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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 8. Februar 2021 um 8:11 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Innenministerium spannte Wissenschaftler für Rechtfertigung von Corona-Maßnahmen ein
  2. Covid-19: Bekämpfungsstrategie und Entscheidungsfindung
  3. Sahra Wagenknecht: Linksliberalismus von heute ist Linksilliberalismus
  4. Mieten landen in der Karibik
  5. Lebensgefahr: Wie das Gesundheitssystem Kinderkliniken unter Druck setzt
  6. Verfassungsbruch? Schlimmer: Ein Fehler
  7. Das verfassungsrechtliche Argument hat es schwer
  8. Eine ethische Frage?
  9. Wenn Ölraffinerien Strom für E-Autos kaufen
  10. Forscher entdecken Standort-Tracker in 450 von 450 untersuchten Android-Apps
  11. Die Kommission zeigt ihre neuen Waffen
  12. Corona als Katalysator für Neuausrichtung der Innenstädte
  13. Maas verspricht weißrussischer Opposition Millionen: “Der Geist der Demokratie ist aus der Flasche”
  14. Wie Deutschland Putschisten und Terrorregime unterstützt
  15. Deutschland meldet Verteidigungsausgaben in Rekordhöhe
  16. Erasmus-Stiftung: Bund will Stiftung der AfD mit 70 Millionen Euro bezuschussen
  17. „Mensch Alma, es ist so schön, dich zu sehen! Wann warst du zuletzt in der Schule?“ – „Vor Weihnachten“
  18. WDR entfernte kritischen Beitrag über Laschet

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Innenministerium spannte Wissenschaftler für Rechtfertigung von Corona-Maßnahmen ein
    Das Bundesinnenministerium spannte in der ersten Welle der Corona-Pandemie im März 2020 Wissenschaftler mehrerer Forschungsinstitute und Hochschulen für politische Zwecke ein. Es beauftragte die Forscher des Robert-Koch-Instituts und anderer Einrichtungen mit der Erstellung eines Rechenmodells, auf dessen Basis die Behörde von Innenminister Horst Seehofer (CSU) harte Corona-Maßnahmen rechtfertigen wollte. […]
    Im E-Mail-Wechsel bittet etwa der Staatssekretär im Innenministerium, Markus Kerber, die angeschriebenen Forscher, ein Modell zu erarbeiten, auf dessen Basis „Maßnahmen präventiver und repressiver Natur“ geplant werden könnten. […]
    Darin wurde ein „Worst-Case-Szenario“ berechnet, laut dem in Deutschland mehr als eine Million Menschen am Coronavirus sterben könnten, würde das gesellschaftliche Leben so weitergeführt wie vor der Pandemie.
    Quelle: WELT

    Anmerkung Jens Berger: Die NachDenkSeiten hatten bereits im Mai 2020 auf diesen Vorgang hingewiesen: „Der Staat hat sich in der Corona-Krise als einer der größten Fake-News-Produzenten erwiesen“ – BMI-Mitarbeiter leakt Dokument. Klassische Medien taten das damals als „Fake News“ und „Querdenker-Propaganda“ ab. So kann man sich täuschen.

  2. Covid-19: Bekämpfungsstrategie und Entscheidungsfindung
    Unsere Position

    • Die Stufenplanentwicklung schreitet in einigen Bundesländern und auch auf Bundesebene voran. Eine ausschließliche Ausrichtung auf die gesundheitlichen Schäden durch SARS-CoV-2 wäre für alle sicherlich die Präferenz. Es ist aber die Verantwortung der Politik, eine tragfähige und durchhaltbare Bekämpfungsstrategie im besseren Kompromiss zwischen den gesundheitlichen Auswirkungen einer Erkrankung, den Kollateralschäden für andere Gesundheitsbereiche, für die Gesellschaft und den Einzelnen durch die verordneten Maßnahmen, die wirtschaftlichen Effekte und notwendigen freiheitlichen Einschränkungen zu finden.
    • Angesichts der Aufwendungen für die Pandemiebekämpfung im Vergleich zu anderen Gesundheitsproblemen müssen die Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Bekämpfungsmaßnahmen beantwortet und gesamtgesellschaftlichen einschließlich gesundheitsökonomischer Bewertungen unterzogen werden. Die Bundesregierung muss einen Prozess der breiten Einbeziehung fachlicher Kompetenzen in die Entscheidungsvorbereitung zum Risikomanagement etablieren. Politische Entscheidungen auf der Grundlage der Risikobewertung von einzelnen Vertretern weniger Fachgebiete sind unzureichend und haben zur Polarisierung in der Pandemiebekämpfung beigetragen.
    • Besprechungen nur mit einzelnen Wissenschaftlern aus Spezialdisziplinen genügend nicht, ergebnissoffen Präventions- und Kontrolloptionen zu erarbeiten und ihre Vor- und Nachteile abzuwägen. Es existiert zu wenig oder kein Platz für den wissenschaftlichen Diskurs im Vorfeld der Entscheidungsfindung. Wesentliche Bereiche der Gesellschaft sind nicht vertreten. Es herrscht der Eindruck, dass Positionen, die nicht zum fest geprägten Standpunkt der Entscheidungsträger passen, nicht berücksichtigt werden auch wenn sie die Entscheidungsfindung schärfen und die Suche nach der besten Lösung befördern können. Ein offener Diskurs mit allen wesentlichen Fachbereichen ist aber entscheidend zur Überwindung der Krise.
    • Ein unabhängiges Expertengremium fehlt, das Risikoeinschätzungen für die Bundesregierung oder -institute vornimmt, z.B. der SARS-CoV-2 Varianten, Kita/Schulen. Deren Aufgabe muss es sein, Empfehlungen nach einem strukturierten Prozesse der Risikoabschätzung für die Politik zu geben.
      Konkret für die Entwicklung der Stufenpläne bedeutet das jetzt, dringend den Beitrag von bestimmten Lebensbereichen für Infektionen von Risikopersonen und in stationären Einrichtungen zu evaluieren. Priorität haben hier: Kitas, Grundschulen und der Einzelhandel. Einzelmeinungen, derzeit von einzelnen Experten vorgetragen, erfüllen nicht annähernd die Anforderungen an eine strukturierte Risikoregulierung und genügen nicht, um die breite Wissenskompetenz, die Meinungsvielfalt und die Komplexität der Risikoregulierung zu COVID-19 abzubilden.
    • Langfristig wird eine nationale Kommission benötigt, die ähnlich wie die ständige Impfkommission oder die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention die Bundesregierung in einem strukturierten Prozess und im vollen Bewusstsein ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung in den Fragen der Risikobewertung und -regulierung berät.

