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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 14. April 2020 um 8:33 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Journalismus in der Krise: die fünf Defizite der Corona-Berichterstattung
  2. Die Reaktion der Deutschen war ein Desaster sondergleichen
  3. COVID-19 – eine Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten, sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen
  4. Coronavirus erhöht Todesraten in mindestens acht europäischen Staaten
  5. The European Union Is Determined to Continue Making the Same Errors It Made After 2008
  6. Weltweit 81 Prozent aller Arbeitskräfte von Anti-Corona-Maßnahmen betroffen
  7. Thesenpapier zur Pandemie durch SARS-CoV-2/Covid-19
  8. Corona-Pandemie: Schwarzer Schwan auf dem Weg in die Depression
  9. Corona-Krise – Historischer Tabubruch in Sachsen
  10. Von Starken und Schwachen, von Arroganz und Unwissen
  11. Covid-19, Home Office und häusliche Gewalt
  12. Snowden Warns Governments Are Using Coronavirus to Build ‘the Architecture of Oppression’
  13. Polizei bringt “Coronoia”-Anwältin Bahner in die Psychiatrie
  14. „Sehr falsche Prioritäten gesetzt und alle ethischen Prinzipien verletzt“
  15. Weltärztepräsident urteilt hart über Ministerpräsident Söder: „Bayern steht am schlechtesten da“
  16. Reif für die Abwahl: Kabinett Merkel und das Versagen in der Corona-Krise
  17. „Wir müssen die kritischen Stimmen jetzt hören“
  18. Volksinitiative für Grundeinkommen – Ganz leise Hoffnung auf Erfolg

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Journalismus in der Krise: die fünf Defizite der Corona-Berichterstattung
    Werden wir in der Corona-Krise hochwertig informiert? Die Wissenschaftler Klaus Meier und Vinzenz Wyss blicken auf die Berichterstattung in Deutschland und in der Schweiz seit Beginn der Pandemie. Beide Forscher analysieren den Zustand des Journalismus – und erkennen fünf Defizite. […]
    Fünf Defizite, die es zu beheben gilt
    Wir befinden uns spätestens seit Anfang April mitten in einer Phase, in der Journalismus zu seiner Pflicht zurückkehren und mehr Eigenkompetenz, Distanz, Recherche und Vielfalt zeigen muss. Wir haben fünf Defizite ausgemacht, an deren Behebung in beiden Ländern einige Redaktionen schon länger arbeiten als andere, denen aber noch mehr begegnet werden kann:
    (1) Der Umgang mit Zahlen: Datenjournalistische Formate und interaktive Grafiken, die Zahlen zur Pandemie darstellen, sind optimal nutzerorientiert aufbereitet – und sie interessieren viele Nutzer auch stark. Aber das führt dazu, dass man diese Zahlen wie Tabellenstände im Sport miteinander vergleicht: Sind wir jetzt schon wie Italien oder Spanien? Wie schneiden die USA ab? Wie stehen die Bundesländer und Landkreise in Deutschland da? […]
    (2) Strukturen statt Einzelfälle: Über die genannten Zahlen hinaus heben die Routinen vor allem des Nachrichtenjournalismus bei Krisen, Konflikten und Katastrophen schon immer den schwerwiegenden Einzelfall hervor, der oft mit Kriegsrhetorik vorgetragen wird. Einordnender Kontext und Gesamtstrukturen sind in kurzer Zeit nur schwer zu recherchieren und sorgen kaum für Aufmerksamkeit. […]
    (3) Transparente Berichterstattung: Was die Bevölkerung über dieses Virus, seine Gefährlichkeit und die Wirkungen und Nebenfolgen der behördlichen Maßnahmen weiß, weiß sie fast ausschließlich über die Medien. Wieder wird wie durch ein Brennglas jetzt deutlich, wie die durch Journalismus konstruierte Medienrealität die demokratische Gesellschaft und das Leben im Alltag beeinflusst. Es wäre gerade jetzt wichtig, dass der Journalismus seine eigene Rolle in dieser Krise thematisiert und transparent über die Bedingungen, Routinen und Grenzen der Berichterstattung aufklärt. […]
    (4) Vielfältige Auseinandersetzung: Dass weitreichende politische Entscheidungen mit Eingriffen in die Grundrechte zwischen einzelnen Experten und der Exekutive im Hinterzimmer verhandelt und anschließend an die Bevölkerung distanzlos vermittelt werden, sollte die absolute Ausnahme in der Demokratie sein – und darf sich auch in den nächsten Tagen und Wochen nicht fortsetzen. In einer distanzierten Debatte müssen spätestens jetzt weitreichende Fragen gestellt und recherchiert werden. […]
    (5) Virologen als unfehlbare Medienstars: Einige wenige Chef-Virologen wurden zu unfehlbaren Medienstars aufgebaut. Doch auch die Studien und Aussagen, Ratschläge und Forderungen der Virologen sind sich im Detail nicht einig, ja können sich in dieser neuen wissenschaftlichen Herausforderung gar nicht einig sein. Eine der wichtigsten Wissenschaftstheorien des 20. Jahrhunderts ist der Kritische Rationalismus, der das Falsifikationsprinzip formuliert hat (nach Karl Popper): Wissenschaftlicher Fortschritt ist vor allem durch das Widerlegen von Theorien möglich und kaum durch dauerhaftes Bestätigen. Wissenschaftler müssen sich irren dürfen. Sie müssen sogar daran arbeiten zu beweisen, dass die Wissenschaft sich geirrt hat. Wissenschaft, also die Suche nach Wahrheit, muss per se mit Unsicherheit leben. Deshalb ist es grundfalsch, einzelne Wissenschaftler als unfehlbare Medienstars aufzubauen. Sie sind damit überfordert. Es ist nicht die Aufgabe ihrer Profession. Der Zweifel ist ihr Prinzip, nicht Gewissheit. Sie haben auch kein demokratisches Mandat. […]
    Alles in allem: Es ist an der Zeit, dass sich der Journalismus auf seine Maximen besinnt und die Folgen des Handelns zwar im Auge behält, aber nicht mehr in den Mittelpunkt redaktioneller Abwägungen stellt. Was viele Menschen jetzt als wohltuend empfinden – dass in der politischen Auseinandersetzung kein Streit allein um des Streits willen provoziert wird wie so oft in den letzten Jahren – könnte durchaus beibehalten werden. Aber ein öffentlicher Streit um des intensiven Austauschs von Argumenten willen gehört zur Demokratie wie Wasser zum Leben.
