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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 5. Dezember 2019 um 8:42 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Warum hilft kein EU-Land dem Wikileaks-Gründer?
  2. Exportverbot für Rüstungsfirma nach Saudi-Arabien aufgehoben
  3. NATO-Gipfel
  4. So kuscht die Bundesregierung vor den USA
  5. US-Wahlkampf und Impeachment – Lassen die Demokraten Joe Biden fallen?
  6. Starke Nichtinanspruchnahme von Grundsicherung deutet auf hohe verdeckte Altersarmut
  7. Soziale Gerechtigkeit: Armutsrisiko steigt trotz sinkender Arbeitslosigkeit
  8. Schluss mit der Zettelwirtschaft
  9. Big Data in der Medizin: Die gläserne Zukunft
  10. Bundestag schafft Cum-Ex-Ausnahme von Informationsfreiheit
  11. Effektiver als die Kohlelobby: Das Umweltministerium ist der größte Blockierer von Windrädern
  12. Internationale Bildungsstudie: “PISA wird überinterpretiert”
  13. Deutsche Bahn: Milliardeninvestitionen im Ausland statt in Deutschland
  14. Berliner Tschetschenenmord: Maas weist russische Diplomaten aus
  15. “Jetzt ist Lieferando”
  16. Joe Kaeser bekommt fast 50 Prozent mehr Geld

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Warum hilft kein EU-Land dem Wikileaks-Gründer?
    Assange geht es offenbar schlecht, UN-Experten und Ärzte beklagen psychische Folter. Das geht auch gegen die Pressefreiheit im Allgemeinen.
    (…) Über Assanges Methoden lässt sich streiten. Dass er die Klarnamen von Zuträgern der US-Regierung nicht geschwärzt hat, gefährdete Unschuldige. Ob es journalistisch nötig war, E-Mails von Hillary Clinton zu veröffentlichen und Donald Trump zum Wahlsieg zu verhelfen, ist fraglich. Aber nichts davon rechtfertigt die Auslieferung in die USA, wo ihm eine lebenslange Gefängnisstrafe droht. Umso unverständlicher ist, dass keine Regierung in Europa gegen die inhumane Inhaftierung interveniert. In der Schuld stehen auch die Medien, die sich mit den Wikileaks-Dokumenten als Enthüller profilierten. Die Verhandlung über seine Auslieferung soll am 25. Februar beginnen, vorausgesetzt er lebt dann noch.
    Quelle: Harald Schumann im Tagesspiegel

    Anmerkung Moritz Müller: Super, dass Harald Schumann vom Tagesspiegel sich für seinen Kollegen und Menschen Julian einsetzt.

    Anmerkung unserer Leserin S.B.: Es ist wichtig, dass dieser Kommentar am 02.12. in der Printausgabe des Tagesspiegels und nun auch online veröffentlicht wurde. Die von Journalist/innen gepflegte Mauer des Schweigens muss durchbrochen werden. In der Printversion lautete die Überschrift: “Haft für Assange – ein Anschlag auf die Pressefreiheit”.

    dazu: UN-Sonderberichterstatter über Folter widerlegt Aussagen des Auswärtigen Amtes zu Assange-Berichten
    Das Auswärtige Amt hat sich in einem wohl einmaligen Vorgang bis auf die Knochen blamiert. Von RT auf der BPK zu Berichten des UN-Sonderberichterstatters Nils Melzer über Julian Assange angesprochen, behauptet das AA, diese Berichte gebe es gar nicht. Dann kontert Melzer.
    Quelle: RT Deutsch

  2. Exportverbot für Rüstungsfirma nach Saudi-Arabien aufgehoben
    Nach der Ermordung des Journalisten Khashoggi hat die Bundesregierung einen Stopp für Rüstungsexporte nach Saudi Arabien verhängt. Doch das Verwaltungsgericht Frankfurt hat es nun im Fall eines Unternehmens aufgehoben. […]
    Die pauschale und knappe Begründung in den angegriffenen Entscheidungen entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen. Außenwirtschaftliche Entscheidungen seien nicht wegen der außen- und sicherheitspolitischen Bedeutung von vornherein jeglicher Begründungspflicht entzogen. Zudem habe das Unternehmen durch die aufschiebende Befristung womöglich Anspruch auf Entschädigung.
    Quelle: FAZ