    Quelle: Corona Strategie

    Anmerkung Jens Berger: Dieses Strategiepapier ist eine erfreuliche Alternative zu den destruktiven Forderungen der Lockdown-Falken. Zu den Autoren gehören u.a. Klaus Stöhr, Gerd Antes, Jonas Schmidt-Chanasit und Matthias Schrappe; also namhafte Experten, die sich in keiner Weise vor den Brinkmanns und Meyer-Hermanns verstecken müssen.

    dazu: Fachleute plädieren für umfassende Stufenpläne
    Vor dem Corona-Gipfel von Bund und Ländern fordern Wissenschaftler um den Epidemiologen Klaus Stöhr mehr interdisziplinären Austausch. Sie verlangen Stufenpläne und neue Erfolgskriterien beim Kampf gegen die Pandemie. […]
    Die Wissenschaftler der »Arbeitsgruppe Covid-Strategie« fordern einen »elastischen, transparenten Stufenplan«, der Deutschland »ohne stetig neue Grundsatzdiskussionen bis zum Pandemieende bringt«, da sich die Situation durch das Wetter, die Populationsbewegungen, neue Virusvarianten und den sich verändernden Bekämpfungserfolg sehr dynamisch bewege. Er solle mit einer »Positivagenda« gegen die Pandemiemüdigkeit der Bevölkerung angehen.
    Als Erfolgskriterien empfehlen die Wissenschaftler:

    • den R-Wert-Trend
    • eine risikogruppenspezifische Inzidenz
    • die Belastung des Gesundheitssystems und die Belegung der Intensivstationen

    Zur gesundheitlichen und epidemiologischen Bewertung der Pandemiestufen sei die mittlere Sieben-Tage-Melderate allein nicht geeignet, schreiben die Fachleute.
    Sie plädieren dafür, in jeder Stufe einzelnen Lebensbereichen ein Maßnahmenpaket zuzuordnen: von der Kita bis zum Einzelhandel, vom ÖPNV bis zum Arbeitsplatz. Alle drei bis vier Wochen solle auf Landesebene die erreichte Pandemiestufe eingeschätzt werden. Falls es Veränderungen gebe, etwa den Wechsel in eine andere Stufe, soll dann klar sein, was an den Maßnahmen geändert werde. »Der Erfolg orientiert sich daran, die gesundheitlichen Auswirkungen zu minimieren.«
    Quelle: SPIEGEL

  3. Sahra Wagenknecht: Linksliberalismus von heute ist Linksilliberalismus
    Die Linken-Politikerin und frühere Fraktionsvorsitzende ihrer Partei im Bundestag Sahra Wagenknecht hat sich in einem Interview mit der Welt zur Stimmung im Lande und zur Entwicklung der Partei Die Linke geäußert. Darin bezeichnete sie die derzeitige gesellschaftliche Atmosphäre als “emotional aufgeheizt”, und zwar – mit Blick auf die Corona-Situation – “auf beiden Seiten”. Daran habe auch das politisch linke Spektrum einen Anteil. Zu häufig werde eine Haltung eingenommen, wonach Andersdenkende automatisch als schlechte Menschen angesehen werden. Wagenknecht führt aus:
    “Das ist ein typisches Herangehen des linksliberalen Milieus: Wer für eine Begrenzung von Zuwanderung ist, ist ein Rassist. Wer CO²-Steuern kritisiert, ein Klimaleugner. Und wer die Schließung von Schulen, Restaurants und Fitnessstudios nicht für richtig hält, ein ‘Covidiot’.”
    Dieser “Spin”, den es beispielsweise in der Migrationsdebatte bereits seit Längerem gab, habe sich nun auch auf das Corona-Thema übertragen. Und weiter:
    “Das, was heute Linksliberalismus genannt wird, sollte wegen seiner ausgeprägten Intoleranz eigentlich ‘Linksilliberalismus’ heißen. (…) Dieser Linksilliberalismus ist aus der neuen akademischen Mittelschicht der Großstädte entstanden, ein relativ privilegiertes Milieu, das heute weitgehend abgeschottet lebt, eine Filterblase im realen Leben.”
    Man müsse stattdessen die Fähigkeit zurückgewinnen, “mit Anstand und Respekt” zu diskutieren. Sonst laufe man Gefahr, dass das Land sich ähnlich wie die USA entwickle “mit dieser extremen Spaltung”. Dazu sei wichtig, damit aufzuhören, “Debatten zu moralisieren oder bewusst darauf auszurichten, Leute niederzumachen”. Diese gelte auch bei Corona:
    “Für viele ist die Krise psychisch und finanziell eine Katastrophe. Da ist es legitim zu protestieren. Viele Teilnehmer bei den großen Demonstrationen waren keine Verschwörungsideologen oder Rechtsextremisten, sondern ganz normale Bürger, deren Anliegen Politiker ernst nehmen sollten.”
    So habe die Corona-Zeit “die soziale Ungleichheit vergrößert und viele Fehlentwicklungen der letzten Jahre aufgedeckt”. Auch der Mittelstand stehe nun “noch mehr unter Druck”, so die Linken-Politikerin weiter. Ihre Partei solle “vor allem für Menschen, die mit geringen und mittleren Einkommen oder niedrigen Renten klarkommen müssen”, da sein. Dies bedeute, bei Wahlen nicht so sehr auf die Grünen-Klientel zu schielen. Wagenknecht führt aus:
    “Mit den Grünen um die relativ wohlhabende Klientel zu konkurrieren, die sich die teuren Wohnungen in den urbanen Trendvierteln leisten kann, hielte ich weder für links noch für wahltaktisch klug. Natürlich gibt es auch gut verdienende Akademiker, die uns wählen, weil sie sozial engagiert sind. Aber Politik müssen wir in erster Linie für die machen, die sonst gar keine Lobby haben. Das heißt aber auch: Im Mittelpunkt unserer Politik müssen soziale Themen stehen, nicht Sprachverrenkungen und Lifestyle-Fragen. Und Linke müssen die selbstgerechte Attitüde ablegen, die viele Wähler vertrieben hat.”
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Merkels Endlos-Lockdown zerstört den Jungen die Lebensperspektive.

