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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 26. Februar 2021 um 8:17 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Berliner Virologe: „Die Kinder bringen die größten Opfer“
  2. Gründe für Kultur ohne Lockdown
  3. “Wir vergraulen unseren Nachwuchs”: Pflege-Azubis fühlen sich in der Corona-Krise häufig alleingelassen
  4. Her mit dem Leben!
  5. Nach Impfdebakel: Die EU will den Bock zum Gärtner machen
  6. Die Welt impfen (II)
  7. Methode Jens Spahn: Ankündigen und vergessen
  8. Treppauf, treppab, Straße für Straße
  9. Die politische Ökonomie der E-Mobilität könnte den grünen Wandel ins Wanken bringen
  10. Energiewende: Windkraftausbau geht die Puste aus
  11. Schuldenbremse oder: Die Abkehr von einem Dogma?
  12. Strengere Auflagen für große Unternehmen: EU-Länder unterstützen Vorstoß für mehr Steuertransparenz
  13. Kürzung von Landwirtschaftssubventionen: Grüne kämpfen für Großagrarier
  14. Menschen lassen sich coronagerecht dressieren

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Berliner Virologe: „Die Kinder bringen die größten Opfer“
    Der Virologe Detlev Krüger, an der Charité Vorgänger von Christian Drosten, ist für eine Öffnung der Schulen. […]
    Es gibt ja einen erbitterten Streit darüber, ob Schulen ein Treiber in der Pandemie sind. Was sagen Sie?
    Man muss bei allen Anti-Corona-Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit sehen. Das ist eine Abwägung zwischen: Was ist wirklich eine effiziente Maßnahme, um Covid-Opfer zu vermeiden, und was nehme ich dafür in Kauf. Es gibt nicht Schwarz und Weiß, es gibt auch nicht den völlig richtigen und völlig falschen Weg – sondern es gibt eine ständige Überlegung: Was ist der beste Weg durch die Krise? Diese Lagerbildung, die da eingesetzt hat, zwischen denen, die alle Corona-Maßnahmen ablehnen, und denen, die am liebsten alles in der Gesellschaft dichtmachen möchten, kann ich überhaupt nicht verstehen. Wir müssen doch versuchen, den Mittelweg zu finden, um uns durch diese Krise zu bringen. Und alle sind sich ja einig, dass wir mit den Schulschließungen Riesenprobleme in Kauf nehmen. Nicht nur für die Bildung der Kinder, sondern auch für deren psychische und physische Gesundheit. All das leidet ja. […]
    Aber ist nicht eine Variante wie B.1.1.7 viel ansteckender?
    Wenn man sich die Infektionszahlen in den Ländern anschaut, wo sich die Variante massiv durchgesetzt hat – in Großbritannien, Irland, auch Dänemark –, dort sind die Zahlen seit Jahresanfang trotzdem im freien Fall. Und die englische Gesundheitsbehörde Public Health England sagt zudem, dass Kinder auch nur die Hälfte der Wahrscheinlichkeit von Erwachsenen haben, diese Virusvariante weiterzugeben.
    Also auch die Mutante ist kein Grund, die Schulen nicht zu öffnen – vorausgesetzt, die Hygieneregeln werden eingehalten…
    Ich denke, dass bei all diesen Maßnahmen die Kinder, die wirklich als Bevölkerungsgruppe am wenigsten gefährdet sind, durch die Schulschließungen die größten Opfer für die Gesellschaft bringen müssen. Die Bildungslücken werden größer, aber es kommt auch zu sozialen, psychischen und physischen Problemen. Wenn kein Sportunterricht mehr ist, wenn sie in engen Wohnungen hocken. Fragt man Kinder- und Jugendpsychiater, dann erzählen sie, dass inzwischen ihre Kliniken überbelegt sind. Das sollte man auch zur Kenntnis nehmen.
    Quelle: Berliner Morgenpost
  2. Gründe für Kultur ohne Lockdown
    Dass ich als Mitspieler in meinem neuesten Sketch einen der prominentesten deutschen Friseure, Shan Rahimkhan, eingeladen habe, zeigt, dass es da keinerlei Neid gibt auf Friseure wegen deren Wiedereröffnung zum 1. März. Mir geht aber die Begründung von Markus Söder, die Frisur hätte mit Menschenwürde zu tun, während die Kultur stillgelegt bleibt, gewaltig auf den Zeiger.
