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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 26. November 2010 um 9:02 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Europäische Finanzkrise; delikate Post von der Landesbank; Immobilienkrise lastet auf deutschen Banken; Zertifikate-Emissionen am Fließband; Schweigen als journalistische Tugend?; Vorratsdatenspeicherung von Millionen; wenn Bewerber etwas gleicher sind als andere; Protest gegen Sozialkürzungen; Leyen drängt Hartz-IV-Bezieher aus Privatkassen; Ärzte sparen an nötigen Behandlungen; „Beitragsfluch“ bei den Privatversicherten; Duogynon-Opfer klagen gegen Bayer Schering; Stuttgart 21; SPD-Rechte rügen Gabriel; die Grünen sind die neue CDU; Menschenrechte; der Schattenmann des Populisten; Niebels Wasserkopf; Guttenberg, Schäuble und die „vierte Gewalt“; RTL will Zuschauer in ‘Massenhypnose’ versetzen; das Diplom kehrt zurück; ein Brot kostet einen Tageslohn. (MB/WL)

Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Europäische Finanzkrise
  2. BayernLB: Delikate Post von der Landesbank
  3. Immobilienkrise lastet auf deutschen Banken
  4. Zertifikate-Emissionen am Fließband
  5. Terrorwarnungen in Deutschland – Schweigen als journalistische Tugend?
  6. Vorratsdatenspeicherung von Millionen: FDP warnt vor Generalverdacht
  7. Diskriminierung: Wenn Bewerber etwas gleicher sind als andere
  8. Protest gegen Sozialkürzungen: Ziviler Ungehorsam vorm Bundestag
  9. Krankenversicherung: Leyen drängt Hartz-IV-Bezieher aus Privatkassen
  10. Besonders Kassenpatienten betroffen: Ärzte sparen an nötigen Behandlungen
  11. So schützen sich Privatversicherte vor dem Beitragsfluch
  12. Duogynon-Opfer klagen gegen Bayer Schering
  13. Stuttgart 21: Schwere Fehler in der Bibel?
  14. SPD-Rechte rügen Gabriel
  15. Parteienlandschaft in Deutschland: Die Grünen sind die neue CDU
  16. Menschenrechte: Der aufrechte Gang
  17. Geert Wilders’ Berater – Der Schattenmann des Populisten
  18. Niebels Wasserkopf
  19. Guttenberg, Schäuble und die „vierte Gewalt“
  20. RTL will Zuschauer in ‘Massenhypnose’ versetzen
  21. Das Diplom kehrt in Mecklenburg-Vorpommern zurück
  22. Südafrika: Ein Brot kostet einen Tageslohn

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Europäische Finanzkrise
    1. Die Umnachtung der Eliten
      Immer mehr EU-Länder gehen pleite. Wir brauchen einen europäischen Währungsfonds, der die Zinspolitik verändert und die Realwirtschaft stärkt
      Quelle: TAZ
    2. Europa in der Krise Mehr Gerechtigkeit, bitte!
      Klar darf es Steuerwettbewerb in Europa geben. Nur: Wenn Länder wie Irland Firmen mit Mini-Tarifen anlocken und zugleich teils enorme Summen von der EU bekommen, dann ist etwas verkehrt.
      Quelle: Süddeutsche
    3. Wolfgang Münchau: Europas tragische Komödie
      Statt uns aus der Finanzkrise zu retten, wiederholen die Verantwortlichen wie Clowns immer dieselben Fehler. Sie müssen endlich erkennen, dass wir eine politische Union brauchen.
      Quelle: Financial Times Deutschland
  2. BayernLB: Delikate Post von der Landesbank
    Die BayernLB will, dass prominente CSU-Politiker und ehemalige Verwaltungsräte auf Verjährung von Schadenersatz-Forderungen verzichten. Das könnte die Herren viel Geld kosten.
    Quelle: Süddeutsche
  3. Immobilienkrise lastet auf deutschen Banken
    Die weltweite Krise sei keineswegs überwunden und auch im Bankensystem liege noch manches im Argen, urteilte die Notenbank am Donnerstag anlässlich der Vorlage ihres “Finanzstabilitätsberichts 2010”. “Die deutschen Banken haben in ihren Bilanzen noch Risikopositionen aus strukturierten Immobilienfinanzierungen von circa 100 Milliarden Euro stehen”, sagte Bundesbank-Vizepräsident Franz-Christoph Zeitler. Zwar dürfte dies für die Institute beherrschbar sein, allerdings habe sich die Struktur der Risiken in den vergangenen zwei Jahren “kontinuierlich verschlechtert”, warnte Zeitler. Die tatsächlichen Ausfälle lägen bislang allerdings nur im “unteren einstelligen Bereich”.
    Trotz der schweren Hypothek durch die Immobilienkrise attestiert die Bundesbank den deutschen Geldhäusern einen robusteren Zustand als im vergangenen Jahr. “Die Lage des deutschen Bankensystems hat sich verbessert, die Banken erhalten derzeit Rückenwind durch die gute konjunkturelle Entwicklung”, sagte das für Finanzstabilität zuständige Vorstandsmitglied Andreas Dombret. Die noch im vergangenen Jahr befürchtete Kreditklemme sei nicht mehr zu erwarten. “Verwundbarkeiten und strukturelle Schwächen bestehen aber weiterhin.”
    Zum Risiko für deutsche Banken im hoch verschuldeten Irland stellte Vizepräsident Zeitler klar, die kursierenden Zahlen von 130 Milliarden bis 140 Milliarden Euro seien Bruttoangaben. “Wenn wir das tatsächliche Irland-Risiko berücksichtigen, liegen wir bei etwa 25 Milliarden Euro.” Die große Diskrepanz der Zahlen erklärte Zeitler damit, dass viele der Engagements in Finanzierungs- und Zweckgesellschaften steckten, die aus rechtlichen Gründen in Irland angesiedelt seien.
    Quelle: Spiegel Online
    Quelle2: Bundesbank

