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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 24. März 2020 um 8:18 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Das Bild des Alterns als Horrorgemälde
  2. Wie gefährlich ist Covid-19?
  3. Pandemie der kollektiven Hysterie
  4. Großbritannien – Gesundheitssystem droht der Kollaps
  5. Frankreich – Maskenstreit
  6. Blamage für Bundesregierung: Heinsberger CDU-Landrat bittet verzweifelt China um Hilfe gegen Corona
  7. Die Coronakrise ist die Stunde der Regierung. Und was macht die Opposition?
  8. The Bio-Economic Pandemic and the Western Working Classes
  9. Niedriglöhner trifft es am stärksten
  10. Hierarchie der Not
  11. SPD-Innenminister Pistorius fordert Strafen gegen Fake News
  12. Die Corona-Krise ist kein Freibrief für gewagte politische Entscheidungen
  13. US-Justizministerium will im Notstand Menschen unbegrenzt ohne Prozess inhaftieren können
  14. Wie Südkorea das Coronavirus ohne Ausgangssperre eindämmt
  15. Polen und Tschechien beschlagnahmen chinesische Hilfe für Italien
  16. Wer braucht schon Autos
  17. Neoliberale Viruserkrankungen
  18. Der geheime Eigentümer der Immobiliengruppe Lebensgut

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Das Bild des Alterns als Horrorgemälde
    Mit Zukunftsrechnungen und Statistiktricks wird ein düsteres Bild des demografischen Wandels gezeichnet. Dabei müssen wir bis 2060 jedes Jahr nur einen von 335 Erwerbsfähigen wegen der Alterung ersetzen.
    Seit Sommer 2018 tagt im Auftrag der Bundesregierung die „Rentenkommission Verlässlicher Generationenvertrag“ – kurz „Rentenkommission“. Dort debattieren Politiker, Wissenschaftler, Arbeitgeber und Gewerkschafter über die Zukunft der Alterssicherung. Eine entscheidende Rolle in den Debatten der Kommission spielt vor allem eines: die Frage der demografischen Entwicklung und insbesondere die Alterung der Gesellschaft.
    Letztere wird in der heutigen demografischen Diskussion überwiegend vor allem unter negativen Vorzeichen betrachtet. Wird das Bild der „Überalterung“ heute auch nicht mehr so dramatisch gezeichnet wie in den frühen 2000er Jahren, so wird doch oft – viel zu oft – über die angeblich nicht mehr zu bewältigende Last gesprochen: zu viele Rentner, zu viele Pflegebedürftige sprengen angeblich den finanziellen Rahmen oder gehen zu Lasten der jungen Generation.
    Quelle: Gerd Bosbach und Klaus Bingler auf Makroskop
  2. Wie gefährlich ist Covid-19?
    Ein Grundproblem ist das Fehlen verlässlicher und vergleichbarer Daten. Nach einer Studie liegt die Mortalität ähnlich wie die der Influenza zwischen 0.04% und 0.12%
    Ein Problem beim neuen Coronavirus könnte sein, dass die Infektion bei vielen Menschen so harmlos ist, dass sie eine Erkrankung gar nicht bemerken. Nach chinesischen Daten könnte ein Drittel der durch Tests positiv, aber asymptomatisch Infizierten zur Kategorie der “stillen Träger” gehören. […]
    Eine Studie, die die Situation in Wuhan und bei Japanern untersuchte, die aus Wuhan ausgeflogen wurden, kam zu einer geschätzten Mortalität zwischen 0.04% und 0.12%, was deutlich geringer ist als die lang angenommenen 3-4 Prozent. Die Wissenschaftler schätzen, dass fast 2 Millionen Einwohner von Wuhan, also 20 Prozent der Bevölkerung, infiziert wurden. Durch die scharfen Maßnahmen in Wuhan sei die Mortalität von anfänglich 5,2 Prozent auf 0,58 Prozent gesenkt worden.
    Entscheidende Größe: Zahl der asymptomatischen Infizierten
    In China wurden bis Ende Februar über 40.000 Menschen positiv getestet und in Quarantäne gesteckt, ohne Symptome gezeigt zu haben. Das sollen geheime Daten zu zeigen, die SCMP einsehen konnte. Aber sie wurden seltsamerweise nicht als bestätigte Infizierte gezählt, so dass die damals genannte Zahl von 80.000 wegen der asymptotisch Infizierten eigentlich zu niedrig war. Daraus leitet sich aber auch die Prozentzahl der Todesfälle ab, die danach zu hoch war. Normalerweise zeigt ein Infizierter innerhalb von durchschnittlich 5 Tagen Symptome, was aber auch bis zu drei Wochen dauern kann. Normalerweise wird die Inkubationszeit auf 14 Tage gesetzt.
    Es herrscht Konfusion international über die Statistiken. Die WHO betrachtet alle positiv Getesteten als bestätigte Fälle, auch wenn sie keine Symptome zeigen. Das macht auch Südkorea so, während China ab dem 7. Februar nur Menschen mit Symptomen als bestätigte Fälle aufführte.