    dazu: Bundesregierung sabotiert eigenes Waffenembargo gegen Saudi-Arabien
    „Es ist politische Sabotage, wenn Rheinmetall und Co. am Ende über den einfachen Gerichtsweg die Ausfuhr von Rüstungsgütern an die Kopf-ab-Diktatur Saudi-Arabien durchsetzen können, allein aus Mangel an einer stichhaltigen Begründung durch die Bundesregierung“, erklärt Sevim Dagdelen, abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt, das vom Bund verfügte Ausfuhrverbot für 120 Militärlastwagen des Rheinmetall-Konzerns im Wert von rund 136 Millionen Euro an die Streitkräfte des saudischen Herrscherhauses wegen unzureichender Begründung aufzuheben. Dagdelen weiter:
    „Zu einer klaren und gerichtsfesten Begründung für den deutschen Waffenexportstopp gehört der Verweis auf die von der UNO festgestellten saudischen Kriegsverbrechen im Jemen, bei denen vermutlich auch deutsche Waffen zum Einsatz gekommen sind, und die von Saudi-Arabien zu verantwortende größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit.
    DIE LINKE fordert ein umfassendes Waffenembargo gegen Saudi-Arabien, das auch Ausfuhren über Drittländer und Tochterfirmen im Ausland einschließt.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

  3. NATO-Gipfel
    1. NATO-Gipfel offenbart auseinanderdriftende Interessen
      Zum Verlauf des Londoner NATO-Gipfels erklärt Özlem Alev Demirel, stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parlaments (SEDE):
      „Weder der feierliche Auftakt noch die vorab vereinbarte ‚Londoner Erklärung‘ können darüber hinwegtäuschen, dass die NATO aktuell einer politischen Zerreißprobe ausgesetzt ist, deren Ursache in den immer weiter auseinanderdriftenden wirtschaftlichen Interessen ihrer großen Mitglieder liegt. Ein geradezu peinlicher Hinweis darauf ist die Tatsache, dass die Initiative des deutschen Außenministers Heiko Maas, eine Expertengruppe zu kreieren, die über ‚eine bessere politische Abstimmung der Partner‘ nachdenken solle, allen Ernstes in die Abschlusserklärung des Gipfels aufgenommen wurde. Eine solche ‚politische Abstimmung‘ findet eben angesichts der ambivalenten zwischenstaatlichen Beziehungen der verschiedenen Mitgliedstaaten nicht statt – und ist auch kaum noch erfolgreich möglich. Vielmehr hat der Jubiläumsgipfel in London erneut die bestehenden Konflikte innerhalb der NATO aufgezeigt.“
      „Zu konstatieren ist:

      • Die stattfindenden und angedrohten Handelskriege innerhalb der ‚westlichen Allianz‘ haben mittlerweile solche Ausmaße angenommen, dass sie Fragen der militärischen Zusammenarbeit zu beeinträchtigen beginnen.
      • Die USA wollen nicht mehr der Großzahler einer Ordnung von internationalen Beziehungen sein, deren größter Profiteure nicht mehr sie selbst sind.
      • Die Europäer, allen voran Deutschland und Frankreich, versuchen, die politische Krise in der NATO dazu zu nutzen, ihre eigene Rüstungsindustrie intensiv auszubauen. So will man den europäischen Konzernen astronomische Profite zuführen statt den US-amerikanischen. Erst vor einigen Tagen hat die EU der Europäischen Weltraumbehörde ESA ein Rekordbudget von 16 Milliarden Euro zugesagt.“

      „In Zeiten wirtschaftlicher Flaute, drohender Wirtschaftskrise und abnehmender Profitraten sind all die Milliarden, die jetzt intensiv in die Rüstungsindustrie hineingesteckt werden, willkommene ‚Investitionen‘ für die großen europäischen Rüstungskonzerne. Doch weder das Ziel der NATO, die nationalen Rüstungshaushalte auf zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts anzuheben, noch die milliardenschweren europäischen Aufrüstungsprojekte sind die richtigen Antworten auf die heutigen Herausforderungen. Statt Milliarden in Aufrüstungsprojekten zu versenken, müssen diese Gelder in die öffentliche und soziale Infrastruktur investiert werden. Das wäre ein Beitrag für eine sichere Zukunft.“
      Quelle: DIE LINKE im Europaparlament