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der zur Beruhigung dienende Hinweis von Franz-Christoph Zeitler, dass das tatsächliche Irland-Risiko nur bei 25 Milliarden läge, zeigt noch einmal deutlich, wie stark das irische Steuerparadies von den deutschen Banken genutzt wurde. Die in den außerbilanziellen Zweckgesellschaften steckenden Gelder deutscher Banken von über 100 Milliarden Euro mögen zwar nicht auf Irland selbst bezogen sein, sondern beziehen sich auf Risiken in anderen Ländern, – was auch nicht gerade beruhigend ist – , aber man fragt sich doch, warum Irland solch ein Bankenparadies sozusagen mit der Genehmigung Europas  errichten durfte.

  4. Zertifikate-Emissionen am Fließband
    Die Derivatebranche ist bekannt für ihren Einfallsreichtum. Von der Idee für ein neues Produkt bis zu dessen Auflage vergehen mitunter 24 Stunden. Und derzeit funktioniert das mal wieder besonders gut.
    Quelle: Financial Times Deutschland

    Anmerkung eines Nachdenkseitenlesers: Ich glaube so etwas nennt man Politik der verbrannten Erde!

  5. Heribert Prantl: Terrorwarnungen in Deutschland – Schweigen als journalistische Tugend?
    Die Medien warnen unablässig vor Terror-Hysterie und Aufgeregtheit – und praktizieren sie doch selbst. Franz von Sales, der als Schutzheiliger der Journalisten gilt, verbindet mit der Tugend der Besonnenheit die des Stillschweigens – das besser sei, als eine “lieblose Wahrheit” zu verkünden. Die Unterdrückung von “Lieblosigkeiten” ist aber nicht das Geschäft des Journalismus. Ihm obliegt es, Nachrichten richtig einzuordnen. Wenn die Information, die der Spiegel vermeldet hat, tatsächlich Grundlage der Terrorwarnung war, muss sie dargestellt, aber dann auch eingeordnet werden. Dazu gehört das Eingeständnis, dass niemand sagen kann, ob die BKA-Information stimmt – oder ob sie auf Windmacherei der Informanten beruht.
    Quelle: SZ
  6. Vorratsdatenspeicherung von Millionen: FDP warnt vor Generalverdacht
    Angesicht der drohenden Terrorgefahr streitet die Koalition über eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Die CDU wirbt weiterhin für eine komplette Speicherung der Daten. Die FDP denkt dagegen eher an eine “anlassbezogene” Auswertung.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung MB: Und fragt mal jemand bei der Bundesjustizministerin nach, was sie unter „anlassbezogen“ meint?

