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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 26. November 2019 um 8:11 Uhr
Rubrik: Das kritische Tagebuch, Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ärzte mit dramatischem Appell: Assange könnte ohne Behandlung sterben
  2. Gemeinnützigkeit
  3. „Der niedrige Zins wird in Berlin und Brüssel gemacht“
  4. Michael Bloomberg steigt offiziell ins US-Präsidentschaftsrennen ein
  5. Es brodelt wieder in Frankreich
  6. Economists and academics back Labour spending plans
  7. Wachstum oder Schrumpfung – das ist die (Wirtschafts-) Frage
  8. Sozialer Sündenfall
  9. Und an manchen Tagen lutsch ich an einer Bockwurst
  10. Metaller fürchten “Mega-Rausschmiss” in der Auto- und Zulieferindustrie
  11. Zalando: Derartige Methoden gehören verboten
  12. Digitales Schlachtfeld (II)
  13. Der weltweite Kampf um die strategischen Rohstoffe
  14. Der Supertrumpf im Autoquartett
  15. Treibhausgase auf Rekordniveau
  16. Beijing needs to listen to HK’s ‘silent majority’
  17. Botschafter Grenell wirft Bundesregierung Beleidigung von US-Soldaten vor
  18. Wirtschaftselite für Kanzlerkandidaturen von Merz und Scholz

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ärzte mit dramatischem Appell: Assange könnte ohne Behandlung sterben
    Wikileaks-Gründer Julian Assange wurde zu einer Gefängnisstrafe in England verurteilt. Jetzt fordern Ärzte die Verlegung ins Krankenhaus – sie sehen das Leben des Wikileaks-Gründers in Gefahr.

    • Julian Assange sitzt seit mehr als einem halben Jahr in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis
    • Es liegt ein Auslieferungsgesuch der USA vor.
    • Der Gesundheitszustand des Wikileaks-Gründers scheint katastrophal zu sein.

    Mehr als 60 Ärzte haben britischen Medienberichten zufolge dringend eine medizinische Behandlung von Wikileaks-Gründer Julian Assange gefordert. Der 48-Jährige, der derzeit in Großbritannien im Gefängnis sitzt, müsse eilig ins Krankenhaus, sonst könne er in Haft sterben, heißt es in einem Brief an die britische Innenministerin Priti Patel, aus dem unter anderem die Nachrichtenagentur PA am Montag zitierte. Deutsche Politiker forderten die Bundesregierung auf, Initiative für Assange zu ergreifen.
    Die Ärzte sorgen sich sowohl um die körperliche als auch die psychische Verfassung Assanges. Im Gefängnis habe sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechtert. „Sollte die dringende Untersuchung und Behandlung nicht erfolgen, haben wir, auf Grundlage der derzeit verfügbaren Erkenntnisse, die dringende Sorge, dass Herr Assange im Gefängnis sterben könnte“, zitieren britische Medien aus dem Brief, den laut „Guardian“ unter anderem Ärzte aus Großbritannien, Australien, Deutschland und Schweden unterzeichnet haben. „Wir dürfen keine Zeit verlieren“, heißt es.
    Quelle: Merkur

  2. Gemeinnützigkeit
    1. Keine Konkurrenz für Parteien
      Über 600.000 gemeinnützige Organisationen arbeiten in Deutschland – Sportvereine, Stiftungen, Umweltverbände, Genossenschaften. Manchen von ihnen könnte künftig die Neuregelung Probleme machen, die das Bundesfinanzministerium gerade mit den Ländern diskutiert. Die zentrale Frage lautet: Wie politisch dürfen gemeinnützige Organisationen handeln?
      Der Status der Gemeinnützigkeit ist wichtig: Er garantiert die Befreiung von der Körperschaftsteuer, ermöglicht es Vereinen, Spendenbescheinigungen auszustellen, und erleichtert ihnen so die Finanzierung. Nun jedoch soll die Vergünstigung daran geknüpft werden, dass eine politische Betätigung gegenüber dem eigentlichen Satzungszweck der Organisation „weit in den Hintergrund tritt“, schlägt das Bundesfinanzministerium vor. Dürfte dann noch ein Sportverein in einem Bündnis gegen Neonazis mitwirken oder sich die Umweltorganisation Greenpeace zur Steuerpolitik äußern?
      Dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) jetzt aktiv wird, hat mit dem Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs vom Januar 2019 zu tun. Die Richter*innen entschieden, dass die globalisierungskritische Organisation wegen ihrer politischen Arbeit nicht länger als gemeinnützig anerkannt werden könne. In der Folge entzog das zuständige Finanzamt den Unterschriftensammler*innen von Campact die Fördermöglichkeit.
      Quelle: taz

