NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 17. Januar 2011 um 9:06 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute unter anderem zu folgenden Themen: Übertriebene Angst vor Inflation; zu viel rein, zu wenig raus in den USA; Robert von Heusinger: Erholt; Ein-Euro-Jobs statt sozialversicherungspflichtig Beschäftigungsverhältnisse; Zeitarbeit führt selten zum Job; Strompreismanipulation oder nicht?; wenn ein Wildwest-Abenteuer als China-Kracher endet; “Produktivität schlägt Alterung”; Grünes Wahlkampfgetöse; Macht ein Drückerkönig Politik?; “Lobbyismus ist immer ein Geflecht”; Whistleblower vor Gericht; Rhön-Konzern holt zum Rundumschlag aus; die Unterschicht übernimmt die Landesverteidigung; erst Bachelor, dann Praktikant; sendet ARTE “Water makes money“?; Dioxin – eine Chronologie; Konsumenten von einem anderen Stern; Amerika nach dem Attentat; Tunesien ist reif für die Demokratie; im Libanon glimmt bereits die Lunte; das Letzte: Maschmeyer gründet Firma Firma zur Behandlung von Depressionen. (KR/WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Übertriebene Angst vor Inflation
  2. Zu viel rein, zu wenig raus in den USA
  3. Robert von Heusinger: Erholt
  4. Ein-Euro-Jobs statt sozialversicherungspflichtig Beschäftigungsverhältnisse bei der öffentlich geförderten Beschäftigung
  5. Zeitarbeit führt selten zum Job
  6. Strompreismanipulation oder nicht?
  7. Wenn ein Wildwest-Abenteuer als China-Kracher endet
  8. Gerd Bosbach: “Produktivität schlägt Alterung”
  9. Grünes Wahlkampfgetöse
  10. Macht ein Drückerkönig Politik?
  11. “Lobbyismus ist immer ein Geflecht”
  12. Whistleblower vor Gericht
  13. Rhön-Konzern: »Man hat zum Rundumschlag ausgeholt«
  14. Die Unterschicht übernimmt die Landesverteidigung
  15. Erst Bachelor, dann Praktikant
  16. Sendet ARTE “Water makes money“?
  17. Dioxin – eine Chronologie – EXTRA 3 – NDR
  18. Konsumenten von einem anderen Stern
  19. Amerika nach dem Attentat
  20. Tunesien ist reif für die Demokratie
  21. Im Libanon glimmt bereits die Lunte
  22. Das Letzte: Maschmeyer gründet Firma Firma zur Behandlung von Depressionen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Übertriebene Angst vor Inflation
    In Deutschland scheint die Inflationsangst wieder umzugehen. Grund dafür: Die Notenbanker sind gegenüber dem Ölpreis machtlos und irritieren mit ihren Daten.
    Quelle: FR
  2. Zu viel rein, zu wenig raus in den USA
    Das Handelsdefizit der weltgrößten Volkswirtschaft stieg allein 2010 um ein Drittel. Ein Blick auf die globale Entwicklung zeigt zudem: Die Ungleichgewichte nehmen teilweise krass zu.

    Grafik von FTD: Unwucht gestiegen

    Allein das Defizit in der US-Handelsbilanz stieg in den ersten elf Monaten 2010 annualisiert um mehr als 33 Prozent auf 500 Mrd. Dollar im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Handelsdefizite anderer großer Industrienationen legten deutlich zu …
    Noch deutlich stärker stieg 2010 das Handelsdefizit Großbritanniens. Das Minus kletterte nach den ersten elf Monaten um über 50 Prozent auf rund 41 Mrd. Pfund – trotz der Exporterfolge der Industrie zuletzt. Auch innerhalb der Euro-Zone hat sich die Unwucht bislang nicht entschärft. Der Fehlbetrag in der französischen Handelsbilanz stieg sogar weiter an: das Defizit legte 2010 um 16 Prozent auf 46 Mrd. Euro zu …
    Im Gegenzug stiegen die Überschüsse der Exportstaaten Deutschland und Japan ebenfalls kräftig an. Allein China trug zum Abbau der globalen Unwucht bei…Hierzulande stieg das Handelsplus 2010 um über elf Prozent an.