  4. Mieten landen in der Karibik
    Ein undurchsichtiges Firmennetzwerk verdient an Tausenden von Wohnungen in Deutschland – Steuertricks steigern dabei die Rendite. Recherchen von SR und “Correctiv” zeigen: Die Mieten gelangen auf Umwegen bis auf die Britischen Jungferninseln. (…)
    Schon beim Kauf des gesamten Wohnungspakets mitsamt der Häuser in Ottweiler vor gut drei Jahren nutzten die Investoren ein Steuerschlupfloch – einen sogenannten Share Deal. Der Kniff dabei: Sie haben nicht die Immobilien selbst gekauft, sondern Anteile (engl. share) an den Briefkastenfirmen, denen die Immobilien gehören. Weil es sich dabei nicht um einen Immobilienkauf im ursprünglichen Sinn handelt, wird keine Grunderwerbsteuer fällig. (…)
    Der zweite legale Steuertrick ist das Kleinrechnen der Mietgewinne – durch gegenseitige Kredite im Firmennetzwerk. Recherchen des SR mit Unterstützung von “Reporter.lu” zeigen: Der Eigentümer der Wohnanlage in Ottweiler, die Residential Value West 1, erhielt einen Kredit von ihrer Luxemburger Mutterfirma, die übrigens an derselben Adresse sitzt. Der Zinssatz ist hoch, mehr als acht Prozent. Dadurch muss die Residential Value West 1 hohe Kreditraten zahlen – und macht keine Mietgewinne mehr, die sie in Deutschland versteuern müsste. (…)
    Die ausländischen Investoren profitieren von der Infrastruktur in Deutschland, wie etwa Straßen, die zu ihren Häusern führen. Diese werden durch Steuern finanziert, an denen sich die Investoren durch ihre Tricks kaum beteiligen. Wie viele Steuern dem deutschen Staat so insgesamt entgehen, ist unklar.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers T.W.: Hier mal ein Beispiel für wertvollen investigativen öffentlich-rechtlichen Journalismus

