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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 6. September 2020 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Erbärmliche Heuchelei
  2. Marija Kolesnikowa, Belarus: Millionen und Sanktionen der EU schaden dem Dialog
  3. Später Sieg für Snowden: Gericht erklärt NSA-Vorratsdatenspeicherung für illegal
  4. Prozess gegen Assange geht weiter, begleitet von weltweiten Protesten
  5. Cum-Ex: Der Bankier und seine Freunde in der Politik
  6. Lobbyismus und Geheimdienste: Wirecard wirft Schatten aufs Kanzleramt
  7. Kita- und Schulschließungen sowie andere Corona-Maßnahmen beeinträchtigen das Wohlbefinden von Eltern
  8. Berliner Amri-Untersuchungsausschuss gibt auf
  9. Hurra, wir kapitulieren
  10. Kollabierte Kommunikation: Was, wenn am Ende «die Covidioten» recht haben?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Erbärmliche Heuchelei
    Der russische Regime-Kritiker Nawalny wurde vergiftet. Kanzlerin Merkel hat im Namen der Bundesregierung das Verbrechen verurteilt. Der russische Botschafter wurde einbestellt. Die EU sucht nach einer gemeinsamen Antwort.
    Ja, die Bundesregierung hat Recht. Eine den Menschenrechten verpflichtete Demokratie darf solche Verbrechen nicht widerspruchslos hinnehmen.
    Aber ist die Bundesregierung moralisch berechtigt, solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen? Eine Regierung, die sich selbst an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt, in denen viele Tausende Menschen grausam ums Leben kommen?
    Eine Regierung, die zulässt, dass der US-Drohnenkrieg von deutschem Boden aus geführt wird?
    Ist der Tod eines Kindes, das von US-Drohnen zerfetzt wird, nicht auch ein Verbrechen?
    Wird ab jetzt jeden Tag der US-Botschafter einbestellt? Wird die EU Sanktionen beschließen, um die täglichen Verbrechen der US-Oligarchie zu ahnden?
    Die Vergiftung des Regime-Kritikers Nawalny ist ein verabscheuungswürdiges Verbrechen. Und viele Menschen werden dieses Verbrechen verurteilen. Aber die Empörung der US-Vasallen in den europäischen Metropolen ist feige, erbärmliche Heuchelei.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

    dazu: Skrupelloser Nachbar? Der schwierige Umgang mit Putins Russland
    Lukaschenko erhält Rückendeckung aus Moskau. Der russische Präsident Wladimir Putin hat erklärt, dass seine Regierung bereit sei, bei einer weiteren Zuspitzung der Lage mit Einsatzkräften zu helfen. (…) Die Europäer sind in einer schwierigen Lage. Sie wollen sich aus dem Konflikt heraushalten und gleichzeitig die Protestierenden unterstützen. Das Verhältnis zu Russland ist ohnehin angespannt – zuletzt durch den Fall von Alexej Nawalny. Der prominenteste russische Kreml-Kritiker liegt derzeit im künstlichen Koma in der Berliner Charité. Die Ärzte fanden Hinweise auf eine Vergiftung. (…) Müssen die Europäer ihren Druck verstärken? Und welche Interessen verfolgt Putin gegenüber Europa?
    Quelle: Presseclub/ARD

    Anmerkung Tobias Riegel: Ein bewusstloser “Kreml-Kritiker“ und eine vom Westen hofierte Protestbewegung in Belarus – das ruft die übliche Meinungsmache auf den Plan. In dieser Sendung gleich mit zwei verdienten Vertreterinnen: Golineh Atai und Gesine Dornblüth. Und Andrey Kurkov von der Deutschen Welle erklärt, Lukaschenko handele eindeutig gemäß der „Putin’schen Schule“. Kurkov würde das “als die Maduro-Strategie oder die Assad-Strategie bezeichnen“. Die Sendung ist ein Sammelsurium an Verkürzungen und fragwürdigen Bezügen – erwartungsgemäß.