    Quelle: Meedia
  2. Die Reaktion der Deutschen war ein Desaster sondergleichen
    Das Coronavirus erschüttert die Wirtschaft. Nie zuvor in der Geschichte gab es eine vergleichbar schwere Krise. Wie schwer, das erläutert Historiker Adam Tooze. Und auch, welche Fehler gemacht worden sind.
    Das hat es nie zuvor gegeben, große Teile der Weltwirtschaft stehen still. Schuld ist das Coronavirus, zu dessen Bekämpfung die Menschen Abstand zueinander halten müssen. Mit schwerwiegenden Konsequenzen.
    Adam Tooze ist aus diesem Grund ein gefragter Mann in dieser Zeit, sein Telefon klingelt in einem fort, wie er berichtet: Denn Tooze ist einer der führenden Wirtschaftshistoriker, wie kaum jemand sonst hat er die Weltfinanzkrise von 2008/09 erforscht. Im Gespräch erklärt der Forscher, wie schlimm die derzeitige Krise wirklich ist. Und warum sie sich nicht mit den großen Crashes der Vergangenheit vergleichen lässt.
    Quelle: t-online.de
  3. COVID-19 – eine Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten, sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen
    Es ist verständlich, dass alle das Ausmass dieser Pandemie auf die eine oder andere Art erfassen möchten. Nur, die tägliche Rechnerei hilft uns nicht weiter, da wir nicht wissen, wie viele Personen lediglich folgenlos Kontakt mit dem Virus hatten und wie viele Personen tatsächlich krank geworden sind.
    Die Anzahl asymptomatischer COVID-19 Träger ist wichtig, um Vermutungen über die Ausbreitung der Pandemie machen zu können. Um brauchbare Daten zu haben, hätte man jedoch zu Beginn der Pandemie breite Massentests durchführen müssen. Heute kann man nur noch vermuten, wie viele Schweizer Kontakt mit COVID-19 hatten. Eine Arbeit mit einer amerikanisch-chinesischen Autorenschaft hat schon am 16. März 2020 publiziert, dass auf 14 dokumentierte mit 86 nicht-dokumentierten Fällen von COVID-19-positiven Personen zu rechnen ist. In der Schweiz muss man deshalb damit rechnen, dass wohl 15x bis 20x mehr Personen COVID-19-positiv sind, als in den täglichen Berechnungen dargestellt wird.
    Um den Schweregrad der Pandemie zu beurteilen, bräuchten wir andere Daten:
    eine exakte, weltweit gültige Definition der Diagnose «an COVID-19 erkrankt»: a) positiver Labortest + Symptome; b) positiver Labortest + Symptome + entsprechender Befund im Lungen-CT; oder c) positiver Labortest, keine Symptome, aber entsprechende Befunde im Lungen-CT.

    • die Anzahl hospitalisierter COVID-19-Patienten auf der Allgemeinabteilung
    • die Anzahl COVID-19-Patienten auf der Intensivstation
    • die Anzahl beatmeter COVID-19-Patienten
    • die Anzahl von COVID-19-Patienten am ECMO
    • die Anzahl an COVID-19 Verstorbenen
    • die Anzahl infizierter Ärzte und Pflegepersonen

    Nur diese Zahlen ergeben ein Bild vom Schweregrad dieser Pandemie, respektive von der Gefährlichkeit dieses Virus. Die aktuelle Anhäufung von Zahlen ist derart ungenau und hat einen Touch von «Sensations-Presse» – das letzte, was wir in dieser Situation noch brauchen. […]
    Handelt es sich hier nur um «eine gewöhnliche Grippe», die jedes Jahr vorüberzieht und gegen die wir üblicherweise «nichts» unternehmen – oder um eine gefährliche Pandemie, welche rigide Massnahmen benötigt?
    Um diese Frage zu klären, muss man bestimmt keine Statistiker fragen, die noch nie einen Patienten gesehen haben. Die reine, statistische Beurteilung dieser Pandemie ist sowieso unmoralisch. Fragen muss man die Leute an der Front.
    Keiner meiner Kollegen – und ich natürlich auch nicht – und niemand vom Pflegepersonal kann sich erinnern, dass in den letzten 30 oder 40 Jahren folgende Zustände herrschten, nämlich dass:

    1. ganze Kliniken mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose besitzen;
    2. ganze Intensivstationen mit Patienten gefüllt sind, welche alle dieselbe Diagnose aufweisen;
    3. 25% bis 30% der Pflegenden und der Ärzteschaft genau jene Krankheit auch erwerben, welche jene Patienten haben, die sie betreuen;
    4. zu wenig Beatmungsgeräte zur Verfügung standen;
    5. eine Patientenselektion durchgeführt werden musste, nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil wegen der schieren Anzahl an Patienten schlicht das entsprechende Material gefehlt hat;
    6. die schwerer erkrankten Patienten alle dasselbe – ein uniformes – Krankheitsbild aufgewiesen haben;
    7. die Todesart jener, die auf der Intensivstationen verstorben sind, bei allen dieselbe ist;
    8. Medikamente und medizinisches Material auszugehen drohen.

    Quelle: Mittelländische

  4. Coronavirus erhöht Todesraten in mindestens acht europäischen Staaten
    Auch ohne das Coronavirus sterben jede Woche Zehntausende Menschen in Europa. Wie tödlich allein dieser Erreger ist, verrät daher nur der Vergleich zur üblichen Zahl der Toten. Hier zeigt sich in mehreren Staaten ein klarer Anstieg. (…)
    Statt der erwarteten knapp 60.000 Toten sind in den meldenden Staaten in Kalenderwoche 14 im Schnitt knapp 70.000 Menschen gestorben. (…)
    Der Anstieg geht im Wesentlichen auf sechs Staaten zurück, in denen die Gesundheitsversorgung teils durch die Corona-Pandemie die Kapazitätsgrenzen überschritten hat oder in Teilen zusammengebrochen ist, etwa Italien, Frankreich, Spanien und England, das in der Statistik gelöst von Großbritannien vorkommt. Deutlich erhöht ist die Sterberate der Statistik zufolge aber auch in der Schweiz und den Niederlanden.
