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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 1. Februar 2021 um 8:37 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Virologe Streeck schießt gegen Merkel: Wissenschaftler mit anderer Meinung werden ignoriert
  2. Verbindet sich der Westen die falschen Finger?
  3. Dieser Deutsche machte Nawalny wieder fit
  4. Bei den Freiheitseinschränkungen geht die Regierung mutig voraus
  5. Heribert Prantl: „Ich hoffe, dass die Gesellschaft aufwacht“
  6. Nach Stellenabbau – Commerzbank-Vorstand diskutiert Ausschüttungen an Aktionäre
  7. Finanzlage der Unternehmen bleibt angespannt
  8. Vorschlag von Altmaier – Tafelsilber für Corona-Schulden verkaufen?
  9. Die im Dunkeln frieren
  10. Drei weitere Obdachlose in Hamburg verstorben
  11. Statistiker holt zur RKI-Schelte aus: Corona-Daten “eine einzige Katastrophe”
  12. Wacklige Wissenschaft schafft Panik
  13. Psychologe Grünewald zu Corona – “Viele Deutsche sind erschöpft und zermürbt”
  14. Selbst etablierte Künstler denken daran, ihren Beruf aufzugeben
  15. Bundesregierung zahlte mindestens 344 Millionen Euro für Berater
  16. Klimapolitik wird zu Geopolitik
  17. Haben die liberalen Demokratien westlichen Zuschnitts noch eine Zukunft?
  18. Unsere »mediale Grundversorgung«

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Virologe Streeck schießt gegen Merkel: Wissenschaftler mit anderer Meinung werden ignoriert
    Auf einige Virologen verlässt sich die Bundesregierung, andere werden weniger gehört. Mediziner Hendrik Streeck plädiert stattdessen für Ausgewogenheit.

    • Virologe Hendrik Streeck wirft der Bundesregierung vor, Experten mit anderen Sichtweisen zu ignorieren.
    • Er und ein weiterer Kollege seien nicht zu Beratungen eingeladen worden, obwohl Politiker das begrüßt hätten.
    • Streeck dämpft außerdem die Hoffnung auf ein Leben ohne Corona. […]

    Streeck berichtet gegenüber dem Blatt davon, wie er nicht in die Beratungen vor der letzten Lockdown-Verlängerung mit einbezogen wurde: „Ich hatte am Donnerstag vor diesem Termin ein Telefonat mit einem Ministerpräsidenten, der mich oder den Epidemiologen Klaus Stöhr in die Beratung holen wollte, und habe mir den entsprechenden Montag frei gehalten“, so Streeck.
    Demnach habe auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher Stöhr in die Runde holen wollen, ebenfalls ohne Erfolg. „Zwei Wissenschaftler, die eine andere Sichtweise vertreten, wurden von Ministerpräsidenten vorgeschlagen – und dennoch ignoriert. Wäre ich Ministerpräsident, würde ich mir wünschen, ein möglichst breites wissenschaftliches Bild und auch Für- und Wider-Argumente zu hören“, kommentierte Streeck die Entscheidung.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Lesen Sie dazu auf den NachDenkSeiten: Merkels Falken scheitern am Föderalismus. Das Ergebnis ist dennoch deprimierend.