      Anmerkung JK: Man kann sich nur wiederholen, auf Scholz kann sich die deutsche Oligarchie verlassen.

    2. Holocaust-Überlebende schreibt offenen Brief an Olaf Scholz
      Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano hat die Bundesregierung aufgefordert, gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA) vorzugehen. „Als zuständiger Minister der Finanzen fordere ich Sie auf, alles zu tun, um diese unsägliche, ungerechte Entscheidung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Arbeit der VVN-BdA rückgängig zu machen und entsprechende Gesetzesänderungen vorzuschlagen“, schrieb Bejarano in einem offenen Brief an Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der am Montag veröffentlicht wurde.
      Die 94-jährige Ehrenvorsitzende der VVN-BdA bezeichnete die Entscheidung vor dem Hintergrund alltäglicher rechtsextremer Bedrohungen als „Kränkung“. „Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!“, schrieb sie.
      Quelle: Tagesspiegel

      Anmerkung Jens Berger: Der VVN-BdA ist den Behörden also zu links? Das ist interessant. Welche politische Ausrichtung darf ein gemeinnütziger Verein denn haben? Mit Vereinen wie dem Uniter e.V. (dem Vernetzungszentrum des rechtsradikalen „Hannibal-Untergrundnetzwerks“) scheinen die Finanzbehörden offenbar keine Probleme zu haben. Offenbar hat man nichts aus der Geschichte gelernt.

  3. „Der niedrige Zins wird in Berlin und Brüssel gemacht“
    Häufig gelten die Notenbanken als die Schuldigen für die wachsenden Schulden der Welt. Doch trifft diese Analyse zu? Und ist die Entwicklung überhaupt schlimm?
    Wenn Marc Friedrich über die aktuelle Wirtschaftslage spricht, bemüht er gern das Bild eines Kaugummis. Eines Kaugummis, den die Politik immer länger und länger zieht. „Aber irgendwann reißt er“, ist sich Friedrich sicher. Und diesen Konjunktureinbruch hat er auch terminiert: auf das Jahr 2023 – das haben seine Berechnungen ergeben. […]
    Dass Friedrich das so sieht, ist nicht überraschend. Er gilt als einer der größten sogenannten Crash-Propheten Deutschlands. Mit seinem aktuellen Buch „Der größte Crash aller Zeiten“ hat er es auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste geschafft. […]
    „Es ist schlicht falsch, dass die EZB den Zins alleine macht“, argumentiert auch Rüdiger Bachmann, Professor für Makroökonomik an der US Universität Notre Dame. „Sie muss sich viel mehr am natürlichen Zins orientieren.“ Als solchen versteht man den theoretischen Zins, bei dem der Gütermarkt im Gleichgewicht und das Preisniveau stabil ist. „Und der ist aktuell aufgrund vieler Faktoren niedrig“, fährt Bachmann fort. „So sparen zum Beispiel unheimlich viele Leute, weil die Gesellschaften älter werden. Auch die Unternehmen sparen heute viel mehr.“ Zudem lebten wir zunehmend in einer The-Winner-Takes-It-All-Ökonomie, in der die Konzentration der wirtschaftlichen Stärke bei wenigen Unternehmen dazu führe, dass sie weniger Druck hätten, zu investieren.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Jens Berger: Wenn die Löhne stagnieren, die Verschuldung der Privathaushalte zurückgeht und gleichzeitig die Sparquote – politisch gewollt – steigt, sinkt die Nachfrage und wenn die Nachfrage sinkt, sehen die Unternehmen keinen Grund für Investitionen. Wenn die Investitionen zurückgehen und die Haushalte ihre Schulden zurückfahren, gibt es zu wenig Nachfrage für Kredite und gemäß Angebot und Nachfrage sinkt der Zins. Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Und würde eine Zinserhöhung aus dieser Sackgasse führen? Nein. Würden steigende Reallöhne aus dieser Sackgasse führen? Wahrscheinlich schon. Aber dieser Zusammenhang wird in der Debatte leider ignoriert.