    Quelle: Spiegel
  5. The European Union Is Determined to Continue Making the Same Errors It Made After 2008
    The lack of EU help for the states hardest hit by COVID-19 is the latest sign of the hollowness of “European solidarity.” As Yanis Varoufakis tells Jacobin, the European Union’s institutions are hardwired to ignore the needs of the social majority — preferring to allow mass suffering than to change their own rules.
    Yanis Varoufakis is used to controversy. Since stepping down as Greece’s finance minister in 2015, the self-described “erratic Marxist” has become the leading spokesperson for DiEM25, a European-wide party that seeks to restructure the European Union’s institutions in the interests of the majority.
    In March, Varoufakis made news for dropping what he dubs the “EuroLeaks” — his secret recordings of the closed meetings where eurozone finance ministers decided Greece’s fate back in 2015. The recordings confirm many of our worst suspicions about such opaque bodies — and provide fascinating insights into how neoliberal technocrats really work.
    Europe’s institutions are again in the spotlight today, due to their weak reaction to the coronavirus pandemic and the resulting economic shutdown. As another round of rescue packages loom, Varoufakis spoke to Jacobin’s Loren Balhorn about the European Union’s response, what lessons elites have learned from the last crisis, and what different paths are today open to the Left.
    Quelle: Yanis Varoufakis
  6. Weltweit 81 Prozent aller Arbeitskräfte von Anti-Corona-Maßnahmen betroffen
    Die Weltarbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass aufgrund der Corona-Krise die geleistete Arbeitszeit in den kommenden Monaten um Milliarden von Stunden sinken wird. Für das zweite Quartal 2020 rechnet die ILO laut einer am Dienstag veröffentlichten Analyse mit einem weltweiten Rückgang um 6,7 Prozent – das entspricht der Arbeitszeit von rund 230 Millionen Arbeitskräften (bei 40 Wochenstunden).
    In Europa sinkt die Zahl demnach um geschätzte 7,8 Prozent, entsprechen würde dies der Arbeitsdauer von 15 Millionen Vollzeitkräften. Insgesamt sind laut ILO derzeit rund 2,7 Milliarden arbeitende Menschen von Anti-Corona-Maßnahmen betroffen – das sind rund 81 Prozent aller Arbeitskräfte weltweit.
    “Umstellungen bei der Beschäftigung folgen normalerweise mit etwas Verspätung auf wirtschaftliche Abschwünge. (…) In dieser aktuellen Krise wurde die Beschäftigung aber durch Lockdowns und andere Maßnahmen direkt und zudem härter getroffen, als am Anfang der Pandemie erwartet wurde”, hieß es in der Analyse. “Es handelt sich hier um die schwerste globale Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.”
    Quelle: RT Deutsch
  7. Thesenpapier zur Pandemie durch SARS-CoV-2/Covid-19
    Datenbasis verbessern
    Prävention gezielt weiterentwickeln
    Bürgerrechte wahren (…)
    Die Bedrohung durch SARS-CoV-2/Covid-19 macht ein Zusammenwirken von Politik und Wissenschaft notwendig. Eine sinnvolle Beratung der politischen Entscheidungsträger muss mehrere wissenschaftliche Fachdisziplinen umfassen, wobei die diagnostischen Fächer (hier: Virologie), die klinischen Fächer (hier: Infektiologie, Intensivmedizin) und die Pflege ganz im Vordergrund stehen sollten. Da eine Epidemie jedoch nie allein ein medizinisch-pflegerisches Problem darstellt, sondern immer auf die aktuelle Verfasstheit der gesamten Gesellschaft einwirkt und auch nur im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung zu bewältigen ist, erscheint zusätzlich eine Mitwirkung von Vertretern der Sozialwissenschaften, Public Health, Ethik, Ökonomie, Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft unverzichtbar. Entscheidend ist hierbei die Einsicht, dass notwendige Verhaltensveränderungen auf Ebene der Bevölkerung und in den Institutionen (denen bei Covid-19 besondere Bedeutung zukommt) nie allein durch eindimensionale Einzelinterventionen (z.B. gesetzliche Vorschriften), sondern nur durch Mehrfach- bzw. Mehrebeneninterventionen erreicht werden können, zu denen eben auch psychologische, soziale, ökonomische und politische Maßnahmen zählen. (…)
    These 3: Entstehung und Bekämpfung einer Pandemie sind in gesellschaftliche Prozesse eingebettet. Die derzeitig angewandte allgemeine Präventionsstrategie (partieller shutdown) kann anfangs in einer unübersichtlichen Situation das richtige Mittel gewesen sein, birgt aber die Gefahr, die soziale Ungleichheit und andere Konflikte zu verstärken. Es besteht weiterhin das Risiko eines Konfliktes mit den normativen und juristischen Grundlagen der Gesellschaft. Demokratische Grundsätze und Bürgerrechte dürfen nicht gegen Gesundheit ausgespielt werden. Die Einbeziehung von Experten aus Wissenschaft und Praxis muss in einer Breite erfolgen, die einer solchen Entwicklung entgegenwirkt.
    Quelle: Matthias Schrappe

    Anmerkung Christian Reimann: Auf Bedenken aus juristischer Perspektive haben auch die NachDenkSeiten hingewiesen. Bitte lesen Sie dazu z.B. auch Vom Niedergang grundrechtlicher Denkkategorien in der Corona-Pandemie.

  8. Corona-Pandemie: Schwarzer Schwan auf dem Weg in die Depression
    Der IWF geht von den schlimmsten Folgen seit der Großen Depression nach 1929 aus – wer wird dafür bezahlen? Wird es wieder einen “Sozialismus für Reiche” geben?