  2. Verbindet sich der Westen die falschen Finger?
    Die massive mediale und finanzielle Unterstützung des Westens zugunsten Nawalnys kann einen unbeabsichtigten Effekt haben. (…)
    Nur wenige US-amerikanische Publizisten kennen Russland und das, was man «die russische Seele» nennt, wirklich gut, und nur wenige kommen zu Wort. Einer, der sonst vor allem die militärischen Rüstungen anderer Länder beobachtet, Mark Episkopos, hat nun in der renommierten – politisch als «konservativ» eingestuften – Zeitschrift «The National Interest» auf etwas aufmerksam gemacht, das bisher wenig beachtet und bedacht wurde: Die vom Westen vor allem medial, mittlerweile aber auch finanziell unterstützten Aktionen von Alexej Nawalny könnten in Russland einen unerwarteten Effekt haben. Die Bedrohung Russlands «von aussen» könnte zu einer neuen Zustimmungs- und Sympathiewelle für den Kreml und für Wladimir Putin führen.
    Ins Deutsche übersetzt schreibt Episkopos (am 19. Januar): «Nawalnys Verhaftung könnte als weiterer Anstoss für ein neues US-Sanktionspaket gegen Moskau zu Beginn der Präsidentschaft von Joe Biden dienen, eine Massnahme, die im Senat stetige parteiübergreifende Unterstützung geniesst. Es könnte auch den laufenden amerikanischen Bemühungen Auftrieb verleihen, den Bau der Gaspipeline ‹Nord Stream 2› zwischen Russland und Deutschland zu stoppen, der schon jetzt mehr und mehr unsicher zu sein scheint. Offene westliche Drohungen in der Nawalny-Affäre könnten jedoch einen paradoxen Effekt auf die russische Zivilgesellschaft haben: Mit jeder weiteren Forderung aus Brüssel oder Washington wird (russische) Nachsicht gegenüber Nawalny mit der in Russland verachteten westlichen Appeasement-Politik verglichen. Das Ergebnis wäre dann eine Art negative Rückkoppelung, die das Entstehen einer lebendigen Oppositionskultur sogar behindert. […] Sanktionen und andere Formen der Bestrafung Russlands, die erhebliche Kosten für das russische Prestige und mehr noch für die russische Wirtschaft mit sich bringen, scheinen das russische Volk in seinen Vorbehalten gegenüber dem Westen zu vereinen und Putins Entschlossenheit sogar zu stärken, unter Druck nicht zu kapitulieren. Traditionell gibt es in Russland nichts, was der Legitimität einer Regierung mehr schadet, als wenn sie Schwäche zeigt.»
    Quelle: Infosperber
  3. Dieser Deutsche machte Nawalny wieder fit
    In einem kleinen Schwarzwaldort trainierte Björn Leber mit dem russischen Oppositionellen für dessen Genesung: Neun Wochen Muskelaufbau, Jonglieren und Boxen. (…)
    Beim Abschied haben sie sich umarmt. „Ich habe ihn gefragt, wann wir uns wiedersehen. Da hat er gelacht, mich nochmals umarmt und gesagt: Komm vorbei, wenn ich russischer Präsident bin.“
    Quelle: Der Tagesspiegel

    Anmerkung unseres Lesers B.H.: Sollte Nawalny das wirklich so geäußert haben, dann ist er nichts anderes als ein russischer Juan Guaido, wo nur noch fehlt, dass er sich selber in Russland zum Präsidenten kürt.

    Wobei für mich interessant wäre welche US-Regierung, wenn es denn so sein sollte, hinter diesem PR-Coup gegen Putin steckt. Mein Verdacht ist, dass es nicht Joe Biden ist sondern noch Donald Trump und seine Leute, auch das Timing würde passen – na ja mal abwarten was für eine Wahrheit ans Licht kommt.

  4. Bei den Freiheitseinschränkungen geht die Regierung mutig voraus
    Nicht nur viele EU-Staaten sind beim Impfen gegen Corona sehr viel besser organisiert als Deutschland. Um davon abzulenken, werden die Erfolge der anderen kleingeredet und deren „Impfnationalismus“ kritisiert. Eine andere Reaktion wäre angebracht. (…)
    Wenn die Kanzlerin über die Pandemie spricht, wird sie emotional. Auch der Bundesgesundheitsminister spricht mit Pathos. Geht es darum, die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger einzuschränken, geht die Regierung mutig voraus. Dass sie auch Konsequenzen aus dem eigenen Versagen zieht, ist dagegen zu viel verlangt.
    Quelle: Welt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es fällt mir gerade beim stellvertretenden Chefredakteur der hart konservativen WELT schwer zuzugeben, aber der Mann hat einfach 100% recht. Deutschland hatte neun Monate Zeit zur Vorbereitung und Organisation der Impfungen und erweist sich jetzt als ganz schlecht organisiert und im “Impfnationalismus” als einer der Spitzenreiter. Was nicht erwähnt wird und trotzdem wahr ist: im Jahr 2020 hat man (zu Recht) auf die katastrophal schlimmen Todeszahlen in den USA hingewiesen – der unfähige Populist Trump halt -, aber seit Dezember 2020 ist die Anzahl der “an und mit Corona Gestorbenen” in Deutschland (relativ zur Bevölkerungszahl) genauso hoch, dies- und jenseits des Atlantiks gleichermaßen schlecht. Leider buchstabiert die WELT die “Konsequenzen aus dem eigenen Versagen” für Bundeskanzlerin und Bundesgesundheitsmininister nicht aus; ein sofortiger Rücktritt wäre meiner Meinung angemessen, in beiden Fällen viele Jahre zu spät, aber ein Eingeständnis der vielen eigenen Fehler und Fehleinschätzungen, ein Verzicht auf “Impfnationalismus” und finger pointing, ein drastische Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Pflege und Krankenhäusern, eine Konzentration auf eine bessere Corona-Politik und die deutlich bessere Organisation der Impfungen wären schon Riesenfortschritte. Nur leider von dieser Kanzlerin und diesem Bundesgesundheitsmininister absolut nicht zu erwarten. Da wird dann mit der neoliberalen Ideologie im Hinterkopf munter weiter dilettiert.

