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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 8. März 2021 um 8:31 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Affäre um Schutzmasken weitet sich aus
  2. Digitaler Euro: Spannende Online-Diskussion und Vorschlag für eine anonyme Variante
  3. “Das ist bitter, das muss man selbstkritisch einräumen”
  4. So wollen Heil und Scholz den Mindestlohn hochtreiben
  5. “Da gehört ein Deckel drauf”
  6. Pflegekräfte zurückgewinnen – mit besseren Arbeitsbedingungen
  7. Armut als Programm
  8. „Sanktionen sind destruktiv“
  9. Rente kürzen, hoffen und die Probleme in die Zukunft verschieben
  10. Zero Hunger, Zero Heuchelei!
  11. Appell zum Widerstand: Richter ruft Bürger auf, sich gegen Corona-Bußgelder zu wehren
  12. Klimapolitik im Konjunktiv, Garanten des Gestrigen und der alte Autotraum
  13. Hongkong: Snowdens Rechtsanwalt droht Entzug der Zulassung
  14. Keine weiteren Fragen, Herr Gates
  15. Die Lesbarkeit von Gesetzentwürfen
  16. Altmaiers fragwürdiges 220-Millionen-Euro-Geschenk
  17. Soziologin Ackermann beklagt linksliberale Diskursdominanz in den Medien beim Thema Identitätspolitik
  18. „Uns war klar, dass ein derart brisantes Buch nicht allen Protagonisten gefallen wird“

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Affäre um Schutzmasken weitet sich aus
    Nach dem CSU-Politiker Georg Nüßlein hat auch der Mannheimer CDU-Abgeordnete Nikolaus Löbel Konsequenzen aus der Affäre im Zusammenhang mit Verträgen über Corona-Schutzmasken gezogen. Löbel gab seinen Sitz im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages auf, nachdem das Magazin “Der Spiegel” über Provisionszahlungen in Höhe von 250.000 Euro berichtet hatte.
    Der Politiker hatte zuvor die Zahlung von Provisionen für die Vermittlung von Kaufverträgen über Masken an seine Firma, die Projektmanagement-GmbH, eingeräumt. Löbel bezeichnete die Summen als “nach dem Marktüblichen bemessene Vergütung”.
    Quelle: tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Jetzt werden Krokodilstränen vergossen. Dass insbesondere in der CDU/CDU/CSU und FDP-Fraktion viele verkappte Lobbyisten sitzen und einige von ihnen sogar frech ist ein offenes Geheimnis bzw. verwundert nicht. Gerade die CDU/CSU hat sich lange gegen ein Lobbyregister gesträubt. Jetzt soll mit Empörung und Kritik die Affäre gemeistert werden. Danach wird es vermutlich weiter gehen wie bisher.

    Dazu: Das profitable Amigo-Netzwerk des Georg Nüßlein
    Der CSU-Abgeordnete verdiente nicht nur an Masken, die dank seiner Hilfe an Gesundheitsministerien geliefert wurden. Er ließ sich seine politischen Kontakte auch von anderen Firmen bezahlen. Sein Rückzug aus der Politik war zwangsläufig. (…)
    Nüßlein sitzt auch in vielen Gremien, in denen er seine politischen Kontakte gewinnbringend nutzen kann. Zum Beispiel ist der gelernte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler und viel beschäftigte Berufspolitiker nebenbei Aufsichtsrat bei der Münchener Sfirion AG, einem inhabergeführten Ingenieurbüro, das sich auf Projektmanagement im Baugeschäft spezialisiert hat. Einer der Kunden ist die Deutsche Bahn AG. Seitdem Nüsslein im Aufsichtsrat der Sfirion AG sitzt, hat sich das Geschäft mit dem Staatskonzern besonders gut entwickelt, vor allem, seit 2009 das Bundesverkehrsministerium nach Jahren der sozialdemokratischen Führerschaft wieder an die CSU zurückfiel.
    Ob die Verkehrsminister nun Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt, Christian Schmidt oder Andreas Scheuer hießen – alle sind jahrelange CSU-Parteifreunde von Nüßlein und alle waren von Amts wegen für die Bahn zuständig.
    Quelle: WirtschaftsWoche

    Anmerkung Jens Berger: So lange korrupte Politiker ihre Schmiergelder behalten dürfen, führt die ganze Aufregung ohnehin zu nichts. Für Nüßlein, Löbel und Co. wird es schon eine lukrative Anschlussverwendung in der Wirtschaft geben, bei der sie ihre Kontakte in die Politik versilbern können.