    Lange hatten diverse Experten die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie kleingeredet, obwohl sie schon Anfang Februar mehr als deutlich erkennbar waren. Einen Monat später bezeichneten die Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das Virus als “das größte Wirtschaftsrisiko seit der Finanzkrise”. Die Organisation, in der 36 Industriestaaten zusammengeschlossen sind, hatte dazu Anfang März Szenarien entwickelt, die von der Realität schon längst überholt worden waren.
    Im positiven Szenario wurde fabuliert, dass das Wachstum der Weltwirtschaft 2020 auf 2,4% sinken würde. Im negativen Szenario gingen die Experten von einem Absinken auf 1,5% aus. Es war mit Blick auf die Vorgänge in China und der Tatsache, dass weder in Europa noch in den USA entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden, nicht schwer vorherzusehen, dass auch das negative Szenario viel zu positiv gesehen wurde. Denn es gab längst eine Ansteckungswelle über den Asien-Pazifik-Raum hinaus. Und auch in Italien und Spanien war das Virus schon Ende Februar außer Kontrolle.
    Quelle: Telepolis
  9. Corona-Krise – Historischer Tabubruch in Sachsen
    Im Freistaat hat der Landtag mit großer Mehrheit einer Neuverschuldung über sechs Milliarden Euro zugestimmt. Das überforderte nicht nur die AfD.
    „Heute ist ein historischer Tag für den Freistaat Sachsen“, beginnt Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) am Donnerstag seine Rede vor den Abgeordneten des sächsischen Landtags, und in normalen Zeiten würde auf einen solchen Anfang Grund zu großem Jubel folgen. Allein, es sind keine normalen Zeiten, was man auch schon daran erkennen kann, dass Sachsens Parlamentarier erstmals seit gut 25 Jahren nicht in ihrem modernen, lichtdurchfluteten Plenarsaal tagen, der als einer der schönsten der Republik gilt. […]
    Dass das Parlament vollzählig einberufen wurde, liegt an der Dimension des Beschlusses, den es gut drei Stunden später fällen und der ein historischer sein wird, um im Bilde des Finanzministers zu bleiben. Vorjohann, zuvor lange Jahre Stadtkämmerer in Dresden, ist noch nicht mal vier Monate im Amt und muss die Abgeordneten jetzt um Zustimmung zu einer Neuverschuldung über sechs Milliarden Euro bitten.
    Da der Landtag jedoch vor sieben Jahren ein Neuverschuldungsverbot verabschiedet hatte, das ausschließlich in einer „außergewöhnlichen Notsituation“ umgangen werden darf, müssen die Abgeordneten zusammenkommen, um eine solche mit mindestens Zwei-Drittel-Mehrheit festzustellen.
    Für Sachsen und insbesondere für die den Freistaat seit dreißig Jahren regierende CDU, ist das ein Tabubruch immensen Ausmaßes. Noch nie seit der Wiedervereinigung hatte der Freistaat einen Nachtragshaushalt nötig, seit 15 Jahren hat er keine Schulden mehr aufgenommen, sondern im Gegenteil, jährlich 75 Millionen Euro getilgt, und obendrein gespart, dass es, jedenfalls zuletzt, hörbar quietschte. Den Erfolg, seit Jahren schon das Land mit der bundesweit niedrigsten Verschuldung zu sein, trägt Sachsens CDU bis heute wie eine Monstranz vor sich her. Und jetzt: Sechs Milliarden Euro neue Schulden, das ist fast ein Drittel des aktuellen, 21 Milliarden Euro umfassenden Haushalts.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Bei dem Artikel ist mir gleich mehrfach die Kinnlade heruntergefallen. Der “historische Tabubruch in Sachsen” aus der Überschrift bezieht sich nicht auf eine Regierungsbildung zusammen mit der AfD oder die Einführung einer Diktatur, sondern auf einen – schlicht notwendigen – Nachtragshaushalt mit Rekord-Neuverschuldung. Was sonst im Angesicht der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg? Natürlich ist der alte Haushalt schon aufgrund der hohen Steuerausfälle Makulatur. Aber das “Tabu” bezieht sich auf das Schuldenmachen an sich, für die sächsische Staatsregierung und die FAZ das teuflischst denkbare Verbrechen. Dementsprechend ist (der Regierung und der FAZ) inmitten dieser großen menschlichen Katastrophe auch nur eins wichtig: daß “Sachsen am Ende [d. h. nach der Krise] den Titel des Landes mit [der] niedrigste[n] Verschuldung […] behalten [wird]” – Schulden als Fetisch. Es wurde “gespart, dass es, […] hörbar quietschte”; die ganze Sparerei “trägt Sachsens CDU bis heute wie eine Monstranz vor sich her”, und gebracht hat das Sparen nur, was sogar die CDU selbst zugeben musste, zu wenige Lehrer, zu wenige Polizisten und eine ruinierte Infrastruktur), dazu Niedrigstlöhne, hohe Abwanderungszahlen und eine AfD-Landtagsfraktion in absoluter Rekordstärke von 27,5 Prozent. Die Katastrophenpolitik hat nicht jetzt begonnen, sondern vor fast 30 Jahren unter Biedenkopf. Und wenn ernsthaft erwähnt oder gar diskutiert wird, die jetzt verabschiedeten “Notlagen-Kredite binnen acht Jahren [zu tilgen]”, “woraufhin die Linke schon mal vorsorglich warnte, nicht abermals wie nach der Finanzkrise vor allem bei den Sozialausgaben zu kürzen”, dann stockt der Atem. 6 Milliarden Euro durch 8 Jahre sind 750 Millionen Euro pro Jahr; das sind bei einem normalen Haushalt von 21 Milliarden Euro 3,6 Prozent extra als zusätzlicher Primärüberschuss, das würde sogar *noch mehr Austerität* bedeuten, als das Troika-geplagte Griechenland seit vielen Jahren ertragen muss. Wahnsinn, der pure Wahnsinn. Da die Linksfraktien mit 12 Prozent der Landtagsabgeordneten gegenüber den neoliberalen Parteien marginalisiert ist, kann man an einem Finger abzählen, wie die Zukunft des Sozialstaats in Sachsen aussehen wird.

