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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 26. Juli 2021 um 8:30 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Braun erwartet Einschränkungen für Nicht-Geimpfte
  2. In Frankreich protestieren mehr als 160 000 Menschen gegen striktere Corona-Regeln
  3. Wer hat den Mehrwert?
  4. Altmaiers Startup-Beirat gerät unter Beschuss
  5. Nie wieder Gastro: Warum in der Branche wirklich das Personal fehlt
  6. Ambulante Pflegedienste zwischen expandierender Nachfrage, Kapitulation vor Ort und einer Spitzenplatzierung im „Betrugs-Ranking“ der Kassen
  7. Heil erteilt höherem Rentenalter Absage
  8. „Hier geht absolut nichts. Das ist halb Psychiatrie, halb Gefängnis“
  9. Bars und Kneipen dürfen auch innen öffnen – Gericht kippt Verbot
  10. Volle Fussballstadien gehen, Kleinkunst nicht: Wie der Irrsinn normal wird
  11. Wieviel Freiheit bleibt nach Corona?
  12. Merkels Eingeständnis: Klimapolitik wider besseres Wissen
  13. Die Energiewende-Abwürger
  14. «Die Ausbreitung der Killer-Roboter hat begonnen»
  15. Biden lädt nach
  16. Ein Pakt zum Plündern: Die Einigung zwischen den USA und der Bundesrepublik zu Nord Stream 2
  17. Parteien am Ende: Für einen Neustart durch die Zivilgesellschaft
  18. Das All gehört allen – und nicht abgehobenen Milliardären

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Braun erwartet Einschränkungen für Nicht-Geimpfte
    Angesichts der steigenden Corona-Zahlen hat Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) einem Zeitungsbericht zufolge mögliche Einschränkungen für Nicht-Geimpfte angekündigt. „Geimpfte werden definitiv mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte“, sagte Braun der „Bild am Sonntag“.
    Bei hohem Infektionsgeschehen trotz Testkonzepten müssten Ungeimpfte ihre Kontakte reduzieren. „Das kann auch bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch ist.“
    Quelle: Welt

    Anmerkung André Tautenhahn: Geimpfte werden nicht alle Freiheiten wie vorher haben, sondern nur mehr als Ungeimpfte. Das sollten sich die Geimpften klarmachen. Auch für sie wird es weiterhin Einschränkungen geben.

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch –

    1. Impf-Debatte: Anleitung zur Spaltung der Gesellschaft
    2. Mit Volldampf zum Impf-Zwang – Wen interessiert schon das Geschwätz von gestern?

    Dazu: Kanzleramtsminister Braun: Einschränkungen für Nicht-Geimpfte
    Das könne etwa bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch sei, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Der Staat habe die Pflicht, die Gesundheit seiner Bürger zu schützen. Braun sprach sich dafür aus, dass Geimpfte grundsätzlich mehr Rechte haben sollten als Ungeimpfte. Der Kanzleramtsminister befürchtet ein Ansteigen der Inzidenz bis zur Bundestagswahl Ende September auf 850 und damit 100.000 Neuinfektionen täglich.
    Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann schloss für die Zukunft eine Impfpflicht nicht aus. Dies sei zwar nicht geplant, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Es sei aber möglich, dass Virus-Varianten aufträten, die dies erforderlich machten. Zudem könne es gut sein, dass man irgendwann gewisse Bereiche und Tätigkeiten nur noch für Geimpfte zulasse. Kretschmann verwies in diesem Zusammenhang auf die Masern. Auch dort gebe es eine Impfpflicht für Kindertagesstätten, weil die Krankheit sehr ansteckend sei.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers E.W.: Dass die “BLÖD” auch am Sonntag alles andere als fundierten Journalismus betreibt, ist sicher nicht nur meine Erkenntnis. Das hierbei skurrile Meinungen oder Mutmaßungen (es handelt sich hier nicht wissenschaftlich belegte Fakten) von führenden Personen auszugsweise umkommentiert(!), im DLF in den Focus der Nachrichten gestellt, übernommen werden erschüttert mein Vertrauen in diese Nachrichten Redaktion!

    Um eines klar zu stellen, ich habe für mich die Entscheidung getroffen mich impfen zu lassen. Ich bin kein Impfgegner, denke aber das jeder Mensch selbst nach bestem Wissen entscheiden muss. Wissenschaft, Medien und Politik können und sollten daher fundiert, sachlich und ehrlich alle(!) Fakten gemeinverständlich darlegen. Vor allem sollte zwischen Annahme und Erkenntnis klar unterscheiden werden. Panikmache hat hier nichts verloren, egal von welcher Seite sie kommt! Solche Methoden zerstören Vertrauen und spalten die Gesellschaft. Dessen sollte sich die Nachrichten Redaktion, besonders die eines öffentlich-rechtlichen Senders, bewusst sein.

    Mein Vertrauen in öffentlich-rechtlich Sender ist mittlerweile selektiv Sender/Programm bezogen. Das ist schade, denn ich bin gegen eine Reduzierung oder gar Abschaffung der ör-Medien.

    Auch wenn ich nicht immer Ihrer Meinung bin, schön das Sie von der NDS-Redaktion eine Informations-Lücke ausfüllen die leider zunehmend größer geworden ist.

    Dazu auch: Eine Diskriminierung von Ungeimpften ist ethisch gerechtfertigt
    Um die Impfquote zu erhöhen, ist eine indirekte und sogar direkte Impfpflicht im Gespräch. Aus ethischer Sicht spricht wenig gegen beide Varianten.
    Quelle: Thomas Beschorner und Martin Kolmar in Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Paradox: Haben die Geimpften Angst vor Ungeimpften?