    Quelle: Telepolis
  3. Pandemie der kollektiven Hysterie
    Risiko ist immer ein Konstrukt unserer Wahrnehmung, da die Realität permanent durch die Wahrnehmung erschaffen wird. Und unsere höchst individuelle Risikowahrnehmung ist davon abhängig, was unsere Sinne zu einem Gesamtbild verdichten. Übertragen auf die Pandemie der kollektiven Hysterie rund um Covid-19 ängstigen sich viele Menschen zu Tode und blenden damit die wahren Risiken aus. Das geht auch unseren politischen Entscheidungsträgern nicht anders. Entscheidungen werden nicht basierend auf rationalen Daten und Fakten getroffen, sondern basierend auf einer eher emotional und subjektiv getriebenen Wahrnehmung der Realität.
    Unser (Halb-)Wissen, unsere Emotionen, unsere Moralvorstellungen und Meinungen von Experten und selbsternannten Experten bestimmen dieses Konstrukt der Risikowahrnehmung. Was der eine “Experte” als Risiko wahrnimmt, muss für den anderen “Experten” noch lange kein Risiko sein. Und diese hohe Volatilität der Bewertung von Szenarien führt bei vielen Menschen zu Unsicherheit und Angst.
    Risikowahrnehmung basiert nicht selten auch auf Hypothesen. Dadurch werden häufig für gleiche Risiken unterschiedliche Vermutungen und Theorien aufgestellt. So spricht Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztliche Bundesvereinigung und Facharzt, im Zusammenhang mit Covid-19 von einer medialen Infektion und fordert einen schnellen Wechsel vom Panikmodus in einen rationalen Modus. Viele Wissenschaftler, wie beispielsweise der britische Epidemiologe Tom Jefferson, der am renommierten Cochrane Institut in Rom forscht, kann keinerlei Besonderheiten beim Covid-19-Virus erkennen, außer die Tatsache, dass es ein neuartiger Virus ist. Covid-19 sei wie ein neues Automodell, aber eher vergleichbar mit einem Kleinwagen, so Jefferson.
    Quelle: Risknet
  4. Großbritannien – Gesundheitssystem droht der Kollaps
    In Großbritannien liegt das staatliche Gesundheitssystem seit Jahren brach. Auf die Corona-Pandemie ist es überhaupt nicht vorbereitet – und droht nun der Zusammenbruch.
    “Wir können das Blatt innerhalb von zwölf Wochen wenden.“ So sagt es der britische Premierminister Boris Johnson, gewohnt blumig. Selbst wenn Johnson damit Recht behält: Viele, wahrscheinlich sehr viele Briten sind in akuter Gefahr, das Ende dieser zwölf Wochen nicht zu erleben. Denn das britische Gesundheitssystem, der staatliche National Health Service (NHS), ist denkbar schlecht vorbereitet auf diese Pandemie.
    Vor dem Ausbruch hatten die britischen Krankenhäuser gerade einmal 5.000 Beatmungsgeräte auf den Intensivstationen. Nicht einmal sieben pro 100.000 Einwohner. Platz 24 unter 31 europäischen Ländern. Im Vergleich: In Deutschland gab es schon vor dem Ausbruch fast 30 Beatmungsgeräte pro Hunderttausend Einwohner. 6,6 in Großbritannien zu 29,2 in Deutschland.
    Inzwischen sollen auf der Insel 3000 weitere Beatmungsgeräte hinzu gekommen sein, auch das ist aber immer noch weit entfernt von der Versorgung in Deutschland. Premier Johnson hat deshalb Autohersteller wie Rolls Royce und Bagger-Produzenten wie JCB aufgerufen, die Produktion auf Beatmungsgeräte umzustellen. Eine Koalition von britischen Industrieunternehmen arbeite daran, schnell Beatmungsgeräte liefern zu können. Im Zweiten Weltkrieg hätten es solche Firmen ja auch geschafft, auf den Bau von Spitfire-Jagdflugzeugen umzustellen.
    Einen Spezialisten wie das Drägerwerk in Lübeck gibt es in ganz Großbritannien nicht. Ein Schweizer Hersteller hatte die Briten schon früher vor dem Mangel in den Intensivstationen gewarnt. Doch die konservativen Regierungen haben das staatliche Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren so kurz gehalten, das auch die Notfallversorgung immer schlechter wurde.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung JK: Eigentlich keine Überraschung in dem Land, in dem als erstes Land in Europa durch Margaret Thatcher die neoliberale Agenda durchgesetzt und das durch die neoliberale Politik deindustrialisiert wurde, weil man ja woanders immer auch billiger produzieren kann. Würde durch die Corona-Pandemie die Ideologie des Neoliberalismus endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landen wäre dies wenigstens ein positiver Aspekt des aktuellen Schreckens.