  10. Von Starken und Schwachen, von Arroganz und Unwissen
    Wir sind die Starken, die anderen sind die Schwachen. Das deutsch-niederländische Mantra ist nicht nur arrogant, es ist dumm. Wer es ausspricht, zeigt nur, dass er nicht die geringste Ahnung vom Zusammenleben der Nationen hat.
    „Wo die Not drängt, da wird Tollkühnheit zur Klugheit“, sagte einst Niccolò Machiavelli – und er hat Recht. In Notzeiten zeigt sich, wer wes Geistes Kind ist, wem man vertrauen kann und wem nicht. Es zeigt sich auch, wer die intellektuelle Fähigkeit hat, über seinen eigenen Schatten zu springen und seine eigenen Dogmen in Frage zu stellen. Deutschland, die Niederlande und Österreich führen gerade vor, dass sie nicht über die Tollkühnheit verfügen, die zur Klugheit wird. Das wird sich bitter rächen.
    Um genau zu wissen, worum es dabei geht, muss man nur das Interview anhören, das Bundeswirtschaftsminister Altmaier gestern dem Deutschlandfunk gegeben hat. Da ist es wieder klar, dass nur diejenigen in Europa, „die sich in den vergangenen Jahren wirklich angestrengt haben“, jetzt auch die Möglichkeit haben können, ohne jedes Problem und ohne jeden Zinsaufschlag das Geld aufzunehmen, das sie zur Bekämpfung der Corona-Krise brauchen. Wörtlich sagte Altmaier:
    „Der Staat … sind wir alle. Aber wir haben gemeinsam durch die Einhaltung der Schuldenbremse, durch die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen in den letzten Jahren die Voraussetzung dafür geschaffen, dass wir jetzt Geld in die Hand nehmen können, dass wir die Staatsausgaben vorübergehend deutlich erhöhen können, um Unternehmen zu retten, um Arbeitsplätze zu retten, um den Wohlstand dieses Landes zu retten.“
    Was im Umkehrschluss ja nur heißen kann, dass „die anderen“, die genau das nicht getan haben, jetzt eben auch kein Geld in die Hand nehmen können, weil sie keines haben. Sie haben eben nicht die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sie ihre Wirtschaft heute retten können.
    Und die deutschen Medien – wie könnte es anders sein – sind voll auf diesen Regierungszug aufgesprungen. In einer ZDF-Sondersendung in dieser Woche (ab Minute 11) war mehrfach die Rede von den „schwächeren“ Ländern im Süden und von den „wirtschaftlich Starken“ im Norden, die für die Schwachen haften sollen. Bei ntv entblödet man sich nicht, von den „Kreditsüchtigen“ im Süden zu sprechen. Aber auch in der ZEIT heißt es, von der EZB über Wasser gehaltene Länder könnten „in die Pleite rutschen“, wenn die Zinsen nicht dauerhaft niedrig bleiben.
    Quelle: Heiner Flassbeck in Makroskop
  11. Covid-19, Home Office und häusliche Gewalt
    Anders als zur traditionell konfliktgeladenen Weihnachtszeit, in der sich die Familien zuhause drängeln, ist die Situation nicht zuletzt aufgrund der bedrohlichen Ungewissheit auch hinsichtlich der Dauer des Ausnahmezustands deutlich brisanter als zum Jahreswechsel üblich.
    Wie bei den Zahlen zur aktuellen Corona-Pandemie sind auch die Angaben zur gegenwärtigen häuslichen Gewalt nicht wirklich belastbar. Bis die Polizeistatistiken hierzu verlässliches Material bereitstellen werden, dürfte noch einige Zeit vergehen. Schon heute gibt es jedoch warnende Stimmen, welche zumeist davon ausgehen, dass der Ansturm auf die Frauenhäuser und der Run auf die Scheidungsanwälte erst dann erfolgt, wenn die Corona-Pandemie sich dem Ende zuneigt, weil derzeit ein erhöhtes Infektionsrisiko im unbekannten Umfeld eines Frauenhauses befürchtet wird. (…)
    Die Zunahme der häuslichen Gewalt scheint derzeit ein weltweites Phänomen zu sein, das jedoch schwerpunktmäßig in Städten zum Ausbruch kommt, wo die Wohnungen vielfach klein sind und der tägliche Auslauf in den Zeiten der Pandemie ziemlich begrenzt ist.
    “UNO-Generalsekretär Guterres hat einen weltweiten Anstieg häuslicher Gewalt angesichts der Einschränkungen in der Coronavirus-Pandemie kritisiert”, meldet der Deutschlandfunk am 6. April. In den vergangenen Wochen habe es als Folge der in der Krise gewachsenen wirtschaftlichen und sozialen Drucksituationen sowie der gestiegenen Ängste eine weltweite Zunahme der häuslichen Gewalt gegeben. “Für viele Frauen und Mädchen ist die Bedrohung dort am größten, wo sie am sichersten sein sollten. In ihrem eigenen Zuhause”, wird Guterres zitiert.
    In Deutschland gibt es für Kinder und Jugendliche, die Hilfe suchen, die deutschlandweite kostenfreie Notrufnummer 116 111. Für Frauen gibt es das Hilfetelefon unter der ebenfalls kostenlosen Nummer 08000/116016.
    Quelle: Telepolis
  12. Snowden Warns Governments Are Using Coronavirus to Build ‘the Architecture of Oppression’
    The future may be unpredictable, but global pandemics aren’t. There isn’t a single government on the planet that hasn’t been warned, repeatedly, that at some point a viral pandemic will sweep the globe, causing untold death and economic disruption.
    And yet most failed to prepare for the novel coronavirus.
    “Every academic, every researcher who’s looked at this knew this was coming,” says famed whistleblower Edward Snowden in an exclusive interview with VICE co-founder Shane Smith. “Yet when we needed it, the system has now failed us, and it has failed us comprehensively.”
    Quelle: Vice
  13. Polizei bringt “Coronoia”-Anwältin Bahner in die Psychiatrie
    Die als “Coronoia”-Anwältin bekannt gewordene Heidelberger Juristin Beate Bahner ist in die Psychiatrie gebracht worden. Sie selbst sagt offenbar in einer Tondatei, sie fühle sich dort zumindest sicher.