    Nach Einschätzung vieler internationaler Fachleute sind die globalen Ungleichgewichte eine Ursache für die Finanzkrise und die folgende Weltrezession …
    Erst in ihrem am Mittwoch veröffentlichten jährlichen Wachstumsbericht betonte die EU-Kommission, dass eine Korrektur der makroökonomischen Ungleichgewichte eine zentrale Bedingung für Wachstum sei – für die Euro-Zone gelte dies besonders stark. Mitgliedsstaaten mit großen Leistungsbilanzdefiziten müssten unter anderem ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Staaten mit hohen Überschüssen müssten die Ursachen schwacher Binnennachfrage angehen.
    Quelle: FTD

  3. Robert von Heusinger: Erholt
    Meinen es die Deutschen ernst? So lautet die alles entscheidende Frage. Wird sie auch in der neuen Woche mit ja beantwortet, steht weiteren Kursgewinnen des Euro sowie der Anleihen der Südstaaten nichts im Wege. Am Mittwoch setzte sich die Hoffnung durch, Deutsche und Franzosen gelinge die Eindämmung der Schuldenkrise – durch die Aufstockung der Garantiesumme für den Rettungsschirm sowie mehr Befugnisse für denselben.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ich muss gestehen, ich vermisse die Analysen von Robert von Heusinger. Es mag ja sein, dass die Hauspolitik des Blattes Heusinger in letzter Zeit dazu zwingt, Börsenempfehlungen abzugeben, d.h. das nachzuempfinden, was Börsianer so bewegt. Er weiß selbst am besten, dass diese kaum von fundamentalen wirtschaftlichen Fragen ausgehen, er kennt die Schwächen des Ifo-Index. Dabei ist Robert von Heusinger durchaus in der Lage, beispielsweise die Bedeutung einer Aufstockung des Rettungsschirmes auch kritisch zu analysieren und nicht nur die Kurzschlüsse der Börsianer zu präsentieren. So könnte er z.B. wie seine Kollegin bei der taz, Ulrike Herrmann, die Frage aufwerfen, ob die EU-Finanzhilfen für Portugal wirklich die Rettung bedeuteten. “Denn auch die Euro-Länder verlangen einen überhöhten Zinssatz von 5,8 Prozent, wie Irland und Griechenland leidvoll erfahren. Wie sie bliebe Portugal in seiner Schuldenfalle gefangen, selbst wenn es EU-Hilfen nimmt.”

  4. Ein-Euro-Jobs statt sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei der öffentlich geförderten Beschäftigung
    In der Regel wird in den entsprechenden Berichten die „öffentlich geförderte Beschäftigung“ auf die „Ein-Euro-Jobs“ reduziert …
    Tatsächlich ist der „Ein-Euro-Job“ nach Inkrafttreten des SGB II am 1. Januar 2005 schnell zur quantitativ bedeutendsten „Leistung zur Eingliederung in Arbeit“ aufgestiegen.
    Die „Finanzierung aus einer Hand“ (Bund: Mehraufwand und Maßnahmekostenpauschale) erübrigt bei den „Ein-Euro-Jobs“ i.d.R. eine in der öffentlich geförderten Beschäftigung ansonsten notwendige und übliche Kofinanzierung durch Länder, Kommunen, den Europäischen Sozialfonds und/oder die Maßnahmeträger selbst. Zudem – nicht unwichtig in der aktuellen Debatte über die drastische Kürzung der SGB II-Eingliederungsmittel – belastet die Finanzierung eines „Ein-Euro-Jobs“ den Eingliederungstitel erheblich weniger als die Finanzierung der sozialversicherungspflichtigen Varianten der öffentlich geförderten Beschäftigung, die „Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante“, die „Beschäftigungsförderung (Beschäftigungszuschuss)“ gemäß § 16e SGB II und die „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ (Restabwicklung). Der wesentliche Grund: An „geförderte Beschäftigte“ in „Ein-Euro-Jobs“ muss weiterhin das gesamte „Arbeitslosengeld II“ (einschließlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Beiträge zur Sozialversicherung) gezahlt werden – Ausgaben für Leistungen zum Lebensunterhalt, die das Eingliederungsbudget nicht belasten.