    Anmerkung Jens Berger: Wir erinnern uns. Die Stärkung des nationalen Gesundheitssystems NHS war stets das große Wahlkampfthema von Jeremy Corbyn. Die Briten wählten jedoch Cameron, May und Johnson. Man sollte hier auch nicht vergessen, dass diese Premiers sich gegen Corbyn nur durch die massiven Mehrheiten bei den alten Wählern durchsetzen konnte. Die sind es jetzt, die als Risikopersonen um ihr Leben fürchten müssen. Hoffen wir, dass dies einen Lerneffekt hat.

  5. Frankreich – Maskenstreit
    Sie schützen nicht alle gleich gut, manche werden schon zu Hause zusammengenäht, doch in ihrer Profi-Variante namens FFP2 oder FFP3 sind sie für das Gesundheitspersonal unverzichtbar: Atemschutzmasken gehören in Corona-Zeiten zur Grundausstattung der Krisenbekämpfung – aber überall in Europa sind sie Mangelware. Das liegt daran, dass China als der mit Abstand weltgrößte Hersteller sein länger geltendes Exportverbot erst kürzlich wieder aufgehoben hat.
    In den beiden größten Ländern Europas, Deutschland und Frankreich, werden die Folgen jetzt sichtbar. Die Bundesregierung hat eine Genehmigungspflicht für Exporte in Drittstaaten vorgeschrieben und beschlagnahmt teilweise die begehrte Ware – in dieser Woche etwa in Mönchengladbach, wo die Zollbehörde ein Vertriebszentrum des amerikanischen Herstellers 3M besuchte und Atemschutzmasken sowie Schutzbekleidung für Fachpersonal sicherstellte, wie die „Rheinische Post“ berichtete. Aus Bayern meldete die Uniklinik Augsburg wegen der Knappheit extreme Preisanstiege für Atemschutzmasken.
    In Frankreich ist besonders das Gesundheitspersonal erzürnt über die Mangelwirtschaft. Denn die Regierung verfügte bis 2010 noch über einen Lagerbestand von 1 Milliarde chirurgischer Masken und 600 Millionen Masken des Profistandards FFP2. „Doch nach der H1N1-Grippewelle von 2011 wurde entschieden, dass man diese Lager nicht mehr brauche und die weltweite Produktion ausreiche“, berichtete der Gesundheitsminister Olivier Véran. […]
    Quelle: FAZ
  6. Blamage für Bundesregierung: Heinsberger CDU-Landrat bittet verzweifelt China um Hilfe gegen Corona
    Der Landrat von Heinsberg, Stephan Pusch (CDU), hat einen offenen Brief an den Präsidenten der Volksrepublik China, Xi Jinping, verfasst, wie die Deutsche Presse-Agentur vermeldete. Heinsberg gilt als sogenannter Corona-Hotspot. In dieser Region wurden besonders viele Corona-Fälle registriert. In seinem Brief, den er an die Botschaft der Volksrepublik in Berlin adressierte, appelliert der konservative Kommunalpolitiker an den ostasiatischen Staat, Heinsberg mit dringend benötigten medizinischen Gütern zu beliefern. Der Bestand an Masken und Schutzkitteln im Kreis drohe innerhalb weniger Tage aufgebraucht zu sein, so Pusch.
    China hatte erst vor Kurzem der Bundesregierung angeboten, Unterstützung zu leisten, sollte diese benötigt werden. Doch bisher ist Berlin auf dieses Angebot nicht eingegangen – im Gegensatz zu zahlreichen anderen europäischen Staaten.
    Die chinesischen Gesundheitsverantwortlichen hätten, so Pusch, offensichtlich die meiste Erfahrung im Kampf gegen das Corona-Virus. Seine Kreisverwaltung habe daher auch ein Interesse an einem fachlichen Austausch mit den chinesischen Stellen. Zudem könne der Landrat sich eine Partnerschaft mit dem Epizentrum der Corona-Pandemie in China, der Provinz Wuhan, gut vorstellen.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung Jens Berger: Zumindest muss man Herrn Pusch eine gewisse Lernkurve zugestehen. Vor zwei Wochen wollte er schließlich noch Udo Lindenberg nach Heinsberg einladen.

  7. Die Coronakrise ist die Stunde der Regierung. Und was macht die Opposition?
    Ganz anders könnte das bei der Linken sein. Ihre Themen haben schließlich in der Krise Konjunktur: Die Regierenden mahnen zur Solidarität, Solo-Selbstständige haben Angst um ihre Existenz, Angestellte rutschen in die Kurzarbeit, Menschen, die nicht viel Geld verdienen, wie Krankenpfleger oder Kassierer an der Supermarktkasse stehen im Fokus der Öffentlichkeit.