  5. Heribert Prantl: „Ich hoffe, dass die Gesellschaft aufwacht“
    Der frühere Politik-Chef der Süddeutschen Zeitung und Jurist sagt: Das Grundgesetz steht nicht unter Pandemie-Vorbehalt.
    Berliner Zeitung: Herr Prantl, Sie haben neulich in einer Talk-Show gesagt, dass Sie in den 33 Jahren Ihrer Tätigkeit als Journalist noch nie so viel Angst gehabt hätten. Wovor haben Sie Angst?
    Heribert Prantl: Ich habe nicht Angst um mich. Ich habe Angst um unsere Grundrechte. Ich bin besorgt. Die Grundrechte sind das Schönste und Beste und Wichtigste, was wir in unserem Staat haben. Ich habe das Gefühl, dass sie in der Pandemie kleingemacht oder bisweilen beiseitegeschoben werden. Ich habe die Sorge, dass wir die Grundrechte opfern, um so vermeintlich der Pandemie Herr zu werden. Das Wesen der Grundrechte ist jedoch, dass sie gerade in einer Krise gelten müssen. Deswegen heißen sie Grundrechte. Sie sind die Leuchttürme, die in der Demokratie leuchten. Es ist fatal zu glauben, man könne sie ja eine Zeit lang geringer leuchten lassen. Diese Haltung erscheint mir aber dominant, wenn ich die aktuelle Politik betrachte. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir so intensive Beschränkungen unserer Freiheit erleben werden. Hans-Jürgen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts sagte in diesen Tagen, er habe sich nie vorstellen können, dass derart intensive Freiheitsbeschränkungen von der zweiten Gewalt, der Exekutive, beschlossen werden. Er hat darauf hingewiesen, dass Entscheidungen über Grundrechte eine breite gesellschaftliche und demokratische Basis brauchen. Aktuell ist die Politik dominiert von Naturwissenschaftlern und Virologen. Das geht nicht. Die Regierung muss Verfassungsrechtler, Pädagogen, Soziologen, Ökonomen und Kinderärzte anhören. Die Grundrechte sind kein Larifari. In einem demokratischen Rechtsstaat steckt die Kraft der Hoffnung in den Grundrechten – auch und gerade in Krisenzeiten. Weil die Corona-Politik die Grundrechte zu wenig achtet, ist die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht so groß, wie sie sein könnte.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: Auf die erwähnte TV-Talk-Show haben die NachDenkSeiten in den Videohinweisen vom 27.01.2021 hingewiesen: Talk im Hangar-7 – Merkel, Kurz und Mutationen: Politik am Volk vorbei? | Kurzfassung.

  6. Nach Stellenabbau – Commerzbank-Vorstand diskutiert Ausschüttungen an Aktionäre
    Trotz des geplanten Abbaus von 10.000 Stellen erwägt die Führung der Commerzbank nach Informationen von WELT AM SONNTAG ein Programm, das die Aktionäre glücklich machen soll. Im Gespräch sind eine Dividende oder Aktienrückkäufe.
    Für Commerzbank-Aktionäre waren die vergangenen Jahre eine Qual – was sich am Aktienkurs der Bank ablesen lässt. Seit 2007 hat das Papier mehr als 90 Prozent eingebüßt. Auch aus dem Leitindex Dax flog die zweitgrößte börsennotierte Bank Deutschlands vor zweieinhalb Jahren. Zum Leidwesen der Steuerzahler, denn die Bundesregierung ist mit 15,6 Prozent noch immer an der Commerzbank beteiligt.
    Quelle: Welt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Eine krasse Kombination, wegen mangelnder Profitabilität ein Drittel der Angestellten zu entlassen und dann Dividenden zu zahlen. Aber vielleicht soll die Beglückung der Aktionäre nicht *trotz*, sondern gerade *wegen* des Stellenabbaus stattfinden, denn irgendwo müssen die eingesparten Gehälter ja hin… Irgendwo, z. B. bei Angela Merkel und Peter Altmaier in der Bundesregierung, wird immer wieder behauptet, Deutschland hätte eine Soziale Marktwirtschaft. Wenn man darunter einen Kapitalismus versteht, in dem die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern etwa gleich gewichtet werden, dann kann davon seit Jahrzehnten keine Rede mehr sein, wozu Angela Merkel maßgeblich beigetragen hat. Was aber hier passiert, ist noch mal eine ganz andere Zuspitzung von Turbokapitalismus.