  2. In Frankreich protestieren mehr als 160 000 Menschen gegen striktere Corona-Regeln
    In Paris und anderen französischen Städten haben rund 161 000 Menschen gegen die Verschärfung der Corona-Regeln demonstriert. Das berichtete der französische Nachrichtensender Franceinfo am Samstag unter Berufung auf das Innenministerium. Allein in Paris seien rund 11 000 Menschen auf die Straße gegangen.
    Am Rande des Protestes kam es in der Hauptstadt im Bereich der Prachtstraße Champs-Élysées zu Ausschreitungen. Die Polizei setzte daraufhin Tränengas und Wasserwerfer ein, wie Fernsehbilder zeigten. Innenminister Gérald Darmanin verurteilte Gewalt gegen Sicherheitskräfte oder Medienvertreter. Es seien in Paris neun Menschen festgenommen worden. Vor einer Woche hatten nach Angaben von Darmanins Ministerium landesweit rund 114 000 Menschen protestiert. Die Mitte-Regierung von Premier Jean Castex hatte angesichts eines Anstiegs der Corona-Zahlen strengere Maßnahmen auf den Weg gebracht. Das Land mit rund 67 Millionen Menschen kämpft nach Einschätzung von Castex mit einer vierten Corona-Welle.
    Auch in Italien gingen Medienberichten zufolge Tausende Menschen gegen strengere Corona-Regeln auf die Staße. In Rom versammelten sich Schätzungen zufolge etwa 3000 Gegner des sogenannten Grünen Passes, wie die Nachrichtenagentur Ansa am Samstag meldete. Das digitale Corona-Zertifikat der EU wird in Italien auch Grüner Pass genannt. Auch in anderen Städten, darunter Mailand, Turin und Neapel, kam es zu Protesten, wie unter anderem die Zeitung Corriere della Sera berichtete.
    Die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi hatte angesichts deutlich steigender Infektionszahlen strengere Corona-Maßnahmen auf den Weg gebracht und die Zutrittsregeln zu zahlreichen Aktivitäten im Innenbereich verschärft. Ab dem 6. August ist in dem Land etwa für Restaurantbesuche im Innenbereich, in Museen, Fitnessstudios und Schwimmbädern ein Impfnachweis, ein 48 Stunden lang gültiger negativer Corona-Test oder ein Genesungsnachweis notwendig.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  3. Wer hat den Mehrwert?
    Über Manipulationen und Mystifikationen: Selbst außerhalb der komplexen Theorienbildung werden einfachste ökonomische Ableitungen nicht verstanden.
    Ökonomie ist für die meisten Menschen ein „Buch mit sieben Siegeln“ und viele ökonomisch kontrovers diskutierte Theorien verunsichern die Menschen noch zusätzlich. Hier besteht permanent die Gefahr für Manipulationen und Mystifikationen. Und selbst außerhalb der komplexen Theorienbildung werden einfachste ökonomische Ableitungen nicht verstanden.
    So können dann Kapitalvertreter interessenorientiert den Beschäftigten ihre angeblich zu hohen Lohnsätze ständig vorwerfen, obwohl man nur Lohnstückkosten, also Lohnsätze in Relation zur Produktivität, vergleichen kann. Oder: Wer kennt die gesamtwirtschaftliche Preisgleichung, die immer aus Lohnstückkosten plus Mehrwert je Stück besteht? Steigen hier die Lohnstückkosten, so müssen die Preise nicht steigen, wenn der Mehrwert je Stück sinkt.
    Trotzdem legen realiter die Preise zu. Warum wohl? Und was ist Mehrwert? Er wird von den abhängig Beschäftigten geschaffen, weil ihr Lohn unter dem Wert ihrer geschaffenen und am Markt erlösten Arbeitswerte liegt. Zinsen und Grundrenten senken dabei die dritte Größe des Mehrwerts, den Gewinn. Hier gibt es innerhalb der Mehrwertgröße vielfältige Widersprüche. (…)
    Auch die einfachen Gleichungen: „Kosten sind Einkommen“ und „Vermögen sind Schulden“ werden nicht verstanden. Was der Eine gewinnt, muss notwendigerweise der Andere verlieren. Die Gewinner wollen ihren Mehrwert und ihr Vermögen aber nur ungern zeigen. Also wird auch die Verteilung manipuliert. Aus Vermögenswerten werden Abschreibungen und damit gewinnmindernde Kosten. Dabei wird unterschlagen, dass investierende Kapitaleigner ihr eingesetztes Geldkapital über im Umsatz realisierte Abschreibungen zurückerhalten. Bevor die Wertschöpfungen in den Statistiken verteilt werden, haben sich die Kapitaleigner über Abschreibungswerte schon bedient, so dass die Verteilung zu Gunsten der Mehrwertbezieher regelmäßig zu niedrig und die Lohnquote zu hoch ausgewiesen wird.
    Dazu der empirische Befund: In der gesamten deutschen Wirtschaft lag die offizielle Lohnquote im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2019 bei 69,6 Prozent. Tatsächlich aber nur bei 56,5 Prozent. Das waren nur ein paar Beispiele. Es gibt Hunderte mehr!
    Quelle: Heinz-Josef Bontrup in Frankfurter Rundschau
  4. Altmaiers Startup-Beirat gerät unter Beschuss
    Der Digitalbeirat des Bundeswirtschaftsministerium wünscht sich in einem Positionspapier mehr positive Berichterstattung über Börsengänge – und versteigt sich zur Forderung nach einer „Disziplinierung der Presse“. Die Kritik daran ist scharf, aus der Politik werden Konsequenzen gefordert (…)
    Das Positionspapier steht schon seit Mitte April auf der Webseite des Ministeriums. Erst ein Bericht des Handelsblatts lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit auf den brisanten Inhalt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte bei Twitter, dass ihm das Positionspapier nicht bekannt gewesen sei. „Pressefreiheit ist ein herausragendes Grundrecht, dessen Schutz wir verpflichtet sind“, so Altmaier. Er habe die Entfernung des Dokuments angeordnet. (…)
    Im politischen Berlin sorgt das Demokratieverständnis der Startup-Köpfe für Verwunderung und Kritik. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi, zuletzt einer der Chefaufklärer im Wirecard-Skandal, schimpft gegenüber Capital: „Die Börse ist kein Ponyhof – auch nicht für Einhörner! Wer meint, kritische Berichterstattung – die sachlich nicht zu beanstanden ist – staatlich einschränken zu müssen, hat aus der Wirecard-Pleite nichts gelernt.“ De Masi mahnt zudem personelle Konsequenzen an: „Dass so ein Statement auf der Seite des Wirtschaftsministeriums landet, ist grotesk! Beim Beirat Junge Digitale Wirtschaft muss dringend durchgelüftet werden!“
    Quelle: capital