    Geförderte Beschäftigte in den sozialversicherungspflichtigen Varianten müssen ihren Lebensunterhalt aus ihrem Lohn finanzieren, gegebenenfalls ergänzt durch Wohngeld (Wohngeldgesetz) oder ergänzendes „Arbeitslosengeld II“. Und da dieser Lohn (einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge) überwiegend oder ganz durch die SGB II-„Leistungen zur Eingliederung“ finanziert wird, belasten die sozialversicherungspflichtigen Varianten der öffentlich geförderten Beschäftigung das Eingliederungsbudget wesentlich stärker.
    Im Dezember 2010 waren nach vorläufigen, von der Statistik der Bundesagentur für Arbeit hochgerechneten Daten insgesamt 315.225 Frauen und Männer in den verschiedenen Varianten der öffentlich geförderten Beschäftigung im Rechtskreis SGB II beschäftigt. Dies war der niedrigste Bestand seit Januar 2008 …
    Von diesen 315.225 geförderten Beschäftigten waren 241.800 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 73.425 waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
    Die „finanzielle Attraktivität“ des „Ein-Euro-Jobs“ (für Maßnahmeträger, Kommunen u.s.w.) dürfte auch in Zeiten drastischer Kürzungen ihre negative Wirkung entfalten und die „sv-Quote“ in der öffentlich geförderten Beschäftigung im Rechtskreis SGB II senken. Und vermutlich werden nicht einmal die den Jobcentern für den „Beschäftigungszuschuss“ (BEZ) zugewiesenen 600 Millionen Euro für diesen (sozialversicherungspflichtigen) Zweck ausgegeben.
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 459 KB]
  5. Zeitarbeit führt selten zum Job
    Weit mehr als eine Million Menschen beginnen pro Jahr eine neue Beschäftigung in der Zeitarbeit. Meist ist es sogar so, dass sich kurzfristige Beschäftigung und Arbeitslosigkeit abwechseln. Etwa 50 Prozent der Arbeitsverhältnisse enden vor Ablauf von drei Monaten. Zeitarbeitnehmer können sich in der Regel auch nicht den Entleihbetrieb aussuchen. Zudem wird Zeitarbeit meist schlecht bezahlt. „Die Zeitarbeit wird häufig nur akzeptiert, weil derzeit nichts Besseres zu finden ist“, sagt Johannes Jakob, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Dennoch haben die kurzfristigen Jobs auch gute Seiten: „Sie sind für alle gut, die damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern“, sagt Susanne Schnieber, Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Das sind zum Beispiel Arbeitslose, Berufseinsteiger oder Berufsrückkehrer. Für eine Mutter, die seit zwölf Jahren aus dem Beruf raus ist und von SAP noch nie etwas gehört hat, kann das Modell durchaus eine Chance sein. Zeitarbeit könne ein Sprungbrett bieten, weil es leichter sei, sich als Arbeitnehmer und nicht als Arbeitsloser für einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bewerben, sagt Schnieber. Natürlich gibt es die Möglichkeit des „Klebeeffekts“, dass Zeitarbeiter also von einer Firma, in der sie nur zeitweise arbeiten sollten, übernommen werden. Doch die Quote ist gering: Nicht einmal jeder zehnte Zeitarbeitnehmer bekommt diese Chance.
    Quelle: Tagesspiegel
  6. Strompreismanipulation oder nicht?
    Das Kartellamt hat die Ergebnisse seiner “Sektoruntersuchung Stromerzeugung und Stromgroßhandel” veröffentlicht. Untersucht wurde dazu die Vorgänge im Stromgroßhandel der Jahre 2007 und 2008. Ergebnis: Durchschnittlich waren über den Untersuchungszeitraum 25% der Kraftwerksleistung nicht am Netz. “Aus technischen Gründen”, wie die Betreiber versicherten.
    Fazit: Die Strukturen bieten Möglichkeit und Anreiz, Strom zu verknappen und künstlich zu verteuern.