    2. Aufrüstung trotz Streit
      Ungeachtet heftiger innerer Auseinandersetzungen erhöht die NATO ihre Einsatzbereitschaft, steht vor ihrer nächsten Erweiterung und nimmt China als neue “Herausforderung” ins Visier. Das sind zentrale Ergebnisse des gestern zu Ende gegangenen Jubiläumstreffens des Kriegsbündnisses, zu dem dessen Staats- und Regierungschefs in London zusammengekommen waren. Die NATO wird bereits ab kommendem Jahr 30 Einheiten von Heer, Luftwaffe und Marine binnen maximal 30 Tagen in den Krieg schicken können. Erstmals ist auf dem Londoner Gipfel Nordmazedonien vertreten gewesen, das unmittelbar vor seiner Aufnahme in das Bündnis steht. Zudem wird sich die NATO künftig ausführlich mit China befassen, wenn auch nicht in ausschließlich konfrontativer Form, wie es Washington gewünscht hatte. Nicht eskaliert ist der Konflikt mit der Türkei, wenngleich die Differenzen zwischen Ankara und diversen anderen Bündnisstaaten keineswegs beigelegt sind. Faktisch hat die türkische Regierung einen Freibrief für ihre scharf kritisierten Besatzungsaktivitäten in Nordsyrien erhalten.
      Quelle: German Foreign Policy
    3. Wenn schon, dann drei Prozent für die Nato
      Das Bündnisgebiet zu verteidigen, reicht nicht mehr aus. Die Nato muss sich der größten Verteidigungsherausforderung stellen: Dem Schutz vor hybriden Angriffen. Den gibt es nicht umsonst.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung Christian Reimann: Das musste ja so kommen. Die Ausgaben für das Militär sollen sich deutlich nach oben bewegen. Nun reichen auch zwei Prozent nicht mehr aus. Und die Bundesregierung wird wohl nach einigem hin und her erneut folgen – auch weil die SPD US-treuen Personen wie den Herren Maas und Annen das Auswärtige Amt überlässt. Oder wird hier einfach “hoch gepokert” – immer mehr gefordert, damit wenigstens die Zwei-Prozent-Marke erreicht wird. Die gegenwärtige Bundesregierung scheint das zu akzeptieren. Das muss sie jedoch nicht. Bitte lesen Sie dazu auch “Trumps Forderungen an Nato-Bündnispartner – Muss Deutschland den Rüstungshaushalt auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts erhöhen?“. Ein kooperativer Ansatz in der Außenpolitik wäre – vor allem im Umgang mit Russland, aber auch China und Iran – wohl wesentlich besser für die Sicherheit Deutschlands und Europas (Stichwort: Wandel durch Annäherung).