    Dazu: Conti-Betriebsrat will Dividenden-Verzicht und „belastbare Antworten“
    Continental-Mitarbeiter wünschen sich mehr Klarheit zu ihren Perspektiven. Der Betriebsratschef appelliert auch an die Verantwortung der Eigentümer.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Massenentlassungen (sogar schon 2019, also vor Corona, angekündigt) und staatliches Geld für Kurzarbeit in Kombination mit Dividendenzahlungen – warum denn nicht? Die Verantwortung der Conti-Eigentümer gilt der Rendite, der sie doch nachkommen. Alle andersmeinenden, hilflosen Appelle des Betriebsrats sind doch in den Wind gesprochen, denn wir leben im neoliberalen Zeitalter, und die Politik der Umverteilung von unten nach oben wird doch mit großer Mehrheit immer wieder bestätigt.

  7. Finanzlage der Unternehmen bleibt angespannt
    Die Hälfte der deutschen Unternehmen sieht sich in der Corona-Krise weiterhin in finanziellen Nöten. Das ermittelte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in einer aktuellen Trendauswertung seiner Konjunkturumfrage unter mehr als 18.000 Betrieben aller Branchen und Regionen. (…)
    Im Vergleich zum Herbst 2020 hat sich die Finanzlage der Unternehmen damit nicht verbessert. Im Gegenteil: Die finanzielle Durststrecke der Betriebe zieht sich weiter in die Länge – und könnte für manche Betriebe sogar das Aus bedeuten.
    So sehen sich derzeit 5 Prozent der Betriebe in der Gesamtwirtschaft von einer Insolvenz bedroht. Je nach Branche unterscheidet sich die Betroffenheit jedoch stark. Nach der aktuellen Trendauswertung stehen 33 Prozent der kreativen und künstlerischen Betriebe, 30 Prozent der Reisevermittler, 27 Prozent der Taxibetriebe und 20 Prozent der Unternehmen aus der Gastronomie vor einer drohenden Pleite.
    Quelle: DIHK
  8. Vorschlag von Altmaier – Tafelsilber für Corona-Schulden verkaufen?
    Corona kostet den Staat viel Geld. Die Folgen sind noch unklar: Wird es neue Schulden, Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen geben? Wirtschaftminister Altmaier ist bereit, das Tafelsilber zu veräußern.Wirtschaftsminister Peter Altmaier will angesichts der immensen Kosten der Corona-Pandemie prüfen, ob Tafelsilber des Bundes zu Geld gemacht werden kann.. Der Bund hält milliardenschwere Beteiligungen etwa an der Post und der Telekom. Deren Wert sei in den vergangenen Jahren ordentlich gewachsen, sagte Altmaier der “Welt am Sonntag”. “Deshalb sollten wir prüfen, welche staatlichen Beteiligungen zurückgefahren werden können. Auch das bringt Geld in die Staatskasse, das wir für Zukunftsinvestitionen gut gebrauchen können.”Der Vorstoß des CDU-Politikers kommt mitten in einer Debatte darüber, wie es in den kommenden Jahren mit dem Bundeshaushalt und dem Geld der Steuerzahler weitergehen soll. Steuererhöhungen lehnt die Union ab, die Schuldenbremse gehört zu ihrem Markenkern. Das haben zuletzt die zahlreichen energischen Proteste aus der Union gezeigt, nachdem Kanzleramtschef Helge Braun eine Debatte um Änderungen an der Schuldenbremse in Gang gesetzt hatte.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Jens Berger: Der Preis dafür wäre, dass die Politik ihren letzten Einfluss auf die Unternehmenspolitik von DHL, Telekom und Co. verliert. So wäre dann sogar eine Übernahme dieser Unternehmen durch US-Konzerne möglich.