    Quelle: Telepolis
  7. Wenn ein Wildwest-Abenteuer als China-Kracher endet
    Der fränkische Gipshersteller Knauf wollte beim Bauboom in den USA kräftig mitverdienen. Doch die Platten, die er aus China lieferte, waren verunreinigt. Tausende Hausbesitzer klagen auf Schadensersatz. Ein Lehrstück über die Fallstricke der Globalisierung.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es sind mitnichten die Fallstricke der Globalisierung, über die der Gipshersteller Knauf stolperte. Die im Artikel genannten “Lücken bei der Qualitätskontrolle, mangelndes Risikobewusstsein, ein miserables Krisenmanagement und der Versuch, Probleme kleinzureden” haben sehr wenig mit der Globalisierungsstrategie des Konzerns zu tun, oder man versteht unter Globalisierung eine weltumspannende Strategie von Kostensenkung, bei der nicht nur die niedrigsten Löhne und Steuern gefragt sind, sondern auch die niedrigsten Ausgaben für Konsumenten-, Arbeiter- und Umweltschutz zu erwarten sind. Wenn dann wie bei Knauf im Iran Beschäftigten mit Entlassung gedroht wird, falls diese gegen die Regierung protestieren sollten, ist das nur konsequent. Sind doch die Regierungen im Iran, in China oder in Bangladesch die Garanten des Profits unserer Firmen – auf Kosten der Allgemeinheit in diesen Ländern, aber auch bei uns, im Falle Knauf in den USA. Es geradezu absurd wie bezeichnend, wenn Knauf sein Problem darin sieht, sich auf die Spielregeln in den USA schlecht vorbereitet zu haben. Wie ärgerlich, wenn Geschädigte in den USA Ansprüche gegen den Hersteller geltend machen können, auch wenn dieser in keinem direkten Vertragsverhältnis mit ihnen steht. Soll heißen, Du darfst ruhig irgendwo in der globalen Runde Schrott produzieren und an den Mann bringen, Hauptsache Du bist rechtlich abgesichert: Made in Germany heute. Wir haben in Deutschland keine Produzentenhaftung.

  8. Gerd Bosbach: “Produktivität schlägt Alterung”
    Weniger Menschen in Deutschland, und die werden auch noch immer älter – kein Grund zur Panik, sagt der Demografie-Experte Gerd Bosbach. “Wir werden seit 1870 älter”, sagt Bosbach, der Professor für Statistik an der Fachhochschule Remagen ist. Seitdem sei der Lebensstandard gestiegen, der Sozialstaat eingeführt und die Arbeitszeit immer weiter verkürzt worden. Denn mit dem durchschnittlichen Lebensalter habe sich auch die Produktivität erhöht. “Produktivität schlägt Alterung.” Auch die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, wonach Ende 2010 erneut weniger Menschen in der Bundesrepublik lebten als im Jahr zuvor, sieht Bosbach gelassen. Im Jahr 1995 habe es 81,8 Millionen Einwohner in Deutschland gegeben, 2010 seien es 81,7 Millionen gewesen – “und wir reden von einer aussterbenden Gesellschaft?” Die Einwohnerdichte sei nach wie vor hoch – 230 Menschen pro Quadratkilometer, im europäischen Durchschnitt liege sie bei 116 Menschen, sagte er. “Wenn hier mal zwei bis drei Millionen weniger leben werden, ist das kein Drama.”
    Quelle: Ihre Vorsorge
  9. Grünes Wahlkampfgetöse
    Wahlprogramme sind ohnehin bei keiner Partei das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Und ganz besonders in bezug auf die Grünen stellt sich die Frage, ob es irgendeinen vernünftigen Grund geben könnte, ihnen etwas zu glauben. 1998 zogen sie als Hoffnungsträger nicht nur der Friedens- und Umweltbewegung, sondern auch vieler sozial engagierter Menschen für sieben Jahre in die Bundesregierung ein. Die Bilanz ist verheerend: Unter maßgeblicher Beteiligung grüner Spitzenpolitiker wurde die Beteiligung Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg durchgesetzt. Hartz IV trägt ebenso das Copyright des »rot-grünen Projektes« wie der schwammige »Atomkonsens«, der die jetzt beschlossene Verlängerung der AKW-Laufzeiten erst möglich machte. In keiner anderen Regierungskonstellation wurde durch Steuergeschenke so viel Geld von unten nach oben umverteilt. Die jetzt beklagte »Zwei-Klassen-Medizin« ist auch eine Folge der damaligen »Gesundheitsreformen«. Rentensenkungen wurden auf den Weg gebracht, der Arbeitsmarkt dereguliert und Niedriglohnsektoren etabliert. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