  7. Diskriminierung: Wenn Bewerber etwas gleicher sind als andere
    Das Pilotprojekt anonyme Bewerbungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes startet. Noch immer wehren sich nur wenige gegen Benachteiligung im Joballtag.
    Quelle: Zeit

    Anmerkung MB: Wird das Verfahren der anonymisierten Bewerbung funktionieren können? Oder werden besonders Bewerberinnen und Bewerber, die eine Diskriminierung befürchten, diese Methode wählen und so zwangsläufig unfreiwillig aussortiert? Und war es bisher nicht oft genug so, dass Arbeitsmarktinstrumente und dergleichen, die z.B. in Frankreich oder den USA funktionieren, hier zum Scheitern verurteilt waren?

  8. Protest gegen Sozialkürzungen: Ziviler Ungehorsam vorm Bundestag
    Tausende wollen am Freitag den Bundestag belagern und gegen die Verabschiedung des Sparpakets demonstrieren. Angekündigt ist ziviler Ungehorsam. Sozialproteste waren bisher mau.
    Quelle: TAZ
  9. Krankenversicherung: Leyen drängt Hartz-IV-Bezieher aus Privatkassen
    Die Arbeitsministerin will privat krankenversicherte Hartz-IV-Empfänger zum Wechsel in die gesetzliche Kasse zwingen. Nach F.A.Z.-Informationen will sie so einem Urteil des Bundessozialgerichts zuvorkommen, nach dem auf die Jobcenter zwei Milliarden Euro Zusatzkosten zukommen könnten.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine
  10. Besonders Kassenpatienten betroffen: Ärzte sparen an nötigen Behandlungen
    62 Prozent der niedergelassenen Ärzte geben zu, Patienten Behandlungen vorenthalten zu haben, die medizinisch angeraten gewesen wären.
    Quelle: Hamburger Abendblatt

    Anmerkung MB: Dass kein Fall bekannt ist, „wo Patienten zu Schaden gekommen sind“ muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass wirklich keine Patienten zu schaden kommen oder kamen. Mir als medizinischem Laien kommt die Idee, dass auch eine verschobene Vorsorgeuntersuchung eine unentdeckte schwere Krankheit und damit unnötiges Leid und unnötige Kosten zur Folge haben kann.
    Aber wonach beim Springer-Blatt bewusst oder unbewusst NICHT gefragt wird: Wieso gibt ein Finanzdienstleister namens MLP, der auch „Gesundheitsprodukte“ – also private Krankenversicherungstarife – anbietet, eine Studie zu Einsparungen bei Behandlungen in Auftrag? Und was wird in diesem Zusammenhang mit der Überschrift „Besonders Kassenpatienten betroffen“ bezweckt? Wie ist hier die Aussage „So zweifeln 75 Prozent der Bürger und 93 Prozent der Ärzte an der Gesundheitsreform und einer längerfristigen Finanzierung des deutschen Krankenkassensystems“ zu bewerten?