  5. Nie wieder Gastro: Warum in der Branche wirklich das Personal fehlt
    Am Personalmangel in Gastro und Tourismus ist nicht die Arbeitsunwilligkeit schuld. Der KURIER hat mit Aussteigerinnen und Experten über die wahren Gründe gesprochen. […]
    Die Schärfe mit der die aktuelle Debatte über den Personalmangel in Gastro und Tourismus geführt wird – die Rede ist dabei von arbeitsunwilligen ehemaligen MitarbeiterInnen – kränkt sie persönlich. „Das Pensum und der Leistungsdruck sind enorm, die Bezahlung reicht oft nicht zum Leben. Wenn ich an die Wertschätzung der Gäste denke, bekomme ich zwar heute noch Gänsehaut, aber ich kann mir davon nichts kaufen oder die Miete zahlen“, erzählt sie im KURIER-Gespräch. Ritter denkt nicht als einzige so. […]
    Anders als weitläufig kolportiert, ist der Mangel in Gastro und Tourismus kein reines Symptom der Krise, sondern liegt im Wesen der Branche. Der Personalmangel in diesem Sektor wird seit Jahren bejammert. Lockdowns und die Arbeitsmarktkrise haben das Problem aber mit scheinbar neuer Brisanz aufs Tableau gebracht. […]
    Das ist kein rein österreichisches Phänomen. Vor allem im Bereich der SaisonarbeiterInnen decken üblicherweise Saisonniers aus osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten ein Gros der Stellen ab. Auch in dieser Gruppe haben sich viele Menschen umorientiert und fehlen nun. Zu groß war die Unsicherheit, ob die Saison stattfindet und zu groß waren die finanziellen Einbußen.
    Quelle: Kurier
  6. Ambulante Pflegedienste zwischen expandierender Nachfrage, Kapitulation vor Ort und einer Spitzenplatzierung im „Betrugs-Ranking“ der Kassen
    Wenn über „die“ Alten- bzw. Langzeitpflege in Deutschland gesprochen wird, dann bewegt man sich wohl oder übel innerhalb des historisch gewachsenen, „versäulten“ Pflegesystems. Hier die häusliche Pflege, teilweise unterstützt von den mehr als 14.700 ambulanten Pflegediensten (und von Hunderttausenden osteuropäischen Betreuungskräften, die im Schatten der regulären Strukturen agieren), dort die stationäre Pflege in den Pflegeheimen. Und wenn man die mediale Berichterstattung und auch den Fokus der öffentlichen Debatte bilanzieren muss, so wird man zu dem Befund kommen, dass in weiten Teilen die Pflegeheime im Zentrum stehen, zugleich mit einem klaren Schwerpunkt auf eine skandalisierende und auch viele tatsächliche Missstände anprangernde Darstellung der Verhältnisse in vielen Heimen. Und auch der berechtigte Hinweis auf Missstände bei der Personalausstattung und der Arbeitsbedingungen, einschließlich der Vergütung der Pflegekräfte, wird oftmals an den Heimen diskutiert. Aber die Zahlen von oben betrachtet und die Realität der Versorgung von unten sprechen eine andere Sprache, denn „nur“ 20 Prozent der mehr als 4,1 Mio. Pflegebedürftigen wird im stationären Setting versorgt, die große Mehrheit von 80 Prozent hingegen im häuslichen Umfeld. Und da spielen die ambulanten Pflegedienste eine ganz zentrale Rolle. (…)
    Über die mögliche Ausgestaltung einer sinnvollen Kommunalisierung der Langzeitpflege ist in den vergangenen Jahren viel geschrieben worden – und immer wieder wird dabei auch auf ausländische Vorbilder verwiesen (vgl. dazu nur als ein Beispiel Cornelia Heintze: Auf der Highroad – der skandinavische Weg zu einem zeitgemäßen Pflegesystem. Ein Vergleich zwischen fünf nordischen Ländern und Deutschland, Bonn 2015), von denen man lernen kann, gerade was eine anzustrebende Ergebnisverantwortung auf kommunaler Ebene angeht. Das man nicht nur die Versäulung des bestehenden Systems aufbrechen und überschreiten muss, das wird auch in diesem äußerst anspruchsvollen Text ausgebreitet, der viele grundlegende Anregungen für die Neugestaltung enthält: Frank Schulz-Nieswandt: Pflegepolitik gesellschaftspolitisch radikal neu denken. Gestaltfragen einer Reform des SGB XI. Grundlagen, Kontexte, Eckpunkte, Dimensionen und Aspekte, Berlin: Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA), Januar 2020; eine „kürzere“ Fassung findet man hier: Frank Schulz-Nieswandt: Kommunale Pflegepolitik als sozialraumorientierte Daseinsvorsorge: Konturen einer Vision, in: Klaus Jacobs, Adelheid Kuhlmey, Stefan Greß, Jürgen Klauber und Antje Schwinger (Hrsg.): Pflege-Report 2021. Sicherstellung der Pflege: Bedarfslagen und Angebotsstrukturen, Berlin 2021. Man kann sich zu dem Thema natürlich auch solche Veröffentlichungen anschauen, die bereits vor einigen Jahren publiziert wurden und die handfeste Hinweise auf die Ausgestaltung vor Ort enthalten: Moritz Schnitger, Michael Plazek und Hans Jörg Rothen: Pflege kommunal gestalten, Gütersloh 2016.
    Aber eines muss klar sein: Angesichts der allein aus der demografischen Entwicklung unabweisbar erwartbaren Herausforderungen für die Ermöglichung und Gewährleistung einer menschenwürdigen Betreuung und Pflege läuft uns die Zeit davon, die man braucht, um eine grundlegende Systemtransformation auf den Weg zu bringen.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  7. Heil erteilt höherem Rentenalter Absage
    Arbeitsminister Heil hat große Pläne: Er verspricht ein stabiles Rentenniveau bis 2040. Um das zu erreichen, möchte der SPD-Politiker mehr Menschen zur Erwerbstätigkeit motivieren. Ein höheres Rentenalter hält er hingegen für “zynisch”.
    Sozialminister Hubertus Heil hat ein höheres Rentenalter über 67 Jahre strikt abgelehnt und ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2040 versprochen. “Einer Krankenschwester, einem Stahlarbeiter oder einem Lageristen zu sagen, du arbeitest jetzt bis 70, das ist zynisch”, sagte Heil der “Rheinischen Post”. “Wir haben in Europa schon jetzt eines der höchsten Rentenalter. Es bleibt weiterhin richtig, dass man nach 45 Versicherungsjahren Schluss machen kann”, sagte der SPD-Politiker.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung Christian Reimann: Einem höherem Rentenalter eine Absage zu erteilen ist gut. Aber ist dem Bundesminister Heil und auch dem weiteren Spitzenpersonal der SPD bekannt, dass von einen Rentenniveau von 48 Prozent viele Bürgerinnen und Bürger schlecht leben?