    Quelle: Junge Welt
  10. Macht ein Drückerkönig Politik?
    Die ARD zeigt einen Film über den Finanzdienstleister Carsten Maschmeyer. Der Name sagt Ihnen nichts? Christian Wulff und Gerhard Schröder schon. Walter Riester und Bert Rürup auch. Und genau das ist das Problem.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung KR: Ab und zu vermag die FAZ angenehm zu überraschen. Zitat: „Bilder des früheren Arbeitsministers Walter Riester, der auf Veranstaltungen des AWD auftritt? Eine gemeinsame Firma mit dem Politikberater Bert Rürup? Mit politischen Figuren also, die unser Rentensystem umgeformt und den Menschen den Gedanken eingepflanzt haben, dass sie privat für ihr Alter vorsorgen müssen? Passt das zusammen? … Wer den Film gesehen hat, weiß, dass Carsten Maschmeyer nicht der Einzige ist, der Fragen beantworten sollte.“

  11. “Lobbyismus ist immer ein Geflecht”
    Die ARD skandalisiert die Rolle des “Drücker-Königs” Maschmeyer bei der Renten-Privatisierung. Doch an der Riester-Rente haben viele mitgewirkt, so die Ökonomin Wehlau: „Die Einführung der Riester-Rente ist nicht auf eine einzelne Person herunterzubrechen, so schillernd diese auch sein mag. Die Teilprivatisierung der Rente im Jahr 2001 war besonders stark durch die Finanzlobby beeinflusst, soviel ist klar. Aber hierbei handelt es sich um ein Geflecht aus vielen Akteuren: Banken, Versicherungen und auch Finanzdienstleister wie AWD. … Die unabhängige Politikberatung ist in der Rentenpolitik gefährdet – stärker als in anderen Politikbereichen. Walter Riester war der erste Arbeitsminister, der Mitglieder des Sozialbeirats der Bundesregierung absetzte, um kritische Positionen aus dieser Richtung zu unterbinden: So wurde der Privatisierungs-Skeptiker Winfried Schmähl im Jahr 2000 als Vorsitzender des Beirats gegen Bert Rürup ausgetauscht. Seit dieser Phase wird die wissenschaftliche Politikberatung von Befürwortern des Privatisierungskurses dominiert. Auch heute wird trotz der Finanzkrise keine ernsthafte Diskussion über die erheblichen Risiken der privaten Altersvorsorge geführt. Doch glaube ich, dass die Wissenschaftler weniger bei der Einfädelung solcher Reformen, als vielmehr bei der Öffentlichkeitsarbeit eine wichtige Rolle spielen: Egal wer sie bezahlt, sie genießen als Wissenschaftler Vertrauen.“
    Quelle: Freitag
  12. Whistleblower vor Gericht – die Rudolf-Elmer-Story
    Der Schweizer Banker Rudolf Elmer zählt mit seinen über WikiLeaks publizierten Datensätzen der Privatbank Julius Bär zu den Pionieren des Whistleblowings. Doch nicht die Steuersünder oder ihre Helfer, sondern er steht nun in der Schweiz vor Gericht. Rudolf Elmers Geschichte ist eine moderne Parabel von einem Saulus, der sich unfreiwillig zum Paulus wandelte, einem seriösen Schweizer Banker, der von seinem ehemaligen Arbeitgeber in die Enge getrieben und so zum Whistleblower wurde. Die Kulisse dieser Geschichte bilden die pittoresken Strände der Cayman Islands und die Schweiz, deren Bankgeheimnis Ähnlichkeiten mit der Omerta der sizilianischen Mafia hat. Verfolgt man die Geschichte des Whistleblowers, so fühlt man sich unweigerlich an den Grisham-Roman “Die Firma” erinnert, in dessen Verfilmung der smarte Tom Cruise auf den Caymans gegen die organisierte Finanzkriminalität kämpft. Doch das wahre Leben ist kein Hollywood-Film und hat nur selten ein Happy End.
    Quelle: Telepolis
  13. »Man hat zum Rundumschlag ausgeholt«
    Die Marburger Uniklinik des Rhön-Konzerns versucht, Kritik juristisch zu unterdrücken. Ein Gespräch mit Sven Lehmann. Sven Lehmann ist Rechtsanwalt des Produzenten und Reporters Rainer Fromm, der die ZDF-Dokumentation »Der Patient als Ware« erstellt hat.