    Doch auch die Linke dringt nicht durch. Parteichefin Katja Kipping fordert zwar umfassende Maßnahmen, etwa ein Überbrückungsgeld, das unter anderem Kleinstunternehmen ausgezahlt werden soll oder auch ein vorübergehendes Grundeinkommen. Doch die Genossen werden nicht gehört. …
    Für die AfD ist die Krise schlecht: Eine Regierung, die handelt und zum Teil drastische Maßnahmen durchsetzt, ist das Gegenteil des vielbeschworenen angeblichen “Staatsversagens”, das die AfD der Kanzlerin so gern vorwirft.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung JK: Ist das die berüchtigte Hybris der deutschen “Qualitätsjournalisten”? Die Frage nach der Opposition ist zynisch, kommt diese in der aktuellen Berichterstattung der “Qualitätsmedien”, die im Grunde nur noch Hofberichterstattung aus dem Berliner Kanzleramt ist, gar nicht mehr vor.

  8. The Bio-Economic Pandemic and the Western Working Classes
    The Covid-19 Shock Meets an Impending Economic Recession
    As of March 2020, the world is back to the future. The global financial crisis of 2007-08, which escalated into a global financial meltdown in September 2008, was supposed to be the big bang crisis, a once in a lifetime event. And yet, here we are again.
    The Russia-Saudi Arabia oil dispute of early March 2020, which has led to a freefall in the price of crude oil and was directed at the US fracking industry, as well as the economic shocks resulting from the globalization of the Coronavirus seem to have caused a new global recession. This has been declared by numerous mainstream economists like Harvard’s Kenneth Rogoff and Pankaj Mishra who are convinced that the world has already entered a new global economic crisis. A few days later central bankers like Germany’s Bundesbank chairman Jens Weidmann announced his expectation that a recession was “probably inevitable by now.”
    Most people’s thinking is determined by the development of the Covid-19 crisis, the return of “the hour of executive power” (Gerhard A. Ritter), i.e. state of exception legislation, and the fears which it evokes as well as the economic measures which appear to be in response to the health crisis. By disrupting international supply chains and severely harming a highly vulnerable just-in-time production global economy, Covid-19 clearly accelerated the transition into recession; and yet, this recession was already upon us by the end of last year.
    Quelle: Ingar Solty auf SP
  9. Niedriglöhner trifft es am stärksten
    Coronakrise: Viele Beschäftigte im Gaststättengewerbe sind bereits in Kurzarbeit – Linke fordert Notfonds. Ein Gespräch mit Susanne Ferschl.
    Die Maßnahmen gegen die weitere Verbreitung des Coronavirus bedeuten Lohneinbußen für viele Beschäftigte. Wo sind die Pro­bleme am größten, wie viele Menschen werden betroffen sein?
    Ich kann die Zahl der Betroffenen nicht genau beziffern und an dieser Stelle nur die Bundesagentur für Arbeit zitieren, die verlautbarte, dass die Anfragen aktuell »durch die Decke gehen«. Für mich ist klar, dass es mehrere Millionen sein werden. Die Probleme sind in den Bereichen der prekär Beschäftigten am größten: Niedriglöhner, Teilzeitbeschäftigte, Minijobber et cetera – sie trifft es am stärksten.
    Die Gewerkschaften haben nach einem Treffen der Sozialpartner mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, erklärt, dass das Kurzarbeitergeld in der Regel 60 bis 67 Prozent des Lohns umfasst und nicht zum Leben reiche. Sehen Sie das auch so?
    Ja, natürlich, das ist wirklich viel zu wenig. Wenn wir uns das Gaststättengewerbe anschauen, ist das zum Beispiel eine Branche, in der sehr niedrige Löhne bezahlt werden. Wenn die Beschäftigten jetzt nochmal bis zu 40 Prozent Lohneinbußen hinnehmen sollen, ist das existenzbedrohend. Mieten und laufende Kosten müssen bezahlt werden, das ist für viele mit diesen Lohneinbußen nicht möglich.
    Wie hoch muss das Kurzarbeitergeld angesetzt werden, um existenzsichernd zu sein?
    Die verabschiedete Regelung zum Kurzarbeitergeld sieht vor, dass Unternehmen ihre Beschäftigten trotz Überstunden in Kurzarbeit schicken können und selbst für die ausgefallenen Arbeitsstunden die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge zurückerstattet bekommen. Ich finde, dass die Rückerstattung daran gekoppelt werden muss, dass Unternehmer ihren Beschäftigten das Kurzarbeitergeld auf mindestens 90 Prozent aufstocken und für einen gewissen Zeitraum betriebsbedingte Kündigungen im Anschluss an die Kurzarbeit ausschließen. Diese Regelung, die in einigen Unternehmen bereits tarifvertraglich gilt, muss allgemeinverbindlich werden.
    Quelle: junge welt
  10. Hierarchie der Not
    Der Ausnahmezustand legt soziale Ungleichheiten gnadenlos offen und verschärft sie. Er ist Kontrastmittel und Gift zugleich. Die Schwächeren tragen die größere Last und das größere Risiko.
    Das gilt für beide Bevölkerungsteile: für jene, die nicht mehr normal arbeiten können, und für jene, die jetzt erst recht arbeiten müssen. Je weniger die ungleiche Verteilung des Leids abgefedert wird durch Politik und private Solidarität und je länger der Ausnahmezustand dauert desto eher kann daraus gesellschaftlicher Sprengstoff werden.