    4. NATO-Kriterien: Versteckte Rüstungsausgaben
      Für die Bundesregierung ist es überaus attraktiv, immer mehr Posten in andere Haushalte zu verschieben, sie aber bei der NATO dennoch anzumelden
      Stolz verkündete die Bundesregierung pünktlich kurz vor den Feierlichkeiten zum 70-jährigen Nato-Jubiläum, für das kommende Jahr seien dem Bündnis erstmals Militärausgaben von über 50 Milliarden Euro gemeldet worden. Der offizielle Haushalt soll laut Kabinettsbeschluss im Jahr 2020 allerdings “nur” 44,9 Milliarden Euro umfassen.
      Die Ursache für diese Lücke sind Umfrageergebnisse wie etwa vom Deutschlandtrend im April 2019: Sie zeigen ein ums andere Mal, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung – in diesem Fall von 53 Prozent – gegen eine vor allem von den USA massiv eingeforderten Erhöhung der Militärausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausspricht.
      Insofern ist es für die Bundesregierung überaus attraktiv, immer mehr Posten in andere Haushalte zu verschieben, sie aber bei der NATO dennoch anzumelden. Das hilft, den offiziellen Haushalt mit Blick auf die skeptische Bevölkerung halbwegs niedrig zu halten und trotzdem bei den NATO-Kollegen auf Schönwetter machen zu können.
      Quelle: Telepolis
  4. So kuscht die Bundesregierung vor den USA
    Richard Grenell, US-Botschafter in Deutschland, vertritt nicht nur die Interessen der US-Regierung, sondern setzt sie auch durch.
    Red. Gabor Steingart war Wirtschaftsjournalist in Berlin und Miteigentümer der deutschen Handelsblatt-Gruppe. Heute gibt er den Newsletter «Morning Briefing» heraus, dem wir folgenden Beitrag entnehmen.
    Deutschland wird von US-Präsident Donald Trump bevorzugt behandelt. Andere Länder bekommen von ihm einen normalen Botschafter, nach Berlin schickte er eine originalgetreue Kopie. Der ehemalige «Fox News»-Kommentator Richard Grenell ist konservativ wie Trump, nur bekennend homosexuell und jünger. Ansonsten stammen beide aus der gleichen Fertigungshalle, vor allem der Kopf ist baugleich.
    Grenell ist ein «America First»-Kämpfer aus Edelstahl, er schiesst scharf und hasst Übungsmunition. Er beherrscht wie das Original die Methode kalt/warm, das heisst, binnen Sekunden kann er von Charmeur auf Pitbull umschalten.
    So wie andere ihre Freundschaften pflegen, pflegt Grenell seine Feindschaften – mit dem «Spiegel», mit SPD-Aussenminister Heiko Mass und mit Kanzlerin Angela Merkel. Mit den Worten «You gonna love this guy» hatte Trump ihr Grenell vorgestellt. Humorbegabte Kanzlerberater geben zu: Das war nicht übertrieben.
    Quelle: Gabor Steingart auf Infosperber

    Anmerkung unseres Lesers H.K.: Dieser Beitrag ist leider irreführend. Ob der Scharfschütze Grenell oder der Schmuser Kornblum die amerikanischen Interessen vertreten, macht in der Konsequenz keinen Unterschied. Sie setzen sie durch.

    Anmerkung Christian Reimann: Typisch Gabor Steingart.

