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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 16. Juni 2020 um 8:42 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Alles Verschwörer außer Mutti
  2. Corona trifft sozial Benachteiligte härter
  3. Corona-Aufarbeitung: Warum alle falsch lagen
  4. Der Milliardenpuffer schmilzt
  5. Tracing-App – Der Freiwilligkeits-Schwindel
  6. Die Prioritäten der EU
  7. Private Equity präsentiert sich als Krisengewinner
  8. Jeder Dritte in Kurzarbeit fürchtet um seinen Arbeitsplatz
  9. Für’n Appel und’n Ei arbeiten und dabei noch unter der Knute der Arbeitsverwaltung stehen
  10. Über Nacht einige Millionen mehr Patientinnen und Patienten
  11. Opfer der eigenen Vorurteile
  12. Bittere Orangen
  13. Krankes Krisenmanagement
  14. Neues Virus aus Peking ist Mutation von Corona
  15. USA setzen die Einkreisung Russlands und Chinas fort – mit Unterstützung Deutschlands
  16. Bei mir war immer der Druck da, gut zu sein
  17. Markus Lanz im ZDF: Ein Moderator verblüfft mit gewaltiger Ignoranz
  18. Der schwere Irrtum der einfachen Wahrheit

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Alles Verschwörer außer Mutti
    Die deutsche Presse ist ganz aus dem Häuschen. Bei Corona lauern plötzlich an jeder Ecke Verschwörungstheoretiker.
    Bis vor kurzem waren Verschwörungstheoretiker Leute, die irgendwelchen Schwachsinn glaubten. Dass die Welt von Eidechsen übernommen werden soll, Politiker das Blut von Kindern trinken, Pharmafirmen Nanochips in ihren Impfstoffen verstecken und dergleichen. Doch in Zeiten der Krise ist man nicht mehr so streng. Jetzt reicht es auch, wenn man irgendetwas an der Regierung auszusetzen hat und dafür auf die Straße geht.
    Markus Feldenkirchen, sogenannter „Koordinator für Meinungsfragen“ beim Spiegel, schreibt eine Kolumne (gleichzeitig auch Audiostory und Leitartikel) mit dem Titel: „Die Politik darf sich von verwirrten Verschwörern nicht verrückt machen lassen.“ (Moment? Macht der Meinungskoordinator hier aus den Verschwörungstheoretikern mir nichts dir nichts Verschwörer? Sind nicht Verschwörungstheoretiker die, die hinter allem irgendwelche Verschwörer sehen? Egal. Hauptsache irgendetwas mit Verschwörung.) Die Botschaft seines Textes: Demonstrationsfreiheit schön und gut. Aber warum demonstrieren ausgerechnet in Deutschland so viele Leute, wo wir doch hier so erfolgreiche Pandemiebekämpfer sind? Naja, liegt wohl daran, dass einige „Hornochsen“ sind und „chronisch einen an der Waffel“ haben. Das scheint so die koordinierte Meinung beim Spiegel zu sein.
    Bei der Süddeutschen ist man auch nicht zimperlich. Sie berichtete über den Kritiker des Lockdowns, Stefan Homburg, Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Leibniz-Universität Hannover, unter der schmissigen Überschrift „Corona-Infodemie. Prof. Dr. Verschwörung“, ohne in dem Artikel auch nur einen Beleg dafür nennen zu können, dass Homburg einer Verschwörungstheorie anhänge.
    Quelle: Thilo Spahl auf Novo Argumente
  2. Corona trifft sozial Benachteiligte härter
    Sozial benachteiligte Menschen haben ein deutlich höheres Risiko, wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert zu werden. Das zeigt eine Analyse der Uniklinik Düsseldorf und der Krankenkasse AOK, die das ARD-Mittagsmagazin initiiert hat.
    Oberarzt Cihan Celik ist auf Visite im Klinikum Darmstadt. Mit Mundschutz, Kopfbedeckung, Schutzkittel und Handschuhen hört er die Lunge eines Patienten ab. Das muss er machen. Denn bei der Aufnahme muss jeder Patient auf Corona getestet werden.Seit einigen Wochen kommen immer weniger Verdachtsfälle ins Klinikum nach Darmstadt. Und die, die kommen, sind vielfach andere Patienten als früher, sagt Celik. Zu Beginn der Pandemie sei die Zusammensetzung der Patienten für eine Lungenstation sehr untypisch gewesen: Studenten, Geschäftsreisende oder Urlaubsrückkehrer.
    Doch das habe sich verändert. Die Patienten kommen zunehmend aus einkommensschwachen Verhältnissen. Schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne, wenig Platz zum Wohnen. All das erhöhe das Infektionsrisiko, sagt Celik.
    Eine gemeinsame Analyse des Instituts für Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Düsseldorf und der AOK Rheinland/Hamburg belegt nun: Bei sozial benachteiligten Menschen ist das Risiko, aufgrund von Covid-19 ins Krankenhaus zu kommen, deutlich erhöht. Demnach liegt das Risiko für ALG-II-Empfänger im Vergleich zu erwerbstätig Versicherten um 84,1 Prozent höher, für ALG-I-Empfänger um 17,5 Prozent.
    Quelle: Tagesschau
  3. Corona-Aufarbeitung: Warum alle falsch lagen
    Das Coronavirus verzieht sich allmählich. Was hat sich in den vergangenen Wochen eigentlich abgespielt? Die Experten haben grundlegende Zusammenhänge übersehen. Die Immunantwort gegen das Virus ist viel stärker, als man dachte.
    Dies ist keine Anklageschrift, aber eine schonungslose Bilanz. Ich könnte mich selber ohrfeigen, weil ich das Virus SARS-Cov-2 viel zu lange mit Panik im Nacken betrachtet habe. Ein wenig ärgere ich mich auch über viele meiner Immunologen-Kollegen, die bislang die Diskussion rund um Covid-19 den Virologen und Epidemiologen überlassen haben. Mir scheint, es wäre Zeit, einige der hauptsächlichen und komplett falschen Aussagen rund um dieses Virus in der Öffentlichkeit zu kritisieren.
    Erstens: Es war falsch, zu behaupten, das Virus sei neu.
    Zweitens: Noch falscher war es, zu behaupten, es bestünde in der Bevölkerung keine Immunität gegen dieses Virus.
    Drittens: Es war sozusagen die Krönung der Dummheit, zu behaupten, man könne die Krankheit Covid-19 symptomlos durchmachen oder andere gar ohne Symptome anstecken.
    Quelle: Beda M. Stadler auf der Achse des Guten