  5. Lebensgefahr: Wie das Gesundheitssystem Kinderkliniken unter Druck setzt
    Das Gesundheitswesen hierzulande ist starkem ökonomischen Druck ausgesetzt. Für das Diktat der Wirtschaftlichkeit steht die Abkürzung DRG, Diagnosis Related Groups, auf Deutsch: Fallpauschalen. Behandlungen werden danach vergütet. Haben Kliniken zu wenige oder gar keine lukrativen Fälle, geraten sie in finanzielle Schieflage, rutschen in die Insolvenz, werden geschlossen.
    In der Kinder- und Jugendmedizin wird das Dilemma wie unter einer Lupe sichtbar. 440 Kinderkliniken gab es 1991. Nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts waren es 2018 lediglich 348. Experten gehen sogar von nur 300 bis 320 vollwertigen Abteilungen aus, sie rechnen Einrichtungen mit weniger als zehn Betten heraus.
    Der Schwund ist lebensgefährlich, vor allem in dünn besiedelten Gebieten. Das zeigt das Beispiel der kleinen Wilma, die beinahe gestorben wäre. Parchim hat gerade einmal 18.000 Einwohner. Wo es wenige Kinder gibt, gibt es wenige Erkrankungen, sind wenige Fallpauschalen zu erwarten. Eine medizinische Basisversorgung wird dennoch gebraucht, Notfälle müssen jederzeit behandelt werden können.
    Quelle: Berliner Zeitung
  6. Verfassungsbruch? Schlimmer: Ein Fehler
    Die Aufkündigung der Moderne durch die Pandemiepolitik 2.0
    Ob der Lockdown fortgesetzt wird, entscheidet sich nach Lage der Dinge nicht nach Maßstäben des Verfassungsrechts. Nachdem im Herbst 2020 sogar in Regierungserklärungen über „Verhältnismäßigkeit“ und „Angemessenheit“ gesprochen wurde, besteht inzwischen kein Anhaltspunkt mehr, dass Entscheidungen der Exekutive – wie auch immer sie in den nächsten Wochen und Monaten lauten – aus rechtlichen Gründen begrenzt werden könnten. Vor allem mit dem Wunderwort der „Vorsorge“ hat man sich neue Beinfreiheit verschafft. Wie kam es dazu? Und warum ist das ein Fehler? (…)
    Vorsorge ist gut – aber vor allem nie abgeschlossen. Deswegen ist sie auch typischerweise gerade nicht mit flächendeckendem Zwang und Verboten verbunden – denn der Vorsorgestaat würde kein Ende finden, tödlichen Gefahren entgegenzutreten, wenn er damit einmal beginnt. Das Verfassungsrecht hat diese Einsicht bisher abgebildet, indem es tatsächliche Grundlagen für Vorsorge- oder Risikoregelungen und die damit verbundenen Grundrechtseingriffe verlangt: Kausalität, Zurechnung, Verantwortung, eingetragen in den Erfahrungsspeicher der Rechtsordnung etwa bei Umwelt und Terrorismusbekämpfung. Nur in unübersichtlichen, zeitlich und sachlich begrenzten Sondersituationen wurde dem Staat zugebilligt, „auf Verdacht“ zu handeln. So konnte es auch zu Beginn der Corona-Epidemie im letzten Frühjahr vertreten werden. Aber statt die Anforderungen etwa an den Nachweis von Tatsachen und Begründungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen zu erhöhen, wird ganz im Gegenteil derzeit erwartet, dass sich das Publikum an eine „Im-Zweifel-für-die-Sicherheit“-Begründung gewöhnen soll. Der Begriff der Vorsorge kehrt die Beweislast um. Man sollte ehrlich sein: Freiheit, die ihre Ungefährlichkeit beweisen muss, ist abgeschafft. (…)
    Die Politik hat sich aber vollkommen an eine einseitige (intensiv-)medizinische Perspektive gebunden und sie in der ihr eigenen Art zu einem totalen Anspruch umformuliert. Eine solche Politik muss aber scheitern, wenn sie ihre Formeln („Jeder Tote ist zu viel!“) wirklich ernst nimmt, oder sie führt in die totale Entgrenzung des Maßnahmenstaats. Das sind Alternativen, die mit unserer Verfassungsordnung nicht viel gemein haben. Das Grundgesetz ist in der Tat eine Verfassung, die dem Leben verpflichtet ist. Jedes leichtfertige Reden über die Grenzen von Leben und Gesundheit würde die historischen Einsichten hintergehen, auf die unser Staat gegründet ist. Es besteht aber ein kategorialer Unterschied zwischen den verfassungsrechtlichen Geboten, menschliches Leben nicht zu schädigen und miteinander im Schutz solidarisch zu sein – und der Hybris, einen bestimmten Tod aus dem Feld schlagen zu wollen und dafür notfalls die offene Gesellschaft zu opfern. Darüber kann gestritten, aber nicht geschwiegen werden.
    Quelle: Hinnerk Wißmann in Verfassungsblog
  7. Das verfassungsrechtliche Argument hat es schwer
    Es gehört zum politischen Alltag, dass Experten in den Bundestag eingeladen werden – auch Verfassungsrechtler. Doch sie haben es schwer, mit ihren Argumenten durchzudringen, wenn jede Kritik in “Querdenker”-Nähe gerückt wird. (…)
    Pluralismus und Partizipation können unter solch schlechten Diskursbedingungen vor allem durch verfassungsrechtlich geschützte Gegenöffentlichkeiten gewährleistet werden. Deswegen ist das Demonstrationsrecht gerade in Corona-Zeiten so wichtig. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, die Religionsgemeinschaften und die Wissenschaftsorganisationen sind mit besonderem grundrechtlichen Schutz ausgestattet, damit sie unbehelligt von den politischen Mehrheiten die Funktion von Gegenöffentlichkeiten erfüllen können.
    Sie folgen anderen Rationalitäten als der politische Prozess. Es geht nicht um Mehrheit, sondern vor allem um Aufklärung. Sie erfüllen eine arbeitsteilige Komplementärbedingung neben dem politischen Prozess um sicherzustellen, dass die Verfassungsordnung die Vielfalt der Interessen und Ideen vernünftig aggregiert und verarbeitet.
    Auf die Artikulation in Gegenöffentlichkeiten kommt es gerade in Zeiten an, in denen jedenfalls Verwaltungsgerichte in der summarischen Eilrechtsprüfung eine inhaltliche Normenkontrolle tatsächlich kaum vornehmen und auch nur begrenzt leisten können, in denen Kirchen verängstigt schweigen und in denen Massenmedien genauso wie soziale Medien unter den Anreizstrukturen der Aufmerksamkeitsgesellschaft Krisen aus Eigeninteresse eher befeuern.
    Es bleibt dann “die Wissenschaft”. Als eine der momentan eher wenigen noch funktionierenden Gegenöffentlichkeiten darf sie sich weder als Steigbügelhalter politischer Entscheidungen noch als querdenkend behandeln lassen. Auf diese Alternative aber liefe die Umgangslogik heraus, mit der Heribert Hirte operiert. Aber auch den Kollegen in der Rechtswissenschaft sei gesagt: Rechtswissenschaftler werden ihrem Verfassungsauftrag aus Art. 5 Abs. 3 GG jedenfalls nicht durch Schweigen gerecht in der Annahme, damit der Verfassungsordnung einen Solidaritätsdienst in der Krise zu erweisen.
    Quelle: Oliver Lepsius in Legal Tribune Online
  8. Eine ethische Frage?
    Die derzeit geltenden Einschränkungen sind daher stets begründungspflichtig. Es reicht allerdings nicht aus, nur zu sagen, dass die fallenden Zahlen täuschen. Wieso haben die steigenden Zahlen das dann nie getan? Auch eine mögliche Ansteckungsgefahr trotz Impfung oder auch ohne ist nicht ausreichend. Maßgeblich ist die Überlastung des Gesundheitssystems, wie vom Verordnungsgeber angegeben. Und die ist zum Glück nicht eingetreten.
    Die Belegungs- und Fallzahlen gehen mittlerweile zurück. Ob nun irgendwelche Mutationen des Virus gefährlich werden können, ist weiterhin unklar. Die bloße Annahme genügt als Begründung nicht, zumal auch in Ländern wie Großbritannien, Irland oder Dänemark die Fallzahlen trotz der verbreiteten Variante dennoch sinken. Die Einschränkungen sind daher zurückzunehmen und durch eine Verpflichtung der Regierung zu ersetzen, das Gesundheitswesen endlich pandemiefest zu ertüchtigen.