  9. Die im Dunkeln frieren
    Und es wäre leicht, die Regelsätze von Hartz IV und Altersgrundsicherung sofort auf mindestens 600 Euro pro Monat zu erhöhen sowie einen pauschalen Mehrbedarfszuschlag von monatlich 100 Euro auszuzahlen. So, wie es jetzt 36 Verbände und Gewerkschaften fordern. „Wir erwarten von dieser Bundesregierung, dass sie endlich auch etwas für die Armen tut, das wirklich Substanz hat“, sagte Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Diese Dringlichkeit im Ton ist nicht übertrieben, sondern wegen der Faktenlage absolut berechtigt. (…)
    Anstatt eine sozialpolitische Wende einzuleiten, verrechnet das SPD-Sozialministerium die zu Beginn des Jahres erfolgte Kindergelderhöhung um 15 Euro (die auch Eltern mit einem Millionenvermögen erhalten) mit dem Hartz-IV-Betrag, sodass von der Erhöhung des Regelsatzes für manche Bezugsgruppen seit Januar nichts übrig bleibt. Ja, Sozialdemokraten schreiten nicht einmal dann ein, wenn der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß im Interview mit dem Deutschlandfunk bezweifelt, dass es bei ALG-II-Beziehern derzeit Mehrbedarfe gibt. Ebenso wenig, wenn dessen Fraktionskollege Marian Wendt via Twitter verlangt, den Regelsatz zu kürzen, weil derzeit kein Bedarf an Kultur bestehe.
    Dabei können sich Hartz-IV-Empfänger schon jetzt meist nicht einmal die wichtigen FFP2-Masken leisten. Immerhin: In dieser Frage lenkt das Bundesarbeitsministerium ein. Dort wird endlich an einem Konzept für Maskengutscheine gearbeitet. Deutlich höhere Regelsätze, Zuschläge, Sachleistungen oder ein Strom- und Gassperrenverbot wird es dagegen nicht geben. Genau das aber bräuchten Menschen wie Jockel. Kürzlich hat ihn ein Team der ARD-Sendung Report Mainz besucht. Jockel übernachtet manchmal bei seinem Freund Joe, dessen „Energiezufuhr“ noch läuft. „Er kann sich gern neben mich ins Bett kuscheln“, sagt Joe, und beide lachen. In der Not rücken sie zusammen am Kalkofen. Das ist solidarisch, aktuell auch gefährlich – aber alternativlos, denn der Bundesregierung sind die Armen weiterhin völlig egal.
    Quelle: der Freitag
  10. Drei weitere Obdachlose in Hamburg verstorben
    In Hamburg sind in diesem Winter noch mehr Obdachlose gestorben, als bislang bekannt. Der Senat hat auf eine Anfrage der CDU drei weitere Fälle aufgelistet. Demnach ist am 11. Januar ein Mann in der Nordkanalstraße in Hammerbrook verstorben und am Tag darauf ein anderer in der Weimarer Straße in Wilhelmsburg. Ein weiterer Obdachloser ist am 16. Januar verstorben, der Ort geht aus der Senatsantwort nicht hervor.
    Damit steigt die Gesamtzahl der Toten auf Hamburgs Straßen seit Dezember auf mindestens elf – ein trauriger Rekord. Der Hinz&Künztler Josef wurde außerdem am vergangenen Samstag tot aus einem Kanal geborgen. Die genauen Todesumstände sind noch unklar.
    Am Mittwochnachmittag ist die Situation von Hamburgs Obdachlosen erneut Thema in der Bürgerschaft. Die Linksfraktion hat das Thema für die aktuelle Stunde angemeldet und erneut ihren Antrag eingebracht, in dem sie den Senat dazu auffordert, Obdachlose in Hotels und Jugendherbergen unterzubringen. Auch die CDU schließt sich dieser Forderung an. Bislang hatte die Mehrheit der Bürgerschaft dies stets abgelehnt. Eine Petition an die Ministerpräsident*innen der Länder mit derselben Forderung, die 13 Straßenmagazine gestartet hatten, hat inzwischen mehr als 3000 Unterschriften.
    Quelle: Hinz&Kunzt
  11. Statistiker holt zur RKI-Schelte aus: Corona-Daten “eine einzige Katastrophe”
    982.489 Sterbefälle hat das Statistische Bundesamt von Januar bis Dezember 2020 registriert – das sind rund 48.000 mehr als im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019. Für viele gibt es für das Plus an Sterbefällen eine naheliegende Erklärung: Die Corona-Pandemie. Tatsächlich sind unter den Verstorbenen laut Robert-Koch-Institut 39.201 Menschen, die an oder mit Covid-19 gestorben sind.