  2. Marija Kolesnikowa, Belarus: Millionen und Sanktionen der EU schaden dem Dialog
    Ein bemerkenswertes Gespräch konnte man in der Samstagsausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 29.08.2020 lesen. Die von dem oppositionellen Frauentrio nach den Zusammenstößen mit der belorussischen Staatsmacht im Lande verbliebene Marija Kolesnikowa, faktische Sprecherin des Koordinationsrates der Opposition in Belarus gab Interventionen von Seiten der EU eine deutliche Absage.
    Für die, die dieses Interview nicht selbst lesen konnten, hier das Wichtigste in Kürze:
    Nach einer kurzen Skizze ihrerseits, dass die Protestbewegung sich nun von der Straße mehr in die Breite bewege, antwortet Frau Kolesnikowa auf die Frage, ob sie befürchte, dass der Machtkampf in Belarus nach den ersten Zusammenstößen zwischen Staatsmacht und Opposition „nun geopolitisch aufgeladen“ werde:
    Quelle: Kai Ehlers

    dazu: Das “armenische Modell”
    Eine führende Vertreterin der Minsker Opposition protestiert gegen die Einmischung der EU in Belarus. Die Sanktionen, auf die sich die Außenminister der Union am vergangenen Freitag geeinigt haben, lehne sie ab, erklärt Marija Kolesnikowa, eine der bekanntesten Aktivistinnen des Minsker “Koordinationsrats für den Machtübergang”. Dass die EU darüber hinaus den “Koordinationsrat” einspannen wolle, um Millionenbeträge zur Unterstützung der Opposition in Belarus zu verteilen, habe dem Rat “sehr geschadet”. Ohnehin wünsche die klare Mehrheit der Demonstranten keine einseitige Annäherung an EU und NATO, sondern wolle vielmehr die Beziehungen ihres Landes zu Russland “entwickeln” und “freundschaftlicher … gestalten”. Kolesnikowa weist darauf hin, dass die “traditionelle Opposition”, die in Kooperation mit dem Westen eine weitreichende Abkehr von Russland anstrebt, sich – noch – in der Minderheit befindet. Westliche Strategen raten mit Blick auf die schwache Abneigung gegen Russland in der belarussischen Opposition zu größerer Umsicht und plädieren für ein “armenisches Modell”.
    Quelle: German Foreign Policy

  3. Später Sieg für Snowden: Gericht erklärt NSA-Vorratsdatenspeicherung für illegal
    Sieben Jahre nach den Enthüllungen zum größten Überwachungsskandal der Geschichte entscheidet ein Gericht, dass die jahrelange Überwachung der Metadaten von Millionen Amerikaner:innen illegal war.
    Ein Gericht in den USA hat am Mittwoch entschieden, dass die US-Vorratsdatenspeicherung des Geheimdiensts NSA illegal und möglicherweise verfassungswidrig war. Geklagt hatte unter anderen die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU.
    Das Urteil enthält gleich mehrere Hinweise auf die Rolle des ehemaligen NSA-Mitarbeiters und Whistleblowers Edward Snowden bei der Enthüllung des Überwachungsprogramms. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die „Massensammlung“ solcher Daten gegen den Gesetz zur Überwachung in der Auslandsaufklärung FISA verstößt.
    Das Gericht entschied allerdings nicht, dass die Schnüffelei der NSA definitiv verfassungswidrig ist. Es wies aber Argumente des Justizministeriums zurück, dass das Sammeln der Metadaten mit einem 40 Jahre alten Präzedenzfall begründet hatte und behauptete, dass die Kund:innen solche Informationen freiwillig an die Telefonanbieter weitergeben.
    Quelle: netzpolitik.org
  4. Prozess gegen Assange geht weiter, begleitet von weltweiten Protesten
    Am 7. September 2020 wird die absurde Auslieferungsanhörung von Julian Assange für 3-4 Wochen wieder aufgenommen. Sollte er an die USA ausgeliefert werden – wo ihm kein Schutz nach dem „Ersten Verfassungszusatz“ gewährt wird – drohen ihm 175 Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis. Die USA und Großbritannien, unterstützt von Ecuador, Schweden und anderen, versuchen, Assange und WikiLeaks zum Schweigen zu bringen. Ihr Ziel ist es, einen Präzedenzfall zu schaffen, der weltweit die Möglichkeit zur Veröffentlichung von Informationen massiv einschränken wird, welche Regierungen geheim halten wollen, und auch unsere kollektive Fähigkeit, uns auf der Grundlage dieser Informationen zu organisieren und zu handeln.
    Der Schauprozess gegen Assange ist der Beginn der beabsichtigten Zerstörung unseres Rechts auf eine freie, unabhängige, scharfsinnige und investigative Presse. Die USA wollen insbesondere die Berichterstattung über die nationale Sicherheit kriminalisieren und im Keim ersticken, ebenso wie Maßnahmen, die Journalisten ergreifen, um ihre Quellen zu schützen. Der Versuch der USA, Journalismus und den öffentlichen Zugang zu Informationen als „Verschwörung zur Spionage“ zu bezeichnen, ist nach demokratischen Standards inakzeptabel, da er das Recht der Öffentlichkeit zerstört, zu erfahren, was Regierungen in ihrem Namen tun.
    [….] Während der Wochen der Anhörung und darüber hinaus werden Gruppen und Einzelpersonen auf der ganzen Welt alle verfügbaren kreativen Mittel offline und online nutzen, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen, diesen absurden Justizbetrug anzuprangern, Julian Assange zu verteidigen und den Schutz journalistischer Quellen zu feiern.
    Quelle: Free Assange