  2. Digitaler Euro: Spannende Online-Diskussion und Vorschlag für eine anonyme Variante
    Am Freitag 12. März ab 18 Uhr diskutieren online EZB-Generaldirektor Ulrich Bindseil, Fabio De Masi, Alfred Eibl von Attac und Joseph Huber von der Monetative über digitales Zentralbankgeld. Außerdem möchte ich auf einen sehr interessanten Vorschlag aus der Schweiz für ein anonym nutzbares digitales Zentralbankgeld hinweisen.
    Mit dabei sind außerdem Eibls Ko-Autor in Sachen Bargeld, der ehemalige Jurist bei der Europäischen Zentralbank (EZB), Johannes Priesemann, und als Moderator Markus Zydra von der Süddeutschen Zeitung.
    Die Europäische Zentralbank hat kürzlich ihre Analyse und Pläne rund um einen “digitalen Euro” vorgelegt. Die Monetative e.V. votiert für “Vollgeld”. Attac fordert Euro-Konten. Facebooks DIEM-Projekt zielt auf ein privates Weltgeld. Bitcoin verspricht anonymes Bezahlen und eine sichere, knappe, infinit teilbare Währung. Wie soll das alles funktionieren? Wer soll es regulieren? Wie passt es zusammen? Wem nutzt es? Wie wollen wir Währung und Geld “steuern”?
    Die Diskussion dazu ist ohne Anmeldung per Facebook- und Youtube-Livestream zu verfolgen.
    “Geld – Welches Geld?”: Informationsseite der Veranstalter (…)
    Quelle: Norbert Häring
  3. “Das ist bitter, das muss man selbstkritisch einräumen”
    Mit niedrigen Steuern hat die Stadt Monheim Firmen angelockt und so Reichtum angehäuft – und verzockt Millionen bei der Krisenbank Greensill. Der Bürgermeister rechnet mit Häme statt mit Mitleid. (…)
    Das Rechnungsprüfungsamt und ein Wirtschaftsprüfer untersuchen nun, wer all das beschlossen hat: die Stadtkasse? Die Kämmerin? “Da verliert sich gerade die Spur”, sagt Zimmermann. “Ich selbst habe nicht den einzelnen Festgeldvertrag unterschrieben”, sagt der Bürgermeister. Er möchte aber wissen, ob die Zuständigen wider besseren Wissens gehandelt haben “oder im Glauben gelassen wurden, dass das schon sicher wäre”.
    Ein Fall von Falschberatung also? Oder hat die Stadt nicht nach der Sicherung gefragt? “Mich interessiert auch, welche Rolle die Bafin gespielt hat”, sagt Zimmermann: Wusste die Behörde nicht schon länger von Unregelmäßigkeiten bei Greensill? Auch er werde sich der Verantwortung stellen, sagt der Bürgermeister. Bis hin zum Rücktritt? “Am Ende werde ich sicher bewerten müssen, welche Konsequenzen ich daraus ziehe. Aber das sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.”
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Die Frage von Daniel Zimmermann nach der Verantwortung der Bafin ist mehr als berechtigt. Waren dort wieder Schlaftabletten am Werk? Doch leider verfolgt der OB von Monheim mit der Absenkung der Gewerbesteuer eine mehr als fragwürdige Politik, die zwar Monheim nutzt, aber auf Kosten anderer Gemeinde. Ein Wettbewerb um möglichst niedrige Gewerbesteuersätze ist unter dem Strich schädlich.

    Anmerkung Jens Berger: Die Stadt Monheim ist selbst Träger der dortigen Sparkasse und „parkt“ ihr Geld bei einem dubiosen Institut in Bremen? Nur um ein paar Euro Zinsen zu erzielen? Das muss man nicht verstehen.

  4. So wollen Heil und Scholz den Mindestlohn hochtreiben
    Die beiden SPD-Minister wollen den Mindestlohn auf zwölf Euro anheben. In einem gemeinsamen Eckpunktepapier kündigen sie zudem ein Bundestariftreuegesetz an.
    Arbeitsminister Hubertus Heil will mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Mindestlohn schneller steigt. „Künftig soll die Mindestlohnkommission im Rahmen des Prüfkriteriums ,angemessener Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer‘ auch den Gesichtspunkt der Armutsgefährdung maßgeblich berücksichtigen“, heißt es in einem Eckpunktepapier der beiden Ministerien „zur Weiterentwicklung des Mindestlohns und Stärkung der Tarifbindung“. Von einer Armutsgefährdung soll demnach „regelmäßig“ bei einem auf Vollzeitbasis erzielten Arbeitsentgelt unterhalb der Schwelle von 60 Prozent des Medianlohns ausgegangen werden.
    Das Medianeinkommen ist der Lohn, der die Gesellschaft genau in die Hälfte teilt, der eine Teil verdient weniger, der andere mehr. Der Medianlohn beträgt nach Angaben aus Regierungskreisen aktuell etwa 12 Euro. Der Mindestlohn steigt bis Mitte 2022 in mehreren Schritten auf 10,45 Euro. Die beiden SPD-Politiker werben schon länger für eine weitere Anhebung auf 12 Euro. Scholz ist seit vergangenen Sommer nicht nur Finanzminister, sondern auch Kanzlerkandidat seiner Partei.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Mit dem Wort “hochtreiben” will die FAZ wohl ausdrücken, dass der unterirdisch niedrige deutsche Mindestlohn eigentlich schon auf dem richtigen Niveau liegt. Dazu passt der (bewusst oder unbewusst gemachte) Fehler im Artikel: “Der Medianlohn beträgt nach Angaben aus Regierungskreisen aktuell etwa 12 Euro.” – Das stimmt natürlich nicht; bspw. der SPIEGEL gibt den monatlichen Medianlohn mit ca. 3.300 Euro an, was etwa 20 Euro Stundenlohn entspricht, sodass – ganz logisch – 12 Euro etwa 60% des Medianstundenlohns darstellen. *Inhaltlich* kann man nur den Kopf schütteln, dass ausgerechnet zwei SPD-Seeheimer (angeblich) den Mindestlohn auf einen halbwegs akzeptablen Wert erhöhen wollen, die die Agenda 2010 und Hartz IV immer befürwortet haben und bisher z. B. keine Probleme damit hatten, dass a) Langzeitarbeitlose und b) Minderjährige mit noch weniger als dem kümmerlichen Mindetlohn abgespeist wurden. Und wie kann es sein, dass Feiertagszuschläge, Schmutz- und Erschwerniszulagen, die schon vom Wort her (“Zulage”) ein Mehr obendrauf bedeuten, *in* den Mindestlohn eingerechnet werden konnten/können? Wäre ja wirklich schön, wie die beiden Minister das ernst meinten, aber wer soll es ihnen glauben? Mit der Union ist eine solche Erhöhung definitiv nicht zu machen; GRR ist (wenigstens zurzeit) arithmetisch nicht möglich; und nach der BTW am wahrscheinlichsten ist eine Schwarz-Grüne Regierung. Die Forderungen von Scholz und Heil sehen wie ein Schaufensterantrag aus.