    Anmerkung Jens Berger: Ausnahmsweise mal ein lesenswerter Artikel auf dieser ansonsten kritisch zu sehenden Plattform. Auch wenn Stadler stellenweise zuspitzt sind seine Ausführungen zur Immunität sehr interessant.

  4. Der Milliardenpuffer schmilzt
    Krankenversicherungen schwelgten eben noch im finanziellen Überfluss. Jetzt aber brechen plötzlich die Einnahmen weg. Steigen die Beiträge? Müssen Bürger und Kliniken sich auf Sparrunden einstellen?
    Wie die derzeitige Krise auf die Kassenfinanzen durchschlägt, ist bislang kaum abzuschätzen. Im Grundsatz gilt: Weil die Kassenbeiträge auf Löhne und Gehälter erhoben werden, geraten die Einnahmen der GKV unter Druck, wenn Rezessionen den Arbeitsmarkt erreichen. Noch ist allerdings unklar, wie stark die Arbeitslosigkeit in diesem Jahr steigt und wie sich die Zahl der Kurzarbeiter – zuletzt sieben Millionen – entwickeln wird. Sozialbeiträge werden für Kurzarbeiter gezahlt, allerdings in reduziertem Umfang.
    Ein mögliches Minus von etwa 15 Milliarden Euro
    Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen stellt deshalb eine Überschlagsrechnung an. Löhne und Gehälter seien in vergangenen Wirtschaftskrisen stets etwas geringer zurückgegangen, als die Wirtschaftsleistung insgesamt. Sinke das Bruttoinlandsprodukt 2020 also beispielsweise um acht Prozent, könne man im schlimmsten Falle mit GKV-Einnahmen von sechs Prozent unter Plan rechnen.
    Das wäre ein Minus von etwa 15 Milliarden Euro gegenüber den Kalkulationen vom vergangenen Herbst. Da auf der anderen Seite zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe anfallen dürften, müssten – sofern der Bund die Lücke nicht mit Steuergeld schließt – die Beitragssätze 2021 deutlich steigen: der gesetzlich festgelegte Beitragssatz an den Gesundheitsfonds von 14,6 auf 15,7 Prozent, die Zusatzbeiträge der Kassen im Schnitt von 1,1 auf 1,3 Prozent, so Wasem. …
    Wolfgang Greiner, Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Bielefeld, sieht die Gesundheitspolitik nun vor einer Zeitenwende. Unter den heute aktiven Gesundheitspolitikern seien “viele, die nie an harten Spargesetzen beteiligt waren”. Wenn die Pandemie überwunden sei “muss es zu Strukturreformen kommen, spätestens nach der nächsten Bundestagswahl.”
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung JK: Die Corona-Epidemie ist noch nicht überwunden und schon wird über neue Sparrunden und steigende Beiträge im Gesundheitssystem phantasiert. Dabei waren doch alle noch gerade voll des Lobes über das angeblich so hervorragende deutsche Gesundheitssystem, das dazu beigetragen haben soll, die Epidemie glimpflich zu überstehen. Dies entlarvt auch die während der Corona-Epidemie zur Rechtfertigung des Ausnahmezustandes aufgestellte Behauptung, der Schutz menschlichen Lebens habe absolute Priorität, als Phrase, denn wenn es so wäre, wie kann man dann schon wieder „harte Spargesetze“ für das Gesundheitssystem fordern?