  4. Michael Bloomberg steigt offiziell ins US-Präsidentschaftsrennen ein
    Der Milliardär und frühere New Yorker Bürgermeister, Michael Bloomberg, will US-Präsident Donald Trump bei der Wahl 2020 herausfordern. Der Demokrat kündigte am Sonntag an, offiziell ins Präsidentschaftsrennen seiner Partei einzusteigen. Bereits seit Tagen wurde eine solche Botschaft des schwerreichen 77-Jährigen erwartet. “Ich bewerbe mich als Präsident, um Donald Trump zu besiegen und Amerika wieder aufzubauen”, teilte Bloomberg mit. “Wir können uns vier weitere Jahre von Präsident Trumps rücksichtslosem und unethischem Handeln nicht leisten.” Im März hatte Bloomberg noch abgelehnt, in den Wahlkampf einzusteigen. Berichten zufolge verzichtete er damals bewusst auf eine Kandidatur, um Biden nicht in die Quere zu kommen.
    Bloomberg hatte bereits Vorbereitungen getroffen und in mehreren Bundesstaaten die nötigen Unterlagen für eine mögliche Teilnahme an den Vorwahlen eingereicht. Der Demokrat Bloomberg, der einst das nach ihm benannte Finanz- und Medienunternehmen gegründet hatte, gilt als einer der reichsten Männer der Welt. Er kann damit erhebliche Finanzmittel in einen Wahlkampf gegen Trump (73) einbringen, der bei der Wahl für die Republikaner erneut antreten will.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: „Wir können uns vier weitere Jahre von Präsident Trumps rücksichtslosem und unethischem Handeln nicht leisten.” So, so, da wäre es sicher interessant zu erfahren wie Bloomberg zu seinen Milliarden gekommen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste US-Präsident wieder Donald Trump heißt, ist signifikant höher als 50 Prozent und dies liegt definitiv in der Dummheit und Arroganz des Parteiestablishments der Demokraten begründet, dem, trotz allem Impeachment-Theaters, ein Präsident Trump womöglich noch immer lieber wäre als ein Präsident Sanders und das mit Joe Biden und nun Bloomberg Kandidaten im Rennen hat, die von der Lebensrealität vieler US-Bürger Lichtjahre entfernt sind.

    Anmerkung Jens Berger: Da wird Mr. Bloomberg aber sehr tief in seine Kasse greifen müssen. Den aktuellen Umfragen zufolge liegt er mit 2,3% hoffnungslos hinter den Konkurrenten zurück. Unverständlich ist, dass Joe Biden in diesen Umfragen immer noch deutlich führt.