    Das lehrt übrigens auch das Beispiel Portugal, das nun als Krisenland warnend angeführt wird. So einfach ist es aber nicht. Das Virus hat hier nur leichteres Spiel, da der Gesundheitssektor noch bescheidener aufgestellt ist. Es muss daher eine Ächtung des neoliberalen Politikmodells geben und auf den Fetisch Schwarze Null endlich verzichtet werden. Denn die Vorgaben zur strikten Haushaltsdisziplin haben lediglich zu radikalen Kürzungen in lebenswichtigen Bereichen geführt.
    Ist es also ethisch vertretbar, wenn am Ende die Grundrechte nur deshalb eingeschränkt werden, weil sich die Politik weiterhin weigert, von einem fatalen Dogma zu lassen?
    Quelle: TauBlog
  9. Wenn Ölraffinerien Strom für E-Autos kaufen
    Auf dem Papier wird es für die deutschen Hersteller, die Kraftstoffe für Autos, Lkw, Zweiräder, Trecker oder Flugzeuge herstellen, ernst. Bis 2030 haben sie Zeit, um dafür zu sorgen, dass in Deutschland erneuerbare Energien einen Anteil von 28 Prozent am gesamten Energieverbrauch im Verkehr haben.
    Entsprechende gesetzliche Regelungen beschloss die Regierung in dieser Woche. Sie setzt damit auch die zweite Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) der EU um. Diese verpflichtet die EU-Länder, 2030 mindestens auf einen Anteil von 14 Prozent Erneuerbaren im Verkehr zu kommen. (…)
    Für den Gesetzgeber reicht es, wenn das Kraftstoffunternehmen zum Beispiel den eigenen Fuhrpark elektrifiziert oder den Firmen, die E-Ladenetze betreiben, Ökozertifikate abkauft. Und wie schön, der so “produzierte” E-Ladestrom wird sogar dreifach auf die THG-Quote angerechnet.
    Ministerin Schulze verteidigte das mit dem Hinweis, die Mineralölwirtschaft würde so “indirekt” den Aufbau einer Ladeinfrastruktur unterstützen. Für sie ist die Verdreifachung ein “ganz, ganz wichtiger Hebel”. (…)
    Wie sich die mehrfachen Mehrfachanrechnungen auf den realen Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrsenergiemix auswirken, da wollte sich das Ministerium in einer Powerpoint-Präsentation nicht so festlegen. Das hänge von der Marktentwicklung ab.
    Ein wahrscheinliches Szenario sei, sagten Experten des Hauses, dass 2030 der Erneuerbaren-Anteil nicht bei den angestrebten 28 Prozent, sondern bei 22 oder 20 Prozent liegt. Das überwache man mit einem Monitoring.
    Gegenüber den ersten Gesetzentwürfen hat das Umweltministerium die THG-Quoten deutlich nach oben gesetzt. War noch vor Wochen für 2025 eine Quote von 6,5 Prozent vorgesehen, so sind es jetzt acht Prozent. 2027 sollen es zehn Prozent sein, und dann ist ein steiler Anstieg über 14,5 Prozent 2029 zu den 22 Prozent 2030 vorgesehen.
    Dass die THG-Quote erst wenig steigt und dann praktisch “explodiert”, spiegelt nach Einschätzung von Branchenexperten die Erwartung der Regierung wider, dass die E-Mobilität in den späten 2020er Jahren stark wachsen wird – und so viel von der Quote absorbiert, dass für “klassische” Biokraftstoffe nicht viel übrig bleibt.
    Deswegen müsse die Quote bereits in der ersten Hälfte der 2020er Jahr deutlich steigen, verlangt Elmar Baumann, Chef des Biospritverbandes VDB. Die Mehrfachanrechnungen hält er für irreführend. Sie gaukelten Klimaschutz vor, “wo keiner ist”. Die Rechentricks zählten weder für nationale noch internationale Klimaziele.
    Quelle: klimareporter
  10. Forscher entdecken Standort-Tracker in 450 von 450 untersuchten Android-Apps
    In einer neuen Studie unter der Regie des VPN-Anbieters Express VPN zeichnen Sicherheitsexperten ein Bild der globalen Standortüberwachung, das die meisten wohl nicht erwartet hätten. Alle 450 untersuchten Smartphone-Apps aus Googles Playstore enthielten Location-Tracker. (…)
    Die betroffenen Apps kommen weltweit auf mindestens 1,7 Milliarden Downloads. Selbst in Apps, die sich gezielt an ein europäisches Publikum richten und die damit originär den Regelungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung DSGVO unterliegen, wurden die Forscher fündig.
    Dabei wurden sogar Tracker wie X-Mode gefunden, die sowohl Google als auch Apple für Apps, die über die App-Stores vertrieben werden, verboten hatten. Dabei ist die Verwendung von X-Mode nicht einmal eine Randerscheinung. In 199 der untersuchten Apps (44 Prozent) fanden die Forscher eines oder mehrere Elemente der verschiedenen Software-Entwicklungskits (SDK), die X-Mode zur Verfügung stellt.
    Quelle: digital pioneers
  11. Die Kommission zeigt ihre neuen Waffen
    Stolz führt die Kommission ihr neues Waffenarsenal vor. Die Mitgliedstaaten müssen Empfehlungen aus dem Europäischen Semester umsetzen, um Mittel aus dem Aufbaufonds zu erhalten. Das ist der Weg ins autoritäre Europa.
    Vergangene Woche war der Presse bemerkenswertes zu entnehmen. Die Europäische Kommission habe gegenüber dem Kanzleramt und den Finanz- und Wirtschaftsministerien verdeutlicht, dass Deutschland sein Reformprogramm nachbessern müsse, um die ihm aus dem Aufbaufonds zustehenden Mittel von ungefähr 24 Mrd. Euro erhalten zu können. Im Einzelnen, so berichteten das Handelsblatt (25.1.21, S. 8-9) und die FAZ (26.1.21, S. 16), solle Deutschland Reformen an seinem zu progressiven Steuersystem vornehmen, die finanzielle Tragfähigkeit seines Rentensystems stärken, reglementierte Berufe öffnen und das Ehegattensplitting abschaffen.
    Das ist eigentümlich. Konditionalitäten, um die Gelder aus dem Aufbaufonds zu kriegen: War es da nicht um die konkrete Mittelverwendung gegangen, um Digitalisierung, Klimaschutz und um den Rechtsstaatsmechanismus? Fällt das deutsche Ehegattensplitting neuerdings in EU-Zuständigkeit? Oder trägt es, ohne dass wir es bisher bemerkt hätten, zu den in der Tat korrekturbedürftigen innereuropäischen Ungleichgewichten bei und gerät dadurch in den Radius der ja schon länger mit Sanktionsmöglichkeiten unterlegten makroökonomischen Überwachungs- und Korrekturverfahren?
    Selbst wenn es so sein sollte (ins Auge springt es nicht), was hat das mit dem Aufbaufonds zu tun? Dröseln wir den Sachverhalt nachfolgend auf und bewerten ihn.
    Quelle: Martin Höpner in Makroskop
  12. Corona als Katalysator für Neuausrichtung der Innenstädte
    „Die Corona-Krise stellt den Handel und die Innenstädte in unserer Region vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig ergeben sich hieraus aber auch neue Chancen.“ Das ist das Fazit von Heinrich Koch, Vorsitzender des Regionalausschusses der IHK Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim für die Region Osnabrück nach der virtuellen Sitzung am 28. Januar 2021.
    Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innovation und Umwelt, konnte anhand statistischer Daten einen deutlichen Rückgang der Zahl der Einzelhandelsbetriebe belegen. Vom Strukturwandel in Zeiten von Corona profitieren zzt. die Grundzentren und der Online-Handel. Da weiterhin das Bedürfnis der Kunden nach Heimat und dem stationären Shoppen in der Region zu erkennen ist, entstehen auch Chancen für einen Neuanfang für die Innenstädte. Die sieben niedersächsischen IHKs fordern vor diesem Hintergrund u. a. die Aufstellung moderner und branchenumfassender Zentren-Entwicklungskonzepte, die Realisierung von so genannten Business Improvement Districts (BID) zur Aufwertung schwieriger Lagen und mit abklingender Pandemie rechtssicherere Möglichkeiten für Sonntagsöffnungen.
    Quelle: IHK Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim

    Anmerkung Christian Reimann: Die genannte Region ist lediglich ein Beispiel und in anderen Regionen Deutschlands sind vermutlich ähnliche Ergebnisse festgestellt worden.

    Dazu: Regionale Geschäftsmodelle stärken und Städte lebenswert gestalten
    Konzept der Wirtschaftsförderung 4.0 wird in Witten, Witzenhausen und Wuppertal erprobt
    Innenstädte sind mehr und mehr geprägt von großen Kaufhaus- und Mode-Ketten, zahlreichen Leerständen und unpersönlichen Einkaufsmeilen – häufig ohne regionalen Bezug. Dies will das Projekt “Rollout Wirtschaftsförderung 4.0” des Wuppertal Instituts zusammen mit Akteurinnen und Akteuren der lokalen Wirtschaft nun in Witten, Witzenhausen und Wuppertal ändern. Repair-Cafés, regionale Produkte, eine mobile Ehrenamtsberatung sind Beispiele für Initiativen und Unternehmen, die Städte aufwerten und ein wertschätzendes Verständnis und Bewusstsein für die eigene Stadt schaffen sollen. Jana Rasch, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Stadtwandel am Wuppertal Institut, spricht in einem aktuellen Videocast darüber, was hinter der Idee der Wirtschaftsförderung 4.0 steckt, welche Ziele das Projekt verfolgt und gibt Einblicke in dessen Arbeit und die Umsetzung in den Städten.
    Quelle: Wuppertal Institut