    Der Sozialwissenschaftler Stefan Sell spricht von einer “Hierarchie der Not”. Bei den nicht “Systemrelevanten” sieht diese Hierarchie so aus: Am oberen Ende richten sich die Denkarbeiter im Homeoffice ein und hadern mit der Qualität der Videokonferenzen. Und am unteren Ende wissen viele nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen.
    Selbst bei den Kurzarbeitern gibt es Unterschiede: Wer bei VW oder BMW beschäftigt ist, wo man eh schon besser verdient, bekommt bis zu 90 Prozent des Lohns, weil die IG Metall aufstockt. Andere in Unternehmen ohne Tarifbindung bekommen nur 60 bis 67 Prozent. “Wir haben allein 3,7 Millionen Vollzeitbeschäftigte, die weniger als 2.000 Euro Brutto verdienen”, sagt Sell. “Für die ist Kurzarbeit eine Bedrohung.” Noch darunter kommen die Soloselbstständigen, die von einem Tag auf den anderen kein Einkommen mehr haben. Künstler, Friseure, aber auch Messebauer.
    Quelle: Zeit
  11. SPD-Innenminister Pistorius fordert Strafen gegen Fake News
    Falschnachrichten und Gerüchte verunsichern in der Coronakrise die Bevölkerung. Niedersachsens SPD-Innenminister Pistorius ruft die Bundesregierung nun zum Einschreiten auf.
    […] Pistorius rief die Bundesregierung zum Handeln auf. “Ich bitte daher den Bund, koordinierend tätig zu werden, und entweder Möglichkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz aufzuzeigen oder schnellstmöglich das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten beziehungsweise das Strafgesetzbuch anzupassen”, sagte der SPD-Politiker: “Es muss verboten werden, öffentlich unwahre Behauptungen die Versorgungslage der Bevölkerung, die medizinische Versorgung oder Ursache, Ansteckungswege, Diagnose und Therapie von Covid-19 zu verbreiten.”
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Christian Reimann: Die Versorgungslage ist das eine – hier können auch auf Grundlage der bestehenden Rechtslage Falschmeldungen offensichtlich schnell ermittelt werden. Aber wie sieht das bei medizinischen Fragen aus? Über “Ursache, Ansteckungswege, Diagnose und Therapie von Covid-19” könnte es auch innerhalb der Medizin strittige Positionen geben. Sind von der Mehrheit abweichende Meinungen “Fake News” und sollten strafrechtlich belangt werden? Und wer genau soll darüber entscheiden, was “Fake News” sind – Juristen oder Mediziner? Und auf welcher Grundlage – etwa einem verschärften Strafgesetzbuch?

    Es könnte auch der Eindruck entstehen, dass der gelernte Jurist und Niedersachsens Innenminister, Herr Pistorius (wie seinerzeit Herr Schily als Bundesinnenminister) sich als “Hardliner” präsentieren möchte – und in der Corona-Krise eine willkommene Gelegenheit dazu sieht. Der Ruf nach Gesetzesverschärfungen während einer Ausnahmesituation ist sehr riskant, denn die neuen Regelungen würden dann nicht lediglich für den aktuellen Istzustand gelten, sondern über den besonderen Zustand hinaus. Ist das ernsthaft gewollt?

    Anmerkung JK: Hier sollten langsam die Alarmglocken schrillen. Die Begehrlichkeiten verbriefte Grundrechte vor dem Hintergrund der Corona-Epidemie außer Kraft zusetzen nehmen zu. Es ist durchaus fragwürdig, dass durch das Infektionsschutzgesetz offenbar recht einfach die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ausgehebelt werden kann.

  12. Die Corona-Krise ist kein Freibrief für gewagte politische Entscheidungen
    In der Corona-Krise werden bürgerliche Rechte und Selbstverständlichkeiten in erheblichem Maße eingeschränkt. Wenn der Eindruck nicht täuscht, geschieht das gerade in einem unausgesprochenen gesellschaftlichen Konsens. Das ist kein Freibrief für gewagte politische Entscheidungen, sondern vielmehr eine Art Vertrauensvorschuss, der in Form sozialer Ausgewogenheit zurückgezahlt werden muss.
    Bekannte gesellschaftliche Konflikte werden in verschärfter Form fortbestehen. Wie es aussieht, ist der Versandhandel derzeit Profiteur einer weitgehenden Aussetzung des Einzelhandels. Angesichts dieser Situation ist es ein anhaltender wirtschaftspolitischer Skandal, dass global agierende Handelsriesen wie Amazon hierzulande kaum Steuern zahlen und an dieser spitzfindigen Vermeidungsstrategie auch festzuhalten gedenken. Ökonomische und soziale Fehlentwicklungen gehen aber keineswegs nur auf das Konto transnational agierender Konzerne. Die vielen sogenannten Soloselbstständigen, die nun ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, sind eine Folge einer Praxis des Outsourcings, an der sich auch viele staatliche Einrichtungen beteiligt haben. Eine Post-Corona-Politik wird hier ganz unmittelbar ansetzen müssen. Die Deregulierung der letzten Jahrzehnte, das tritt jetzt deutlicher zutage als je zuvor, war auch eine lange Phase der gesellschaftlichen Entsolidarisierung.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung JK: Der Kommentar greift am Ende einige kritische Aspekte auf, kommt aber ansonst über die übliche Merkel-Beweihräucherung der „Qualitätsmedien“ nicht hinaus.