    dazu: Sanders “angewidert” von Bloomberg
    Der gestern offiziell ins Präsidentschaftsrennen eigestiegene Milliardär will keine Spenden annehmen, wirbt aber alleine diese Woche für 33 Millionen Dollar im Fernsehen […]
    Die will er – ebenso wie seinen gesamten Wahlkampf – aus eigener Tasche bezahlen. Spenden, so kündigte sein Chefberater Howard Wolfson bereits vorher an, werde Bloomberg dafür nicht annehmen. Das, so Wolfson, habe der Milliardär auch schon vor seinen Wahlen zum New Yorker Bürgermeister so gemacht und dadurch könne er “nicht gekauft werden”. Ein weiterer Effekt ist, dass Bloomberg dadurch nicht an den offiziellen Fernsehdebatten des Democratic National Committee (DNC) teilnehmen darf (oder muss). Das DNC fordert nämlich als Voraussetzung neben Mindestumfragewerten auch ein Mindestspendenaufkommen.
    In der Partei, deren Führung diese Regeln aufstellte, zeigten sich Bloombergs Mitbewerber öffentlich weniger erfreut über sein Antreten als Trump. Bernie Sanders, der in einer neuen Umfrage des Emmerson College mit einem Stimmenanteil von 27 Prozent mit Joseph Biden gleichzog, verlautbarte:
    „Ich bin angewidert von der Idee, dass Michael Bloomberg oder irgendein anderer Milliardär glaubt, er könne den politischen Prozess umgehen und mit zweistelligen Millionensummen unsere Wahlen kaufen. Das ist nur das jüngste Beispiel eines zurechtgeschusterten politischen Systems, das wir ändern werden, wenn wir im Weißen Haus sind. Wenn man keine Graswurzelunterstützung aufbauen kann, dann ist man im Präsidentschaftsrennen fehl am Platz. Das amerikanische Volk hat die Macht von Milliardären satt, und ich vermute, es wird nicht positiv darauf reagieren, wenn jemand versucht, eine Wahl zu kaufen (Bernie Sanders)“
    Quelle: Telepolis

  5. Es brodelt wieder in Frankreich
    Vom Sanitäter bis zur Chefärztin sind alle dabei. Seit Monaten demonstrieren und streiken die Mitarbeiter der öffentlichen Krankenhäuser in Frankreich. Die Weißkittel können nicht mehr, klagen sie. Zu mangelhaft sei die Ausstattung, zu groß die Arbeitsbelastung, zu schlecht die Bezahlung. Und wenn wieder einmal ein Todesfall Schlagzeilen macht, weil irgendwo im Land ein Notfallpatient auf einer Bahre in einem Klinikgang vergessen wurde, erklären die Gewerkschaften den Skandal prompt damit, dass das Krankenhauswesen selbst kurz vor dem Exitus sei. “Rettet die öffentlichen Krankenhäuser!”, lautet der dramatische Aufruf an die Regierung.
    Deren Problem ist, dass längst nicht nur in den Krankenhäusern Wut herrscht – sondern viele Berufsgruppen aufgebracht sind gegen die Regierung von Präsident Emmanuel Macron. Es brodelt in Frankreich, schon wieder. Auch Polizisten, Landwirte und zuvorderst all jene, die sich als Verlierer einer geplanten Rentenreform sehen, machen Druck. So sehr, dass die Frage in Paris zurzeit nur noch ist, wann und wie Macron und sein Premierminister Édouard Philippe diesen Druck aus dem Kessel lassen. …
    Ein Szenario wird in Macrons Umfeld besonders gefürchtet: Dass sich nicht nur die derzeit noch disparaten berufsständischen Streikbewegungen vereinigen, sondern diese klassischen Gewerkschaftsaktionen auch noch zur Wiederbelebung der Gelbwesten-Bewegung vom vergangenen Winter führen. In der Regierung steigt angesichts dieser Befürchtungen die Nervosität.
    Quelle: SZ

    Anmerkung JK: Auch in Frankreich scheint sich der Widerstand gegen den Neoliberalismus immer mehr auszuweiten. Der Kaiser ist nun endgültig nackt.