    Anmerkung Jens Berger: Offenbar läutet die SPD ihr traditionelles linkes Halbjahr vor der Bundestagswahl ein. Vor einer Woche „forderte“ Olaf Scholz sogar eine Steuererhöhung für Besserverdiener und Vermögende – freilich erst nach der Wahl.

  5. “Da gehört ein Deckel drauf”
    Hans-Jochem Witzke ärgern die Zahlen nur noch. Dass der Wohnungskonzern Vonovia Jahr für Jahr steigende Mieten meldet, die Aktionäre abermals eine höhere Dividende erhalten sollen: Der Chef des Deutschen Mieterbundes in Nordrhein-Westfalen findet das unerhört. “Das fortzuführen, trotz Corona und Krise zeigt: Da gehört ein Deckel drauf”, sagt Witzke. Damit ist der Mieterschützer nicht allein.
    Vonovia hat am Donnerstag eine Rekordbilanz vorgelegt. Das Unternehmen vermietet gut 415 000 Wohnungen in Deutschland, Österreich und Schweden; viele waren einst als Werks- oder Sozialwohnung entstanden. Im Schnitt verlangt Vonovia eine Kaltmiete von 7,16 Euro je Quadratmeter. Das sind drei Prozent mehr als vor einem Jahr. Zwar habe man angesichts der Pandemie “monatelang auf Mieterhöhungen verzichtet”, sagt Vorstandschef Rolf Buch, die Mieten in bestehenden Verträgen im Schnitt nur um 0,6 Prozent angehoben. Hinzu kommt freilich, dass der Konzern Mieten erhöhen darf, wenn er Wohnungen modernisiert. Die Durchschnittsmiete steigt auch, wenn Vonovia teurer vermietete Wohnungen baut oder zukauft.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Ein weiteres Beispiel dafür, wie notwendig ein bundesweiter Mietendeckel ist.

  6. Pflegekräfte zurückgewinnen – mit besseren Arbeitsbedingungen
    Die Pflegebranche sucht händeringend Personal, und das nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Eine aktuelle Studie der Arbeitnehmerkammer zeigt: Viele Pflegekräfte, die in Teilzeit arbeiten oder komplett aus ihrem Beruf ausgestiegen sind, könnten sich eine Aufstockung der Stundenzahl beziehungsweise eine Rückkehr in die Pflege vorstellen – wenn die Arbeitsbedingungen besser wären. (…)
    „Das Potenzial ist viel größer, als wir erwartet hätten“, berichtet Jennie Auffenberg, Co-Autorin der Studie und Referentin für Gesundheits- und Pflegepolitik bei der Arbeitnehmerkammer. Aus den Antworten geht hervor, dass es vor allem in vier Bereichen Veränderungen geben müsste, um das brachliegende Fachkräfte-Potenzial zu heben: Die Teilnehmenden beklagen eine zu geringe Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Vorgesetzten. Sie halten mehr Zeit für qualitativ hochwertige Pflege und menschliche Zuwendung für unbedingt erforderlich. Sie fordern eine angemessene Bezahlung – die für sie wichtigste Form der Anerkennung. Und nicht zuletzt wünschen sie sich mehr Elemente der kollektiven Interessenvertretung in Form von Tarifbindung, Betriebsräten und mehr Mitsprache bei betrieblichen Abläufen. (…)
    Es brauche jetzt dringend glaubhafte Verbesserungen, macht Auffenberg deutlich – und glaubhaft ansetzen lasse sich im Wesentlichen bei der Bezahlung und bei einer bedarfsorientierten Personalbemessung. „Wir brauchen mehr Personal, um zusätzliches Personal zu finden“, sagt sie. Denn Viele wären bereit, (mehr) in der Pflege zu arbeiten – aber erst, wenn mehr Personal da ist. Denn nur dann ist gute Pflege möglich und die Pflegekräfte selbst bleiben gesund. „Das ist der entscheidende Punkt und zugleich die Schwierigkeit.“Die Studie belege nun eindrucksvoll, dass diese Schwierigkeit nicht unlösbar sei: „Ließen sich ausgestiegene und Teilzeit-Pflegekräfte davon überzeugen, in ihre Berufe zurückzukehren beziehungsweise ihre Stundenzahl wieder zu erhöhen, könnte das mit Blick auf den Pflegenotstand deutliche Abhilfe schaffen.“ Interessant ist in dem Zusammenhang die Feststellung, dass die Covid-19-Pandemie die entsprechende Bereitschaft bei den Befragten erkennbar verringert hat. Darüber hinaus gehen nur vier Prozent von ihnen davon aus, dass sich durch Corona die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern werden.
    Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen
  7. Armut als Programm
    Bericht der Bundesregierung: Geringverdiener müssen Krisenlasten schultern. DGB und Sozialforscher kritisieren mangelnde Hilfe vom Staat (…)
    Für Reiche ist die Krise hingegen ein Fest. Laut Regierungsbericht entfielen auf die Haushalte in der unteren Hälfte der Verteilung rund ein Prozent des gesamten Nettovermögens, während die vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens auf sich vereinten. Der DGB fordert deshalb, es sei an der »Zeit für eine Vermögenssteuer, eine wirkungsvolle Erbschaftssteuer sowie die stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen«, sagte Piel zu jW.
    Darüber hinaus haben Lohneinbußen auch politische Folgen: »Die Wahlbeteiligung ist in allen Bevölkerungsschichten in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland wie in den meisten Industrieländern gesunken«, berichtet die Bundesregierung. Bei den Wahlberechtigten mit geringem Einkommen sei der Rückgang aber überdurchschnittlich stark gewesen. »Dadurch verstärken sich Risiken des Ausgeschlossenseins von politischen und gesellschaftlichen Willensbildungsprozessen.«
    Für Armutsforscher Christoph Butterwegge sind die Befunde »wenig überraschend«. Gegenüber jW sagte er am Freitag: »Dass die Covid-19-Pandemie ökonomisch und sozial polarisierend gewirkt hat, war vorhersehbar. Schließlich hat die Bundesregierung dazu selbst beigetragen, indem sie ihre milliardenschweren Finanzhilfen auf Wirtschaftsunternehmen konzentrierte, während die finanzschwächsten Bevölkerungsgruppen weitgehend leer ausgingen.« Ein vielsagendes Beispiel: »Erst im Mai 2021 bekommen Sozialleistungsbezieher einen Coronabonus in Höhe von 150 Euro, obwohl Obdachlose, Hartz-IV-Bezieher und Kleinst­rentner im Grundsicherungsbezug seit März 2020 mit höheren Lebenshaltungskosten konfrontiert sind«, so Butterwegge weiter. Die sogenannten Coronahilfspakete wiesen eine »verteilungspolitische Schieflage« auf, die nicht verhindere, dass während der Pandemie manche Reiche noch reicher und die Armen zahlreicher geworden seien.
    Quelle: junge Welt