  13. US-Justizministerium will im Notstand Menschen unbegrenzt ohne Prozess inhaftieren können
    In Deutschland nutzt man den Notstand, um vorübergehend Ausgangsbeschränkungen, Schließungen von Betrieben, Kontaktverbote für Gruppen mit mehr als zwei Personen und Abstandsgeboten zu verhängen. In Berlin und München vorbereitete Infektionsschutzgesetze sollen es ermöglichen, Material zu beschlagnahmen und Menschen zu Leistungen zu verpflichten (Gesundheitsnotstand: “Jede geeignete Person” soll zur “Erbringung von Leistungen” herangezogen werden können). Angedacht war von der Bundesregierung auch, Telekom-Provider zu verpflichten, Lokalisierungsdaten der Nutzer von Smartphones an das RKI zu geben, um festzustellen, wer Kontakt zu Infizierten hatte. …
    Die US-Regierung sucht nach Informationen von Politico [2], den Corona-Notstand auszubeuten, um noch sehr viel stärker in die Freiheitsrechte einzugreifen. Das Justizministerium will im Kongress durchsetzen, dass es während Notfällen Richter anweisen kann, Menschen unbegrenzt ohne Prozess zu inhaftieren. Man will also das Vorgehen nach 9/11 gegen so genannte “feindliche Kämpfer”, die nach Guantanamo verschleppt und inhaftiert wurden, auch auf US-Bürger anwenden. Das sei, so Politico, das Einsicht in die Dokumente gehabt haben will, nur eines der Themen, die die Regierung durchsetzen will, darunter auch zum Asylrecht, zur Prozessführung oder zur Verlängerung der Strafverfolgung.
    So soll der Generalstaatsanwalt die Möglichkeit erhalten, einen Richter eines Bezirksgerichts aufzufordern, einen Prozess bei einer Naturkatastrophe, zivilem Ungehorsam oder einem anderen Notstand ganz oder teilweise zu unterbrechen – bis zu einem Jahr nach Beendigung des Notstands. Das würde alle Phasen vor und nach Inhaftierung, vor, während und nach dem Prozess für alle Gerichtsverfahren betreffen. Das können zwar Richter schon jetzt, aber damit soll dafür gesorgt werden, dass alle Richter in einem Bezirk “konsistent” entscheiden, also die Regierung über die Staatsanwaltschaft durchgreifen kann. Ausgehebelt würde damit eines der fundamentalsten Rechte.
    Nach dem habeas corpus hat ein Festgenommener das von der Verfassung garantierte Recht, vor einem Richter gebracht zu werden, um die Haft zu überprüfen. Das Justizminister will hingegen die Autorität vom Kongress zugestanden erhalten, jemanden unbegrenzt festhalten zu können, so lange ein Notstand oder ziviler Ungehorsam besteht.
    Quelle: Telepolis
  14. Wie Südkorea das Coronavirus ohne Ausgangssperre eindämmt
    Ganz Europa rät den Menschen dazu, die eigenen vier Wände möglichst nicht mehr zu verlassen als Maßnahme im Kampf gegen die Epidemie. Dass es auch anders geht, zeigt Südkorea.
    Um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, setzt ganz Europa auf Kontaktverbote oder drastische Ausgangssperren. So soll die Kurve neuer Infektionen möglichst flach gehalten. Wo man hinsieht, scheint die konsequente Einschränkung sozialer Kontakte die einzig wirksame Maßnahme im Kampf gegen das Virus zu sein. Als Vorbild gilt China. Das Land hat das neuartige Virus durch massive Lockdown-Maßnahmen mittlerweile nach eigenen Angaben einigermaßen unter Kontrolle.
    Doch es gibt auch ein Beispiel dafür, wie es anders ginge. Südkorea lag noch vor wenigen Wochen auf Platz 2 der am stärksten vom Coronavirus betroffenen Länder, direkt nach China. Rund 8.000 Menschen haben sich dort infiziert. Noch am 29. Februar wurden mehr als 900 Neuinfektionen gemeldet – innerhalb von drei Woche sank die Zahl vergangene Woche auf etwas über 70.
    Mittlerweile schwanken die Neuinfektionen, an einigen Tagen werden es mehr, an anderen weniger, man könnte sagen, die Kurve in Südkorea verläuft mittlerweile fast waagerecht. Die Sterblichkeitsrate ist mit etwa einem Prozent vergleichsweise gering. Im weltweiten Corona-Vergleich liegt das Land mittlerweile nur noch auf Platz 8.