  8. „Hier geht absolut nichts. Das ist halb Psychiatrie, halb Gefängnis“
    […] Der positive Test von Geschke, der nun in einem Hotel in Tokio maximal zehn Tage in Quarantäne ist, traf sowohl das Männer- als auch das Frauen-Team am Fuße des Fuji ins Mark. „Wir mussten dann auf den Zimmern bleiben. Ich habe mein Bett nicht verlassen, konnte mich nicht bewegen. Unser Zimmer hat zehn Quadratmeter. Da kann man nichts machen“, berichtete Schachmann.
    Vor der 234 Kilometer langen Tortur mit fast 5000 Höhenmeter durfte sich der 27-Jährige nicht vorbelasten beim Aufwärmtraining, bekam keine Massage und der Mannschaft wurde der geplante Hotelwechsel in die Nähe des Starts untersagt.
    Also standen Fahrer und Betreuer am Renntag um 6.00 Uhr morgens auf, zwängten sich in einen Kleinbus und fuhren stundenlang zum Start. Dort wartete bereits Emanuel Buchmann, der als Zimmerkollege von Geschke die ganze Aufmerksamkeit der japanischen Corona-Bekämpfer bekam. Mitten in der Nacht wurde der Ravensburger im Teamhotel am Mount Fuji abgeholt und nach Tokio in eine Klinik zu einem weiteren PCR-Test gebracht. Dort versucht Buchmann, vor dem Ergebnis und der damit verbundenen Starterlaubnis wenigstens ein wenig zu schlafen. „Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man sich um 3.20 Uhr den Wecker auf 4.50 Uhr stellt“, sagte der 28-Jährige.
    Quelle: WELT.de
  9. Bars und Kneipen dürfen auch innen öffnen – Gericht kippt Verbot
    Reine Kneipen und Bars im Freistaat dürfen ab sofort auch innen wieder öffnen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kippte die Regelung zur Schließung von Innenräumen reiner Schankwirtschaften, wie das Gericht am Freitag mitteilte. Für Bars und Kneipen ohne Essensangebot gelten damit ab sofort die gleichen Regeln wie für Restaurants. Discos und Clubs sind von der Entscheidung nicht betroffen.
    Pandemiebedingt hatten reine Bars und Kneipen nach der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung im Gegensatz zu Speisewirtschaften nur unter freiem Himmel öffnen dürfen. Eine Wirtin aus Unterfranken hatte dagegen einen Eilantrag eingereicht, dem der Verwaltungsgerichtshof am Freitag stattgab. Zwar habe es zu Beginn der Pandemie erhebliche Unterschiede zwischen der Innengastronomie von Speise- und Schankwirtschaften gegeben, begründete das Gericht. Zwischenzeitlich habe sich aber das Geschehen – besonders der gesteigerte Alkoholkonsum beim geselligen Zusammensein – so sehr angenähert, dass eine unterschiedliche Behandlung nicht mehr gerechtfertigt werden könne.
    Zur Bekämpfung der Infektionsgefahr gebe es mildere Mittel wie etwa Hygienekonzepte oder ein Alkoholverbot ab einer bestimmten Uhrzeit. Zudem dauere die Schließung von Bars und Kneipen schon sehr lange an. Der Eingriff in die Berufsfreiheit wiege daher sehr schwer. Das Urteil ist rechtskräftig. Ein Sprecher des Verwaltungsgerichtshofs sagte, die Entscheidung habe sofortige Folgen, Kneipen und Bars könnten ab Freitag also aufmachen.
    Quelle: Welt