    Ich bin nun wahrlich kein Corona-Leugner. Ich bin geimpft, arbeite vor und hinter der Kamera nur mit Getesteten und habe meine beiden Berliner Theater – am Schlosspark und die Wühlmäuse – auf eigene Kosten mit vorbildlicher Hygiene ausgestattet. Ich lehne auch Härten in der Pandemiebekämpfung nicht generell ab. Aber die Dosis macht’s!
    Zumal die Gesundheitsämter seit 20 Jahren derart runtergewirtschaftet sind, dass sie weder die Infektionsketten nachverfolgen, noch einzelne Kultureinrichtungen bewerten können. Und dann hat die Regierung sogar noch den letzten Sommer verschlafen.
    So blieb nur noch ein Lockdown ohne Augenmaß. Heute werden allenfalls noch Parteiveranstaltungen von Gesundheitsämtern genehmigt. Aber hat Kultur nicht endlich im Grundgesetz dasselbe Privileg verdient wie Parteien?
    Quelle: Dieter Hallervorden auf Telepolis
  3. “Wir vergraulen unseren Nachwuchs”: Pflege-Azubis fühlen sich in der Corona-Krise häufig alleingelassen
    Beim Umbau der Lehrinhalte für die neue generalistische Pflegeausbildung blieb kein Stein auf dem anderen. Eine Kraftanstrengung für die Schulen. Als es nach zäher Vorbereitung endlich losgehen sollte, kam Corona. Das bleibt nicht ohne Folgen.
    Als die Bundesminister Jens Spahn (CDU) und Franziska Giffey (SPD) jüngst vorschlugen, wegen akuter Personalnot Pflege-Azubis für Corona-Schnelltests in Heimen heranzuziehen, reagierte die Branche mit Entsetzen: Ausbildung habe Vorrang vor Hilfsarbeiten in Heimen. Und es gab deutliche Hinweisen auf ein arg erschwertes Lernumfeld in Pandemie-Zeiten.
    “Seit Beginn der Pandemie haben sich die Bedingungen in der generalistischen Pflegeausbildung per se erschwert. Der theoretische Unterricht findet digital statt, die Inhalte sind umfassender und die Praxisanleitung hat nicht den Rahmen, den sie haben müsste”, sagt Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerates. Azubis hätten keine Zeit für Aushilfsjobs in Heimen:
    Quelle: Sonntagsblatt

    dazu auch: Caritas stimmt nicht zu – Altenpflege-Tarifvertrag vorerst gescheitert
    Bessere Löhne für Altenpfleger – das sollte ein Branchentarif garantieren. Aber die Caritas hat den Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit abgelehnt.
    Quelle: ZDF heute

    und: Tarifvertrag für Pflegende scheitert: Ausgerechnet die Caritas
    Ein allgemeiner Tarifvertrag für die Altenpflege schien greifbar – doch jetzt hat sich die Caritas quergestellt. Pflegekräfte sind entsetzt.
    Quelle: taz

  4. Her mit dem Leben!
    Die Schließung von Schulen und Kitas überfordert viele Eltern. Vor allem Frauen werden wieder nur: Mütter […]
    Statistisch betrachtet ist es so: Die psychische Belastung durch die Corona-Pandemie ist besonders hoch bei berufstätigen Frauen (wie mir), die Kinder im Kita-Alter haben (wie ich), und vor allem dann, wenn die Kinder nicht in einer Einrichtung betreut werden (seit Weihnachten). Das ist seit dem ersten Lockdown bekannt. Unbekannt sind die vielen einzelnen Geschichten, die hinter diesen Wahrheiten stecken.
    Mütter sind nicht nur Mütter. Mütter sitzen an der Supermarktkasse und scannen den Wocheneinkauf von anderen Müttern ein, Mütter schließen Covid-19-Kranke an die Beatmungsgeräte an, Mütter haben ein Nagelstudio, in das keine Kundinnen mehr kommen, Mütter erfinden Impfstoffe und unterrichten halbe Klassen und putzen das Büro und schreiben für die Zeitung. Aber sie sind eben immer auch: Mütter.
    Quelle: der Freitag
  5. Nach Impfdebakel: Die EU will den Bock zum Gärtner machen
    Demnach soll Kommissionschefin Ursula von der Leyen bis Juni einen Bericht über mögliche Lehren aus der Coronakrise vorlegen. Dabei war von der Leyen war wegen des „Impfdebakels“ selbst in die Schusslinie geraten. Sie hat die verunglückte Impfstrategie gemeinsam mit Kanzlerin Merkel ausgeheckt – massive Rückstände sind die Folge. Doch bis heute leugnet sie eigene Fehler.