    Dazu: Die polarisierende Pandemie
    Die Bundesregierung rühmt sich, die sozialen Härten der Coronakrise politisch aufgefangen zu haben. Zu Unrecht, argumentiert der Armutsforscher Christoph Butterwegge: Während der Pandemie sind die Reichen reicher geworden und die Armen ärmer.
    In der Covid-19-Pandemie hat sich die soziale Ungleichheit auf der ganzen Welt zum Teil drastisch verschärft.[1] Dafür ist allerdings nicht primär SARS-CoV-2 verantwortlich, denn vor diesem Virus sind, was seine Infektiosität betrifft, alle Menschen gleich. Doch weil sich deren Gesundheitszustand, Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Einkommens-, Vermögens- und Wohnverhältnisse stark voneinander unterscheiden, sind auch die Infektionsrisiken sehr ungleich auf einzelne Gruppen verteilt.
    Ungerecht ist nicht das Virus an sich, sondern die Klassengesellschaft, auf deren Mitglieder es trifft. Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse, Machtstrukturen und Verteilungsmechanismen bewirken, dass Covid-19 den Trend zur sozioökonomischen Polarisierung verstärkt. Die Pandemie erzeugt schwere wirtschaftliche Verwerfungen und macht so das Kardinalproblem der Bundesrepublik, die wachsende Ungleichheit,[2] nicht bloß wie unter einem Brennglas sichtbar, sondern wirkt auch als Katalysator, wodurch sich die Ungleichheit weiter verschärft. Die Pandemie wirkt polarisierend – ökonomisch, sozial und politisch.
    Quelle: Christoph Butterwegge in Blätter

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu z.B. auch Butterwegge über Corona-Hilfen: „Die Armen werden bewusst nicht bedacht“.

    Dazu auch: Debatte um Ungleichheit und Umverteilung
    Die Problematik der sich zunehmend öffnenden Schere zwischen Reich und Arm ist seit über 20 Jahren der sog. “neoliberalen” Politik Gegenstand heftiger und kontroverser Debatten. Neuen Aufschwung bekam sie durch die Art und Weise der Krisenbewältigungen einerseits und durch Thomas Piketty andererseits bekommen, der mit seinem viel diskutierten Buch „Capital in the Twenty-First Century“ die langfristige Entwicklung von Einkommen und Vermögen in mehreren westlichen Ländern untersucht hat. Diese Debatte um Ungleichheit und Umverteilung umfasst mehrere Bereiche: wirtschaftspolitische Debatte im Sinne einer zumindest tendenziellen Kapitalismuskritik, aber auch konkreter die sozialpolitische Dimension der Armut sowie steuerpolitische Ursachen wie Gegenmaßnahmen. Siehe die Beiträge hierzu:
    Quelle: LabourNet Germany