  5. US-Wahlkampf und Impeachment – Lassen die Demokraten Joe Biden fallen?
    Während nun Bloomberg als Plan B Joe Biden als demokratischen Präsidentschaftskandidaten ersetzen soll und er aus eigener Tasche schon mal 30 Millionen Dollar in TV-Werbung gesteckt hat (Bloomberg soll 54 Milliarden Vermögen besitzen), geht das Amtsenthebungsverfahren in die nächste Runde. In dieser Woche beginnen die ersten formalen Anhörungen im Justizausschuss des Kongresses, nachdem die Demokraten Trumps Schuld nach den Anhörungen im November für erwiesen halten.
    Der Spiegel kann von seinem Narrativ nicht lassen und veröffentlichte am 4. Dezember einen Artikel mit der Überschrift „Anhörung im US-Kongress: Rechtsprofessoren halten Impeachment-Verfahren gegen Trump für gerechtfertigt“. In dem Artikel konnte man dann ausführlich etwas darüber lesen, dass Rechtsprofessoren vor dem Justizausschuss ausgesagt hätten, dass das Amtsenthebungsverfahren berechtigt sei. Bis auf einen, der hatte eine andere Meinung.
    Was der Spiegel seinen Leser nicht mitgeteilt hat ist, dass auch hier wieder in erster Linie die Demokraten mit ihrer Mehrheit entschieden haben, wer aussagen darf. Und so wurden vier Professoren vorgeladen, von denen drei mit den Demokraten sympathisieren. Und wenig überraschend fanden die drei, dass das Verfahren gerechtfertigt ist. Und der eine, der einer anderen Meinung war, war von den Republikanern vorgeladen worden. Seine politischen Einstellungen hat der Spiegel thematisiert, damit der Leser dessen Aussagen für parteiisch hält. Dass das auch für die ersten drei galt, hat der Spiegel vergessen zu erwähnen.
    Quelle: Anti-Spiegel
  6. Starke Nichtinanspruchnahme von Grundsicherung deutet auf hohe verdeckte Altersarmut
    Grundsicherung im Alter wird von rund 60 Prozent der Anspruchsberechtigten – hochgerechnet etwa 625000 Privathaushalten – nicht in Anspruch genommen
    Personen mit geringem Anspruch, ImmobilieneigentümerInnen, ältere und verwitwete Personen verzichten häufiger als andere auf Grundsicherung
    Vier von fünf Haushalten mit Ansprüchen von mehr als 600 Euro nehmen diese auch in Anspruch
    Bei voller Inanspruchnahme würde verfügbares Einkommen der Haushalte, die Grundsicherung aktuell nicht beziehen, aber beziehen könnten, um rund 30 Prozent steigen
    Um verdeckte Armut zu bekämpfen, sollte Antragsverfahren vereinfacht und Bewilligungsdauer verlängert werden
    Quelle: DIW Berlin
  7. Soziale Gerechtigkeit: Armutsrisiko steigt trotz sinkender Arbeitslosigkeit
    In Deutschland ist das Armutsrisiko trotz hoher Beschäftigung gestiegen, zeigt ein Bericht der Bertelsmann-Stiftung. Während sich die Jobchancen für Gut- und Geringverdiener verbessert hätten, würden Arbeitsplätze der “klassischen Mittelschicht” wegfallen. Auch die Kluft zwischen Jung und Alt habe sich in vielen Ländern vergrößert: Kinder und Jugendliche seien häufiger von Armut bedroht als über 65-Jährige. […]
    “Für uns ist das überraschend, weil wir vermutet hätten, dass ein Anstieg der Beschäftigung mit einem geringeren Armutsrisiko einhergeht”, sagt Thorsten Hellmann, Leiter der Untersuchung. Er führt die Entwicklung auf mehrere Faktoren zurück: In vielen Ländern hätten nicht alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen vom Aufschwung profitiert. So sei der Anteil sogenannter atypisch Beschäftigter gestiegen, die in Teilzeit, Leiharbeit, befristet oder als Minijobber arbeiten. Neben einer geringeren Arbeitszeit gehen diese Beschäftigungsverhältnisse oft mit niedrigeren Löhnen einher. Das habe in vielen Staaten zu einem Anstieg der Einkommensungleichheit geführt, so auch in Deutschland, sagt Hellmann.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung André Tautenhahn: Der Befund kommt für die Forscher der Bertelsmann-Stiftung also überraschend oder sollte man doch eher sagen gelegen. Die Bertelsmann Stiftung war doch maßgeblich an der Schaffung dieser prekären Zustände beteiligt, wie die Anstalt im ZDF einmal sehr schön herausarbeitete. So ist ein Teil des Feldes für künftige Tätigkeiten doch selbst bestellt worden. Der Clou dabei: Obwohl hier bewusst Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung betrieben wird, darf die Bertelsmann-Stiftung selbstverständlich gemeinnützig bleiben und Steuern sparen, während anderen Organisationen dieses Privileg unter anderem vom SPD-Finanzminister aberkannt wird.

  8. Schluss mit der Zettelwirtschaft
    Krankmeldungen sollen ab 2021 digital erfolgen – Patienten sparen sich Porto und Zeit
    Wer aus gesundheitlichen Gründen ausfällt, muss seinem Arbeitgeber in der Regel am vierten Tag einen Krankenschein vom Arzt schicken. Das könnte sich nun ändern. Ab Januar 2021 sollen für gesetzlich Versicherte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei einer Krankmeldung abgeschafft werden. Stattdessen soll es eine digitale Lösung geben: der sogenannte “Digitale Krankenschein“.
    Quelle 1: VDKTV
    Quelle 2: VDK Zeitung Dez19/Jan 20, aktuell noch nicht online

    Anmerkung unseres Lesers T.M.: Kein Wort davon, dass das Übermittlungsrisiko des Verfahrens allein beim Arbeitnehmer sein soll. Siehe dazu auch hier.