  6. Economists and academics back Labour spending plans
    163 signatories to letter say party ‘deserves to form the next government’
    The Labour party received a boost on Tuesday when 163 economists signed a public letter offering broad support for its proposals for higher public investment to kick start growth and raise productivity.
    The letter published in the Financial Times lamented Britain’s poor economic performance of the past decade, called for “a serious injection of public investment” and said Britain would benefit from greater state involvement in national economic management.
    Although most of the signatories are left-leaning academics, their support for the proposals for radical measures will come as a boost for Labour at a time when the Conservatives, who have led the government since 2010, are attacking the party’s manifesto as likely to cause an economic crisis within months.
    Quelle: Financial Times
  7. Wachstum oder Schrumpfung – das ist die (Wirtschafts-) Frage
    In seinem Spätwerk “Die Wachstumsspirale”, veröffentlicht 2006, stellt der Wirtschaftswissenschaftler Hans Christoph Binswanger die vorherrschende neoklassische Wirtschaftstheorie radikal in Frage. Die Neoklassik geht davon aus, dass sich die Wirtschaft in einem Kreislauf bewegt. Demnach sorgen der abnehmende Grenzertrag der Produktion und der abnehmende Grenznutzen des Konsums dafür, dass sich Angebot und Nachfrage langfristig einpendeln und damit ein Gleichgewicht bilden. Der technische Fortschritt könne vorübergehend zwar ein Wachstum bewirken, doch er ist laut dem neoklassischen Ökonom Robert Solow «exogen», kommt also von aussen oder fällt, wie H.C. Binswanger spottete, «wie Manna vom Himmel».
    Die neoklassische Kreislauf-Theorie dominiert heute die volkswirtschaftlichen Lehrbücher. Sie lässt jedoch ausser Acht, dass die real existierende Marktwirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg stetig und mit wenigen Unterbrüchen wächst. Die Neoklassik eigne sich darum nicht, das Wachstum der Wirtschaft hinreichend zu erklären, kritisiert H.C. Binswanger. Darum stellt er der neoklassischen Kreislauf- seine eigene alternative Theorie entgegen, eben die Theorie der «Wachstumsspirale». Darin vertritt er die These, die heutige Geldwirtschaft dränge nicht nur zum Wachstum, sondern unterliege einem strukturellen Zwang zum Wachstum.
    Vereinfacht lässt sich Binswangers These wie folgt zusammenfassen: Der Wachstumszwang resultiert im Wesentlichen aus dem Gewinn, den Unternehmen und andere Investoren für das Risiko ihrer Investition erwarten. Denn ohne Aussicht auf Gewinn würden sie nicht investieren. Weil ein Gewinn immer erst nach getätigter Investition anfallen kann, müssen Investitionen voraus finanziert werden. Dazu braucht es Geld, das die Banken schöpfen. Die Wirkung aus Geldschöpfung, Investition und Gewinn, aber auch die Entnahme von Rohstoffen und Energie aus der Natur, treibt die Spirale aufwärts.
    Quelle: Infosperber
  8. Sozialer Sündenfall
    Wann immer über die Rente und die älter werdende Gesellschaft diskutiert wird, ist die Forderung nicht weit, das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen. Das ist aber keine Lösung für das Problem, sondern eine eiskalte Kürzung für die Ärmeren durch die Hintertür. Als Wissenschaftlerin oder Manager kann man vielleicht länger arbeiten, aber das gilt nicht für die Mehrheit der Bevölkerung. Denn wer schwer schuftet, stirbt früher und erhält entsprechend kürzer überhaupt eine Rente. Schon jetzt schaffen es viele – ob Handwerker oder Bauarbeiter, Schichtarbeiter, Busfahrerin oder Pflegekraft – nicht gesund und in Arbeit bis zum 67. Lebensjahr. Sie werden oft vorher erwerbslos oder chronisch krank, retten sich nach Bezug von Arbeitslosen- oder Krankengeld nur mit Mühe in eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen. Diejenigen, die dieses rettende Ufer nicht erreichen, rutschen ab in Hartz IV und in Altersarmut. Für sie war schon die Rente mit 67 ein sozialer Sündenfall. Die Rente mit 70 ist eine Debatte derjenigen, die im Elfenbeinturm ziemlich weit oben sitzen.
    Quelle: taz
  9. Und an manchen Tagen lutsch ich an einer Bockwurst
    Detlev Pflughaupt hat im Bundestag gearbeitet. Nun streitet er sich mit dem Sozialamt um 270 Euro. Seine 82-jährige Ärztin kann er nicht mehr besuchen.
    Pflughaupt bekommt heute Besuch – von den Sozialberaterinnen Kathleen Schlifka und Martyna Voß von „soziale Gesundheit e.V.“ Schlifka setzt sich auf das Bett, weil sonst kein Platz ist. Schlifka und Voß müssen etwas mit ihm besprechen. Denn Pflughaupt hat eine Reise nach Aachen unternommen. Drei Tage. Doch er hatte nicht gewusst, dass er sich beim Sozialamt hätte abmelden müssen. Dieses fordert nun 270 Euro von ihm – eine Kostenbeteiligung für den Pflegedienst in Aachen.
    Pflughaupt hat das Geld nicht. Das Sozialamt würde ihn behandeln, als sei er ein Verbrecher. Dabei hätte er den Ausflug nur anmelden müssen. Er versucht seit Längerem, persönlich mit der Sachbearbeiterin zu sprechen, doch diese ist für ihn nicht zu erreichen. …
    270 Euro. Was für manche eine Kleinigkeit wäre, ist für Pflughaupt eine Katastrophe. Er hat kein Geld gespart. Ebenso sei es, wenn ihm mal die Brille zerbrechen würde – er wüsste nicht, mit welchem Geld er sich eine neue kaufen sollte. Arbeitslos war er nie. Nach der Wende hatte er eine Anstellung als Büromitarbeiter des damaligen Bundestagsabgeordneten Thomas Krüger (SPD). Dieser war von 1991 bis 1994 Senator für Familie und Jugend. Später wurde Pflughaupt Elektriker. SPD-Mitglied ist er immer noch. Zudem Gründungsmitglied des Berliner Behindertenverbands und Teil des „Bezirksbeirats von und für Menschen mit Behinderung“.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung JK: Hier weiß man nicht so recht ob dieser Artikel zynisch ist oder nicht. Will er dem Leser nur ein wohliges Gruseln bei der Lektüre in der kernsanierten 100 m² Altbauwohnung, in einem gentrifizierten Berliner Stadtviertel bescheren oder doch auf die himmelschreienden sozialen Unterschiede in Deutschland aufmerksam machen?