  8. „Sanktionen sind destruktiv“
    Herbert Sternitzke arbeitete 15 Jahre im Jobcenter Bielefeld, hat Tausende Menschen beraten. Er plädiert für eine Abschaffung der Sanktionen. (…)
    Was soll besser werden ohne Sanktionen?
    Sanktionen sind eine destruktive Form der Motivationserzeugung, wir brauchen aber eine konstruktive Form der Motivationsentwicklung. Viele der Leute haben keine Berufsqualifikation. Eine Arbeitsaufnahme ist viel nachhaltiger, wenn man eine Qualifikation hat, und sei es nur eine Teilqualifikation, auf der man dann aufbauen kann, mit einer qualifizierteren Arbeit und besserer Bezahlung. Das ist dann eine Arbeit, wo die Leute eher dabei bleiben. Daran müssen wir arbeiten, diese Selbstwirksamkeit, auch dieses Selbstvertrauen zu schaffen. Dem steht ein Drohpotenzial durch Sanktionen aber entgegen.
    Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
    Da fällt mir ein Mann ein, der keine Berufsausbildung hatte, der immer wieder über Zeitarbeitsfirmen im Gartenlandschaftsbau gearbeitet hatte, aber nach kurzer Zeit wieder die Arbeit verlor und wieder im vollen Leistungsbezug landete. Da muss man mit ihm überlegen, welche Qualifikation der Mann erwerben könnte, die seinen Neigungen entspricht, um vielleicht in einen Umweltbetrieb hineinzurutschen. Das kann ein Kurs in der Nutzung von Motorsägen sein oder eine Weiterbildung über die Tätigkeit in Baumschulen. Mit einer solchen Teil–qualifikation wäre bei seiner nächsten Tätigkeit der Lohn höher und damit auch die Motivation höher, in der Arbeit auf Dauer zu bleiben.
    Quelle: taz
  9. Rente kürzen, hoffen und die Probleme in die Zukunft verschieben
    Der FDP Vorschlag senkt den Arbeitgeberbeitrag mittelfristig um rund 10 Prozent. Die Beschäftigten müssen auf 6,5 Prozent Rendite hoffen, um die gerissenen Lücken wenigsten bei Altersrenten bei Rentenbeginn in einem höheren Alter auszugleichen. Bei Erwerbsminderung, Witwen-/Witwerrenten, Kindererziehung und anderen Fällen, soll es keinen Ausgleich für die Rentenkürzungen geben.
    Auch in der FDP ist nun scheinbar die Erkenntnis gereift, dass private Rentenversicherungen nicht halten, was sich die Politik vor 20 Jahren von ihnen versprach. Dabei spricht es Bände, wenn die Partei des orthodoxen Glaubens an den Markt nun auf eine staatliche Lösung setzt.
    Die Ziele der FDP hingegen sind wenig überraschend: die Arbeitgeber sollen massiv entlasten werden. Dazu soll die gesetzliche Rente massiv gekürzt werden; rund 20 Prozent stärker als ohnehin schon vorgesehen. Konkret:
    Das Rentenalter soll faktisch eins zu eins mit der Lebenserwartung steigen – technisch versteckt in der Rentenberechnung.
    Der vorzeitige abschlagsfreie Rentenbeginn bei 45 Jahren Arbeit und Kindererziehung soll gestrichen werden.
    Das Rentenniveau soll doppelt so schnell sinken wie bisher und dazu die Haltelinien abgeschafft und der Nachholfaktor reaktiviert werden, um das Rentenniveau schon ab 2022 wieder zu senken.
    Sogar die „Mütterrente“ zu streichen wird erwogen. (…)
    Als Anschubfinanzierung für ihre Aktienrente schlägt die FDP schuldenfinanzierte Hebelgeschäfte mit Wetten auf Zinsdifferenzen vor. Der Staat soll weit über 100 Mrd. Euro an zusätzlichen Schulden aufnehmen. Das Geld soll dann spekulativ in Aktien angelegt werden, in der Hoffnung, dass die Rendite auf die Aktien höher ist als die Zinszahlungen des Staates. Ob diese Wette auf Zinsdifferenzen über die kommenden 15 bis 20 Jahre auf geht, wird sich zeigen. Wenn nein, zahlen die künftigen Generationen die Rechnung.