    Anmerkung J.K.: Man darf gespannt sein wie die Politik reagieren wird, die bisher fast jedes Gerichtsurteil mit einer neuen Verordnung konterkariert und dabei neben gezeigt hat, dass sie auf die Judikative pfeift.

    Wenige Minuten später: Nach Gerichtsentscheidung – Söder kündigt nach Urteil neue Auflagen für Bars und Kneipen an
    Auch nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs lehnt Ministerpräsident Markus Söder eine generelle Öffnung von Bars und Kneipen ab.
    “Aus unserer Sicht wird es eine reine Freigabe von Bars und diesen Einrichtungen jetzt nicht geben”, sagte der CSU-Chef am Freitag nach einer Klausur des Parteivorstands in Gmund am Tegernsee. Er kündigte an, dass das Kabinett am Dienstag das weitere Vorgehen festlegen werde.
    Quelle: PNP

  10. Volle Fussballstadien gehen, Kleinkunst nicht: Wie der Irrsinn normal wird
    Das grosse Sterben wurde vorhergesagt, als an der Fussball-EM proppenvolle Stadien im Fernsehen zu sehen waren. Es blieb aus. Nicht einmal ein Ansteckungsherd waren die Grossveranstaltungen. Aber ein beschauliches Kleinkunstfestival in St.Gallen muss die Waffen strecken. Wo ist da die Logik? (…)
    Dass an der EM coronatechnisch so gut wie nichts passiert ist, zeigt auch die Tatsache, dass Panikschlagzeilen nach den Horrorprognosen ausblieben. Hätte das Virus unter den 60’000 Menschen im Wembley-Stadion grassiert, hätten wir das danach mehrere Wochen lang täglich lesen können. In Wahrheit ist eben so gut wie nichts passiert. Oder vielleicht doch: Es wurde der Beweis angetreten, dass Grossveranstaltungen mit dicht gedrängtem Publikum möglich sind, ohne dass danach das Gesundheitssystem kollabiert. Es ist also das Gegenteil von dem geschehen, was Lauterbach und Co. vermutlich insgeheim gern gehabt hätten.
    Was das mit uns zu tun hat? Soeben musste das Strassenkunstfestival «Aufgetischt» in St.Gallen ein weiteres Mal abgesagt werden. Nicht, weil echte Gefahr droht, sondern weil die Veranstalter die Kontrollauflagen nicht vollziehen können. Diese Auflagen wiederum sind mit Blick in die Stadien in London oder Budapest allerdings nur ein schlechter Witz. 60’000 enthemmte Fussballfans können Seite an Seite jubeln, ohne dass etwas passiert, aber 50 Leute dürfen einem Feuerspucker in der St.Galler Altstadt nicht zuschauen? Weil sonst alle sterben? Ernsthaft?
    Das Problem ist: Die Prognose überwiegt die Realität, die Angst sticht das Ergebnis aus. Es nützt nichts, dass die Apokalypse an der Fussball-EM ausgeblieben ist. Es reicht, dass im Vorfeld Panikszenarien skizziert wurden. Dass sie danach nicht eintrafen, liest man kaum irgendwo, während die Ankündigung des Unheils die Schlagzeilen beherrschte. Damit bleibt nur diese in den Köpfen haften.
    Und deshalb hat sich der gesunde Menschenverstand endgültig verabschiedet.
    Quelle: Die Ostschweiz
  11. Wieviel Freiheit bleibt nach Corona?
    Der Mangel an Perspektiven und Kritik von links: Wie Bedenken gegen Digitalzwang und Überwachungsinstrumente sich in Luft auflösen. Ein Debattenbeitrag
    Grundsätzlich ist das bewusste Schüren von Angst seit jeher die stärkste Antriebsfeder jeglicher Propaganda und ermöglicht nie gekannte gesellschaftliche Umstrukturierungen. Diese ziehen oft eine enorme Macht- und Kapitalverteilung von der Masse, also von unten, hin zu einer kleinen selbsternannten Elite aus Wirtschaft und Politik nach sich.
    Zugleich scheint in vielen sozialen Milieus der Fokus auf die wirtschaftlichen Folgen und die Konsequenzen für die persönliche Freiheit der seit fast 1,5 Jahren andauernden massiven Eingriffe des Staates, dieses “kältetesten aller Kalten Ungeheuer” (Friedrich Nietzsche), wegen des ausschließlichen Blickes auf Covid-19 deutlich getrübt zu sein.
    Gerade von “links” wird teilweise alles mitgetragen oder es werden gar noch härtere Maßnahmen gefordert. (“ZeroCovid”; “NoCovid”). Der kürzlich von Emmanuel Macron in Frankreich eingeleitete Zivilisationsbruch im sogenannten “Wertewesten” und sein Regieren in Erlassform scheinen weder bei der taz noch im Neuen Deutschland jemanden zu stören, ganz im Gegenteil.(…)
    Dabei hätte die Linke durchaus das Instrumentarium die höchst freiheitsgefährdende aktuelle Situation zu analysieren – und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Infolge der von der WHO festgestellten Pandemie zeichnen sich immer deutlicher passive und autoritäre Charakterausprägungen ab: Zum einen die Devoten, die sich hinter der Maske auch von der psychischen Last von Covid-19 befreit fühlen – erst recht, wenn Autoritäten, wie “Experten” und Politiker sie dazu “anweisen”- und sie nicht selbst entscheiden müssen.
    Im Zweifelsfall können dieselben Personen aber auch autoritäre Züge entwickeln, indem sie Nicht-Maskenträger denunzieren oder direkt angreifen – dabei spielt es offenbar keine Rolle, ob ein ärztliches Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht vorliegt. Denn für die vermeintliche Solidarität der “Schicksalsgemeinschaft”, auf die sich unter anderem Kanzlerin Angela Merkel beruft, müsse jeder zurückstecken.(…)