    Quelle: Lost in Europe
  6. Die Welt impfen (II)
    Mit ungewissen Ankündigungen für die Covid-19-Impfkampagnen und der Aussicht auf einen etwaigen Exportstopp für Vakzine ist gestern der erste Tag des aktuellen EU-Gipfels zu Ende gegangen. Während Zweifel daran bestehen, dass im Lauf des Sommers tatsächlich 70 Prozent aller erwachsenen EU-Bürger ein Impfangebot erhalten werden – die Absicht bekräftigten die Staats- und Regierungschefs gestern -, zieht die EU zum Erreichen dieses Ziels auf Druck aus Berlin offenbar die Einbehaltung sämtlicher in der Union produzierten Impfstoffe in Betracht. Dabei kommt bereits jetzt der überwiegende Teil aller in Asien, Afrika und Lateinamerika injizierten Impfstoffe aus China, Russland oder Indien, wo das Serum Institute of India das an der Universität Oxford entwickelte sowie von AstraZeneca industriell produzierte Vakzin in Lizenz herstellt. Während nicht klar ist, ob das Serum Institute of India in nächster Zeit weiter für alle Welt produzieren kann oder Indien priorisieren muss, weitet vor allem China seine Vakzinlieferungen aus. Deutschland und die EU sind bei der Versorgung ärmerer Länder kaum präsent.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: EU-Kommission soll “Gateway” für digitale Impfpässe entwickeln
    Gestern gerieten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsländer auf einem Sondergipfels über weitere Maßnahmen im Umgang mit der Corona-Pandemie. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel vermied in einer anschließenden Pressekonferenz jede Kritik an der Impfstoffbeschaffung durch die EU-Kommission, deren Präsidentin Ursula von der Leyen den Staats- und Regierungschefs ihren Worten nach berichtete, was von den Impfstoffproduzenten “zugesagt wurde”.
    Quelle: Telepolis

  7. Methode Jens Spahn: Ankündigen und vergessen
    Im vergangenen Jahr galt der Gesundheitsminister noch als möglicher Nachfolger von Angela Merkel. Nun muss er sich von der Kanzlerin zurechtweisen lassen. […]
    Offenbar ist Spahn mit seiner Teststrategie vorgeprescht, ohne mit den Betroffenen über Organisationsfragen zu sprechen. So hatte er in der vergangenen Woche angekündigt, dass ab März Gratis-Schnelltests in großer Zahl zur Verfügung stünden. Sie sollen an Hausärzte, Apotheken und öffentliche Testzentren gehen und von geschultem Personal durchgeführt werden. Kostenlose Schnelltests für alle, die sie wollen, hieß die Devise. Doch in den Kommunen stöhnte man auf. Dort hat man schon genug damit zu tun, die Impfungen zu organisieren, jetzt droht die nächste Mammutaufgabe. Entsprechend skeptisch waren die Reaktionen. Ärztevertreter und Kommunen warnten umgehend vor übertriebenen Erwartungen.
    Quelle: Berliner Zeitung
  8. Treppauf, treppab, Straße für Straße
    Während Deutschland im Homeoffice arbeitet, schultern die Lieferanten so viel wie sonst nur vor Weihnachten. Ist es solidarisch, nicht zu bestellen? […]
    Der Arbeitsdruck für Paketboten ist seit Pandemiebeginn enorm, der Gesundheitsschutz hingegen nicht. Daniel* liefert für DHL Päckchen aus; seinen echten Namen will er nicht veröffentlicht sehen. „Es ist seit April 2020 jeden Tag wie sonst nur kurz vor Weihnachten“, sagt er. „Wir arbeiten ohne Verschnaufpause.“ 15 Prozent mehr Pakete habe DHL im vergangenen Corona-Jahr ausgeliefert. Das bedeutet eine Profitsteigerung für das Unternehmen, von der Daniel aber nichts merkt. Im Gegenteil: In seinem Arbeitsvertrag sind 38,5 Stunden pro Woche vereinbart. „Ich arbeite fast jede Woche eher 60 Stunden“, sagt er. Eigentlich müssten Überstunden ausgezahlt werden. Daniel sagt: „Unsere Vorgesetzten zweifeln an, dass wir Überstunden machen. Wir bekommen die nicht ausgezahlt.“ Und: „Wer versucht, sich dagegen zu wehren, muss mit Sanktionen rechnen.“ Abmahnungen. Oder Kündigungen. Wie sieht es mit Streik aus? „Schwierig. Unsere Betriebsräte unterstützen uns nicht.“ Und mit Hygienemaßnahmen? „Mein Schutz sind ein Wasserkanister und Seife im Auto. Das war’s.“ Die größte Angst machen Daniel die Schichtwechsel: „Unsere Vorgesetzten haben versucht, das zu entzerren, aber beim Beladen der Lkws treffen wir trotzdem alle aufeinander.“
    Quelle: der Freitag
  9. Die politische Ökonomie der E-Mobilität könnte den grünen Wandel ins Wanken bringen
    Wenn wir den grünen Wandel wirklich ernst nehmen, wird sich unsere Beziehung zum Verkehr erheblich verändern müssen: weniger Personenkilometer, aber auch die Elektrifizierung privater Verkehrsmittel. Der Großteil des Denkens und Handelns in diesem Bereich war bis dato darauf gerichtet, wie man KonsumentInnen überzeugen kann, von Autos mit Verbrennungsmotoren zu batteriebetriebenen Fahrzeugen (kurz gesagt: Elektroautos) zu wechseln. Reichweitenangst – kann ich mit dem Auto lange Strecken zurücklegen, ohne dass mir der Saft ausgeht? – hat die Debatte bisher weitgehend dominiert. Das erklärt auch, warum bisher viel von unserem kollektiven wirtschaftlichen und politischen Denken in die Batterie- und Ladenetzwerkentwicklung geflossen ist.