    Anmerkung Moritz Müller: Diese traurige Farce, welche am nächsten Montag fortgesetzt werden soll, müsste eigentlich Journalisten jedweder Couleur wachrütteln. Es lohnt sich nicht nur für Journalisten an einer der zahlreichen Mahnwachen teilzunehmen. Für die Mahnwache am 3.9. in Berlin sind z.B. der Journalist Michael Sontheimer (Der Spiegel) und der Friedensaktivist Rainer Braun als Redner angekündigt und die We are Millions Aktion kommt am Samstag nach Frankfurt.

    Auch bei den näher liegenden Mahnwachen ist es höchstwahrscheinlich, dass man auf interessante und engagierte Menschen trifft.

    Anmerkung Marco Wenzel: Details zu den Orten und Terminen der Aktionen finden Sie ebenfalls unter blog.freeassange.eu/2020/09/01/aufruf-solidaritat-mit-assange/

  5. Cum-Ex: Der Bankier und seine Freunde in der Politik
    Die Warburg-Bank soll in der Cum-Ex-Affäre Millionen zurückzahlen. Es folgt ein Lehrstück über zu viel Nähe von Politikern und Wirtschaft. Auch Olaf Scholz tritt auf.
    Das Tagebuch des Christian Olearius besteht aus gebundenen Kladden, Hunderte Seiten insgesamt, die Blätter dicht beschrieben. 22 Bände haben Ermittler 2018 während einer Durchsuchung sichergestellt. Olearius ist heute 78 Jahre alt und Mitinhaber der größten deutschen Privatbank M.M.Warburg. Sein Tagebuch ist ein wichtiges Beweisstück in einem der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik. Es geht um wohl illegale Aktiendeals namens Cum-Ex, bei denen sich Olearius und seine Bank viele Millionen Euro an Steuern vom Staat erstatten ließen, die sie zuvor gar nicht gezahlt hatten, und um den Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung gegen den Bankier. Warburg und Olearius bestreiten diese Vorwürfe. So weit zum strafrechtlichen Teil.
    Olearius’ Erinnerungen führen aber auch in eine Welt, die der Öffentlichkeit normalerweise verschlossen bleibt, in der hochwohlmögende Bankiers beste Verbindungen in die Politik pflegen, in der Emissäre hin- und herreisen und Deals auszuhandeln versuchen. Zu lesen ist vom leidenschaftlichen Engagement einiger SPD-Politiker für die Bank und von öffentlich nicht bekannten Begegnungen mit dem heutigen Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, der damals Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg war.
    Quelle: Zeit Online

    dazu: Tagebuch bringt Scholz in Erklärungsnot
    Der heutige SPD-Kanzlerkandidat traf sich als Hamburgs Erster Bürgermeister öfter mit einem Chef der Privatbank MM Warburg als bislang eingeräumt. Dabei ging es um eine Steuerforderung der Stadt von 47 Millionen Euro.
    Quelle: Süddeutsche