    Kurz nach einem von ihr angekündigten Rückzug aus der Öffentlichkeit ist die Heidelberger Rechtsanwältin Beate Bahner gegen ihren Willen in eine psychiatrische Einrichtung gebracht worden. Zuvor hatte sie offenbar fremd- oder eigengefährdendes Verhalten gezeigt.
    Bahner war in den vergangenen Tagen mit einem Aufruf zu bundesweiten Demonstrationen und einem Eilantrag für die Aufhebung aller Corona-Schutzmaßnahmen bekannt geworden. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Antrag aus diversen Gründen für unzulässig erklärt. […]
    In der Sprachnachricht schilderte die Anwältin, mit per Handschellen gefesselten Händen in eine psychiatrische Einrichtung gebracht worden zu sein. Nach dem Gespräch mit einer Ärztin habe sie die Nacht als einzige Patientin in einer Isolierstation verbracht. Am Sonntag habe sie dann ein Zimmer mit Bad und ihr Handy erhalten sowie Bücher gebracht bekommen. Sie sage außerdem, sie sei dort in Sicherheit “vor ganz dunklen Mächten”, Besuche seien nicht möglich.
    Quelle: t-online.de
  14. „Sehr falsche Prioritäten gesetzt und alle ethischen Prinzipien verletzt“
    “Also es ist eine Gruppe, die üblicherweise und bislang immer mehr Palliativmedizin bekommen hat als Intensivmedizin, und jetzt wird so eine neue Erkrankung diagnostiziert und da macht man aus diesen ganzen Patienten Intensivpatienten. (…) Da fragt man sich natürlich bei einer Erkrankung, wenn die schlimm verläuft, also zum Atemversagen führt, dann können wir tatsächlich nach einer chinesischen Studie nur drei Prozent der Betroffenen retten, 97 Prozent versterben trotz Maximaltherapie – so eine Intensivtherapie ist leidvoll, da stimmt ja schon das Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden kaum. (…) Na ja, der Nutzen ist so, dass man nur ganz minimal wenige Patienten rettet, von denen kommen nur wenige dann auch zurück in ihr altes Leben, eine große Zahl von denen, die man rettet, nach zwei bis drei Wochen Beatmung, verbleiben schwerstbehindert. Und das sind Zustände, die lehnen die meisten älteren Menschen für sich ab.”
    Quelle: DLF

    Anmerkung Tobias Riegel: Die in diesem Interview angesprochenen Aspekte zu Corona und Palliativmedizin lassen die großflächig verordnete Beatmung sehr fragwürdig erscheinen, wenn sie zutreffen. Denn laut dem Palliativmediziner steht der Aufwand und die Qual der Behandlung in keinem Verhältnis zum medizinischen Nutzen: Es bleiben auch mit Beatmung angeblich nur 3 Prozent der schwer Betroffenen am Leben. Von diesen 3 Prozent würden wiederum viele anschließend mit schwersten Behinderungen weiterleben müssen. Mit diesem Wissen würden viele Patienten die Beatmung eigentlich ablehnen – aber nur 4% würden vorher aufgeklärt: eine eklatante Verletzung des Patientenwillens.

  15. Weltärztepräsident urteilt hart über Ministerpräsident Söder: „Bayern steht am schlechtesten da“
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat eine Maskenpflicht angekündigt, unklar sei nur wann.
    Davon halte ich nichts. Es gibt nicht einen wissenschaftlichen Beweis, dass Masken an der Ausbreitung dieser Krankheit etwas ändern. Wenn sie nicht ausreichend desinfiziert werden, können sie das Virus sogar noch konzentrieren. Man kann zudem nicht die Bürger zwingen, Masken zu tragen, solange es nicht wirklich für alle welche gibt. Die vorhandenen Masken brauchen wir aber für das medizinische Personal. Und wenn man den Menschen sagt, sie sollen jetzt ihre privaten Schals benutzen, dann wird es lächerlich.
    Liegt Söder auch in anderen Fragen falsch?
    Seine Politik der harten Hand führt offensichtlich nicht zum Erfolg. Bayern steht bei den Infektionszahlen von allen Ländern am schlechtesten da. Es hat auch die höchste Sterbequote und die niedrigste Verdopplungszeit bei den Infektionen – das ist in diesem Fall schlecht. Dass Herr Söder da Ängste entwickelt, kann ich nachvollziehen. Es hilft aber nichts, das Denken auszuschalten. Wir brauchen Vernunft, keine dramatischen Aktionen.
    Quelle: Merkur.de

    Anmerkung Christian Reimann: Möchte sich Herr Söder als „Law and Order-man“ darstellen, um von den miserablen Zahlen in seinem Bundesland Bayern abzulenken und um sich als tatkräftiger Kanzlerkandidat der Unionsparteien präsentieren zu können? Bitte lesen Sie hierzu auch Das bemerkenswerte Geschwätz des Ministerpräsidenten Kretschmann, der Missbrauch der Pandemie durch Söder und andere Ungereimtheiten.

  16. Reif für die Abwahl: Kabinett Merkel und das Versagen in der Corona-Krise
    Eine an die Öffentlichkeit gelangte Studie des Innenministeriums offenbart die Unfähigkeit der Bundesregierung während der Corona-Krise. Statt konsequent zu handeln, beschwichtigte sie lieber die Bevölkerung. Nach der Pandemie ist eine politische Generalabrechnung fällig. (…)
    Die Studie hatte darlegen sollen, wie man der Bürgermehrheit schmerzliche und äußerst kostspielige Solidarität mit der von der Virusepidemie überdurchschnittlich gefährdeten “Risikogruppe” abfordern könnte und wie man diese Maßnahmen “kommunizieren” müsse. Klartext: abgenötigte Solidarität mit Rentnern, Behinderten, Vorerkrankten und Schwachen. Das sind 30 Millionen Menschen. Von wegen “Gruppe”!