    Dazu darf man nicht vergessen, dass gerade der Tagesspiegel bei der Meinungsmache gegen den Berliner Mietendeckel an vorderster Front mit dabei ist.

  10. Metaller fürchten “Mega-Rausschmiss” in der Auto- und Zulieferindustrie
    Aus Sorge über einen befürchteten “Mega-Rausschmiss” in der Auto- und Zulieferindustrie haben sich in Stuttgart am Freitag zahlreiche Beschäftigte zu einem Aktionstag versammelt. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die IG Metall Baden-Württemberg. Angesichts der Konjunkturflaute fordern Arbeitnehmer und Arbeitgeber in dem Bundesland gemeinsam flexiblere Angebote für Kurzarbeit und mehr Qualifizierung.
    Mit ihrem Aktionstag fordert die IG Metall von den Automobilkonzernen und ihren Zulieferern, “Zukunftsperspektiven” zu entwickeln, “statt den Rotstift anzusetzen”. Es dürfe “keinen rücksichtslosen Abbau von Arbeitsplätzen” oder eine Verlagerung von Produktionsstandorten “unter dem Deckmantel des technologischen Wandels” geben.
    Quelle: AFP

    Anmerkung JK: Das ist zugegeben zynisch, aber angesichts des „Fachkräftemangels“ sind diese Befürchtungen doch wohl überzogen.