  6. Lobbyismus und Geheimdienste: Wirecard wirft Schatten aufs Kanzleramt
    Die Sitzung des Finanzausschusses zur Wirecard-Affäre bleibt weitgehend ergebnislos: Die Geheimdienste wollen nichts gewusst und die Bundesregierung nur Wirtschaftsinteressen vertreten haben. Gerade diese Haltung bestärkt die Opposition, tiefer zu bohren.
    Das Bundeskanzleramt hat dem “Handelsblatt” ungewollt eine feine Auszeichnung ans Revers geheftet: Demnach ist das Wirtschaftsblatt im weltweit beachteten Skandal um den Milliardenbetrug des deutschen Finanzdienstleisters Wirecards besser informiert als die deutschen Geheimdienste. Zumindest, was den Verbleib des gesuchten österreichischen Ex-Finanzvorstands Jan Marsalek angeht. Staatsminister Hendrik Hoppenstedt sagt bei seinem heutigen Auftritt im Finanzausschuss des Bundestags, dass weder BND noch ein anderer deutscher Nachrichtendienst etwas über Marsaleks Aufenthaltsort wüssten. Das “Handelsblatt” hingegen hatte schon am Vorabend unter Berufung auf dessen Bekannte berichtet Marsalek befinde sich nahe Moskau – unter dem Schutz des russischen Auslandsgeheimdienstes.
    Quelle: n-tv

    dazu: Angela Merkel blockiert ein Lobbyregister für die Bundesregierung, mit peinlichen Ausreden
    Man stelle sich vor, eine ansteckende Krankheit bräche aus und alles, was die Bundesregierung täte, wäre Schutzmasken an Bedürftige zu verteilen. Es wäre nicht nichts. Es wäre aber auch nicht genug.
    So absurd es klingt: Ganz ähnlich agieren Kanzlerin Angela Merkel und ihre Große Koalition beim Thema Lobbyismus. Der ist keine Seuche, untergräbt aber schon seit Jahren das Vertrauen der Bürger in die Demokratie, auch weil Lobbyisten in Berlin weitgehend im Verborgenen arbeiten können. Die jüngsten Skandale um die Lobbykontakte der Skandalfirma Wirecard und um die Aktivitäten des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor waren ja nur die Spitze des Eisbergs. …
    Künftig sollen sich zwar auch Firmen bis hin zu Anwaltskanzleien in das Register eintragen, nicht nur Verbände. Aber weder müssen sie konkrete Lobbykontakte offenlegen, noch die vollen Summen, die sie beim Lobbying einsetzen. Lobbyagenturen sollen auch in Zukunft nicht gezwungen sein publik zu machen, für welche zahlenden Kunden sie arbeiten – nur die Branche muss angegeben werden. All das fällt weit zurück hinter die Standards, die in der US-Hauptstadt Washington gelten – oder auch in der EU-Kapitale Brüssel.
    “Absolut unzureichend” nannten die NGOs Lobbycontrol und Abgeordnetenwatch den Entwurf der Groko. Wie grotesk schlecht der bisherige Plan ist, zeigt sich beim Abgleich mit dem Fall Amthor. Nichts von dem, was sich der CDU-Abgeordnete aus Vorpommern leistete, würde von dem Lobbyregister à la Groko erfasst. Seine Termine mit der großzügigen Firma wären auch nach der Reform unter der Decke geblieben. Und anders als etwa in Großbritannien, wo Abgeordnete bereits Geschenke und Reisekostenzuschüsse im Wert von über 300 Pfund zeitnah offenlegen müssen, ist offenbar nicht geplant, solche Veröffentlichungsregeln bei uns einzuführen.
    Quelle: Stern