    Der erste COVID-19-Fall in Deutschland wurde am 28. Januar gemeldet. Bei sofortigen Massentests und strikter Isolation der Infizierten wie in Südkorea hätte das Alltagsleben bei uns ebenfalls ohne wesentliche Einschränkungen weitergehen können. Dazu fehlten hierzulande jedoch nicht nur die materiellen Voraussetzungen. Es gab keinen politischen Willen dazu.
    Südkorea hatte die “Vorwarnzeit” nach dem Ausbruch der Epidemie in der Volksrepublik China umgehend genutzt. In Deutschland wurde sie verbummelt. Die Kanzlerin war dem Alltag entschwebt, der Gesundheitsminister damit beschäftigt, für den CDU-Vorsitz zu antichambrieren; seinen Kandidaturverzicht teilte Spahn erst am 25. Februar mit. Er hätte in den Wochen zuvor wahrhaftig Wichtigeres zu tun gehabt, als seinen Karriereabsichten zu frönen. (…)
    Falls die Bundesregierung bezweckt hatte, die Bevölkerung von Restbeständen ethischer Grundsätze zu befreien, so kann sie erste Erfolge verbuchen. Auch die Tagesschau gibt sich als Podium dafür her.
    Absolut Unvergleichbares wird in diesem “Diskurs” bedenkenlos gegeneinander abgewogen: zuallererst das Grundrecht auf Leben und Gesundheit gegen das Grundrecht auf Eigentum. Natürlich ohne jeden Gedanken daran, den Geldadel bezahlen zu lassen, ihn zur Entlastung der Armen und sozial Isolierten heranzuziehen – obwohl er über Netto-Geldvermögen von mindestens 6 Billionen Euro verfügt, die sich auf fiskalische Präferenzen stützen, wie sie dem “kleinen Mann” niemals zuteil werden.
    Die Bundesregierung verfügt über alle medialen und exekutiven Machtmittel zur Manipulation der Massen und wendet sie längst an. Auch jetzt, wie der Inhalt der Seehofer-Studie und der Umgang mit derselben zeigen. Nach dem Abflauen der COVID-19-Pandemie müssen diese Offenbarung regierender Unfähigkeit und deren bleibende Schäden wieder auf den Tisch kommen.
    Quelle: Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam in RT Deutsch
  17. „Wir müssen die kritischen Stimmen jetzt hören“
    Was macht die momentane Corona-Ausnahmesituation mit unseren Gefühlen und unserer Psyche? Michaela Huber zieht im Interview mit ZackZack Parallelen zu kriegsähnlichen Zuständen und erklärt, warum viele Menschen mit Kriegserfahrung – oder deren Kinder und Enkelkinder – derzeit mit allerhand Problemen zu kämpfen haben. Und warum wir gerade jetzt in der Krise auch auf kritische Stimmen hören sollten. (…)
    ZackZack: Sie sind Psychotherapeutin und leiten eine Trauma-Fachgesellschaft. Sie beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Corona-Ausnahmesituation auf bereits belastete Menschen, aber auch auf die Gesellschaft als Ganzes. Was fällt Ihnen auf?
    Michaela Huber: Wer vom einen Tag auf den anderen an vielen Selbstverständlichkeiten – Arbeit, Begegnungen, Bewegungsfreiheit – gehindert wird, für den ist das immer auch belastend. Für traumatisierte Menschen, die sehr viel erlebt und durchgemacht haben, die vielleicht gerade erst Fuß gefasst haben im Gesundheitssystem, gilt das besonders: Sie hatten Begleitung, Betreuung, sie hatten Therapie, vielleicht auch eine Klinik, wo sie im Notfall untergekommen sind: Das ist jetzt alles weggebrochen und für die meisten einfach nicht zu haben. Im besten Fall bekommt man ein Videotelefonat, das ist für sehr viele sehr belastete Menschen keine Alternative zu einem direkten zwischenmenschlichen Kontakt. (…)
    ZackZack: Die Corona-Maßnahmen greifen sehr tief in die ganze Gesellschaft ein. Welche Parallelen zum militärischen Krieg sehen Sie da wirksam werden?
    Michaela Huber: Solidarität in einer Gesellschaft zu zeigen, dagegen hat ja niemand etwas, im Gegenteil. Aber es gibt auch eine andere Richtung, die jetzt aufscheint. Die Rechten sagen es direkt: Jetzt müsse man sich „in einen Volkskörper eingliedern“, alle individuellen Bedürfnisse zurückstellen. Und die gesamte Politik scheint dies zu propagieren: Wir alle, ja der gesamte Staat ist aufs Äußerste bedroht, und es darf einem nichts ausmachen, jetzt alles zu opfern an Freiheiten, ja die gesamte Existenz – weil man sich in den Dienst einer „höheren Sache“ stellen soll: den Krieg gegen den Feind zu gewinnen. Der Feind ist jetzt das Virus. Und da muss man doch gehorchen. Nur die eine, als einzig richtig ausgegebene Strategie wird dann auch durch die meisten Medien propagiert, Kritik kaum noch zugelassen, Zuwiderhandlung scharf geahndet. Das weckt in vielen Menschen Erinnerungen an totalitäre Zustände. Sie erleben, dass sie ideologisch und auch alltagspraktisch eingenordet werden auf diesen Krieg gegen diesen einen Feind, und man darf nur tun, was einem gesagt wird und etwas anderes auf gar keinen Fall, man bunkert sich mit Vorräten daheim also ein und erwartet den Einschlag in der Nähe oder gar, dass der Feind im eigenen Haus zuschlägt.
    ZackZack: Diese Haltung zieht weite Kreise.