  5. Tracing-App – Der Freiwilligkeits-Schwindel
    In Kürze soll die Corona-App kommen. Die Nutzung soll freiwillig sein, doch schon jetzt wird großer sozialer Druck aufgebaut, diese App zu installieren. Ein App-Begleitgesetz ist daher dringend nötig.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    dazu: Snowden warnt: Überwachungsstaat, den wir jetzt schaffen, wird Corona überstehen
    Der Ex-NSA-Mitarbeiter und Whistleblower warnt vor den Tracking-Maßnahmen, die weltweit gegen die Pandemie gesetzt werden
    Weltweit sehen immer mehr Staaten Überwachungsmethoden als Möglichkeit an, um gegen das Coronavirus vorzugehen. Auch die Bundesregierung erwog, Smartphone-Tracking einzelner Personen einzusetzen, etwa bei der Suche nach Kontaktpersonen einer erkrankten Person, ins Coronagesetz schafften es diese Pläne aber vorerst nicht. Jedoch erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Donnerstag, dass man prüfe, wie andere Länder mit der Thematik umgehen – die “neue Normalität” werde nicht so sein wie vor dem Coronavirus.
    Für den US-Whistleblower Edward Snowden sind solche Maßnahmen keineswegs gerechtfertigt. Während eines Interviews beim Copenhagen International Film Festival stellte er die Frage, was Behörden eigentlich davon abhalte, Überwachungsmethoden aufrechtzuerhalten, wenn das Coronavirus besiegt ist.
    Quelle: DerStandard.de

  6. Die Prioritäten der EU
    Verteidigungsminister der vier größten EU-Staaten fordern wegen Covid-19-Pandemie weitere Stärkung des Militärs.
    Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollen auf die Covid-19-Pandemie mit einer weiteren Stärkung des Militärs reagieren: Dies fordern die Verteidigungsminister der vier größten EU-Staaten vor ihrer morgigen Videokonferenz mit sämtlichen EU-Amtskollegen. Wie es in einem Schreiben der vier Minister, darunter Annegret Kramp-Karrenbauer, heißt, gelte es nicht nur, die “strategische Kommunikation” gegenüber der eigenen Bevölkerung zu intensivieren sowie “feindlichen Narrativen” entgegenzuwirken. Man müsse zudem die Wirtschaft umfassender mit dem Militär verzahnen und dessen “Operationen und Missionen” ausweiten. Dabei sei unter anderem eine “Stärkung der Europäischen Führungsstrukturen” nötig. Die EU-Kommission hat bereits begonnen, den Druck auf soziale Netzwerke zur Entfernung tatsächlicher oder angeblicher “Falschnachrichten” zu erhöhen. Mitarbeiter einflussreicher Think-Tanks fordern, die Wehrbudgets in der EU gegen Kürzungen zu “impfen”. “Die aktuelle Pandemiekrise”, fordern die vier Verteidigungsminister, “sollte die EU an ihre Prioritäten erinnern.”
    Quelle: German Foreign Policy
  7. Private Equity präsentiert sich als Krisengewinner
    Die Branche frohlockt bereits: Geringe Wertschwankungen und zweistellige Renditen dürften außerbörsliche Beteiligungen für Anleger auch in Corona-Zeiten attraktiv machen.
    Während der Finanzkrise 2008 brauchten die Beteiligungshäuser nach der Analyse von Triago noch 24 Monate, bis sich die Branche von den Tiefständen erholt hatte und sich wieder auf dem vorherigen Niveau einpendelte. Diesmal sollte es den Prognosen nach schneller gehen. Der Berater begründet das unter anderem mit den massiven Staatshilfen für die Wirtschaft.
    Die Experten sind sich sicher: Private Equity wird nach der Coronakrise seinen Siegeszug fortsetzen. In normalen Zeiten liegen die Renditen zwischen elf und 16 Prozent. Dagegen bleibt die Unsicherheit an den weltweiten Aktienmärkten hoch. Und bei Bonds wie beispielsweise den zehnjährigen Bundesanleihen sind nur Negativzinsen drin. Anleger bekommen am Ende der Laufzeit also weniger Geld ausbezahlt, als sie investiert haben.
    Derzeit verfügen die Beteiligungshäuser nach der Berechnung des Analysehauses Preqin über rund 1,5 Billionen Dollar, die sie für Firmenkäufe einsetzen können – Tendenz steigend. „Es ist jedoch ein gewisser Konzentrationsprozess hin zu den größeren Fondsgesellschaften zu beobachten“, erklärt Coller-Capital-Mann von Deuten. Nach der Umfrage seines Hauses erwarten zwei Drittel der Großanleger über die nächsten fünf Jahre eine Konzentration auf die größten Beteiligungshäuser.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung JK: Die Reichen und Superreichen gewinnen auch in der Krise. Umso unverständlicher ist es, dass eine öffentliche Diskussion über eine angemessene Beteiligung der Vermögensbesitzer an den ökonomischen Rettungsmaßnahmen völlig unterdrückt wird.