    Doch kann man von Übersterblichkeit sprechen?
    Nein – das sagt zumindest der Münchner Statistiker Göran Kauermann in einem aktuellen Interview mit der “Welt”. (…)
    Sein Fazit: “Wenn man um den Alterseffekt bereinigt, ist das Jahr 2020 ein nicht nennenswert auffälliges Jahr.”
    Quelle: Focus Online
  12. Wacklige Wissenschaft schafft Panik
    Während in den meisten europäischen Ländern die Zahl positiver SARS-Cov2-Tests und inzwischen auch diejenige der Sterbefälle zurückgeht, wird über weitere Grundrechtseinschränkungen diskutiert. Als Begründung werden Virus-Mutanten angeführt, die wegen ihrer höheren Übertragbarkeit so gefährlich seien, dass ohne scharfe Maßnahmen eine katastrophale 3. Welle von Covid-19 zu erwarten sei. Dieser These werde ich hier nachgehen. Dabei beschränke ich mich aus zwei Gründen auf die „britische Mutante“, die auch als B.1.1.7 bekannt ist (so bezeichne auch ich sie). Mitunter wird sie auch 20B/501Y.V1 und etwas häufiger VOC-202012/01 genannt. Ich diskutiere diese Mutante, weil es nur dazu überhaupt eine Studie gibt, die über nicht nachprüfbare Pressemitteilungen hinausgeht. Es sind sogar die Basisdaten dieser Studie öffentlich zugänglich (sie werden in der Veröffentlichung als Referenz 5 zitiert). Ferner ist diese Studie von Leung et al. der Ausgangspunkt des Narrativs von den gefährlichen Mutanten.
    Leung et al. behaupten darin, dass B.1.1.7 eine um 75% höhere Übertragbarkeit als das Vergleichsvirus aufweist und geben ein 95%-Vertrauensintervall von 70-80% an. Eine spätere, nur als Preprint verfügbare Studie eines Londoner Instituts gibt 56% an (Vertrauensintervall 50-74%), obwohl sie sich auf etwa den gleichen Zeitraum und die gleichen Basisdaten bezieht. Das niederländische Gesundheitsministerium schätzt 36% (23-40%) ab, das dänische Statens Serum Institut ebenfalls 36% (19-53%). Die neueste Abschätzung stammt von der belgischen Universität in Leuven, sie beträgt 11%. Die Vertrauensintervalle überlappen nicht. Irgendetwas stimmt hier also nicht. Allen Studien ist eines gemeinsam. Sie schließen aus einem wachsenden Anteil von B.1.1.7 an der Gesamtzahl der Fälle auf eine höhere Übertragbarkeit. Dieser Schluss ist nicht zulässig, wie ich im Folgenden zeige.
    Die Studie von Leung et al. geht von einem Modell aus, das ein Teil der Autoren 2017 entwickelt hatte, um die relative Ausbreitung von zwei Influenza-Virentypen zu beschreiben, von denen einer resistent gegen ein antivirales Medikament ist, der andere aber nicht.
    Quelle: Gunnar Jeschke in der Freitag
  13. Psychologe Grünewald zu Corona – “Viele Deutsche sind erschöpft und zermürbt”
    Den ersten Lockdown umwehte noch so etwas wie Abenteuer. Doch nach inzwischen fast einem Jahr überwiegt die Müdigkeit. Die Debatte hat sich in teilen radikalisiert. Es fehlt die Aussicht auf einen Erfolg. Psychologe Stephan Grünwald erklärt, wie es um die Gemütslage im Land bestellt ist, was ihn am meisten sorgt und worauf es nun ankommt.
    Quelle: n-tv
  14. Selbst etablierte Künstler denken daran, ihren Beruf aufzugeben
    Viele selbstständige Künstler und Kreative fallen durchs Corona-Hilfsnetz. Auch bei jenen, die seit Jahrzehnten in der Szene etabliert sind, ist die Lage ernst. Vertreter anderer Wirtschaftszweige bieten ihre Unterstützung an. […]
    Von den Hilfspaketen von Bund und Land habe er als Soloselbständiger ohne Betriebskosten und mit vorher schon schwankenden Monatseinnahmen bislang kaum etwas gehabt. Schmidthals ist so frustriert, dass er darüber nachdenkt, sich beruflich umzuorientieren. „So geht es vielen, die Szene trocknet aus. Wenn Kunst und Kultur wieder hochgefahren werden, wird einiges an Expertise nicht mehr verfügbar sein.“ […]