  11. Zalando: Derartige Methoden gehören verboten
    Zahlreiche Politiker fordern nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung über Vorwürfe gegen den Online-Modehändler Zalando Konsequenzen. Forscher der Berliner Humboldt-Uni und Mitarbeiter hatten über Überwachung, Leistungsdruck und Stress durch den Einsatz der Software Zonar geklagt, was Zalando zurückweist. “So macht Digitalisierung, die enorme Chancen für bessere Arbeit bietet, den Menschen Angst”, kritisiert Norbert Walter-Borjans, Kandidat für den SPD-Parteivorsitz. Zonar sei ein Beispiel dafür, wie Technik dafür genutzt werde, die Menschen zu instrumentalisieren. …
    “Derartige Methoden der Überwachung und gegenseitigen Kontrolle gehören verboten”, erklärte Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken im Bundestag. “Gläserne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die permanent bewertet werden und sich gegenseitig werten, dürfen auch in Zeiten des Onlinehandels und der Digitalisierung kein Zustand sein. Das hat mit Fortschritt nichts zu tun, sondern weckt Orwellsche Erinnerungen. Ein Geschäftsmodell, das auf Misstrauen und Kontrolle fußt, wird kein Erfolgsmodell sein.”
    Quelle: SZ
  12. Digitales Schlachtfeld (II)
    Im Rahmen der Digitalisierung der staatlichen Repressionsorgane forciert die Bundesregierung die Aufhebung des in der deutschen Verfassung verankerten Trennungsgebotes von Polizei, Militär und Geheimdiensten. Unter anderem wurde eine dreistellige Millionensumme in den Aufbau einer sogenannten Cyberagentur investiert, die unter der gemeinsamen Fachaufsicht des Verteidigungs- und des Innenministeriums steht. Der Institution ist explizit die Aufgabe zugedacht, “Schlüsseltechnologien” zu entwickeln, aus denen sich “strategische Vorteile für die innere und äußere Sicherheit” ziehen lassen. Zu den Arbeitsfeldern der Agentur zählen nach offiziellen Angaben ebenso die “hybride Kriegführung” wie der Kampf gegen “Terrororganisationen”. Bereits 2017 beschloss die Bundesregierung die Einrichtung einer “Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich”, deren Personal sich aus Angehörigen der Bundeswehr, der Polizei und der Spionageapparate rekrutiert. Hier wird daran gearbeitet, Verschlüsselungsmethoden zu brechen und Überwachung zu perfektionieren.
    Quelle: German Foreign Policy
  13. Der weltweite Kampf um die strategischen Rohstoffe
    Wer verstehen will, warum Hersteller es so schwer haben, die Rohstoffe für ihre Elektroautos einzukaufen, sollte einen Blick auf den Markt für Kobalt werfen. Die Industrie braucht ihn für die Akkuzellen, die in Millionen Elektroautos Strom speichern. Vor zwei Jahren benötigte sie dafür 54.000 Tonnen Kobalt, in neun Jahren soll der Bedarf fünfmal so hoch sein.
    Noch drastischer soll laut der Londoner Metallmarkt-Analysefirma Benchmarks Minerals Intelligence die Nachfrage nach Lithium wachsen: von derzeit etwa 250.000 auf 1,5 Millionen Tonnen. Und schließlich, das dritte essenzielle Metall in der Akkuherstellung, Nickel. Hier sagen die Prognosen einen Anstieg von 50.000 Tonnen im Jahr 2017 auf bis zu 1,4 Millionen Tonnen im Jahr 2028 voraus.
    Quelle: Welt
  14. Der Supertrumpf im Autoquartett
    Wenn von der Mobilitätswende die Rede ist, schwingt fast immer ein Subtext von Verzicht mit. Elektroautos, heißt es, stünden für eine neue, nachhaltige Mobilität. Eine, bei der nicht grenzenlos Ressourcen verbrannt, sondern klug und vernünftig gehaushaltet wird.
    Viele Elektroautos, die aktuell vorgestellt werden, sind eher kein Synonym für Vernunft. Volvos Tochtermarke Polestar hat gerade ihr erstes Modell vorgestellt, den Hybrid-Sportwagen Polestar 1. Das Datenblatt liest sich wie der Supertrumpf im Autoquartett: Vier Motoren treiben das Coupé an: Ein Vierzylinder-Verbrenner mit 309 PS, zwei E-Motoren mit zusammen 232 PS, der Starter Generator steuert 68 PS bei. Laufen alle vier Motoren mit Volllast, wirken 1000 Newtonmeter auf die Antriebswelle. In 4,2 Sekunden stürmt der Polestar von 0 auf 100 und erreicht eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. …
    Wir erleben aktuell im E-Segment eine Tendenz zum automobilen Superlativ. Um die Zielgruppe lustvoller Schnellfahrer zu erreichen, wird am Wachstumsgedanken festgehalten, jede Auto-Generation muss die vorherige effektvoll übertreffen. Je mehr Leistung, desto besser.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Endlich fällt auch dem SPIEGEL auf, dass der ganze Elektroauto-Hype nichts mit Umweltschutz zu tun hat und nur zu noch mehr Verbrauch führt. Davon abgesehen, sind Energieverbrauch und Umweltschäden bei der Herstellung des Autos (egal ob Benziner oder Elektro) sowieso viel größer als bei der Benutzung – insofern ist die einschränkte Betrachtung nur des Verbrauchs schon schief.