  8. Jeder Dritte in Kurzarbeit fürchtet um seinen Arbeitsplatz
    Die Kurzarbeit soll in der Coronakrise Arbeitsplätze retten – allerdings kann sie die Sorgen vieler Arbeitnehmer vor dem Verlust ihrer Stelle nicht ausräumen. Unter den Kurzarbeitern halte etwa ein Drittel den eigenen Arbeitsplatz für akut gefährdet, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Noch pessimistischer sind demnach Menschen, die bereits ohne Lohn freigestellt wurden.
    Von ihnen glaube mit 27 Prozent nur noch etwa jeder vierte, dass der eigene Job die Krise überleben werde, erklärte das ZEW. “Besonders Beschäftigte, die schon vor der Corona-Pandemie unter prekären Bedingungen angestellt waren, spüren die Auswirkungen der Krise. Sie hatten bereits in den ersten Wochen des Lockdowns ein wesentlich höheres Risiko, arbeitslos zu werden, und schätzen nun ihr zukünftiges Arbeitslosigkeitsrisiko vergleichsweise hoch ein”, sagte Co-Autorin Katja Möhring.
    Quelle: Spiegel
  9. Für’n Appel und’n Ei arbeiten und dabei noch unter der Knute der Arbeitsverwaltung stehen
    In Deutschland wurde mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes die Entstehung des Niedriglohnsektors gefördert. Auf dem World Economic Forum in Davos am 28. Januar 2005, äußerte der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder: „Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. Ich rate allen, die sich damit beschäftigen, sich mit den Gegebenheiten auseinander zu setzen, und nicht nur mit den Berichten über die Gegebenheiten. Deutschland neigt dazu, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, obwohl es das Falscheste ist, was man eigentlich tun kann. Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt.“
    Als Gerhard Schröder dies sagte, waren die Hartz Gesetze gerade in Kraft getreten und die Fakten und Voraussetzungen für den Niedriglohnsektor geschaffen. Auch in den Großstädten wurde diese Linie von SPD und Gewerkschaften unkritisch übernommen und anschließend die langzeitarbeitslosen Menschen immer weniger gefördert, aber dafür um so mehr gefordert. (…)
    Den Teil des Arbeitsmarktes, in dem sich die Tage- und Stundenlöhner verdingen müssen, nennt man in den Großstädten den „Arbeiterstrich“ und meint damit diejenigen Menschen, die an der Straße stehen und auf einen „Arbeitgeber“ warten, der sie für`n Appel und`n Ei einige Stunden für sich schuften lässt. Dabei wird leicht übersehen, dass der Personenkreis viel größer ist, als die bis zu hundert Menschen, die dort sichtbar sind.
    Kaum jemand weiß, dass es regelrechte Kolonien in den Industriegebieten gibt, in denen vor allem Menschen aus den östlichen Nachbarländern als „illegale“ Menschen unter Plastikplanen hausen und auf dem Stundenlöhnermarkt immer weniger konkurrenzfähig sind, da sie für die harte Arbeit gesundheitlich gar nicht mehr in der Lage sind.
    Die zunehmende Anzahl von obdachlosen Menschen ist ebenfalls auf diese Art der Beschäftigung angewiesen, vorausgesetzt, das Pfandflaschensammeln lässt ihnen noch Zeit dafür. Die anderen Flaschensammler müssen stundenweise für ein Trinkgeld arbeiten, weil sie mit dem Geld vom Jobcenter nicht auskommen können oder durch Sanktionen nur noch einen Teil vom Regelsatz erhalten.
    Parallel zum Niedriglohnsektor ist im Rahmen der Hartz-Gesetze ein Maßnahmen- und Programmarbeitsmarkt entstanden, in dem vor allem langzeitarbeitslose Menschen festsitzen und im Rahmen des „Forderns und Förderns“ als 1-Euro-Jobber schuften oder ihr Lohn dem Unternehmen bis zu 100 Prozent erstattet wird. (…)
    Immer mehr öffentliche und private Unternehmen ziehen sich weiter aus ihrer Verantwortung zur Schaffung von regulären Arbeitsplätzen zurück. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, dass eine bewusst erzeugte Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte forciert wird: mit Hinweis auf die leeren Kassen wird eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz gefördert, notwendige Arbeiten durch Arbeitskräfte aus dem „Sozialen Arbeitsmarkt“ erledigen zu lassen.
    Quelle: gewerkschaftsforum.de
  10. Über Nacht einige Millionen mehr Patientinnen und Patienten
    Lange Jahre hat die Pharmaindustrie medizinische Fortbildungsveranstaltungen gesponsert, Referenten ein hohes Salär und Begleitpersonen ein attraktives Unterhaltungsprogramm bezahlt. Damit konnten Hersteller ihre Produkte in der ärztlichen Verordnungspraxis verankern. Doch mit den professoralen Mietmäulern klappt es nicht mehr, seit die Ärztekammern die gekaufte Fortbildung nicht mehr anerkennen.