  9. Big Data in der Medizin: Die gläserne Zukunft
    Die Gesundheitsdaten von Patienten sollen bald zur Forschungszwecken genutzt werden — ohne deren Einwilligung. Wem gehört der Datenschatz und was stellt man mit ihm an? […]
    Christiane Fischer machen solchen Pläne Sorgen. Die Ärztin und Gründerin einer Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte wurde 2012 in den Deutschen Ethikrat berufen. „Digital Health und Datenschutz widersprechen sich nicht nur auf den ersten Blick“, sagte sie. Der Patient muss stets die Macht über seine Daten haben, und vor jeder Verwendung, zu welchem Zweck auch immer, um sein Einverständnis gebeten werden. An einer zentralen Stelle gespeichert werden sollten Patientendaten nicht, außerdem fordert sie ein Recht auf Vergessen im Internet. Kann das alles nicht gewährleistet werden, würde sie die Digitalisierung von Gesundheitsdaten ganz ablehnen.
    Quelle: FAZ
  10. Bundestag schafft Cum-Ex-Ausnahme von Informationsfreiheit
    Das Bundesfinanzministerium muss der Öffentlichkeit eigentlich Auskunft dazu geben, wie es mit Skandalen wie Cum-Ex umgeht. Mit einer Gesetzesänderung durch die Hintertür hat es sich jetzt aber eine Ausnahme schaffen lassen.
    Harmlos mutet der Name einer neuen Regelung an, die der Bundestag nach einem Entwurf des Bundesfinanzministerium Mitte November beschlossen hat: Das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ soll Steuervergünstigungen für Elektromobilität bringen. Doch es versteckt sich noch ein weiteres Vorhaben in den Paragrafen: Das Finanzministerium hat sich nebenbei einer lästigen Transparenzpflicht entledigt.
    Quelle: netzpolitik.org
  11. Effektiver als die Kohlelobby: Das Umweltministerium ist der größte Blockierer von Windrädern
    Die Abstandsregel bremst die Windmühlen aus? Nein, Naturschützer verhindern die meisten Anlagen. Und die sitzen im Umweltministerium an strategischen Stellen.
    Das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) musste wegen seiner restriktiven Windkraftpolitik in letzter Zeit viel Kritik einstecken – von Branchenverbänden, den Grünen, vor allem aber von Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Die SPD-Politikerin lehnte die vom BMWi verschärfte Mindestabstandsregel für Windräder zu Wohnbebauungen ab. Sie beklagte, dass dadurch der Ausbau zu stark eingeschränkt würde, was „überhaupt nicht“ zu den Zielen der Regierung passe.
    Dabei hat sich das von Schulze geführte Ministerium selbst, besonders dessen Abteilung N für Naturschutz, zu einem der größten Blockierer entwickelt, behaupten Kritiker. Deutlich wurde das zuletzt im Rahmen des geplanten Kohleausstiegsgesetzes.
    Quelle: Tagesspiegel
  12. Internationale Bildungsstudie: “PISA wird überinterpretiert”
    Von “alarmierenden Zahlen” oder einem “neuen PISA-Schock” sprechen manche Kommentatoren. Dabei sei gar nicht klar, wie aussagekräftig PISA überhaupt ist, sagt Bildungsforscher Barz im tagesschau.de-Interview.
    tagesschau.de: Zwar schneiden deutsche Schüler bei der aktuellen Erhebung nicht mehr so schlecht ab wie beim allerersten PISA-Test im Jahr 2000. Dennoch gehen die Leistungen in allen getesteten Bereichen wieder zurück. Warum ist das so?
    Heiner Barz: PISA ist kein Instrument mit hundertprozentiger Messgenauigkeit. Deshalb muss man an die Ergebnisse, gerade wenn es sich hier um ein paar Punkte hoch oder runter dreht, eine ganze Reihe von Fragezeichen machen. Ob diese Ergebnisse wirklich so aussagekräftig und interpretierbar sind, dass man daraus Schlussfolgerungen für das deutsche Bildungssystem ziehen kann, bezweifeln viele Experten inzwischen.
    Quelle 1: Tagesschau
    Quelle 2: RWI-Essen [PDF]

    Anmerkung unseres Lesers G.R.: Es war ja zu erwarten, dass nach der neuesten PISA-Studie im deutschen Blätterwald und in der Politik wieder die Panik umgeht. Kaum jemand versucht, die Ergebnisse differenziert zu betrachten. Es geht aber auch anders.