  11. So schützen sich Privatversicherte vor dem Beitragsfluch
    Millionen Kunden der privaten Krankenversicherung bekommen in diesen Tagen unerfreuliche Post: Die Beiträge steigen Anfang 2011 deutlich. Doch es gibt einen Gesetzestrick, mit dem sich Verbraucher gegen den Kostenfluch wehren können.
    …die beste aller Alternativen ist und bleibt der Wechsel in einen günstigeren Tarif – inklusive des potentiellen Ausschlusses von Mehrleistungen. Für dieses Recht müssen die Versicherten allerdings selbst kämpfen und Ausdauer beweisen. Denn die Unternehmen haben kein Interesse daran, dass Altversicherte mit Krankheiten die Kalkulation der jungen Alles-bestens-Tarife ad absurdum führen.
    Quelle: Spiegel Online
  12. Duogynon-Opfer klagen gegen Bayer Schering
    Am kommenden Dienstag startet in Berlin der Prozess von Opfern des hormonellen Schwangerschaftstests Duogynon gegen die Firma Bayer Schering AG. Mehrere Geschädigte werden dem Verfahren beiwohnen.
    Das Magazin stern berichtet in seiner heutigen Ausgabe über eine Klage von Medikamenten-Opfern gegen die Firma Bayer Schering. Die Betroffenen fordern Einsichtnahme in alle Unterlagen des Konzerns zum Präparat Duogynon. Der Konzern lehnt dies wegen angeblicher Verjährung ab.
     Spiegel Online weist heute nach, dass bei Schering schon 1967 intern über die Risiken diskutiert wurde. In einem Brief an die Schering-Zentrale heißt es: “Die offenkundige Korrelation zwischen der Zunahme angeborener Missbildungen und dem Verkauf des Schwangerschaftstests erscheint ziemlich alarmierend.”
     Andre Sommer, einer der Kläger: „Warum tauschten die Herren sich intern aus und schwiegen in der Öffentlichkeit?“. Allein bei Sommer meldeten sich bislang mehr als 180 Geschädigte. 
    Tausende von Kindern hatten in den 60er und 70er Jahren schwere Fehlbildungen durch hormonelle Schwangerschaftstests erlitten. Die von der Firma Schering unter den Produktnamen Duogynon, Cumorit und Primodos vertriebenen Präparate führten unter anderem zu Herzfehlern, fehlenden Gliedmaßen, Gaumenspalten und Nierenschäden. Nach Angaben von Anwalt Heynemann ist die „statistische Signifikanz eines Zusammenhangs der Geburt behinderter Kinder und der Einnahme von Duogynon durch die Mütter ebenso offensichtlich wie im Fall der Contergan-Tragödie.“
    Bis heute steht eine Entschädigung der Opfer jedoch aus. Ein erster Prozess gegen Schering war 1980 eingestellt worden. In der damaligen Urteilsbegründung hieß es kaltschnäuzig, die Schädigung eines Fötus stelle keinen Straftatbestand dar, da „ein Angriff gegen die Gesundheit eines Menschen im Rechtssinn“ nicht vorliege. Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Die Justiz ist gefordert, dieses skandalöse Urteil zu revidieren. Schließlich hat Schering selbst in den siebziger Jahren auf jeder Packung einen Warnhinweis anbringen lassen, laut dem Duogynon wegen der Gefahr von Fehlbildungen nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden darf. Und in den 70er Jahren hat Schering betroffenen Eltern ein Vergleichsangebot gemacht – unter der Bedingung, dass diese ihre öffentliche Kritik unterlassen.“ Schering war im Jahr 2006 vom Leverkusener Bayer-Konzern übernommen worden. Auf Einladung der CBG hatten im April mehrere Betroffene in der BAYER-Hauptversammlung vor Tausenden von Aktionären gesprochen.
    Wissenschaftler hatten schon 1967 vor den Gefahren bei Frühschwangerschaften gewarnt. Ende der 60er Jahre forderten selbst Schering-Mitarbeiter einen Verkaufsstopp. Mehrere Länder nahmen daraufhin hormonelle Schwangerschaftstests vom Markt, nicht aber Deutschland. Dabei waren seit Anfang der 70er Jahre völlig ungefährliche Urintest auf dem Markt und der Einsatz von Duogynon spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr notwendig. Schering hingegen beließ das Präparat auf dem Markt und sandte keinerlei Warnungen an die Ärzte.
    Quelle: Presse Information vom 25. November 2010 von Coordination gegen BAYER-Gefahren
  13. Stuttgart 21: Schwere Fehler in der Bibel?
    Das wichtigste Papier für S21 bezifferte schon 2002 die Kosten auf 4,2 Milliarden Euro. Die Bahn sagt: Kleiner Fehler, gemeint seien D-Mark. Doch im Papier steht alles in Euro. Ist etwa alles falsch?
    Quelle: Stern
  14. SPD-Rechte rügen Gabriel
    Der rechte SPD-Flügel hat den Kurs des Parteichefs Sigmar Gabriel scharf kritisiert. Die Partei habe keine klare Linie, wird in einem am Thesenpapier des konservativen „Seeheimer Kreises“ bemängelt.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung WL: In der Mitte gähnt der Abgrund.