    Deswegen nimmt jetzt eine andere Strategie immer grösseren Raum ein: Nicht mehr Ärzt*innen werden manipuliert, sondern es werden gleich die gesamten Grundlagen der Medizin in Besitz genommen. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie ESC hat im Juni 2019 mit neuen «ESC-Richtlinien» die erst drei Jahre alten Zielwerte für Cholesterin erneut gesenkt, kompliziert abgestuft je nach Patientengruppen. Das macht Millionen von bisher gesunden Menschen zu neuen, behandlungsbedürftigen Fettstoffwechsel-Kranken und ist sehr gut für den Umsatz von Lipidsenkern. In den letzten fünfzehn Jahren haben sich deren Verordnungen nahezu vervierfacht. Etwa jeder vierte Versicherte über 50 Jahren nimmt Lipidsenker ein. Offensichtlich sind dies für die Pharmakonzerne immer noch zu wenige.
    Sobald die gültigen Leitlinien neue, tiefere Zielwerte enthalten, haben sich ärztliche Behandlungen danach zu richten. Vor kurzem erst sind neue und teure Lipidsenker, sogenannte PCSK9-Hemmer, auf den Markt gekommen. Zwischen der Senkung der «erwünschten» Cholesterinwerte und der Lancierung dieser neuen, teureren Cholesterinsenkern gibt es eine Korrelation. 14 der 21 ESC-Autoren haben direkte finanzielle Verflechtungen mit den Herstellern dieser teuren PCSK9-Hemmer. 70 Prozent des Budgets der ESC besteht aus direkten Zuwendungen der Pharmaindustrie: allein im Jahr 2019 50 Millionen Euro.
    Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Das unabhängige Arznei-Telegramm tut es und bezeichnet die “aktualisierte“ ESC-Leitlinie als „Marktvorbereitung“ für die neuen PCSK9-Hemmer. Und auch der unabhängige Arzneimittelbrief stellt die Frage, ob solche Fachgesellschaften „überhaupt Leitlinien erstellen sollten“. Ich frage mich ausserdem, ob man dieses lächerliche, teure Feigenblatt mit den gekauften Expert*innen nicht gleich ganz abschaffen kann und es der Pharmaindustrie in Zukunft ohne Umweg überlässt, wer wann welches Medikament einzunehmen hat.
    Quelle: Infosperber
  11. Opfer der eigenen Vorurteile
    Der Protest gegen den gewaltsamen Tod von George Floyd mobilisierte auch hierzulande Demos. Ihre Teilnehmer tappten in die klassische Falle der Identitätspolitik. Sie überwinden keine Interessengegensätze, sie spalten.
    Genau so funktioniert Identitätspolitik. Sie konstruiert Gegensätze, die im Einzelfall und situativ vorhanden sein mögen, als einzig relevante Grabenbrüche und übertüncht so andere Konfliktlinien, die mindestens ebenso wirkungsmächtig sind: die zwischen Arm und Reich, zwischen Globalisierungsverlierern und -gewinnern, zwischen formal Gering- und Hochgebildeten.
    Im Übrigen auch zwischen verschiedenen Migrantengruppen, die ja, je nach Herkunftsland, in Deutschland sehr unterschiedlich reüssieren. Während viele, deren Eltern etwa einst aus Ex-Jugoslawien oder dem Iran gekommen sind, durch enorme Bildungsanstrengungen längst in der Mittelschicht angekommen sind, sind etliche andere noch genau da, wo sie am Tag ihrer Ankunft in Deutschland waren: ganz unten. Die identitätspolitische Prämisse, nach der es vor allem der latente oder manifeste Rassismus der Mehrheitsgesellschaft ist, der Einwanderer am Fortkommen hindert, gehört deshalb auf den Prüfstand.
    Warum ist Identitätspolitik so brandgefährlich? Weil sie, anstatt auf die Solidarität der Mehrheitsgesellschaft zu setzen, an ihr schlechtes Gewissen appelliert. Weil sie, statt die auseinanderdriftenden Segmente der Nation zusammenzuführen, Gräben aufreißt. Man lasse sich von demonstrativen politischen Gesten wie dem jetzt in den USA beliebten Niederknien weißer Politiker oder der religiös aufgeladenen Symbolik der Fußwaschungen nicht täuschen: Die Mehrheit plagen keine Schuldgefühle.
    Quelle: Cicero
  12. Bittere Orangen
    Brasilien produziert den Grossteil des weltweit konsumierten Orangensafts. Während die Coronakrise die halbe Welt paralysiert, geraten die Pflückerinnen und Pflücker zwischen den endlosen Orangenbaumreihen des Bundesstaats São Paulo immer weiter in die Prekarität. Unsere Recherche, die wir kurz vor Ausbruch der Pandemie durchgeführt hatten, beleuchtet die miserablen Arbeitsbedingungen der Menschen, die für den aus der Schweiz operierenden Multi Louis Dreyfus Orangen ernten.
    Die Arbeitsbedingungen in der Orangenindustrie sind bitter, so viel ist sicher, und in Krisenzeiten gilt das ganz besonders. Doch selbst als die Corona-Pandemie Brasilien erreichte, hat der Exportverband Citrus BR trotz der Risiken nie die Absicht erkennen lassen, den Fuss vom Gaspedal zu nehmen. In einem Interview vom April 2020 bestätigte der Direktor des Verbands, Ibiapaba Neto, dass die Produktionskette «normal» funktioniere und dass LDC sowie die beiden anderen im Verband zusammengeschlossenen Orangensaftgiganten Cutrale und Citrosuco beabsichtigten, «zu 100% aktiv zu bleiben» – egal, wie sehr das Coronavirus das brasilianische Gesundheitssystem auf die Probe stelle.