    Anmerkung JK: Eine zukunftsweisendes Mobilität sieht anders aus. Die Automobilindustrie macht einfach da weiter wo sie mit dem Verbrennungsmotor (noch nicht) aufgehört hat.

  15. Treibhausgase auf Rekordniveau
    Die Weltwetterorganisation schlägt Alarm: Immer mehr klimaschädliche Treibhausgase sind in der Atmosphäre messbar. Neben der CO2-Konzentration steigt auch der Anteil des Methans auf einen Rekordwert. […]
    Quelle: Tagesschau.de
  16. Beijing needs to listen to HK’s ‘silent majority’
    Election result proves there is unprecedented support for the six-month-long protest in Hong Kong
    Rarely are election results emphatic. But last Sunday’s district council election in Hong Kong was transformed into a referendum on the government and its masters in Beijing, resulting in unprecedented support for the six-month-long protest movement.
    It is clear that the so-called ‘silent majority’ has spoken not only securing 86% of the 452 seats up for election but also knocking out some of the biggest names in the pro-China camp. The tsunami of votes for the Democrats even dislodged incumbents in Hong Kong’s ‘red’ districts, supposedly unflinchingly loyal to Beijing. In their place, a new breed of often young and high profile members of the democracy movement has been installed in office. […]
    The Chinese Communist Party has no history of backing down in the face of protests and has little experience of responding to independent elections. It is quite possible that it will instruct its ciphers in Hong Kong to simply ignore the result. However, even members of the pro-China camp are now urging their bosses to get rid of Lam and to think of ways to reduce tension by going some way to meet the protestor’s demands.
    The election, which at the very least, has produced a ceasefire in the ongoing hostilities, provides an opportunity for a rethink from Beijing, but there are no guarantees that this will happen even though the alternatives are scary.
    Quelle: Asia Times
  17. Botschafter Grenell wirft Bundesregierung Beleidigung von US-Soldaten vor
    Soll die Bundesregierung den chinesischen Konzern Huawei boykottieren? Wirtschaftsminister Altmaier zog einen Vergleich zu US-Lauschangriffen. Botschafter Grenell zeigt sich empört. (…)
    “Die jüngsten Äußerungen hochrangiger Vertreter der deutschen Regierung, die Vereinigten Staaten seien vergleichbar mit der Kommunistischen Partei Chinas, sind eine Beleidigung für die Tausenden amerikanischen Soldatinnen und Soldaten, die dazu beitragen, die Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten”, hieß es in einer Erklärung Grenells.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Die NSA-Telefonüberwachung (Stichwort Kanzlerin-Handy) darf also nach den Wünschen des US-Botschafters nicht einmal öffentlich erwähnt werden. Das wollte Herr Grenell damit wohl zum Ausdruck bringen, oder?

    Übrigens: Vor welcher konkreten Gefahr beschützen die US-Soldaten Deutschland eigentlich? Insbesondere seit 1990 dürfte die Suche nach einem konkreten Feindbild schwerfallen. Ist es nicht vielmehr so, dass Deutschland als “Zwischenstation” dient – z.B. für die Umkreisung Russlands und zahlreiche Konflikte mit US-Beteiligung u.a. im Nahen Osten? Deutschland als nützlicher Vasall für das US-Imperium?

  18. Wirtschaftselite für Kanzlerkandidaturen von Merz und Scholz
    Führungskräfte sehen die große Koalition einer Umfrage zufolge skeptisch. Bei der K-Frage haben sie eine klare Präferenz. Außenpolitisch bereitet vor allem Trump Sorgen.
    Quelle: ZEIT


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