    Und natürlich ist der Traum von praktisch sicheren 6,5 Prozent Rendite der Traum nach dem kapitalistischen Paradies: Wohlstand für alle ohne Arbeit. Es braucht nur ein wenig Menschenverstand, um zu verstehen: weniger Beitrag und trotzdem mehr Rente, das kann nicht aufgehen, denn irgendwer muss das Geld ja erarbeiten. Denn, wie Friedrich Merz so treffend formulierte: „Wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir uns nicht alle daran gewöhnen, dass wir ohne Arbeit leben können“.
    In der Summe bleibt also außer einer garantierten Leistungskürzung nur die Hoffnung, dass der Kapitalmarkt genug abwirft. Gelingt dies wieder nicht, dann bleiben wie bisher auch, die Versicherten und insbesondere die künftigen Generationen auf den Kosten und Problemen sitzen. Verlässlichkeit sieht anders aus.
    Quelle: DGB
  10. Zero Hunger, Zero Heuchelei!
    Durch die restriktiven Coronamaßnahmen der Regierungen, die zu einer Verschmelzung von Staats- und Konzernmacht führen, breitet sich das tödliche Hungervirus nun extrem schnell auf dem gesamten Planeten aus und stürzt Millionen Menschen in die Armut.
    Die autoritären Restriktionen verstoßen gegen die Grund- und Menschenrechte: Sie verstärken das Systemleiden und löschen zahlreiche Menschenleben sowie wirtschaftliche Existenzen aus. Angesichts solcher Verwüstungen nun dieses schädliche Handeln noch mit „ZeroCovid-Parolen“ (1) auf die Spitze zu treiben, ist in höchstem Maße verantwortungslos und würde den Lockdown bis in alle Ewigkeit verlängern. Das Motto sollte vielmehr lauten: ZeroHunger, ZeroHeuchelei!
    Das System ist gescheitert! Es hat das Leben von Milliarden Menschen schon lange dauerhaft eingeschränkt und sorgt jedes Jahr, jeden Monat, jede Woche, jeden Tag und jede Stunde für Massen an Hungertoten. Deswegen brauchen wir einen echten Systemwechsel und kein durch Corona-Restriktionen verschärftes Weiterlaufen in die völlig falsche Richtung. Das Ziel darf auch nicht in nur wenigen Hungertoten bestehen – es muss NULL lauten.
    Wir brauchen sofort eine gemeinsame globale Strategie, um die fortgesetzte Menschenrechtsverachtung wirksam zu bekämpfen. Mit der Zahlung von Entwicklungs- (wie viel kommt davon wo an?) und Hilfsgeldern – in den Rachen der mächtigen Pharmakonzerne – in einem Gebilde aus Korruption, Wachstumsgier, Repression, Propaganda und Angriffskriegen ist der Wettlauf gegen das von der Coronapolitik angefeuerte Hungervirus jedenfalls nicht zu gewinnen.
    Neben einer konsequenten Friedenspolitik und einem globalen Lockdown für die Produktionsfirmen von Patronen und Kanonen fordere ich deshalb, die weltweite Armut sofort so entschlossen und zielführend zu bekämpfen, dass jeder Hungertote unverzüglich vermieden wird. Denn: Dieses Ziel dient ausschließlich dem Wohl und der Gesundheit der Menschen.
    Quelle: Neue Debatte
  11. Appell zum Widerstand: Richter ruft Bürger auf, sich gegen Corona-Bußgelder zu wehren
    Legen Betroffene gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein, landet die Sache vor Gericht. In den vergangenen Monaten haben sich bundesweit zahlreiche Amtsgerichte mit „Corona-Verfahren“ befasst – Tendenz stark steigend. Offenbar sind immer mehr Bürger bereit, sich gegen die ihrer Meinung nach fragwürdigen Sanktionen des Staates juristisch zu wehren. (…)
    Der 41-jährige Jurist betont, es sei beachtlich, mit welcher Ruhe die Bürger während der Pandemie „die vielen und großen Verfehlungen aller drei Staatsgewalten ertragen, die der Regierung und der Parlamente ebenso wie die der Gerichte.“ Schleif: „Viele scheinen vergessen zu haben, dass der Bürger der alleinige Souverän dieses Landes ist. Regierung, Gesetzgebung und Rechtsprechung sind nur die Diener dieses Souveräns.“
    Quelle: Focus Online