    Dazu zählen laut dem aktuellsten Datenbericht 2019 der Metropolregion Hamburg neben Musik und darstellender Kunst auch Design- und Filmwirtschaft, Architektur, Rundfunk und Presse, Buch-, Kunst- und Werbemarkt sowie die Software- und Games-Industrie. Von den Erwerbstätigen sind zwei Drittel angestellt und ein Drittel selbständig – das ist ein höherer Anteil an Selbstständigen als in der Gesamtwirtschaft der Region. 2015 erwirtschaftete die Kultur- und Kreativwirtschaft einen Umsatz von knapp 14,6 Milliarden Euro, immerhin 2,5 Prozent der Gesamtwirtschaft in der Metropolregion.
    Quelle: Welt.de
  15. Bundesregierung zahlte mindestens 344 Millionen Euro für Berater
    Spitzenreiter bei den Aufträgen an Externe sind demnach das Innenministerium mit 128,3 Millionen Euro und das Finanzministerium mit 72,4 Millionen Euro. Es folgen das Gesundheitsministerium und das Verkehrsministerium mit jeweils rund 30 Millionen Euro. Die Zahlen enthalten noch keine Angaben für das vierte Quartal, das Umweltministerium machte zudem keine Auskünfte. Gefragt danach hatte der Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn (Die Linke).
    Quelle: Welt
  16. Klimapolitik wird zu Geopolitik
    Der Grund für die Aufwertung der Klimapolitik ist die veränderte Wahrnehmung des Klimaproblems. Während früher Klimaschutz als Kostenfaktor galt, gilt er heute als entscheidend für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. (…)
    Eine wichtige Entscheidung steht allerdings noch aus: die Ausgestaltung des CO2-Preises für Importe wie Stahl oder Chemikalien, bei deren Produktion besonders hohe Emissionen angefallen sind – Fachbegriff Carbon Border Adjustment.
    Der Grenzausgleich soll verhindern, dass die Herstellung dieser Produkte in Länder mit schwächeren Klimazielen abwandert. Außerdem lassen sich so die EU-Klimaziele “exportieren”: Wenn ein Drittstaat für seine Produkte die Bezahlung der Abgabe vermeiden will, muss er nachweisen, dass bei ihm CO2-Emissionen ähnlich viel kosten wie im EU-Emissionshandel.
    Wie die Abgabe genau funktionieren wird, soll im Juni entschieden werden. Wichtig ist dabei, dass die Regeln der Welthandelsorganisation WTO nicht verletzt werden und die Abgabe nicht wie ein illegaler Zoll wirkt.
    Damit steht die EU vor einer kniffligen, diplomatischen Herausforderung: Die USA wollen eine ähnliche Abgabe einführen und erste Gespräche über ein koordiniertes Vorgehen haben bereits begonnen. Die USA haben auf Bundesebene aber weder einen Emissionshandel noch eine CO2-Steuer. China hingegen hat seit diesem Jahr einen Emissionshandel für Kraftwerke, der auf andere Industrien ausgedehnt werden könnte. Strukturell sind die Systeme in der EU und in China also eher kompatibel.
    In dieser Gemengelage ist die Grenzabgabe Chance und Risiko zugleich. Die EU hat die Chance, den Welthandel grüner zu machen, damit Stahl aus teurem Wasserstoff mit Stahl aus billiger Steinkohle konkurrieren kann. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass Länder wie China das als Protektionismus werten und Gegenmaßnahmen ergreifen bis zum Handelskrieg.
    Quelle: klimareporter
  17. Haben die liberalen Demokratien westlichen Zuschnitts noch eine Zukunft?
    Überheblich, arrogant und unfähig, aus eigenen Fehlern zu lernen: Das ist die Lage der liberalen Demokratien 30 Jahre nach dem Sieg im Kalten Krieg. Und jetzt? […]
    Die Blütenträume und die Euphorie der großen Zeitenwende von 1989/90 sind verflogen. Kein Wort mehr von einer neuen Friedensära, von einer multilateralen Weltordnung bei Stärkung der Uno, von dem Epochenziel einer gemeinsamen Wirtschafts- und Sicherheitsarchitektur von Lissabon bis Wladiwostok oder gar von der weltweiten Akzeptanz und Durchsetzung westlicher Werte und Gesellschaftsmodelle.
    Wie ist es dazu gekommen? Worin liegen die Ursachen dieses Verlustes? In äußeren Faktoren oder im eigenen Unvermögen der Akteure?
    Quelle: Antje Vollmer in der Berliner Zeitung