    Man könnte meinen, die brasilianischen Orangen seien unwiderstehlich. Man findet sie in mehr als der Hälfte des weltweit konsumierten Orangensafts. Und die Region São Paulo stellt allein fast vier Fünftel der inländischen Produktion her, die praktisch zur Gänze für den Export bestimmt ist.
    Der Konzern LDC, der seinen operativen Hauptsitz in Genf hat, von wo aus er auch sein Fruchtsaftgeschäft steuert, war ursprünglich nur im Handel tätig und begann dann in den 1990er-Jahren mit dem Aufbau einer eigenen Orangenproduktion in Brasilien. Dort verwaltet er heute 38 Zitrusplantagen mit einer Gesamtfläche von über 25’000 Hektaren. Die eigene Produktion macht nach Angaben, die wir von LDC vor Ort erhielten, ungefähr die Hälfte der vom Konzern verarbeiteten Orangen aus, die andere Hälfte wird externen Produzenten abgekauft.
    All diese Orangen – die genaue Menge gilt als Geschäftsgeheimnis – werden in den drei LDC-Saftfabriken der Region verarbeitet und anschliessend als gefrorenes Konzentrat oder pasteurisierter Saft in die wichtigsten Märkte der Welt verschifft. Sind sie einmal in der im Hinterland von São Paulo gelegenen Saftfabrik von ­Bebedouro abgeladen worden, lässt sich nicht mehr erkennen, ob die Orangen von einer LDC-Plantage stammen oder von einem der Zulieferer. Der Konzern spricht gerne über sein Blockchain-basiertes Projekt zur Rückverfolgbarkeit von Orangensaft. Doch die Liste seiner Zulieferer wollte LDC uns auf Anfrage nicht zeigen.
    Quelle: Public Eye
  13. Krankes Krisenmanagement
    Die Bundesregierung wollte Leben schützen – hat aber gleichzeitig das Leben vieler Patienten gefährdet. Durch die einseitige Fokussierung auf Covid-19 hat sie andere Krankheiten zu Kollateralschäden herbeigeredet.
    Mit etwas zeitlichem Abstand zu jenen Wochen, in der diese Republik wie gelähmt erschien – und ja auch per Infektionsschutzgesetz gelähmt war -, zeigt sich nun doch, wie es kranken Menschen erging. Besonders Onkologen und Kardiologen meldeten sich zu Wort. Ihre Patienten kamen später als gut für sie war in die Praxen. »Bedingt durch Corona«, heißt es meistens, wenn die Medien über diese tragischen Einzelschicksale schreiben, die hinter den Klagen der Fachärzte stecken.
    Das stimmt aber so nicht. Es müsste eigentlich heißen: »Bedingt durch die Corona-Politik.« Die einseitige Mobilmachung des Gesundheitssektors auf Covid-19-Erkrankte war fahrlässig. Gepaart mit der Angstmaschinerie hat das dazu geführt, dass Menschen dringende medizinische Behandlungen verschoben haben. Etwaige Sterbefälle werden aber nicht in die Statstik der Corona-Toten aufgenommen – auch wenn sie eigentlich zu dieser traurigen Gruppe gehören. Überhaupt wird man wohl eher wenig über die Folgeschäden erfahren, unter anderem auch, weil sich Krankheitsverläufe nun mal nicht rekonstruieren lassen.
    Daheimbleiben. Das war die Devise. Was ja zunächst vernünftig klang, wurde zu einer Obsession der ersten Tage, als Corona das öffentliche Leben in den Griff bekam. Jogger wurden angefeindet, Parkbesucher als pflichtvergesse Ichlinge diffamiert. Die Alten sollten die eigenen vier Wände »bis es vorbei ist« nicht verlassen; Initiativen formierten sich, die die Senioren mit Lebensmittel versorgen sollten. Was gut gemeint war, war aber nicht gut, denn so gar nicht aus dem Haus zu gehen: Gesund für Psyche und Physis ist das freilich nicht. Man wollte in den ersten Wochen das Daheimbleiben kultivieren, öffentliche Sender blendeten den passenden Hashtag ein, Medien animierten dazu, es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen, boten den dort Sitzenden aber nur Langeweile und Corona – was eine andere Geschichte wäre.
    Quelle: Neulandrebellen
  14. Neues Virus aus Peking ist Mutation von Corona
    In China steigt die Angst einer zweiten Corona-Welle. Vor allem deshalb, weil offenbar ein neues Virus im Umlauf ist.
    Erneut erkranken immer mehr Menschen in China. Zunächst dachte man, dass sich das Coronavirus erneut ausbreiten würde. Dem ist aber offenbar nicht so. Die neuen Fälle sind auf eine Mutation zurückzuführen.
    Laut jetzigem Stand ist der Genstamm des neuen Virus ein anderer, zitiert die “Global Times” den Epidemiologen Zeng Guang. Man habe den neuen Erreger bis zu einem Hackbrett auf dem Xinfadi-Großmarkt zurückführen können. Dort sei Lachs verarbeitet worden.
    Quelle: Heute.at