    Michaela Huber: Diese ganze Kriegs-Metaphorik führt dazu, dass viele Menschen, insbesondere der älteren Generation, zutiefst eingeschüchtert und in Angst sind. Man merkt, wie schwarze Pädagogik sich wieder ausbreitet, also dass Menschen zum Beispiel andere denunzieren, die sich vermeintlich nicht hundertprozentig an die Regeln halten. Da wird plötzlich eine Anzeige erstattet, weil drei Menschen gemeinsam draußen auf der Straße sind. Da kommt die Polizei, da wird man überprüft, vielleicht verhaftet, weil man es gewagt hat, auf einer Bank zu sitzen und ein Buch zu lesen. All das erinnert ältere Menschen, aber auch Geflüchtete, die zu uns kommen, an das Verhalten in totalitären Staaten. Schon stabile Menschen haben damit zu tun, unter diesen Umständen ihre Gesundheit aufrecht und ihre Existenzangst in Schach zu halten – umso mehr jene, die es kennen, eingesperrt zu sein, in Gefangenschaft oder in totalitären Lebensumständen gewesen zu sein, Mindcontrol erlebt zu haben – diese Menschen sind enorm eingeschüchtert.
    Quelle: ZackZack
  18. Volksinitiative für Grundeinkommen – Ganz leise Hoffnung auf Erfolg
    In Rekordzeit sammelte „Hamburg soll Grundeinkommen testen“ genug Unterschriften. Die Hansestadt ist allen anderen einen Schritt voraus. […]
    Genau, das ist es, was die Initiative „Expedition Grundeinkommen“ will. Die in Berlin ins Leben gerufenen Initiative will staatliche Modellversuche für das bedingungslose Grundeinkommen, wissenschaftlich begleitet, um herauszufinden, welche Effekte es hat, wenn Menschen jeden Monat Hunderte Euro bekommen – einfach so, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen. […]
    2023 könnte das dreijährige Experiment starten. Die Kosten dafür werden in Hamburg auf rund 38 Millionen Euro geschätzt, verteilt auf acht Haushaltsjahre, finanziert aus der sogenannten allgemeinen zentralen Reserve im Etat.
    Die Kosten sind eines der Hauptargumente gegen das bedingungslose Grundeinkommen. Je nach Ausgestaltung würden die unterschiedlich hoch ausfallen. Thomas Straubhaar, Professor für internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Uni Hamburg und Autor des Buches „Radikal gerecht“, rechnet bei einem Grundeinkommen von monatlich 600 Euro für alle Deutschen mit Kosten von 576 Milliarden Euro und bei 2.000 Euro mit 1,9 Billionen Euro pro Jahr.Zum Vergleich: 2018 beliefen sich die Gesamtkosten für die sozialen Sicherungssysteme auf 996 Milliarden Euro, das geht aus dem Sozialbudget des Bundesarbeitsministeriums hervor.
    Finanzierung ist ein Knackpunkt
    Gegenfinanziert werden müsste so ein Grundeinkommen auch, die Ansätze reichen da von einer Vermögenssteuer (die könnte selbstredend auch wieder eingeführt werden, ohne gleich das ganze System auf links zu drehen) über Konsumsteuern bis zu Finanztransaktionssteuern oder einer Kombination mehrerer Ansätze. Jedenfalls versteckt sich hier die Gretchenfrage. […]
    Beim bedingungslosen Grundeinkommen spielen viele Ebenen mit hinein. Für wen die Frage nach der Freiheit des Einzelnen oder das Ende des Drangsalierens der Bedürftigen durch die Behörden wichtig ist, wird in jedem Fall zu einem anderen Schluss kommen als jemand, der es zum Beispiel grundsätzlich ungerecht findet, wenn auch gut und super Verdienende Geld vom Staat bekämen.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Daß Menschen in finanziellen Schwierigkeiten in Deutschland große Probleme haben zu überleben, die sich durch die Corona-Krise noch einmal verschärft haben, und dagegen etwas getan werden muss, diesen Ansatz teile ich. Ansonsten gehört der Artikel zum Unsortiertesten und Dümmsten, was ich je zum totgerittenen Pferd “Grundeinkommen” gelesen habe. Man kann ja schon froh sein, dass die Frage der Kosten hier überhaupt angesprochen wird. “Diskutiert werden Summen von 200 bis 1.300 Euro für jeden Erwachsenen” – 200 Euro (pro Monat) für jeden sind völlig aussagelos, weil niemand davon leben kann, während existenzsichernde 1.300 Euro mit kumuliert satten 25 Milliarden Euro pro Jahr mal eben den kompletten jährlichen Haushalt der Stadt Hamburg um 65 Prozent übertrefffen (die genannten 31,5 Milliarden beziehen sich auf den Doppelhaushalt 2019/2020). “Ärmere sollen mehr bekommen als Reiche” – dann ist es kein bedingungsloses (für jeden gleiche) Grundeinkommen. “Verschiedene Szenarien sind bisher vorstellbar.” – denkbar ist Vieles, aber man muss sich schon auf ein Modell/Konzept festlegen. In dem Artikel heißt es, “hinter all dem [steckt] eine urtypische liberale Idee” (komische Werbung; als gäbe es keine sozialutopischen Konzepte eines Grundeinkommens), und zum “Beweis” werden mit Thomas Straubhaar und Milton Friedman zwei der allerhärtesten Neoliberalen zitiert. Straubhaar hatte sich mal ein Modell mit 600 Euro pro Bürger und Monat ausgedacht, also noch deutlich weniger als Hartz IV; was wäre damit für die sozial denkenden Anhänger eines Grundeinkommens gewonnen? Von Friedman wird seine zusätzliche Forderung nach einer “drastische[n] Senkungen der Spitzen[steuer]sätze” erwähnt; damit fällt entweder die Finanzierungsbasis noch schmaler aus als ohnehin schon oder aber alle anderen müssen noch höhere Lohn- oder Mehrwertsteuern zahlen, also soll noch mehr Umverteilung von unten nach oben stattfinden. “[D]ie ganzen Ausnahmen und Schlupflöcher im Steuerrecht abzuschaffen”, widerspiegelt den auch bei eher unbeleckten “Linken” verbreiteten Irrglauben, dass Gutverdiener den Spitzensteuersatz gar nicht “wirklich” zahlen, und würde zu noch mehr Sozialabbau führen (heute können Menschen Pflege- und Krankheitskosten, Unterstützung für ihre Kinder usw. etc. pp. wenigstens teilweise von der Steuer absetzen). Welchen Blumentopf will man eigentlich mit so einem unausgegorenen Potpourri widersprüchlicher und vor allem schlechter Ideen gewinnen?


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