  12. Klimapolitik im Konjunktiv, Garanten des Gestrigen und der alte Autotraum
    Kalenderwoche 9: Würde die deutsche Autoindustrie tatsächlich Elektroautos verkaufen wollen, hätten wir längst ein ordentliches Ladenetz, meint Andreas Knie, Sozialwissenschaftler, Mobilitätsforscher und Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°. Doch Autobauer und Stromwirtschaft sorgen für ein Verharren im Gestrigen.
    Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.
    Klimareporter°: Herr Knie, trotz Corona-Effekt und Paris-Abkommen gehen die globalen Treibhausgasemissionen nicht entscheidend zurück – im Gegenteil, sie waren Ende 2020 schon wieder höher als vor den Lockdowns.
    Nun warnt die Internationale Energieagentur: Die Welt darf die Chance zum Umbau des Energiesystems nicht verpassen. Ist die Chance nicht eigentlich schon vorbei?
    Andreas Knie: Es fehlt am Umsetzungswillen. In Deutschland wird heute noch Braunkohle für die Stromproduktion abgebaggert, wertvolle Flächen und traditionsreiche Kulturgüter werden vernichtet. Bis 2038 soll das noch so weitergehen.
    In Berlin wird die Autobahn A 100 mitten durch Berlin getrieben und der Berliner Senat denkt tatsächlich darüber nach, den nächsten Bauabschnitt zu genehmigen.
    Klimapolitik ist Deutschland ist Sonntagspolitik im Konjunktiv: Man müsste eigentlich, man könnte ja – nur umsetzen, das funktioniert eben nicht. Es geht bei der Klimapolitik letztlich auch immer um Machtpolitik, und die Bekämpfung des Klimawandels hat in Deutschland immer noch keine Macht. Das sollten wir uns alle mal eingestehen.
    Quelle: klimareporter
  13. Hongkong: Snowdens Rechtsanwalt droht Entzug der Zulassung
    Seit Jahren kämpft Robert Tibbo in Hongkong für die Flüchtlinge, die Edward Snowden versteckt haben. Doch nun droht ihm der Entzug seiner Lizenz.
    Dem kanadischen Menschenrechtsanwalt Robert Tibbo soll in einem Disziplinarverfahren der Anwaltskammer in Hongkong die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen werden. Dazu fand am Dienstag eine 30-minütige Anhörung statt. Tibbo will von seinem britischen Kollegen Geoffrey Robertson verteidigt werden, der unter anderem den Wikileaks-Gründer Julian Assange vertreten hat. Dies hat das Justizministerium abgelehnt.
    Die Entscheidung, ob Robertson als Verteidiger pro bono zugelassen wird, hat die Anwaltskammer nun auf den 16. Juni vertagt, erklärte Tibbo gegenüber heise online. „Das Justizministerium hat jetzt drei Wochen Zeit, um zu überdenken, ob es Robertsons Zulassungsantrag weiterhin ablehnt“, so Tibbo. Er vermutet, dass die Ablehnung auf Anordnung der Hongkonger Regierung erfolgt. Der Anwalt kommuniziert nur über den Messenger Signal und den Schweizer E-Mail-Dienst Protonmail mit Journalisten. (…)
    Tibbo wird in seinem Verfahren vor der Anwaltskammer unter anderem “unprofessionelles Verhalten” vorgeworfen. Nach der Flucht Edward Snowdens aus Hongkong hatte es eine Reihe anonymer Anschuldigungen gegen den Anwalt gegeben. Daraufhin hatte die Anwaltskammer ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Vertretung durch den britischen Anwalt Robertson hat die Kammer wegen geringer Bedeutung des Verfahrens abgelehnt, erklärte Tibbo. Ihm wird weiter “respektloses Verhalten gegen einen Justizbeamten” vorgeworfen, der zuungunsten Tibbos Mandanten geurteilt hatte. Tibbo kritisiert, dass seine Beschuldiger anonym bleiben dürfen und sogar Richter in dem Prozess gegen ihn sein könnten.
    Quelle: heise online
  14. Keine weiteren Fragen, Herr Gates
    Bill Gates kann sich absolut nicht erklären, warum es zu seiner Person Verschwörungstheorien gibt. Eine kleine Gedächtnisstütze.
    Ende Februar bot die Sendung Maischberger einem der reichsten Männer der Welt, Bill Gates, die Gelegenheit für ein 45-minütiges Interview. Hintergrund ist, dass Bill Gates nun auch ein Buch zum Klimawandel geschrieben hat, welches Mitte Februar erschienen ist. Er war sozusagen auf Buch-Werbetour. Nach Corona ist nun das Klima an der Reihe.
    Sandra Maischberger sprach Bill Gates auch auf seine Rolle bei den Impfstoffen an. Konkret fragte Sie nach Gerüchten, dass Menschen in Nigeria nach Polio-Impfungen unfruchtbar geworden seien und dass manche fürchteten, er wolle Menschen per Nanochips in den Impfstoffen “besser überwachen”. Und überhaupt: Sei da denn da gar nichts dran, dass er vom Impfstoffverkauf profitiere?
    Stellen wir uns jetzt kurz vor, wir befinden uns in John Carpenter´s Filmklassiker „They live“, in welcher der Protagonist durch das Aufsetzen einer besonderen Sonnenbrille…
    …plötzlich die echten Botschaften hinter der Werbung und das wahre Gesicht mancher Menschen erkennt.
    Setzen wir also diese Brille auf und lauschen wir der (fiktiven), ehrlichen Antwort von Bill Gates:
    Quelle: Milosz Matuschek
  15. Die Lesbarkeit von Gesetzentwürfen
    Über unverständliche Änderungsbefehle, zweckmäßige Synopsen und verfassungsrechtliche Anforderungen
    Die Verbesserung der Lesbarkeit von Gesetzentwürfen ist in Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit und der Verbreitung von Falschbehauptungen und Verschwörungstheorien ein dringendes Anliegen. Ein Vorschlag der Linksfraktion im Bundestag, Entwürfen von Änderungsgesetzen eine Synopse beizufügen, ist ein richtiger Schritt in diese Richtung. Doch das allein genügt nicht: das verfassungsrechtliche Demokratieprinzip gebietet weitere Maßnahmen, mit denen die Lesbarkeit von Gesetzentwürfen verbessert wird. Statt den Vorschlag der Linksfraktion zu kritisieren sollten ihn Politik und auch die Rechtswissenschaft zum Anlass nehmen, weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Lesbarkeit zu erarbeiten. (…)
    Eine Demokratie lebt nicht nur von Wahlen und Abstimmungen, die Art. 20 Abs. 2 GG ausdrücklich vorsieht. Vielmehr ist auch eine informierte und engagierte Öffentlichkeit Funktionsbedingung jeder Demokratie. Die Kontrolle der Regierungspolitik zwischen den Wahlen ist nicht allein Aufgabe der parlamentarischen Opposition. Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus: „Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus“ (BVerfGE 70, 324, Rn. 131). „Das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen und schafft die Voraussetzungen der Kontrolle durch die Bürger“ (BVerfGE 130, 318, Rn. 108). Der Austausch zwischen Parlament und Bürger*innen ist für die Demokratie somit wesentlich und alle Verantwortungsträger*innen sind verpflichtet, ihn zu begünstigen. (…)
    Dieser Aufruf an Politik und Rechtswissenschaft hat in einer Zeit umso mehr Gewicht, die von zunehmender Skepsis gegenüber politischen Verantwortungsträger*innen geprägt ist. Manche, die das 3. Bevölkerungsschutzgesetz mit den nationalsozialistischen Ermächtigungsgesetzen von 1933 gleichsetzten, hätte auch eine Synopse wahrscheinlich nicht zu einer anderen Auffassung gebracht. Anderen aber hätte eine Synopse geholfen, solchen Irrtümern informiert entgegenzutreten. Verpflichtende Synopsen sind ein zweckmäßiger Beitrag zu mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit und können Debatten über Gesetzentwürfe rationalisieren. Wenn andere Fraktionen dem Vorschlag der LINKEN gegenüber ablehnend bleiben, sollten sie dringend zweckmäßige Alternativen vorschlagen.
    Quelle: Verfassungsblog