    Und das, obwohl es dichter besiedelt ist als Deutschland. Viel wichtiger noch: Südkorea ist im Gegensatz zu China wie Deutschland eine Demokratie – und musste bislang nie eine Ausgangssperre verhängen. Im Gegenteil: “Wir finden, dass ein Lockdown keine vernünftige Lösung ist”, sagte Kim Woo-Joo, ein Virologe der Korea University, dem Wissenschaftsmagazin “Science”. Südkorea verzichtet weitgehend auf Freiheitsentzug der Bürgerinnen und Bürger. Zwar sind Schulen geschlossen, Restaurants, Geschäfte und Shopping Malls aber blieben weiter geöffnet, ein Ausgangsverbot für die Bevölkerung gibt es bislang nicht.
    Quelle: Berliner Zeitung
  15. Polen und Tschechien beschlagnahmen chinesische Hilfe für Italien
    Während Staaten wie Russland, Kuba und China den von der Corona-Epidemie befallenen europäischen Ländern zu Hilfe eilen, scheinen sich diese selbst gegenseitig zu behindern. So sollen etwa Polen und Tschechien für Italien bestimmte Hilfslieferungen beschlagnahmt haben.
    Zwei Hilfslieferungen mit medizinischen Gütern aus China, die eigentlich für Italien bestimmt waren, sind von Polen und Tschechien beschlagnahmt worden. Das berichtete die italienische Tageszeitung La Repubblica. Bei der Hilfslieferung, die von tschechischen Behörden einkassiert wurde, handele es sich um fast 700.000 Atemschutzmasken sowie einige Tausend Beatmungsgeräte, die in Italien, wo täglich Hunderte Patienten an einer Corona-Infektion sterben, dringend benötigt werden. Dabei sollen die Lieferungen explizit als humanitäre Hilfe gekennzeichnet gewesen sein.
    Ursprünglich hatten tschechische Behörden behauptet, sie hätten die Hilfslieferungen während einer Razzia gegen Preiswucherer beschlagnahmt. La Repubblica hatte aber berichtetet, dass das Hilfsmaterial bereits an tschechische Krankenhäuser verteilt worden sei. Nachdem der Vorfall bekannt wurde, schwieg Prag einige Tage, bevor es sich dann entschloss, Masken und Beatmungsgeräte an Italien zu schicken.
    In Polen soll ebenfalls eine Lieferung aus China für Italien beschlagnahmt worden sein. Dieser Transport habe 23.000 Masken enthalten. Polnische Behörden dementierten den Vorfall jedoch.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung JK: Soviel zu einem „gemeinsamen Europa“.

  16. Wer braucht schon Autos
    Die Welt befindet sich in einer beispiellosen Lage, sagte UN-Generalsekretär António Guterres Mitte März. Da stand die Pandemie in Deutschland noch ganz am Anfang. Die üblichen Regeln, so Guterres, hätten keine Gültigkeit mehr: „Covid-19 tötet Menschen und greift das Herz unserer Realwirtschaft an – Handel, Lieferketten, Unternehmen, Arbeitsplätze.“ Die „üblichen Regeln“, die angesichts der Corona-Krise außer Kraft gesetzt werden, sind jene des Marktes. Eine der Regeln ist, dass private Unternehmen nur das herstellen, was sich – voraussichtlich – mit Gewinn verkaufen lässt. …
    Der Staat macht angesichts der Krise eine Kehrtwende um 180 Grad. Haushaltsdefizit, Staatsverschuldung? Darüber reden wir später, so die Kanzlerin. Eines dürfte sicher sein: Aufgebürdet werden die Folgen der staatlichen Maßnahmen zur Rettung der Wirtschaft am Ende wieder jenen, die am mittleren und vor allem untersten Ende der Nahrungskette stehen. Ziemlich sicher werden die dazu gehören, die jetzt zu den sogenannten systemrelevanten Gruppen gezählt werden, die dafür sorgen, dass die Grundversorgung, auch die medizinische, aufrechterhalten bleibt. Es sind oft jene, die nicht im Homeoffice sitzen können, die mit den niedrigeren Einkommen. Es sind auch jene, die derzeit viele warme Worte aus der Politik zu hören bekommen, Worte, an die sich später niemand mehr erinnern wird. Der Appell an die Solidarität preist das ein. …
    Die staatlichen und wirtschaftlichen Notfallmaßnahmen in der Corona-Krise tragen den Charakter einer am Bedürfnis orientierten Regulierung von Produktion und Konsumtion, zuvorderst im nationalen Rahmen. Diese Maßnahmen werden sich möglicherweise tief in die kollektive Erinnerung einschreiben, als ein großer Aha-Effekt: Was alles geht, wenn’s drauf ankommt! Genau deshalb darf man sich auf einen erbitterten Deutungskampf einstellen. Wird all das später als krisenbedingte, historische Ausnahme verworfen oder kann die Erinnerung an das, „was geht“, genutzt werden für die „Ausweitung der Kampfzone“ und vor allem für eines: Für eine längst fällige gesellschaftliche Debatte darüber, wie und zu welchem Zweck wir eigentlich künftig miteinander produzieren wollen.