    Die Analyse-Instrumente für die Corona-Krise liegen also auf dem Tisch. Die Frage ist nur, wie wichtig der Linken überhaupt die Freiheit (noch) ist – oder ob sie sich in der Rolle, noch autoritärer als der von Lobbyisten großer Konzerne durchseuchte “starke Staat” sein zu wollen, behaglich eingerichtet hat.
    Quelle: Telepolis
  12. Merkels Eingeständnis: Klimapolitik wider besseres Wissen
    Am Ende von 30 Jahren in der Bundespolitik und 16 Jahren an der Spitze der Bundesregierung zeigt sich Angela Merkel in der Klimapolitik reumütig. Gemessen an dem Ziel, den weltweiten Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, sei während ihrer Kanzlerschaft „nicht ausreichend viel passiert“, sagte sie bei ihrer letzten “Sommerpressekonferenz”.
    Zugleich versuchte Merkel, ihren zu Beginn ihrer Amtszeit erworbenen Ruf als “Klimakanzlerin” zu verteidigen: „Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel Kraft für den Klimaschutz aufgewandt habe“, sagte sie. Sie habe „sehr, sehr viel Kraft in meinem politischen Leben dafür eingesetzt, Mehrheiten dafür zu finden, dass wir wenigstens diesen Weg gehen konnten“. Dies habe „eigentlich meine gesamte politische Arbeit geprägt“.
    Die Aussagen zeigen, dass sich Merkel unter Druck fühlt, die umweltpolitischen Resultate ihrer Amtszeiten – zuerst als Bundesumweltministerin von 1994 bis 1998 und dann als Bundeskanzlerin von Ende 2005 bis zur Bundestagswahl – in ein gutes Licht zu rücken. (…)
    Das ist aus Sicht einer Politikerin, die aufgrund ihrer zentralen Rolle bei Schlüsselereignissen des frühen 21. Jahrhunderts und wegen ihrer weltweiten Bekannt- und Beliebtheit auf jeden Fall einen Platz in den Geschichtsbüchern bekommen wird, gut zu verstehen.
    Denn Verantwortliche, von denen es später heißen wird, dass sie die Klimakrise hätten abwenden können, es aber nicht getan haben, stehen in dem Risiko, dass alle anderen Erfolge ihrer Amtszeiten dagegen vollständig verblassen. Euro-Rettung, Flüchtlingskrise und vieles mehr, was Merkel hoch angerechnet wird – es wird im Rückblick klein wirken, wenn ständige Extremwetter Billionenschäden verursachen und aus unbewohnbar gewordenen Gebieten Menschen in den kühleren Norden aufbrechen.
    Quelle: RiffReporter
  13. Die Energiewende-Abwürger
    Fazit: Die Bilanz der dritten Merkel-Groko, die eigentlich die Vorgaben des Pariser Klimavertrags von 2015 umsetzen sollte, ist und bleibt schlecht.
    Die Umweltorganisation Greenpeace hat nach dem Karlsruher Urteil nach den Ursachen dafür recherchiert. Für ein Schwarzbuch (Titel: “Wir haben verhindert”) wählte sie aus einem “großen Kreis relevanter Politiker:innen von Union und SPD” 31 aus, die nach ihrer Meinung beim Klimaschutz besonders stark bremsen, und porträtiert sie in der Publikation, die am heutigen Freitag erscheint.
    Weit in der Überzahl: Politiker von CDU und CSU. Nur drei der 31 Porträtierten kommen von der SPD. (…)
    Eingeteilt sind die Klima-Bremser in fünf Kategorien. Als erstes die “einflussreichen Spitzen:politikerinnen” wie Kanzlerin Merkel (CDU; “Guter Ruf, maue Bilanz”), Minister “Energiewende-Abwürger” Peter Altmaier (CDU) sowie die Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU; “Der Zauderer”) und Dietmar Woidke (SPD; “Braukohle-Patron”).
    Dann “Hardliner” wie der Wirtschafts-Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU), der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann (CDU), und der bisherige wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU). “Sie sprechen viel von Markt und internationalen Lösungen, um konkrete Gesetze in Deutschland zu verhindern”, so Greenpeace. (…)
    “Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die SPD den Kohleausstieg hinausgezögert hat. Das späte Ausstiegsdatum 2038 trägt auch eine sozialdemokratische Handschrift.”
    Fatal sei ebenfalls die Rolle von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) als Kämpferin für die umstrittene Nord-Stream-2-Pipeline gewesen.
    Nach dem formellen Abhaken der Kohlefrage im “Kohlekonsens” hätten sich die Sozialdemokraten neu aufstellen können. “Die Folgen der befreiten SPD werden bereits sichtbar. Das diesjährige Wahlprogramm liest sich klimapolitisch erstaunlich fortschrittlich”, so die Greenpeace-Bewertung.
    Allerdings: Ob die Sozialdemokratie in ihrer ökologischen Modernisierung bleibt, sei noch nicht ausgemacht. Das werde sich vor allem in der Debatte zum Klimaschutz im Verkehr zeigen, konkret beim Thema Autoindustrie und dem Aus für die Produktion von Benzin- und Diesel-Pkw.
    “Die Transformation dieser Schlüsselbranche birgt für die SPD die Gefahr, sich erneut zu verheddern und den mühsam befriedeten Konflikt zwischen Wirtschaft und Umwelt erneut aufflammen zu lassen”, warnt Greenpeace.
    Quelle: klimareporter
  14. «Die Ausbreitung der Killer-Roboter hat begonnen»
    Zeitenwende in der Kriegsführung: Die UNO hat zum ersten Mal einen autonomen Angriff von Kampfdrohnen dokumentiert. Die türkischen Roboter seien mit «hoher Effektivität» in Libyen eingesetzt worden.