  13. Deutsche Bahn: Milliardeninvestitionen im Ausland statt in Deutschland
    Der frühere Bahn-Chef Mehdorn ging weltweit auf Einkaufstur. Zum Beispiel Schenker. Ziel: ein internationaler Logistik-Konzern.
    Mit DB Schenker ist die Bahn heute weltweit aktiv, heißt es in Image-Filmen. Zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Bis hin zu Montagearbeiten für die Industrie. Überall im Einsatz … während zu Hause in Deutschland die Infrastruktur vernachlässigt wurde. Mehdorns Nachfolger Rüdiger Grube kaufte Arriva – für rund zwei Milliarden Euro. Ein Konzern, der in Europa vor allem Busnetze betreibt. Auch auf der kleinen Mittelmeerinsel Malta. Dort ging es schief. DB Arriva hatte ausgemusterte Gelenkbusse aus London eingesetzt, die in den engen Gassen stecken blieben. Die Fahrgäste klagten über extreme Unpünktlichkeit. Dann mussten die Gelenkbusse ausgemustert werden. Schließlich gab die Bahn auf. Und hat viele Millionen in den Sand gesetzt. Inzwischen will man sich ganz von Arriva trennen. Bisher waren die Verkaufsbemühungen aber vergebens. Jetzt will die Bahn mit Arriva an die Börse gehen.
    Quelle: plusminus

    Anmerkung JK: Die Reportage gibt wieder Einblicke in die aberwitzige Verkehrspolitik in Deutschland am Beispiel der Bahn. Anstatt ihren genuinen Auftrag zu erfüllen, wurde die Bahn AG insbesondere unter den Bahn-Chefs Mehdorn und Grube zum weltweiten Logistikdienstleister aufgeblasen, mit dem Geld der Steuerzahler. Das dabei vergeudete Geld fehlt nun, um die marode Schieneninfrastruktur zu erneuern. Alles unter den Augen der Politik, explizit der CSU-Verkehrsminister von Ramsauer bis zu Scheuer. Nicht unerwähnt soll dabei bleiben, dass das aktuelle Desaster seinen Ursprung auch in der neoliberalen Politik der EU hat, die mit der 1991 verabschiedeten EG-Richtlinie 91/440/EWG einen europäischen Eisenbahnmarkt schaffen wollte, auf dem die nationalen Eisenbahngesellschaften als profitorientierte Unternehmen agieren und sich dem internationalen Wettbewerb stellen sollten. Eine Besserung ist nicht in Sicht, da weiter Geld in irrsinnigen Projekten, wie Stuttgart 21 versenkt wird, das woanders dringend gebraucht würde.