    Anmerkung Jens Berger: Solche Berichte sind nicht nur unglaublich, sondern auch unverantwortlich. In der zitierten Quelle heißt es leicht verständlich: „Genome sequencing showed that the coronavirus came from Europe.“ Es handelt sich also nicht um „ein neues Virus“, sondern ganz einfach um den „Re-Import“ des mittlerweile mutierten Virus’ aus Europa. Kein Grund zur Panik.

  15. USA setzen die Einkreisung Russlands und Chinas fort – mit Unterstützung Deutschlands
    Die Nato nimmt die Ukraine in das „Enhanced Opportunities Program” auf. Russland dürfte die Entscheidung als Provokation wahrnehmen, meint der „Spiegel“ und hat Recht.
    Immer noch begreifen viele Politiker und Journalisten nicht, dass die USA Russland und China einkreisen und damit den Weltfrieden immer mehr gefährden. Dass die Regierung Merkel diese Politik unterstützt ist gegen unsere Interessen. Die US-Truppen sind nicht in Deutschland, um uns zu schützen, sondern um Russland unter Druck zu setzen und die verbrecherischen Drohnenkriege über ihre militärischen Einrichtungen bei uns zu steuern.
    Gefährlich ist auch, dass sich die außenpolitischen Laien in Berlin bereitfinden, die US-Einkreisung Chinas zu unterstützen. So will Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer Bundeswehr-Schiffe ins südchinesische Meer schicken. Und die Grünen, die, obwohl sie sich als Partei der Menschenrechte verstehen, nicht auf die Idee kommen, die Einhaltung von Menschenrechten von Washington zu fordern, das sie in aller Welt täglich mit Füßen tritt, sind vorne mit dabei, eine parlamentarische transatlantische Allianz gegen China aufzubauen – mit dabei unter anderem der ehemalige Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer, der in der Studentenbewegung beim maoistischen Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) aktiv war, und sich in den 70er Jahren in der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft (GDCF) engagierte. So ändern sich die Grünen.
    Diese Gruppe meint in völliger Ausblendung der Realitäten, die Außenpolitik der EU gegenüber China müsse werteorientiert sein und übersieht, dass die USA, in deren Diensten sie steht, wie kein anderes Land der Welt mit ihren Bombenkriegen, Drohnenkriegen, Handelskriegen und Sanktionen, die zum Tode von Millionen Menschen führen, gegen genau diese Werte verstoßen.
    Quelle: Oskar Lafontaine via facebook
  16. Bei mir war immer der Druck da, gut zu sein
    Linda Zervakis präsentiert seit über sieben Jahren die 20-Uhr-Nachrichten der “Tagesschau”. Im Interview berichtet sie, wieso diese große Öffentlichkeit Fluch und Segen sein kann.
    Doch egal, wie souverän, wie seriös und zuverlässig Zervakis ihre Aufgabe erfüllt: Für viele Menschen ist und bleibt sie “die erste ‘Tagesschau’-Sprecherin mit Migrationshintergrund”. Es ist der zweite Satz im Wikipedia-Artikel über sie, ein Stempel, der ihr mit Antritt ihres Jobs im Jahr 2013 versehen wurde. Und den sie seitdem nicht mehr loswird.
    Und Ihre Herkunft, Ihre griechischen Eltern spielten in der Schule nie eine Rolle?
    Nein, überhaupt nicht. Deswegen war ich 2013 so überrascht, als dieses Thema eine so große Rolle spielte. Dieser Stempel haftet mir erst an, seitdem ich um 20 Uhr im Ersten Nachrichten präsentiere. In der Schule hatte ich ganz andere Probleme. Ich war ein Arbeiterkind und meine Eltern konnten sich gewisse Dinge nicht leisten – das war quasi eher meine Ausgrenzung.
    Sie wurden wegen der fehlenden finanziellen Mittel ausgegrenzt?
    Manchmal auch ganz unbewusst. Wenn meine Freunde in den Herbstferien in den Urlaub auf die Kanaren geflogen sind, konnte ich nicht mitkommen, weil ich es mir nicht leisten konnte. Das war die Ausgrenzung, die ich als Kind erlebt habe – mit meiner Herkunft hatte das nicht das Geringste zu tun. Aufgrund der griechischen Herkunft meiner Eltern habe ich persönlich nie Probleme gehabt.
    Spielte das mal später im Zuge der Diskussion über die griechische Schuldenkrise im Jahr 2010 und darüber hinaus eine Rolle für Sie? Wie nimmt man gängige Betrachtungsweisen aus Deutschland auf das Land seiner Eltern wahr?
    Diese ganze Berichterstattung hat mich traurig gemacht. Als ich das alles gelesen habe, dachte ich, wir fallen zurück ins Mittelalter. Da wurde sehr viel auf plumpe Art und Weise stigmatisiert. Stichwort: der faule Grieche. Das war einfach nur maximal unangenehm.
    Quelle: t-online