    Gut ein Jahrzehnt ist es her, dass der Arabische Frühling Nordafrika und den Nahen Osten erfasst hat. Vom frischen Wind ist heute nicht viel geblieben. Wie ein Orkan hat die Bewegung eine Regionalmacht wie Ägypten zu einer Militärdiktatur alter Schule werden lassen, Syrien zertrümmert und auch Libyen in einen brutalen Stellvertreter-Bürgerkrieg gezwungen. Aussicht auf Besserung? Fehlanzeige.
    Es passt, dass einer dieser Konfliktherde der Schauplatz eines militärischen Novums geworden ist, der gleichzeitig ein Tabubruch ist: In Libyen haben türkische Kampfdrohnen zum ersten Mal autonom Menschen angegriffen. Das zeigt ein aktueller Bericht der Vereinten Nationen zu dem Konflikt, der nun schon seit sieben Jahren das Land verwüstet.
    Quelle: blue News
  15. Biden lädt nach
    US-Präsident Joseph Biden hat neue Sanktionen gegen Kuba verhängt. Die Maßnahmen zielten »auf Vertreter des kubanischen Regimes ab, um sie für ihre Handlungen zur Verantwortung zu ziehen«, erklärte der Chef des Weißen Hauses am Donnerstag (Ortszeit) ganz im Stil seines Vorgängers Donald Trump. Unter anderem verhängte das »Office of Foreign Assets Control« (OFAC) des US-Finanzministeriums Sanktionen gegen eine Sondereinheit des kubanischen Innenministeriums und den erst seit dem 15. April amtierenden Verteidigungsminister Álvaro López Miera. Dies sei eine Strafe für deren »Rolle bei der Unterdrückung von friedlichen, prodemokratischen Protesten in –Kuba«, erklärte Biden, der damit endgültig vom Biedermann zum Brandstifter wurde. Er stützt sich auf den »Global Magnitsky Act«, ein Gesetz, das den US-Präsidenten ermächtigt, gegen Bürger eines jeden Landes, dem die USA Menschenrechtsverletzungen vorwerfen, Einreisesperren zu erlassen und die Beschlagnahme ihres Vermögens anzuordnen.
    Kubas Präsident Miguel Díaz-–Canel warf der US-Regierung daraufhin vor, »die aggressive Eskalation gegen Kuba« fortzusetzen. Der Minister der Revolutionären Streitkräfte und eine Spezialbrigade des Innenministeriums würden mit der Behauptung sanktioniert, »friedliche Demonstranten« zu unterdrücken, obwohl zahlreiche –Videos im Internet kriminelle Akte von Vandalismus, gewalttätige Angriffe auf Bürger und die Zerstörung gesellschaftlichen Eigentums dokumentiert hätten. Der Präsident bestätigte die Verhaftungen von daran beteiligten Straftätern, bezeichnete aber den Vorwurf, in Kuba gebe es »Verschwundene«, als Teil einer Desinformationskampagne gegen sein Land.
    Allen Argumenten zum Trotz will Washington den Konflikt verschärfen. »Dies ist nur der Anfang«, kündigte Biden an. »Die Vereinigten Staaten werden weiterhin alle bestrafen, die für die Unterdrückung des kubanischen Volkes verantwortlich sind«, erklärte er. Seine Regierung arbeite eng mit der »Organisation Amerikanischer Staaten« (OAS) und internationalen Verbündeten zusammen, um den Druck auf Kuba zu erhöhen. Zusätzlich zu neuen Sanktionen will der US-Regierungschef das Personal der Botschaft in Havanna aufstocken, um »das Engagement der dortigen Zivilgesellschaft« besser unterstützen zu können. Er gab zu, dass alle neuen Maßnahmen zuvor mit Contravertretern in Miami abgestimmt worden waren, die, so Biden, »die besten Botschafter für Freiheit und Wohlstand in Kuba sind«. Seine Regierung werde sich »weiterhin mit kubanisch-amerikanischen Interessenvertretern treffen, um den Demonstranten in Kuba Gehör zu verschaffen und ihnen Empfehlungen zu geben, wie die US-Regierung helfen kann«, gestand der Machthaber im Weißen Haus die tatsächlichen Absichten Washingtons ein.
    Quelle: junge Welt
  16. Ein Pakt zum Plündern: Die Einigung zwischen den USA und der Bundesrepublik zu Nord Stream 2
    Ja, man sollte diese Erklärung gelesen haben. Weil sie in einem Papier bündelt, was die US-deutsche Beziehung sowohl zur Ukraine als auch zu Russland prägt: Überheblichkeit, Bevormundung und ein grenzenloser Wille zu plündern.
    Natürlich steht das so nicht in dem Dokument. Aber es ist schon witzig, wenn nach einer ausdrücklichen Versicherung, die Souveränität der Ukraine zu unterstützen, sie doch nichts anderes als Beute ist, deren Aufteilung hier verbrieft wird. Die Ukraine hat eben die Souveränität eines Kettenhundes, der gen Russland bellen darf, aber Herrchen gegenüber kuschen muss. (…)
    Die US- und die Bundesregierung einigten sich darauf, dass Nord Stream 2 in Betrieb geht und dass vorerst keine Rede mehr davon ist, den Gaszufluss abzudrehen. Das ist erst einmal eine günstige Botschaft für die deutschen Bürger, die es auch im nächsten Winter gern warm hätten. Aber die Geschichte um Nord Stream 2 wurde in Deutschland immer so erzählt, als sei es für Russland besonders wichtig und die Bundesrepublik sei so freundlich, das Gas zu kaufen. Bei der Gelegenheit wird weder erwähnt, dass die Energieversorgung ohne Nord Stream 2 längst instabil ist, noch, dass die größten Gasspeicher der EU in Deutschland zu finden sind und die Motivation für große deutsche Konzerne wie die BASF-Tochter Wintershall, sich bei Nord Stream 2 zu engagieren, doch auch darin bestand, damit einen Hauptstrang der Erdgasversorgung Richtung Westeuropa unter deutsche Kontrolle zu bringen.