    Anmerkung Jens Berger: So, so. Die Linksfraktion setzt sich für verständlichere Gesetzesentwürfe ein. So vielleicht?

    „Im Fall einer ungeplanten Schwangerschaft stellt sich für viele Frauen und weitere gebärfähige Personen die Frage, ob sie schwanger bleiben und ein Kind gebären oder diese Schwangerschaft abbrechen wollen. […] Eine solche angenommene Austragungspflicht macht gebärfähige Körper, in der überwiegenden Mehrzahl Frauenkörper, zum Objekt dieser Austragungspflicht.“

    Ganz ehrlich, ich verstehe das nicht. Welche „Nicht-Frauen“ sollen den schwanger werden? Dieser Gesetzesantrag stammt übrigens von zahlreichen Abgeordneten der Linksfraktion.

  16. Altmaiers fragwürdiges 220-Millionen-Euro-Geschenk
    Nach einem Bericht des Branchenmagazins “Horizont”, sollen Projekte zur “digitalen Markterschließung, Technologien zur Verbreitung der Inhalte sowie der Verkauf digitaler Anzeigen” gefördert werden. Bis zu 45 Prozent der Kosten für solche Projekte will der Staat den Medien erstatten. Allen Medien? Nein. Ausgerechnet rein digitale Medien, wie beispielsweise t-online, sind von der Förderung ausgeschlossen. Anzeigenblätter können indes mit einer Förderung von rund 57 Millionen Euro rechnen. Auf sie sollen nach dem Förderkonzept des Bundeswirtschaftsministeriums 30 Prozent der Gesamtfördersumme entfallen.
    Das führt ein ohnehin fragwürdiges Förderprogramm völlig ab absurdum. Denn die Regierung schließt innovative digitale Medien-Start-Ups nicht nur von ihrem Förderprogramm aus, sie stärkt auch die Konkurrenz der jungen Unternehmen: die Zeitungs- und Magazinverlage, von denen manche die Digitalisierung jahrelang verschlafen haben.
    Statt Innovationen auf breiter Front zu erleichtern, etwa durch bessere Abschreibungsbedingungen für digitale Investitionen, behindert der Staat mit dieser Politik ausgerechnet die Entwicklungschancen aufstrebender junger digitaler Angebote wie die “Prenzlauer Berg Nachrichten”, die sich mit viel Leidenschaft nach Jahren in den roten Zahlen inzwischen an die schwarze Null herangerobbt haben. & .
    Quelle: T-Online
  17. Soziologin Ackermann beklagt linksliberale Diskursdominanz in den Medien beim Thema Identitätspolitik
    Es bestehe eine Diskursdominanz in den Medien, die eine linksliberale Idee von Diversität, Gendergerechtigkeit und Rassismuskritik propagiere. Die sei aber nicht identisch mit der Wahrnehmung der Mehrheit. Es gebe eine Kluft zwischen der Bevölkerung und politisch kulturellen Eliten. Zugleich sei die Identitätspolitik von rechts problematisch, die auf ein ethnisch homogenes Land abziele und alles, was fremd sei, wegdrängen wolle. Identitätspolitik sowohl von links als auch von rechts verstärke die Spaltung der Gesellschaft.
    Fatal wirke sich die Moralisierung in den Debatten aus, die vornehmlich von linker oder rechter Identitätspolitik ausgehe.
    Quelle: Deutschlandfunk
  18. „Uns war klar, dass ein derart brisantes Buch nicht allen Protagonisten gefallen wird“
    Wie die FAZ am Freitag berichtet, „haben nahezu alle großen Buchhändler aufgrund eines sogenannten Presserechtlichen Informationsschreibens“ das Buch Bad Company (Penguin) von Jörn Leogrande aus dem Vertrieb genommen. Rainer Dresen, Justiziar bei Penguin Random House, stellt klar: „Gegen das Buch gibt es zwar Verbotsbemühungen interessierter Kreise, aber bislang noch kein Verbot, und gegen den Handel nichts außer Informationsschreiben des Inhalts, dass der Verlag abgemahnt wurde und man doch schon deshalb den Vertrieb einstellen soll.“
    Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was es mit dem Schreiben auf sich hat, wie der Verlag mit den Vorwürfen umgeht und wie der Handel sich rechtssicher verhält.
    BuchMarkt: Herr Dresen, heute berichtet die FAZ , dass es gegen „Bad Company – Meine denkwürdige Karriere bei der Wirecard AG“ von Jörn Leogrande, erschienen bei Penguin, zwar noch keine gerichtlichen Verbote gibt, aber etliche Händler haben dennoch den Titel aus dem Vertrieb genommen, nachdem die Anwaltskanzlei eines im Buch genannten Wirecard-Mitarbeiters sogenannte presserechtliche Informationsschreiben verschickt hat. Was ist da los?
    Rainer Dresen: Uns war klar, dass ein derart brisantes Buch nicht allen Protagonisten gefallen wird, von denen derzeit nicht wenige aus guten Gründen auch Staatsanwälten Rede und Antwort stehen müssen. Aber dass es dann einzelne große Händler selbst sind, die das Buch in vorauseilendem Gehorsam vom Markt nehmen, das hat uns dann doch überrascht. Wir haben das Buch deshalb besonders sorgfältig geprüft, wohlwissend, dass es trotzdem Versuche geben wird, das Buch zu stoppen. Da gab es etwa den ehemaligen Wirecard-Mitarbeiter der schon vor Publikation einen Anwalt mit der etwas naiven Bitte vorschickte, ein „Leseexemplar“ zu erhalten, garniert mit der Ankündigung, dass nur so „Weiterungen“ vermieden werden können. Andere drohten eher allgemein rechtliche Schritte an, wenn wir die „Unschuldsvermutung“ ihrer honorigen Mandanten nicht beachteten, wieder andere monierten vermeintliche Ungenauigkeiten der zeitlichen Abläufe. Eine Anwaltskanzlei schickte uns Mittwoch letzter Woche eine konkrete Unterlassungsaufforderung. Wir lehnten auch in jenem Fall eine Änderungsverpflichtung ab, boten aber zur Streitvermeidung eine freiwillige Änderung für künftige Auflagen an. Das wiederum lehnten die Anwälte ab, was wir durch Einlegung einer sogenannten Schutzschrift bei Gericht erwiderten. Seitdem sind knapp zehn Tag vergangen und wir haben nichts von den Gerichten gehört.
    Quelle: BuchMarkt


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