  7. Kita- und Schulschließungen sowie andere Corona-Maßnahmen beeinträchtigen das Wohlbefinden von Eltern
    Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus haben große Einschränkungen des alltäglichen Lebens mit sich gebracht. Für viele Eltern waren insbesondere die Schließungen von Kitas und Schulen eine Herausforderung. Mit vor und während der Corona-Pandemie erhoben Befragungsdaten kann nun gezeigt werden, dass die Zufriedenheit mit dem Leben im Allgemeinen und speziell mit dem Familienleben sowie der Kinderbetreuung im Mai und Juni 2020 insbesondere bei Frauen mit jungen Kindern im Haushalt deutlich gesunken ist. […]
    Die bundesweiten Einschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus haben das Leben der Menschen seit Mitte März 2020 stark verändert. Mit den flächendeckenden Schließungen von Kindertageseinrichtungen (Kitas) und Schulen brachen für die meisten Familien mit Kita- und Schulkindern zentrale Betreuungs- und Bildungsangebote weg. Gleichzeitig hat die Politik von einer Betreuung durch die Großeltern abgeraten, womit vielfach eine weitere Betreuungsmöglichkeit ausfiel, die häufig als Notfallbetreuung genutzt wird. Zwar dürfen Kinder mit dem neuen Schuljahr wieder in die Kitas und Schulen, eine Rückkehr zu einem Regelbetrieb wie vor Corona ist dies jedoch nicht, wenn beispielsweise an die unterschiedlichen Hygienepläne gedacht wird.
    Viele Eltern waren nach Inkrafttreten der Einschränkungen im Home-Office, viele sind es auch jetzt noch. In systemrelevanten Berufen oder auch an anderen Arbeitsplätzen sind Eltern dagegen weiter ihrer Erwerbstätigkeit nachgegangen (z.B. Müller et al. 2020). Gleichzeitig mussten sich die meisten mit der Schließung und auch bei der Teilöffnung im Mai um ihre Kinder kümmern. Andere Eltern waren durch Kurzarbeit oder gar Jobverlust zusätzlich von wirtschaftlichen Sorgen und Problemen betroffen – Lebensumstände, die das subjektive Wohlbefinden stark und nachhaltig beeinträchtigen können. Andererseits haben die Beschränkungen des öffentlichen Lebens zu einer Entschleunigung des Alltags bei einigen Familien geführt: Eltern hatten in manchen Fällen mehr Gelegenheiten, um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Dies könnte sich auch positiv auf die Zufriedenheit mit dem Familienleben ausgewirkt haben.
    Abgesehen von möglichen Effekten von Kita- und Schulschließungen auf Kinder (siehe z.B. UKE Hamburg, 2020, Wößmann et al., 2020) ist es zur Bewertung der gesamtgesellschaftlichen Kosten der Corona-Maßnahmen neben vielen Aspekten auch wichtig, zu betrachten, wie sich Kita- und Schulschließungen auf Eltern auswirken – insbesondere auch mit Blick auf die Abwägung möglicher öffentlicher Maßnahmen zur Eindämmung einer zweiten Infektionswelle.
    Quelle: Ökonomenstimme
  8. Berliner Amri-Untersuchungsausschuss gibt auf
    Mitte Mai 2017, fünf Monate nach dem LKW-Anschlag vom 19. Dezember 2016 mit zwölf Toten, machte der Innensenator eine Ungeheuerlichkeit öffentlich: Im Landeskriminalamt (LKA) seien nach dem Anschlag Akten manipuliert worden, die die Polizei über Anis Amri, den angeblichen Attentäter, führte. Amri war als islamistischer Gefährder sowie als banden- und gewerbsmäßiger Drogendealer fest im Blick des Staatsschutzes. Hinzu kam seine Beteiligung an einem gewalttätigen Angriff im Drogendealermilieu.
    Entdeckt hatte die Manipulationen der vom Senat eingesetzte Sonderermittler in Sachen Anschlag Breitscheidplatz, Bruno Jost, Bundesanwalt im Ruhestand. LKA-Mitarbeiter hatten die Erkenntnisse über Amri rückwirkend falsch dargestellt, abgeschwächt und unter einem zurückliegenden Datum in die Akte geschmuggelt. Beispielsweise wurde die Erkenntnis über seine “banden- und gewerbsmäßigen” Drogengeschäfte umgewandelt in “Kleinsthandel mit Drogen”. Innensenator Geisel griff zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er stellte Strafanzeige gegen die zwei verantwortlichen LKA-Beamten, den Sachbearbeiter Tobias L. und seinen Vorgesetzten Lars O.
    Quelle: Telepolis
  9. Hurra, wir kapitulieren
    Da wird von Gregor Gysi nichts weniger verlangt, als den außenpolitischen Gründungskonsens der Linkspartei von 2007 in Frage zu stellen, wenn nicht aufzukündigen. Er bestand darin, sich außenpolitisch keiner Sanktions- und Interventionspolitik zu unterwerfen, die missliebige Staaten und Systeme zur Räson bringt.
    Man hielt die NATO für einen Anachronismus, der durch andere Sicherheitsstrukturen ersetzt werden sollte, und lehnte die europäische Integration nicht a priori ab, versagte sich aber einer EU, die als neoliberales Projekt einen Offenbarungseid nach dem anderen leistete. Während der Eurokrise war das unbestritten deren Kernkompetenz. (…)
    Will Gysi nun die große außenpolitische Inventur, läuft das auf einen – aus seiner Sicht womöglich längst fälligen – Götzensturz hinaus. Freilich würden damit zugleich Wurzeln einer eher kurzen Parteigeschichte wie der bisher reklamierten politischen Identität gekappt. Nicht zuletzt lange zurückliegende (1914-1918) wie jüngste Geschichte der SPD (1999) zeugt davon, was es bedeuten kann, sich in der Frage von Krieg und Frieden – und darum geht es, wenn man sich mit der NATO arrangieren will – untreu zu werden.
    Für die Linkspartei geschähe das im Übrigen ohne Not. Warum jetzt dazu anregen, dass eines ihrer letzten Alleinstellungsmerkmale geopfert wird? Die Aussichten ab 2021 von Grünen und Sozialdemokraten an einer Regierung beteiligt zu werden, sind äußerst vage. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würde ein Wahlergebnis zwischen sieben und acht Prozent in einem grün-rot-roten Kabinett alles andere als Diskurshegemonie bescheren. Ein Minderheitsdasein mit zwei oder drei Ressorts wäre das höchste der Gefühle.
    Quelle: Lutz Herden in der Freitag