    Die ganze Erklärung erinnert irgendwie an einen nie verabschiedeten Gesetzentwurf aus dem US-Kongress aus dem Jahr 2015, den “Russian Aggression Prevention Act” (RAPA). Dieser Entwurf hat einen sehr eigenartigen Abschnitt Sec. 105, in dem von “gestärkter US-deutscher Zusammenarbeit in globalen und europäischen Fragen” die Rede ist. In der gemeinsamen Erklärung zu Nord Stream 2 wird von einem “neu eingerichteten hochrangigen Dialog zwischen den USA und der EU über Russland” gesprochen, und es wird seitens der Bundesrepublik ein Sondergesandter in die Ukraine geschickt, ausgestattet mit einem Budget von 70 Millionen US-Dollar. Dieser Sondergesandte soll sich mit dem Energiesektor in der Ukraine befassen; aber neben dem Energiesektor ist dort nicht allzu viel Wirtschaft übrig. (…)
    Kurz gefasst: Die US- und die Bundesregierung vertragen sich wieder, weil sie sich darauf geeinigt haben, gemeinsam erst der Ukraine, dann dem Rest Osteuropas unter der Überschrift “Energiewende” das Fell über die Ohren zu ziehen; und natürlich muss da gegen Russland gepoltert werden, weil man diese Länder in Feindschaft zu Russland halten muss, damit sie beim Abhäuten nicht entwischen. Wenn man sie erst ausreichend mit Windanlagen und Biogasplantagen bestückt und endgültig komplett deindustrialisiert hat, dann könnten selbst die Russen sie nicht mehr retten.
    Irgendwer sollte es der Ukraine und den Staaten aus der “Drei-Meere-Initiative” mal sagen: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
    Quelle: Dagmar Henn in RT DE
  17. Parteien am Ende: Für einen Neustart durch die Zivilgesellschaft
    Deutschland und Europa sind erstarrt. Digitalisierung, Klimakrise und Umweltschutz stoßen auf politische Handlungsunfähigkeit. Es gibt keinen Masterplan für den technischen und ökologisch-sozialen Wandel. Die Parteien handeln allein mit der destruktiven Absicht der Sicherung ihrer Macht. Die Politik hat sich verselbstständigt und von der Gemeinschaft des Volkes abgenabelt. Gleiches gilt für die Medien und die globalen wirtschaftlichen Eliten. Sie leben in einer globalen Dunstglocke – abseits von der Mehrheit der Bevölkerung.
    Die Gräben zwischen der selbst ernannten globalen Elite und der Bevölkerung wachsen. Ein neues Kauderwelsch vermanscht die Sprache und führt zum realitätsfernen Denken. Politische Aussagen werden zur belanglosen politischen Plapperei ohne Sinn und Verbindlichkeit. Es herrschen gedankliche Leere und hoffnungslose Überschätzung eigener Wirkmöglichkeiten. (…)
    Die Medien fallen als Ideenspender aus. Sie sind mehr oder weniger politische Beifallsorgane geworden. Das gilt vor allem für die einflussreichen TV-Sender. Von ihnen kommen keine Anstöße zur Selbsterneuerung der Politik. Sie weben mit am unentwirrbaren Knäuel von Lügen, Halbwahrheiten und Halbwissen und lenken ab von Missständen. Es fehlen Anstöße für eine offene, lern- und anpassungsfähige Politik zur strukturellen Erneuerung.
    Das Dilemma von Bürger- und Zivilgesellschaft ist, dass die Politik viele selbstorganisatorische Gestaltungsräume der Bürger besetzt hat. Mit Sprechverboten und Sprachlenkung wurde die Gemeinschaft bis zur Handlungsunfähigkeit zersplittert. Zudem sind viele Gruppen der Zivilgesellschaft ideologisch erstarrt. Sie beharren auf alten Rezepten ohne praktische Relevanz. (…)
    Dezentralisierung ist die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft. Denkbar sind eigenständige, parteiunabhängige Bürgerrepräsentanzen in den Regionen. Mögliche Formen sind Regionalkonferenzen, runde Tische und regionale Arbeitsgruppen, um die Region als selbstorganisierte Basis der Demokratie zu nutzen. Ein anzustrebendes Ziel könnte die Institutionalisierung regionaler Selbstverwaltung und beispielsweise die Überführung öffentlicher Unternehmen in das Eigentum der regional ansässigen Bevölkerung sein. Das Fernziel wäre zum Beispiel ein Europa der Regionen.
    Quelle: Heinz Kruse in Neue Debatte
  18. Das All gehört allen – und nicht abgehobenen Milliardären
    Es hat sehr lange gedauert, bis Justiz und Gesellschaft gelernt haben, dass rasende Prahlsucht ein Verbrechen sein kann. Diese Erkenntnis ist aber noch nicht sehr weit gediehen, sie beschränkt sich auf den Straßenverkehr. Diese Erkenntnis gilt noch nicht für Wirtschaft und Politik; im Gegenteil – dort wird sie gepriesen. Wenn alte Männer, weil sie unendlich viel Geld haben, sich im Weltraum ein Raketenrennen liefern, werden sie gefeiert. Wenn junge Männer, weil sie unendlich viel Testosteron haben, sich auf dem Ku’damm ein Autorennen liefern, werden sie bestraft.
    Bei allen Unterschieden dieser Fälle: Die einen gelten als Visionäre, die anderen als Deppen. Letztere werden zu Recht als Mörder bestraft. Die anderen werden als Wirtschaftsgenies belobigt – obwohl (oder gerade weil) sie einen destruktiven Kapitalismus in den Weltraum tragen. Gefährliche Angeber sind sie aber alle.
    Quelle: Heribert Prantl in Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut Schweine im Weltall.


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