiten starken Berichtes lautet: “Die Aufklärung ist nicht abgeschlossen – wir ziehen keinen Schlussstrich!” mag trotzig klingen, ändert aber nichts am politischen Bankrott – und zwar nicht nur des Parlamentes, sondern strenggenommen auch der Regierung. Nichts desto trotz hat dieser NSU-Untersuchungsausschuss No. 2 im Laufe seiner über vier Jahre langen Arbeit einige bemerkenswerte Ergebnisse hervorgebracht.
    Quelle: Telepolis
  11. Seit 2017 mehr als 50 Sprengstoffdelikte von Neonazis
    Ermittlungsbehörden haben einem Medienbericht zufolge seit Anfang 2017 in der deutschen Neonazi-Szene 51 Mal Sprengstoff sichergestellt oder Straftaten registriert, in denen Sprengstoff zum Einsatz kam. Das berichtet der SWR unter Berufung auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Bei den Sprengstoffen handelt es sich demnach überwiegend um illegale Pyrotechnik, aber auch um sogenannte Polenböller, Bengalos und Nebelhandgranaten.
    Dem Bericht zufolge stellten die Behörden in mehr als der Hälfte der Fälle (36) Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz fest oder ermittelten wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. In den weiteren Fällen wurden die Stoffe bei anderen Straftaten eingesetzt oder von den Ermittlern sichergestellt. In 10 Fällen spielte Sprengstoff bei Angriffen auf Asylbewerber oder auf Asylbewerberunterkünfte eine Rolle. (…)
    Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner kritisierte im SWR, insgesamt bleibe das Bild verschwommen. Dem Bericht zufolge wird eine Zuordnung zu politisch motivierter Kriminalität nur vorgenommen, wenn die Polizeidienststellen das ausdrücklich vermerken. Da Neonazis immer wieder Spreng- und Brandsätze einsetzten, müsse „die Prüfung eines politischen Hintergrunds Standard sein“, sagte Renner.
    Quelle: Migazin
  12. Polen vor der Wahl: Die scheinheilige Rolle der Kirche
    In Polen wird am 13. Oktober gewählt. In dem sehr katholischen Land spielt die Kirche traditionell eine große Rolle im Wahlkampf. Doch die jüngsten Missbrauchsskandale der Kirche könnten der Regierungspartei PiS Stimmen kosten.
    Um zu begreifen, dass die katholische Kirche Polens in der Krise steckt, muss man sich nur kurz mit Elzbieta Joachiniak unterhalten. Eine resolute Rentnerin Anfang 70, mit wachen Augen und Bestimmtheit im Ton. Anfang 2019 ist sie aus der katholischen Kirche ausgetreten. Dabei war sie ihr Leben lang gläubig, hat so auch ihre Kinder erzogen, ging jeden Sonntag in die Kirche und hörte auf das, was der Priester von der Kanzel predigte. Damit sei nun Schluss, sagt sie.
    „Denn unsere Priester und Bischöfe sind der lebende Beweis dafür, dass es Gott nicht gibt. Wenn diese studierten Menschen, die sich im Glauben und in der Kirche so gut auskennen, keine Angst haben, bestraft zu werden, weil sie Kinder sexuell missbrauchen – dann kann es Gott nicht geben! Dann geht es nur um Geld und Macht!“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  13. Lauterbach fordert Prostitutionsverbot
    Der SPD-Politiker Karl Lauterbach fordert ein Verbot von Prostitution in Deutschland nach Vorbild des nordischen Modells. „Prostitution trägt in Deutschland Züge einer modernen Form von Versklavung“, sagte Lauterbach dem Kölner Stadt-Anzeiger. Derzeit bewirbt er sich gemeinsam mit Nina Scheer um den Parteivorsitz. Weiter zitiert ihn die Zeitung: „Wir können nicht einerseits Frauenrechte einfordern und andererseits Zwangsprostitution per Gesetz legalisieren. Das geschieht aktuell aber.“
    Deshalb spricht Lauterbach nun davon, Freier zu bestrafen, die Prostituierte aufsuchen. Die Prostituierten selbst sollen keine Konsequenzen fürchten müssen. Lauterbach will einen Vorstoß für ein entsprechendes Gesetz in den Bundestag einbringen. Eine solche Regelung könnte dem nordischen Modell ähneln. Dabei ist der Sexkauf an sich strafbar, nicht aber das Anbieten solcher Dienstleistungen. In mehreren Ländern Europas gibt es bereits ähnliche Regelungen. (…)
    Anfang September hatte die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ebenfalls angekündigt, ein Sexkaufverbot zu unterstützen. Bereits vor der parlamentarischen Sommerpause hatten die Bundestagsabgeordneten Leni Breymaier (SPD) und Frank Heinrich (CDU) einen fraktionsübergreifenden Parlamentskreis mit dem Namen „Prostitution – wohin?” gegründet, der nun seine Arbeit aufnehmen soll. Für eine erste Sitzung Mitte Oktober haben sich laut Heinrich Abgeordnete aller Fraktionen angemeldet.
    Seit dem Jahr 2001 können Prostituierte Teil des Arbeitslosenversicherungs-, Gesundheits- und Rentensystem werden und ihren Lohn einklagen. Das entsprechende Gesetz, das unter der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder verabschiedet wurde, gilt als offizielle Legalisierung der Prostitution in Deutschland. Im Jahr 2017 trat das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft, nach dem sich Prostituierte staatlich registrieren lassen müssen.
    Quelle: pro