  15. Parteienlandschaft in Deutschland: Die Grünen sind die neue CDU
    Grün ist die gesellschaftspolitische Leitkultur der Bundesrepublik. Der Naturbezug hat offenbar die Religiösität abgelöst und die Grünen sind die neue CDU. In dieser Situation kann die Partei sogar ihre Ideale opfern – nichts scheint ihr zu schaden. Solange sie nicht an der Macht ist.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung WL: Meines Erachtens profitieren die Grünen vor allem davon, dass CDU, FDP und SPD durch ihre Regierungsverantwortung immer mehr Menschen enttäuschen bzw. bei der SPD ihre Enttäuschung nicht vergessen haben. Den Grünen ist es – anders als der SPD – gelungen, sich aus ihrer Politik unter der rot-grünen Koalition und all den „Reformen“ bis zu den Kriegseinsätzen, die sie mitgetragen haben, herauszustehlen. Sie sind so für viele sog. bürgerlichen Wähler die letzte unbeschriebene parteipolitische Projektionsfläche geblieben. Prantl hat schon Recht, wenn er prognostiziert, dass die Entzauberung der Grünen mit einer Regierungsbeteiligung erfolgen würde.
    Dass das Grüne jedoch zur gesellschaftspolitischen Leitkultur geworden ist, kann man allerdings nur glauben, wenn man die harten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme verdrängt.

  16. Menschenrechte: Der aufrechte Gang
    Der Universalismus ist zwar älter als das Christentum, denkt man etwa an die Lehren der Stoa, aber die vom Christentum geprägte politische Geschichte Europas stellt in der Tat den Kontext der Entwicklung der Menschenrechtsidee dar. Dabei aber muss man sehen, dass die heute oft vertretene Überzeugung, die Menschenrechte seien eine „Errungenschaft“ des Christentums, irreführend ist. Sie waren eine Errungenschaft innerhalb des Christentums und zwar in der Regel gegen die herrschende Lehre. Dies zu verwechseln hat ungefähr soviel Wahrheitsgehalt wie die Vorstellung, die Sozialdemokratie sei eine Errungenschaft des Kapitalismus. Um es ganz verkürzt zu sagen, mussten die Dissidenten, die sich gegen eine „gottgewollte“ und religiös legitimierte Feudalherrschaft stellten, zunächst gewaltige hermeneutische und polemische Kraft aufwenden, um aus dem göttlichen Naturrecht von Gott gegebene Freiheitsrechte zu machen, um aus der Sorge um die Seele und den rechten Glauben die Gewissens- und Religionsfreiheit zu generieren und um die Idee der Gottesebenbildlichkeit so zu deuten, dass aus ihr eine Unantastbarkeit auch des Anders- und Ungläubigen wurde.
    Erst hellsichtige Denker wie Pierre Bayle, als Hugenotte im katholischen Frankreich verfolgt und in Rotterdam wegen seiner Freigeisterei angefeindet, sahen, dass nur der Gedanke einer von der Religion unabhängigen Menschenmoral, die jede Person verpflichtet und jeder Person geschuldet ist, einen Ausweg bietet aus der fatalen Vorstellung, der eigene Glaube sei die Basis der Moral. Denn so konnte laut Bayle jeder seine eigenen Verbrechen als gute Taten darstellen; damit aber ein Verbrechen als Verbrechen – wir würden heute sagen: als Menschenrechtsverletzung – identifiziert werden kann, muss es eine unter allen Menschen gleichermaßen gesprochene moralische Sprache geben.
    Quelle: FR
  17. Geert Wilders’ Berater – Der Schattenmann des Populisten
    Martin Bosma ist der Mann hinter Geert Wilders. Der Strippenzieher des niederländischen Islamgegners kennt nur eine Devise: maximale Provokation. In seinem Buch verhöhnt er Linke als “nützliche Idioten” der Dschihadisten. Bosmas Hauptthese: Der neue, genauso gefährliche Faschismus heißt Islam, und die politische Elite steht ihm so hilflos gegenüber wie den Nazis in den dreißiger Jahren. Blind ist diese Elite, weil noch immer die 68er den Kurs vorgeben, Leute, die Multikulti herrlich finden, westliche Werte im Zweifel für die schlechteren halten, den Nationalstaat für etwas Böses und Israel für ein imperialistisches Land. Derweil nagt die “Massenimmigration” am Fundament der westlichen Welt, überschwemmt sie mit ungebildeten, gewaltbereiten Menschen.
    Das ist Bosmas Stil: maximale Provokation. Seitenweise zieht er im Buch über die “Dummheit” linker “Gutmenschen” her, diesen “nützlichen Idioten” der Dschihadisten, diesen “Heuchlern”, die ihre Kinder am liebsten in ausländerfreie Schulen steckten und an Muslimen “mit ihrem Toyota Prius vorbeifahren”. Er gräbt die in der konservativen US-Blogosphäre sehr beliebte These aus, Hitler sei in Wahrheit ein Linker gewesen, auf jeden Fall kein Rechtsextremer. Aufgrund dieser Annahme hätten sich “die Linken immer moralisch überlegen gefühlt. Es ist die Basis ihrer Weltanschauung, und sie ist falsch.”
    Und Deutschland? “Ihr wacht gerade erst auf”, sagt Bosma und verweist auf die Partei von René Stadtkewitz, deren Gründung Wilders neulich beiwohnte. “Da waren lauter gebildete, schlaue Menschen versammelt.” Es fehle nur ein “Fortuyn-Moment”.Dann lacht er, weil ihm eine Pointe einfällt. “Heinrich Heine meinte, wenn die Welt untergehe, müsse man nach Holland, das sei immer 50 Jahre zurück. Inzwischen sind wir euch zehn Jahre voraus.”
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung Orlando Pascheit: Da hat Bosma leider recht, es fehlt nur noch das “Fortuyn-Moment”.