    Diese fast ausschließliche Aufmerksamkeit für die KonsumentInnenseite kehrt jedoch ganz andere, ebenso wichtige Überlegungen unter den Teppich: Elektroautos müssen hergestellt werden, und das Produktdesign sowie die Herstellungsprozesse unterscheiden sich grundlegend von Standardautos, wie wir sie heute kennen. ArbeitnehmerInnen (und Unternehmen), die tief in traditionellen Automobiltechnologien verwurzelt sind, laufen Gefahr, ihren Arbeitsplatz und ihre Überlebensgrundlagen zu verlieren.
    Quelle: A&W blog
  10. Energiewende: Windkraftausbau geht die Puste aus
    Niedersachsen hat die besten Voraussetzungen, um Windkraftland Nr. 1 zu sein. Doch der Windenergieausbau ist innerhalb von drei Jahren um 90 Prozent eingebrochen. Die Zeche dafür zahlen die Beschäftigten und das Klima gleichermaßen. Was sich ändern muss, erläutert #schlaglicht 07/2021 aus Niedersachsen. […]
    Die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums haben bisher wenig bewirkt. Nötig sind ambitionierte Mindestausbauziele für die Windkraft sowie eine zügige und rechtssichere Ausweisung von Nutzungsflächen. Damit die Betriebe innovativ und zukunftsfähig bleiben, braucht es eine industriepolitische Flankierung des Landes durch Strukturfonds, Hilfen für Zulieferbetriebe oder – sofern erforderlich – Bürgschaften. Parallel müssen die Hersteller viel mehr auf gute Arbeit setzen. Dies würde den CO2-Ausstoß reduzieren sowie Wertschöpfung und Beschäftigung stärken. Also jetzt die Frischluft nutzen!
    Quelle: DGB Niedersachsen #schlaglicht
  11. Schuldenbremse oder: Die Abkehr von einem Dogma?
    Ein Dogma gerät ins Wanken: die Schuldenbremse. In den vergangenen Wochen hat die Debatte um eine strikte Begrenzung staatlicher Haushaltsdefizite überraschend an Fahrt gewonnen. Selbst in der großen Koalition wächst offenkundig die Zahl derer, die zunehmend an dem im Grundgesetz verankerten Haushaltsinstrument zweifeln.
    Ausgelöst hatte die Diskussion ausgerechnet Kanzleramtschef Helge Braun. Ende Januar plädierte der Vertraute Angela Merkels öffentlich für eine Reform der Schuldenbremse. Konkret schlug Braun vor, das Grundgesetz zu ändern, um in den kommenden Jahren eine höhere Neuverschuldung des Bundes zu ermöglichen. Nur so ließen sich im Gegenzug auch Steuern und Sozialabgaben auf dem aktuellen Niveau halten. Bislang hatten CDU- und CSU-Politiker ein Ende der pandemiebedingten Ausnahmeregelung und damit eine Rückkehr zur Regelgrenze der Schuldenbremse schon für das kommende Jahr gefordert.