  14. Berliner Tschetschenenmord: Maas weist russische Diplomaten aus
    Das Auswärtige Amt in Berlin hat heute zwei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt. Zur Begründung dieser Maßnahme heißt es, die beiden Botschaftsmintarbeiter hätten “trotz wiederholter hochrangiger und nachdrücklicher Aufforderungen nicht hinreichend bei der Aufklärung des Mordes” an Selimchan Changoschwili mitgewirkt.
    Changoschwili wurde am 23. August wurde im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit mit einer schallgedämpften Neun-Millimeter-Glock 26 durch einen Kopfschuss getötet. Der 41-jährige war georgischer Staatsangehöriger, aber ethnischer Tschetschene aus dem Pankissital. Im zweiten Tschetschenienkrieg hatte er eine Separatisteneinheit in dieser russischen Teilrepublik kommandiert.
    2016 stellte Changoschwili in Deutschland einen Antrag auf Asyl, den er damit begründete, dass ihm der russische Staat nach dem Leben trachte und ihn sein Heimatland Georgien nicht schützen könne. Das Bundeskriminalamt stufte ihn nach der Sichtung seiner Angaben zwei Jahre lang als islamistischen Gefährder ein. Fragen, warum sie diese Einstufung änderte, lässt die Behörde unbeantwortet.
    Quelle: Telepolis
  15. “Jetzt ist Lieferando”
    Nicht einmal 30 Prozent aller Parteimitglieder konnte das siegreiche Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans für sich gewinnen. Und die SPD hat sich in die Bredouille manövriert. Denn Drinbleiben in der GroKo ist fatal, der Ausstieg ist es aber ebenfalls.
    Wenn er gut läuft, der Bundesparteitag an diesem Wochenende in Berlin, dann bringt er mit Ach und Krach eine Schadensbegrenzung zustande. Geplant war das ganz anders. Ende August hatten acht Teams und ein aussichtsloser Einzelkandidat ihr Interesse am “schönsten Amt neben Papst” (Franz Müntefering) angemeldet. Das Verfahren wurde hochgejubelt, die 23 Regionalkonferenzen in der ganzen Republik waren bemerkenswert gut besucht, einige sogar übervoll, an Versprechungen gab es keinen Mangel. “Die SPD hat jetzt die Wahl: Weiter so! oder Neuanfang?”, hatte das Tandem Esken/Walter-Borjans in seiner Bewerbung geschrieben, “wir wollen den Neuanfang!” Und weiter: “Wir wollen der SPD das zurückgeben, was viele an ihr vermissen: Standhaftigkeit und Glaubwürdigkeit!”
    Seit vergangenen Samstag, 18 Uhr, ist zu beobachten, wie die beiden mühsam versuchen, Anspruch und Wirklichkeit in Deckung zu bringen. Die Latte liegt auf Weltrekordhöhe. “Jetzt ist Lieferando”, kommentiert ein Juso nur wenige Minuten nach Bekanntgabe des Ergebnisses im Willy-Brandt-Haus. Die digitale und die reale Welt der Roten quillt über in einer Mischung aus Skepsis, Erwartungen und guten Ratschlägen. Die SPD-Kreisvorsitzende in Freudenstadt, Viviana Weschenmoser, eine Unterstützerin des Gewinner-Teams, beklagt in der FAZ “das lange Verteidigen von Kompromissen” und hofft, dass der Parteitag “Saskias Empfehlung folgt, die Groko zu verlassen: Einmal runterrasieren, und dann Ciao Kakao”.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung

    dazu: Niemand hat die Absicht, einen Vertrag zu brechen
    Jene, die sich in der SPD für das Ende der Großen Koalition aussprechen, werden zu Unrecht kritisiert
    Nachdem die SPD in den Augen der konservativen Presse und der Union mal wieder Richtung Sozialismus tendiert, musste sie gleich mal klarstellen: Nur weil Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sich jetzt den Parteivorsitz teilen, ändert das an der Großen Koalition zunächst mal gar nichts. Die beiden sollen sich bloß nicht in die Idee verrennen, die schwarz-rote Regierung neu justieren zu wollen. Damit ist Essig! Linksruck ist abgesagt. Und warum? Weil es einen Koalitionsvertrag gibt! […]
    Einen ganz kleinen Haken gibt es nun bei dieser Argumentation: Die guten Damen und Herren aus der Union steigern sich in etwas hinein. Nämlich in einen Vertrag. Einen, den es so gar nicht gibt. Na sicher doch, gemeinhin spricht alle Welt vom Koalitionsvertrag. Aber das ist nur Umgangssprache. Das hat sich irgendwann so eingebürgert. Vor einigen Jahren sprach man in diesem Zusammenhang noch eher von Koalitionsvereinbarung. Denn genau das ist diese temporäre Übereinkunft zweier oder mehrere Parteien in der Tat: Eine Vereinbarung. Eine Absichtserklärung, wie Juristen das auch zu nennen pflegen.
    Quelle: Heppenheimer Hiob

  16. Joe Kaeser bekommt fast 50 Prozent mehr Geld
    Das Gehalt von Siemens-Chef Joe Kaeser steigt im Geschäftsjahr 2018/19 auf 14,25 Millionen Euro. Im Vergleich zum Vorjahr bekommt Kaeser damit 48,5 Prozent mehr. Der Grund ist eine Umstellung des Bonussystems. Ein Teil des Vorstands bekommt den Bonus für 2015 zusätzlich in diesem Jahr ausgezahlt.
    Quelle: Süddeutsche


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