    Quelle: Freitag
  17. Neoliberale Viruserkrankungen
    Wenn es gut läuft, könnte uns jetzt ein Virus von einer rigorosen Belagerung zwar nicht von Außerirdischen, aber von einer Ideologie befreien, indem es uns aufs deutlichste vor Augen führt, wie begrenzt und wenig hilfreich deren Instrumentarium und deren Implikationen sind, wenn es um tatsächliche Krisenbewältigung geht.
    Gemeint ist hier das, was gerne unter dem Begriff des Neoliberalismus gefasst wird. Dabei sollte man sich von der Idee verabschieden, beim Neoliberalismus handele es sich um eine ökonomische Schule, die gerade großen Einfluss auf die Politik genießt. Neoliberalismus ist als weit umfassender zu begreifen. Richtiger ist daher wohl zu sagen, beim Neoliberalismus handelt sich um ein tief in die Gesellschaft implementiertes Herrschaftsinstrument, dessen gedankliche Grundlagen inzwischen nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen infiziert haben. Wir alle sind mittlerweile mehr oder weniger stark infiziert von einer todbringenden Ideologie. …
    So haben wir zugelassen, dass weite Teile des Gesundheitssystems privatisiert und die dort Beschäftigten wie in nahezu allen anderen Berufen auch von Lohnsteigerungen im Rahmen der Produktivitätsentwicklung abgeschnitten wurden. Der Effekt ist heute ein Mangel an Pflegekräften. Denn wer nicht mehr sicher sein kann, nach Jahrzehnten gesellschaftlich relevanter, schwerer Arbeit von der Gesellschaft mit einer armutsfesten Rente abgesichert zu werden und einen auskömmlichen Lebensstil führen zu können, sucht sich besser beizeiten einen anderen Job, der dies (hoffentlich) besser garantiert.
    Dank der umfassenden Privatisierung ist für die Krankenhäuser heute der Gewinn der Gradmesser ihres Erfolgs geworden. Das zieht als betriebswirtschaftliches Ziel eine dauerhafte Auslastung von einhundert Prozent oder möglichst noch darüber zwingend nach sich, obendrein bei möglichst geringem Personalaufwand, versteht sich.
    Das heißt aber auch, dass Deutschland bei allem Selbstlob über das Gesundheitssystem nicht die Kapazitäten vorhalten und auch nicht in kurzer Zeit zusätzlich bereitstellen kann, die eine Krise wie die aktuelle auch nur annähernd erfordert.
    Quelle: RT Deutsch
  18. Der geheime Eigentümer der Immobiliengruppe Lebensgut
    Im Januar 2019 erfuhr Ulrike Danner, dass ihr Haus verkauft werden soll: Im Grundbuch fanden die Mieter eine Vormerkung für eine Gesellschaft: Lebensgut Beta 3 GmbH & Co KG. Danner konnte damit nichts anfangen und kann es bis heute nicht. Aber sie macht sich nichts vor: Sie lebt im Graefekiez und hat in ihrer Nachbarschaft häufiger gesehen, was geschieht, wenn renditeorientierte Investoren auftauchen. Meist ist das keine guten Nachricht für die Mieter, jedenfalls nicht für die mit alten Verträgen. Die Sache ist ihr unheimlich; deshalb will sie nicht, dass ihr richtiger Name in der Zeitung steht. „Wir haben den Namen gehört und dann erfahren: Die sitzen in Zossen, an einer Adresse mit vielen anderen Firmen“, sagt sie. „Dahinter war ein schwarzes Loch.“
    Die Recherche der Berliner Zeitung begann vor einigen Wochen mit einem Rätsel ohne Lösung: Die Firmengruppe, die unter dem Namen Lebensgut Häuser kauft und verkauft, ist selbst für den undurchsichtigen Berliner Immobilienmarkt ein auffällig intransparentes Konstrukt. Ähnlich wie bei internationalen Unternehmensgeflechten mit Offshore-Struktur bleiben die Eigentümer für die Öffentlichkeit im Dunkeln.
    Die Berliner Zeitung stieß auf ein breit gefächertes Netz mit Dutzenden Gesellschaften, das mit weiteren, noch größeren Geflechten verknüpft ist, und am Ende verlieren sich die Spuren in Anwaltskanzleien. Die entscheidenden Hinweise letztlich liefert eine Suche in der Vergangenheit: In mehrere Jahre alten Verträgen und Berichten nicht mehr existierender Firmen taucht ein Mann auf, der in der Berliner Immobilienszene einen klingenden Namen hat: Nikolaus Ziegert, der Marktführer der Berliner Wohnungsverkäufer.
    Quelle: Berliner Zeitung


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