    Anmerkung JK: Hier wird ein Punkt angesprochen, den des bürgerlich-liberalen Milieu bei der Diskussion von Diskriminierung gerne verdrängt, die ungebrochenen soziale Diskriminierung in Deutschland. Die Hartz IV Gesetzgebung, die in prekären Verhältnissen lebenden Bürgern offen Demütigungen und Schikanen aussetzt, ist nur ein prominentes Beispiel. Die Tatsache, dass die soziale Herkunft noch immer eines der wesentlichen Kriterien für Bildungserfolg in Deutschland ist, ein anderes. Auch die Griechenlandberichterstattung der deutschen Medien, die Linda Zarvakis anspricht, sollte man nicht vergessen. Die gleichen Medien, die sich nun mit Solidaritätsadressen für die Protestbewegung in den USA überschlagen, schreckten in der Griechenlandkrise 2010 nicht vor Artikeln zurück, die man ohne weiteres als rassistisch bezeichnen darf.

  17. Markus Lanz im ZDF: Ein Moderator verblüfft mit gewaltiger Ignoranz
    Er unterbricht permanent, er hört nicht zu, er ignoriert Argumente. Hauptsache, er hat recht (hat er aber oft nicht) – Markus Lanz.
    Drei Dinge sollte mitbringen, wer als Gast zu einer Talkshow geht: Selbstbewusstsein, Kompetenz beim Thema und eine gewisse Dickfelligkeit. Wer sich von Markus Lanz einladen lässt, braucht allerdings noch etwas mehr: Ein gerüttelt Maß an Masochismus. Wobei: Das gilt vor allem für Menschen, die der Moderator (der keiner ist), verdächtigt, links zu sein. Rechtsausleger wie seine Lieblingsgäste Robin Alexander (Die Welt) oder Wolfram Weimer (Cicero) fasst er nur mit Samthandschuhen an.
    Doch trägt einer das Kainsmal „Grüner“ oder „Sozi“, sollte er sich wappnen. Gegen permanentes Ins-Wort-Fallen, gegen Argumente Übertönen (wahlweise Überhören), gegen Verdrehungen und Beharren auf falschen Behauptungen. Das durfte jetzt Hubertus Heil erleben, Arbeits- und Sozialminister und zu seinem Pech Sozialdemokrat. Solchen Leuten zeigt Markus Lanz allemal, dass sie sagen können, was sie wollen: Er überfährt sie trotzdem.
    Nun haben wir erst gestern eine TV-Kritik zu Lanz’ Sendung gehabt, die ihn als dem Boulevard hörig schilderte. Und auch diese Besprechung war ja nicht der erste Verriss, und man muss schon fragen, ob Lanz ist, wie er ist, weil er durch seine pseudo-kritische Art das Erregungslevel schafft, das ihm dann die Quoten beschert. Und ob man also weiterhin berichten sollte über diese Mainzer Außenstelle der Inquisition.
    Quelle: FR

    Anmerkung JK: Die unsägliche Talkshow des Markus Lanz ist hier gut charakterisiert. Am besten einfach ausschalten. Das ärgerliche ist nur, dass man auch dafür seine Rundfunkgebühren zahlen muss.

    ergänzende Anmerkung Jens Berger: So richtig die Charakterisierung von Markus Lanz ist, so sehr muss man ihm – oder besser seinem Team – auch zugutehalten, dass die Sendung zur Corona-Thematik der einzige Lichtblick im deutschen TV-Sumpf war.

  18. Der schwere Irrtum der einfachen Wahrheit
    Was aber genau ist die sozialpsychologische Funktion verschwörungsideologischer Weltbilder? Warum haben diese so überaus häufig einen antisemitischen Hintergrund? Welche erkenntnistheoretischen Fehler begehen die einschlägigen Akteure? Zirkulieren solche Mythen heute zahlreicher als früher und was ist ihr historischer Ursprung?
    In den vergangenen Jahren ist eine Reihe soziologischer und psychologischer Studien entstanden, die vielfach die Aspekte Sinn- und Identitätsstiftung, Komplexitätsreduktion, narzisstisches Distinktionsbedürfnis sowie Entlastungs- und Sündenbockfunktion untersucht haben. Sicher ist: „Verschwörungstheorien“ – in der Forschung gibt es Kontroversen darüber, ob der Theoriebegriff überhaupt verwendet werden sollte – zwingen dem Chaos eine Ordnung auf.
    Quelle: Tagesspiegel.de

    Anmerkung unseres Lesers P.R.: Der Autor bedient sich zahlreicher wertender Worte um den großen Einmachtopf, hier vom Autor eine Analyse genannt, zu füllen. Ohne Scham werden willkürliche Zusammenhänge gebildet. Impfgegner, Verschwörungstheoretiker, Nazis, Antimodernisten, Freigeister, Antisemiten, Querfront werden zu einer Person verschmolzen. Wie auch schon von Nachdenkseiten beobachtet, wird immer häufiger, zusäzlich zur allgemeinen Diffamierung der “Verschwöhrungstheoretiker” die braune Schublade geöffnet, wie mit diesem Zitat veranschaulicht: “Wer vom Antisemitismus nicht sprechen will, sollte auch von Verschwörungsmythen schweigen.”

    Anmerkung JK: In dieser „Analyse“ ist wieder einmal besonders auffällig wie mit aller rhetorischer Gewalt versucht wird jeden, der sich nicht auf Regierungslinie bewegt, das Etikett des „Antisemitismus“ anzuheften. Ebenso ärgerlich die intellektuelle Arroganz, die aus jeder Zeile des Artikels tropft. Denn jeder, der sich mit den herrschenden Verhältnissen nicht abfinden will, kommt eben mit unserer „modernen, funktional ausdifferenzierte Gesellschaft mit ihren komplexen Widersprüchen“ einfach nicht zurecht und will nur sein „narzisstisches Distinktionsbedürfnis“ befriedigen. Da hat der Autor im Soziologieseminar aber gut aufgepasst.


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