  18. Niebels Wasserkopf
    Die drei großen deutschen Hilfsorganisationen fusionieren. Das Ergebnis der geplanten Fusion der drei Entwicklungsorganisationen, die Steuergelder einsparen und Doppelstrukturen abschaffen sollte, wird demnach zumindest in der neuen Führung verfehlt. Es soll allein sieben Geschäftsführer geben, zu den bestehenden Köpfen kommen zwei weitere. Die größte deutsche Entwicklungshilfeorganisation gibt in Zukunft eine millionenhohe Eurosumme allein für die neue Führung aus – im Namen der Armutsbekämpfung in aller Welt. Doch damit ist die jüngste Posse aus dem Hause Niebel noch nicht vollständig erzählt: Denn die sieben Geschäftsführer werden ausschließlich Männer sein. In der gendersensiblen Entwicklungshilfe, die überall auf der Welt Gleichberechtigung fördern will, ist das mehr als eine Fußnote. Einer der neuen Geschäftsführer wird Tom Pätz sein, verkündete Beerfeltz bei der Soirée. Pätz, einst ein FDP-Mann aus dem Ortsverband Bonn-Beuel, war erst im Frühjahr von Parteikollegen und Minister Dirk Niebel in sein Haus geholt worden, um den Zusammenschluss der Organisationen zu managen. Nun wird Pätz an die Spitze der Organisation gesetzt, die er selbst geschaffen hat. Ein bislang einmaliger Vorgang. Der Fall schließt sich nahtlos an die umstrittene Einstellungspolitik Niebels seit Amtsbeginn an. Seit Langem steht er in der Kritik, weil er sein Ministerium ohne Rücksicht auf Verluste auf Parteilinie trimmt und mit FDP-Leuten besetzt. Nach und nach hat er zunächst die gesamte Leitungsebene mit Staatssekretären und Abteilungsleitern ausgetauscht. Fachleute wichen Parteifreunden, selbst für den ehemaligen Oberst Friedel Eggelmeyer, der einem mit Wehrmachtssymbolik kokettierenden Panzerbataillon nahesteht, fand sich ein gut bezahlter Ministeriumssessel in der Berliner Stresemannstraße für die letzten Arbeitsjahre. Sogar der Personalrat kritisierte mehrfach die “Salamitaktik”, mit der das Haus personell umgekrempelt werde. Ohne Erfolg.
    Quelle: taz
  19. „Guttenberg, Schäuble und die „vierte Gewalt“
    Zwei aktuelle Beispiele verdeutlichen einmal mehr, wie es seit langem um die deutschen Medien, die sich gerne selbst als „vierte Gewalt im Staat“ sehen und bezeichnen, bestellt ist: Sie sind längst keine kritische Gegenmacht zur Staatsgewalt mehr, sind kein auch nur irgendwie neutraler oder objektiver Beobachter, sondern gezielte Stimmungsmacher für bestimmte Interessen. Für eine fast deckungsgleiche Auffassung, als deren Konsequenz Horst Köhler noch zurückgetreten war (die Befürwortung von Wirtschaftskriegen) erntet zu Guttenberg ausschließlich Lob. Wolfgang Schäuble jedoch wird ein eher lässlicher Aussetzer schwer angelastet. Zu erklären ist dies wohl nicht nur durch persönliche Faktoren und einen unterwürfigen Personenkult der deutschen Presse, sondern auch durch politische Gründe: Während Schäuble Steuersenkungen im Weg steht, ist Guttenberg ganz auf wirtschaftsliberaler Linie…
    Die “vierte Gewalt” wird in Deutschland nur noch sehr wenig durch unabhängigen Journalismus dargestellt, sie gleicht eher einer PR-Abteilung, die im Dienst der wirklich Mächtigen steht. In deren Interessen steht die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ungleichheit. Wir brauchen aber keine Herolde, die sich in der Unterwürfigkeit gegenüber den Mächtigen und der herrschenden Ordnung gefallen, wir brauchen endlich wieder kritische Köpfe im deutschen Journalismus. Und – wir brauchen wieder mehr Meinungsvielfalt.
    Quelle: Öffinger Freidenker
  20. RTL will Zuschauer in ‘Massenhypnose’ versetzen
    »Am Samstag, 27. November, will RTL beim “Supertalent”-Halbfinale die Zuschauer in eine Massenhypnose versetzen. Halbfinalist Martin Bolze hat in einer Show bereits Jurorin Sylvie van der Vaart hypnotisiert und will jetzt das Publikum über den Bildschirm ins Reich der Träume locken. Er verspricht: “Sie werden alle Sorgen und Probleme vergessen und sich an diesem Samstagabend wohler fühlen als je zuvor!”
    Auszug: “… Für die Sendung wird eine “Hypnose-Hotline” eingerichtet, über die die Zuschauer ihre Erlebnisse während der Hypnose schildern können. “Das Supertalent” hat die reißerische Ankündigung eigentlich nicht nötig, die Castingshow holt regelmäßig Spitzenquoten (vergangenen Samstag über 40% Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen). Bei RTL hat das Übersinnliche Konjunktur: Am 31. Oktober hatte der Sender in “Das Medium” bereits Kontakt zu Toten aufgenommen. Dabei schauten immerhin 1,82 Mio junge Zuschauer zu.
    Quelle: gegen-stimmen.de