    Anmerkung Christian Reimann: Das ist überfällig. Weshalb ist ein Sexkaufverbot nicht bereits früher beschlossen und z.B. 2017 in Kraft getreten? Gibt es heute andere Erkenntnisse als vor wenigen Jahren? Aber besser spät als nie kommt diese Einsicht – hoffentlich bei möglichst vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages, damit die neue Regelung rasch beschlossen und realisiert werden kann.

  14. Sand: Ein nur scheinbar unendlicher Rohstoff
    Sand ist nach Wasser die zweitwichtigste Ressource der modernen Gesellschaft – denn ohne Sand kein Beton. Trotzdem wird dem Rohstoff kaum Beachtung geschenkt. Dabei ist Sand schon heute ein knappes Gut. So knapp, dass schon ganze Strände gestohlen wurden.
    581 Quadratkilometer – rund ein Drittel der Fläche Londons. So groß war Singapur am 9. August 1965, dem Tag seiner Unabhängigkeit. Heute ist der Stadtstaat um ein Fünftel größer – und wächst weiter. Der Boom der internationalen Finanzmetropole basiert auf Sand: sehr viel Sand. Mehr als 500 Millionen Tonnen wurden zur Landgewinnung im Meer aufgeschüttet. „Pro Kopf verbraucht Singapur den meisten Sand. Es ist ein recht kleiner Staat, der wegen seines gewaltigen Landbedarfs entschieden hat, sein Territorium zu vergrößern“, sagt Pascal Peduzzi vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Das kleine Land verbraucht dabei aber keine heimischen Ressourcen. „Sie importierten Sand aus Indonesien, Malaysia, Thailand und sogar aus Kambodscha“, sagt Peduzzi.
    Auch wenn Singapur pro Kopf Spitzenreiter ist, in der Summe ist ein anderes Land vorne, wie Peduzzi erklärt: „Von den absoluten Zahlen her ist China als bevölkerungsreichstes Land auch der größte Sandverbraucher. Das Tempo mit dem im Rahmen eines Entwicklungsprogramms neue Häuser, Dämme und Straßen entstehen, ist wirklich erstaunlich. China hat in den vergangenen drei, vier Jahren so viel Sand und Kies für die Betonproduktion verbraucht, wie die Vereinigten Staaten in mehr als 100 Jahren. Unseren Schätzungen zufolge verbraucht das Land etwa 55 bis 58 Prozent der weltweiten Sand- und Kiesproduktion.“
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur


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