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen und sehen Sie passend zum Thema auch Link zum Livestream „75 Jahre Potsdamer Konferenz“.

  10. Kollabierte Kommunikation: Was, wenn am Ende «die Covidioten» recht haben?
    Das Virus entfaltet eine ungeahnte Nebenwirkung: Es befällt das Denkvermögen. Nun lautet die neue Gefahr: «Die zweite Welle ist im Anmarsch.» Besonders falsch sind da natürlich gerade Massendemonstrationen gegen die Corona-Politik wie letztes Wochenende in Berlin. Die Ansteckungsgefahr sei zu hoch. […]
    Die Statistik gibt gerade den «Covidioten» recht: Sowohl die Zahl der Hospitalisationen als auch jene der Todesfälle geht in allen europäischen Ländern seit Wochen zurück. Gegenüber den Peaks im April ist die tägliche Todesrate in allen europäischen Ländern um etwa 99 Prozent gefallen. Seit Mitte Juni ist in der Schweiz die Zahl der Todesfälle höchstens einstellig, an den meisten Tagen starb seither niemand mehr an (bzw. mit) Covid. Das Lockdown-abtrünnige Schweden hatte am 15. April einen Peak von 115 Corona-Toten zu vermelden. Diese Zahl ist seit dem 20. Juli einstellig, seit dem 23. August bei null. Wer aufbauend auf diesen Zahlen jetzt eine Impfpflicht oder mögliche weitere Lockdowns diskutiert, ist, pardon, selbst nicht ganz bei Trost.
    Quelle: NZZ

    dazu: WHO ruft zum Dialog mit Corona-Demonstranten auf
    Die WHO rät Regierungen, besonnen auf Anti-Corona-Demos zu reagieren. Gesundheitsminister Jens Spahn ist überrascht von der Zusammensetzung der Protestierenden.
    In den vergangenen Wochen hat es in mehreren Ländern Demonstrationen gegen die Corona-Beschränkungen gegeben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte die Regierungen dieser Länder nun dazu auf, einen “ehrlichen Dialog” mit den Demonstranten und Demonstrantinnen zu führen. Die Regierungen sollten nicht überreagieren, sagte der WHO-Experte Mike Ryan. Gerade jetzt komme es darauf an, nicht noch mehr Spaltung in der Gesellschaft zu befördern.
    Allerdings müssten die Demonstranten auch einsehen, dass das Coronavirus gefährlich sei, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. “Es breitet sich aus und es tötet.”
    Quelle: Zeit Online


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