    Anmerkung J.W.: Massenhypnose bei RTL, was ist daran eigentlich neu?
    RTL tut doch nichts anderes als seine Zuschauer täglich in Trance zu versetzen, um sie von der Wirklichkeit abzulenken.

  21. Das Diplom kehrt in Mecklenburg-Vorpommern zurück
    Das deutsche Diplom hatte im Ausland einen guten Ruf. Vor allem Ingenieure beklagen seit Einführung der Hochschulabschlüsse Bachelor und Master einen Imageverlust. Jetzt kommt das Diplom in Mecklenburg-Vorpommern wieder. Geplant ist es als Zugabe zum Master. Darauf haben sich SPD und CDU vor der entscheidenden Sitzung des Bildungsausschusses im Landtag geeinigt, der für das neue Hochschulgesetz aller Voraussicht nach an diesem Donnerstag (25.11.) Grünes Licht geben wird. Dem SPD-Hochschulpolitiker Mathias Brodkorb zufolge ist MV das erste Land, das diese Möglichkeit eröffnet. Vor allem Ingenieure hätten dies gefordert.
    Quelle: Ostseezeitung

    Anmerkung WL: Das ist reiner Etikettenschwindel: Man lässt alles beim Alten und darf den Master-Abschluss nun eben auch Diplom nennen. So etwas nennt man dann „Reform“.

  22. Südafrika: Ein Brot kostet einen Tageslohn
    Aufgrund illegaler Preisabsprachen wird Brot für die Armen unerschwinglich. Jetzt haben Aktivisten eine Sammelklage gegen Lebensmittelkonzerne eingereicht. Überteuertes Brot ist nicht das Einzige, worüber Durchschittssüdafrikaner stöhnen. Die Lebensmittelpreise liegen insgesamt über denen in Deutschland. Die Mobilfunkgebühren sind horrend, dabei ist das Handy ist das einzige Telekommunikationsmedium der Armen. Die Bankgebühren sind absurd: Für Ein- und Auszahlungen vom eigenen Konto werden bis zu 10 Prozent des Betrages einbehalten. Immens hohe Kosten fallen für Wasser an, wobei arme Township-Bewohner mehr zahlen als reiche Haushalte mit intakter Kanalisation. Thami Bolani, Präsident des südafrikanischen “Konsumentenforums”, beklagt verfestigte Monopole und heimliche Absprachen zwischen den Konsortien: “Diese Profitgeier würden uns am liebsten bis zum Tod ausbeuten.”
    Quelle: taz


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