  13. Maas verspricht weißrussischer Opposition Millionen: “Der Geist der Demokratie ist aus der Flasche”
    Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) hat bei einer Online-Solidaritätskonferenz für Weißrussland der Opposition im osteuropäischen Land mehrere Millionen Euro Unterstützung in Aussicht gestellt. Der SPD-Politiker bezeichnete am Samstag die im August 2020 durchgeführten Präsidentschaftswahlen in der Republik Belarus als gefälscht. Dabei lobte er die Teilnehmer der Protestzüge und insbesondere die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja:
    “Der Geist der Demokratie ist aus der Flasche – und zurückstecken kann man ihn nicht. In den letzten Monaten sind in Belarus viele zu Heldinnen und Helden geworden: Künstler, medizinisches Personal, Studierende, alte Menschen – und die belarussischen Frauen. Und besonders Du, liebe Swetlana. Dein Mut hat so viele Menschen in Belarus und andernorts inspiriert.”
    Maas versicherte dabei, dass Deutschland und die Europäische Union an der Seite der friedlichen Demonstranten stünden, und verwies auf die verhängten Sanktionen gegen den weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko und “sein Regime”.
    Außerdem erwähnte der SPD-Politiker einen mit bis zu 21 Millionen Euro dotierten “Aktionsplan Zivilgesellschaft Belarus”. Maas zufolge sollten mit dem Geld Studierende und unabhängige Medien unterstützt werden. Zudem könnten mit der von der Bundesregierung beschlossenen Initiative verfolgte Oppositionelle leichter Zuflucht in Deutschland bekommen.
    Quelle: RT Deutsch

    Anmerkung Christian Reimann: Vor allem offenbart der Bundesaußenminister, dass er im Geiste eines Regime Change in Belarus tätig ist.

  14. Wie Deutschland Putschisten und Terrorregime unterstützt
    Wenn im Ausland Generäle putschen oder Polizisten Demonstranten niederknüppeln, gilt: Ausgebildet wurde das Führungspersonal oft auch in Deutschland. Doch in Berlin interessiert das bisher kaum jemanden.
    Die Nachrichten aus der malischen Hauptstadt Bamako waren irritierend. Im August des vergangenen Sommers stürzte im vermeintlichen Vorzeigeland der Sahel-Zone ein “Nationales Komitee zur Errettung des Volkes” den amtierenden Präsidenten. Schnell sprach sich herum: Der Anführer der Junta, General Assimi Goita, hatte in früheren Jahren Antiterror-Lehrgänge unter anderem in Deutschland und Frankreich besucht.
    Der Schreck währte allerdings nur kurz, denn rasch war zumindest in der EU eine Sprachregelung gefunden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verkündete: “Wir bilden keine Soldaten zu Putschisten aus.” Die Anführer der Revolte seien vor allem in den USA und Russland trainiert worden.
    Doch Zweifel blieben. Schließlich klang das nach: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
    Nachdenklicher als je zuvor fragen sich deshalb inzwischen Politiker und Experten in Berlin: Wen bilden wir da eigentlich bei uns aus?
    Quelle: t-online
  15. Deutschland meldet Verteidigungsausgaben in Rekordhöhe
    Nach dem heftigen Streit über das Zwei-Prozent-Ziel kann Deutschland der Nato stark steigende Verteidigungsausgaben verkünden. Doch das liegt auch an der Corona-Pandemie – und könnte sich bald wieder ändern.
    Deutschland hat der Nato abermals Verteidigungsausgaben in Rekordhöhe gemeldet. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur übermittelte die Bundesregierung für das laufende Jahr einen Betrag von 53,03 Milliarden Euro in die Brüsseler Bündniszentrale. Dies entspricht einer Steigerung um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für 2020 waren die Ausgaben zuletzt auf rund 51,39 Milliarden Euro beziffert worden.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Dieser triumphale Ton bei “Verteidigungsausgaben in Rekordhöhe”, grausam. Was um Gottes Willen soll denn daran toll sein? Verteidigungsausgaben sind bestenfalls ein notwendiges Übel und haben im schlimmsten Fall die Finanzen großer Staaten ruiniert, aber wo ist die Notwendigkeit für so viel Übel? Die Bevölkerung hat von einem Panzer oder einem Gewehr nichts, im Gegensatz zu, sagen wir, von mehr Krankenschwestern oder mehr Lehrern oder mehr Wohnraum. Der Triumph besteht also darin, dass man dem Druck der USA zu mehr Aufrüstung nachgekommen ist, sich also den Forderungen einer fremden Macht gebeugt hat. Furchtbar. Und Stoltenbergs Begründungen dafür, dass “Regierungen mehr für die Verteidigung aufbringen sollten, obwohl die Gesundheitsversorgung und die Überwindung der Rezession derzeit für so viele Menschen Priorität haben”, sind selten dumm: “man [sehe], wie hilfreich militärische Fähigkeiten auch bei der Unterstützung ziviler Gesundheitsdienste seien”. Äh… also Soldaten und eine völlig überteuerte militärische Verwaltung, die die Kaputtsparpolitik der EU-Staaten in den Krankenhäusern, der Gesundheitsversorgung und im öffentlichen Dienst irgendwie notdürftig kompensieren, sollen besser sein, als mit einem Bruchteil des für Rüstung vergeudeten Geldes z. B. in Deutschland für mehr KrankenpflegerInnen und eine bessere digitale Ausstattung der Gesundheitsämter zu sorgen? Mann, Mann, Mann, was für eine verquere Logik.