    Anmerkung Albrecht Müller: Dies ist ein offensichtlich viel beachteter und bewunderter Artikel der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin. Ich kann der Bewunderung nicht folgen. Das beginnt schon bei der Bezeichnung unserer westlichen Realität mit „liberale Demokratien westlichen Zuschnitts“ und der Selbstverständlichkeit mit der die Autorin, von „westlichen Werten und Gesellschaftsmodellen“ schreibt – ich bewundere die Arglosigkeit, die darin steckt – kein Blick auf die Realität der sogenannten westlichen Werte, kein Blick auf den „Tiefen Staat“ – der Autorin wäre die Lektüre von David Talbot: Das Schachbrett des Teufels zu empfehlen – , kein Blick auf die Drohnenmorde und ein sonderbarer Blick auf die vielen Kriege des Werte-Westens. Die Autorin hat auch nicht wahrgenommen, dass das von ihr bemühte „westliche Gesellschaftsmodell“ schon lange und im Westen selbst über den Haufen geworfen worden ist. Usw.

  18. Unsere »mediale Grundversorgung«
    Ein Blick in das Programmangebot der Privatsender und in die Werbeblöcke während der Spielfilmunterbrechungen genügt zur Feststellung: Deren vordringliche Aufgaben sind nicht Information und kulturelle Bereicherung. Es geht ihnen ums Geschäft, unter Ausnutzung primitiver Bedürfnisse, die von ihnen selbst geweckt werden. Ähnlich wie Fastfood wollen sie die Kunden und Kundinnen anfixen, wollen Lust wecken auf Kaufen, Fressen, Protzen. Und genau dafür hatte ja ein Interessenkonsortium aus Wirtschaft und Politik die privaten TV-Sender in den 1980er Jahren geschaffen. Denn neben den Profitinteressen gab es auch noch ein anderes Motiv: »Unsere Politik bezüglich RTL-plus war immer darauf ausgerichtet, eine Anbindung von RTL an das konservative Lager zu sichern beziehungsweise ein Abgleiten nach links zu verhindern«, schrieb der CSU-Politiker Edmund Stoiber 1988 an den Bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (FR, 31.10.1988). (…)
    Aber die Regierungsparteien wissen auch um die Staatsnähe der quotenstarken Nachrichtensendungen und wollen ihre Deutungshoheit behaupten. Sie haben ein instrumentelles Verhältnis zu Grundrechten, zu Prinzipien der Demokratie und zur Bedeutung des ÖRR, wie etwa die Äußerung des CDU-Kanzlerkandidaten in spe, Friedrich Merz, zeigt: »Wir (Politiker) brauchen die (die Nachrichten verbreitenden Medien) nicht mehr.«
    Fazit: Die Abschaffung oder die Privatisierung des ÖRR schafft mitnichten die nötige Demokratisierung und faktische Autonomie der Sender. Die Grundlage dafür besteht vielmehr in der Unabhängigkeit von wirtschaftlich-politischen Interessen. Nur dann ist gewährleistet, dass der Journalismus seiner Aufgabe gerecht wird, die Politik zu kontrollieren und dem Publikum Zusammenhänge und Hintergründe zu vermitteln. Dazu müssen die Redaktionen gestärkt und statt Einschaltquoten qualitative Maßstäbe ans Programm angelegt werden. Natürlich bedarf es dafür der finanziellen Absicherung. Deshalb ist das parteipolitische Gezänk darum – erst recht, wenn die CDU Sachsen-Anhalts für sage und schreibe 86 Cent die Brandmauer nach rechts einreißt und mit der AfD gemeinsame Sache macht – unwürdig.
    Umso mehr Dank gebührt den zahlreichen JournalistInnen und RedakteurInnen, die oft ohne festen Vertrag – auch ein Problem – Sendungen produzieren, die aufdecken, erhellen, zu einem Erkennen von Zusammenhängen, einem Zuwachs an Wissen und durchaus auch zu einer guten Unterhaltung beitragen. Als gebührenzahlender Zuschauer möchte man ausrufen: Ihr Intendanten und Programmchefs, nehmt endlich eure Funktion als Vierte Gewalt ernst! Und verehrtes Publikum: Nutzt eure Rechte!
    Quelle: Ossietzky


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