    Die höchst kontroversen Reaktionen aus Wirtschaft und Politik ließen nicht lange auf sich warten – und sie zeigen eines allzu deutlich: Das Kanzleramt hat eine überaus wichtige Reformdebatte angestoßen. Denn zum einen drohen ohne eine flexiblere Handhabung der Schuldenbremse tatsächlich schon sehr bald Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen. Das aber würde nicht nur den erhofften Wirtschaftsaufschwung nach der Pandemie gewaltig bremsen, sondern die Bundesrepublik bei Zukunftsprojekten wie der ökologischen Transformation und der Digitalisierung weiter zurückwerfen und ganz generell die Handlungsfähigkeit des Staates schwächen. Zum anderen weiß auch die Bundesregierung natürlich, dass sie sich derzeit zu nominalen Negativzinsen – und damit so günstig wie kaum zuvor – Geld leihen kann.
    Quelle: Achim Truger in Blätter
  12. Strengere Auflagen für große Unternehmen: EU-Länder unterstützen Vorstoß für mehr Steuertransparenz
    Die EU-Wirtschaftsminister wollen Firmen zwingen, ihre Gewinne und Abgaben in einzelnen Staaten öffentlich zu machen. So wäre für jeden ersichtlich, wer Profite in Länder mit niedrigen Steuersätzen verschiebt.
    Eine Regelung, die umsatzstarke Unternehmen in der EU zu mehr Steuertransparenz zwingen soll, hat eine entscheidende Hürde genommen. Die EU-Staaten haben sich nach jahrelangen Verhandlungen für ein sogenanntes Country-by-Country-Reporting für Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro pro Jahr ausgesprochen. Im Rat für Wettbewerbsfähigkeit gibt es dafür nun eine ausreichende Mehrheit.
    Große Unternehmen sollen demnach im Internet veröffentlichen, wie viel Umsatz und Gewinn sie in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU erzielen – und wie viele Steuern sie dafür zahlen. Zusätzlich sollen die Konzerne dieselben Daten für jene Länder publizieren, die auf der schwarzen Liste der EU für sogenannte Steueroasen stehen – also für Länder, die Firmenkapital mit absichtlich niedrigen Steuersätzen anzulocken versuchen. Zu diesen zählt unter anderem Panama.
    Quelle: DER SPIEGEL
  13. Kürzung von Landwirtschaftssubventionen: Grüne kämpfen für Großagrarier
    Landwirtschaftsminister der Partei fordern eine fast wirkungslose Kürzung der Agrarsubventionen für Großbetriebe. Kleinbauern sind entsetzt.
    Einflussreiche grüne Agrar­mi­nis­te­r*in­nen wollen die wichtigste Subventionsart für sehr große Landwirtschaftsunternehmen kaum begrenzen. Das geht aus aktuellen Antworten der Ministerien von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf Anfragen der taz hervor. Ähnlich hatten sich auch die anderen Agrarminister der Grünen im vergangenen Jahr in einem Brief an die EU-Kommission positioniert.
    Quelle: taz
  14. Menschen lassen sich coronagerecht dressieren
    Nicht nur Sittiche, Hunde und Leguane – auch Menschen lassen sich dressieren: Benehmt euch seuchensicher, dann gibt’s Leckerli! […]
    Der Knackfrosch ist die Inzidenzzahl. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hält „ein Belohnungssystem“ für „besonders geeignet“. Wenn „eine niedrige Inzidenz automatisch Lockerungen bedeutet und eine steigende Inzidenz ebenso automatisch zu harten Einschränkungen führt“, sei „für jeden verständlich, warum es lohnenswert ist, sich an bestimmte Maßnahmen zu halten“. Die Frau kennt sich aus mit Risikominimierung und Kontaktfolgenabschätzung. Nach einer Silvesterparty entwickelte sie, lange vor Corona, die legendäre „Eine-Armlänge“-Abstandsregel. – Halt, bevor der Text weitergeht, kurz zum Tierschutz: Den Pürierstab ausschalten! Zudem verbietet es sich, Wellensittiche mit „harten Einschränkungen“ zu schurigeln, etwa durch Käfigarrest.
    Die Politik erzieht Bürger, indem sie ihnen Grundrechte verabreicht oder entzieht, und das anhand einer extrem suspekten Kennziffer. Das hat was, gerade für jemanden, der sich eher für mündig hält denn für einen, bei aller Sympathie, Ziervogel. Somit wird ein Kneipenbesuch zum, auf Managerdeutsch, Inzidenz-Incentive. Das Volk kann ihn sich verdienen. Es braucht sich nur seuchensicher zu benehmen. Dann gibt’s Leckerli. Der Mensch hat nämlich, wenn er sich anstrengt, die Natur im Griff. Aber so was von. Sollte das Virus grassieren, kann das nur am Schlendrian liegen. Da muss Vater Vorsorgestaat streng sein.
    Quelle: Berliner Zeitung


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