  16. Erasmus-Stiftung: Bund will Stiftung der AfD mit 70 Millionen Euro bezuschussen
    Um zu verstehen, wie es dazu kommen kann, muss auf eine Richtlinie im Bundestag verwiesen werden, nach dieser jeder Partei, die es für mehr als eine Legislaturperiode nacheinander ins Parlament schafft, das Anrecht auf Millionenzuschüsse in die ihnen nahestehenden Stiftungen garantiert wird. Auch wenn anzunehmen ist, dass die AfD und ihre Desiderius-Erasmus-Stiftung in diesen Gedanken ursprünglich nicht eingepreist waren, macht die deutsche Legislative kaum Anstalten, von dieser Form der Gleichbehandlung abzurücken – auch wenn sie nun einer Partei zugute kommen könnte, die von Gleichbehandlung in vielerlei Hinsicht wenig hält.
    Die in Frankfurt ansässige Bildungsstätte Anne Frank spart nicht mit deutlichen Worten, wenn es um die Einordnung der Erasmus-Stiftung geht. Die Pädagogische Leiterin des Bildungszentrums, Saba-Nur Cheema, etwa sagt: „Die Erasmus-Stiftung verschafft menschenfeindlichen Positionen einen intellektuellen Anstrich.“ Das mache sie „besonders gefährlich.“ Die Spitze der Stiftung setze sich zusammen aus „Rassentheoretikern und Verschwörungsideologen, völkische Pseudowissenschaftlern und knallharten Rechtsextremen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und des Antaios-Verlags von Götz Kubitschek.“
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  17. „Mensch Alma, es ist so schön, dich zu sehen! Wann warst du zuletzt in der Schule?“ – „Vor Weihnachten“
    Halbjahres-Elterngespräch: „Alma, wie geht es dir?“ Keine Eröffnungsfloskel, ich meine es ernst. Als hätte Alma auf diese Frage gewartet, schießen ihr Tränen in die Augen. Es entlädt sich ein Druck, der anscheinend schon länger keinen Platz mehr hatte. Darauf war ich nicht vorbereitet. Du musst jetzt hundert Prozent anwesend sein, sage ich zu mir, musst den kompletten Zugriff auf deine Erfahrung in authentischem Zuhören, persönlicher Sprache auf Augenhöhe abrufen. „Ich will wieder in die Schule! Ich halte es nicht mehr aus!“ … (…)
    Eigentlich hatte ich Alma und ihre Mutter zum Halbjahres-Elterngespräch eingeladen. Wir verabredeten es für Mitte Dezember. Alma kommt aus einer großen, lebendigen Familie. Sie hat drei kleine Geschwister, ihre Mutter ist Hausfrau und nicht systemrelevant. Aber wer, wenn nicht Mütter, sind systemrelevant? Besser nicht drüber nachdenken. Dies ist ein Elterngespräch und mit folgender Struktur geplant: Als Mentorin leite ich das Gespräch. Mein Beisitzer, Almas Deutschlehrer und mein Kollege, führt Protokoll. Schulische Leistungen sind das Thema, das ist die Vorgabe. (…)
    Es geht Alma schlecht und das akzeptiere bitte, du kluge Frau Lehrerin, ermahne ich mich.
    Mich, die ich hier so schrecklich erwachsen sitze, und weiß, das ich nicht am nächsten Morgen zum Schulministerium fahre und dort berichte, dass eine meiner Schülerinnen gerade eine Depression entwickelt, dass sie bereits körperliche Symptome zeigt.
    Entdeckung von Symptomen bei Kindern, aufgrund der Maske, endet im Spießrutenlauf
    Ich denke an die Gefährdungsanzeige, die ich vor ein paar Wochen bei diversen Ämtern machte, nachdem mir Kinder von ihren Symptomen unter der Maske berichteten. Ein Spießrutenlauf, den ich mir nicht noch einmal zutraue. Ich fühle mich hilflos. Ich fahre nach Hause und spiele zum wiederholten Male meine Kündigung durch. Ich kann als Pädagogin die Verantwortung für diesen Distanz-Schwachsinn nicht mehr mittragen. Kein Pädagoge kann das. Eigentlich. Das Wissen von Gerald Hüther und Jesper Juul über gelingende Beziehungen galt für Friedenszeiten und bot scheinbar nur beruhigende, gescheite Textbausteine für Konzepte und Supervisionen. Wir brauchen eine Supervision, sofort, lange und dringend! Ach, das ist ja auch gerade verboten. Ich spaziere innerlich durch mein Team und ahne das einige Kolleginnen darüber nicht traurig sind. Ich formuliere einen Brief an sie. Natürlich schicke ich ihn nicht ab.
    Gehirne abschalten und funktionieren
    Quelle: Jana Franke Frey in 1bis19
  18. WDR entfernte kritischen Beitrag über Laschet
    Ein Beitrag des WDR befasste sich 2019 mit einer Aussage des NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet zur Räumung des Hambacher Forsts. Der Sender löschte den Beitrag kurz darauf – wegen angeblicher journalistischer Mängel. Doch an der Begründung gibt es Zweifel. (…)
    Innerhalb der WDR-Redaktion gibt es nach Informationen des „Spiegel“ schon länger Unmut. ­Grund dafür ist, dass einige Redakteure mangelnde Distanz zwischen dem Sender und der Landesregierung in NRW kritisieren.
    Quelle: Welt


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