    Quelle: Junge Welt
  14. Die Unterschicht übernimmt die Landesverteidigung
    Die Abschaffung der Wehrpflicht markiert einen Umbruch. Den Job bei der Bundeswehr muten sich nur die zu, die sonst wenige Chancen haben.
    Also gilt nicht mehr „Bürger in Uniform“, sondern „Prekarier in Uniform“. Gewiss, das ist überspitzt, aber im Kern richtig. Wohlgemerkt: „Unterschicht“ oder „Prekariat“ – das ist keine Bewertung, sondern eine Beschreibung des Sachverhalts. Ober- und Mittelschichten sind nicht besser, aber es geht ihnen besser als den Unterschichten. Jede Ober- und Mittelschicht, nicht nur die deutsche, ist meist besser ausgebildet als die Unterschicht …
    Nie gingen in der Menschheitsgeschichte Oberschichten freiwillig zum Militär, denn dieser Arbeitsplatz war oft todsicher.
    Quelle: Die Welt
  15. Erst Bachelor, dann Praktikant
    Die Bewerber sollten jünger werden, doch jetzt will sie niemand haben. Wirtschaftsprofessor Christian Scholz erklärt, warum manche Unternehmen den Bachelor nicht ernst nehmen.
    Quelle: SZ
  16. Sendet ARTE “Water makes money“?
    Nach der bisher überaus erfolgreichen Verbreitung des Films „Water Makes Money” In Form von über 200 (Kino)-Vorführungen und mehr als 1000 DVDs, hat der im Film kritisierte französische Konzern VEOLIA in Paris gegen den Film Klage wegen „Verleumdung” eingereicht. Noch ist nicht klar, was konkret man uns vorwirft. Der Konzern hat dennoch bereits erreicht, dass die französische Staatsanwaltschaft dem Antrag Veolias stattgegeben und einen Untersuchungsrichter bestellt hat. Dieser lässt jetzt mit Hilfe eines auch auf Deutschland ausgeweiteten Rechtshilfeersuchens polizeilich ermitteln.
    Quelle: NRhZ
  17. Dioxin – eine Chronologie – EXTRA 3 – NDR
    Seit 1998 kündigen die Verantwortlichen Konsequenzen an …
    Quelle: YouTube – NDR
  18. Konsumenten von einem anderen Stern
    Der US-Einzelhandelsumsatz ist im vierten Quartal mit einer annualisierten Rate von 14 Prozent gewachsen. Fragt sich nur, wo die Verbraucher das Geld hernehmen, um diesen Schluck aus der Pulle zu finanzieren. Aus der Lohntüte wohl kaum. Und wo stammen die Waren her, welche die US-Verbraucher, die laut dem ernüchternden Januar-Konsumklimabericht der Universität von Michigan einen Preisanstieg von 3,3 Prozent über die nächsten zwölf Monate erwarten, in rauen Mengen (?) einkaufen? Von den US-Produzenten kaum, denn die haben im vierten Quartal annualisierte 1,6 Prozent weniger Konsumgüter hergestellt als im dritten. Auch die realen Konsumgütereinfuhren sind im Oktober und November bloß um annualisierte 1,1 Prozent höher gewesen als im Mittel des dritten Quartals. Derweil beginnt die Rohstoffhausse zu schmerzen. Nach dem Verbraucherpreisanstieg um annualisierte 2,6 Prozent im vierten Quartal sind die realen Stundenlöhne im Dezember quasi auf das Niveau des Vorjahrs zurückgefallen, wobei etliche Arbeitsmarktindikatoren schwach bleiben.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wir müssen uns wohl oder übel ein gesundes Misstrauen auch gegenüber den statistischen Aussagen von OECD-Ländern zulegen. In Falle der USA gilt es wohl vor allem, die Nachfrage nach US-Aktien oder Anleihen aufrecht zu erhalten.

  19. Amerika nach dem Attentat
    1. Das schleichende Gift der Gewaltrhetorik
      Gewalttätigkeit ist nicht nur ein Element der amerikanischen Populärkultur, sondern dringt zunehmend auch in die politische Rhetorik ein. Das Attentat auf die demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords rückt das Problem in den Fokus der öffentlichen Debatte. Viel ist derzeit die Rede davon, dass das Attentat in Arizona einen Wendepunkt markieren könnte – allem voran in der vergifteten Atmosphäre, die das politische Klima und die Rhetorik der amerikanischen Politik bestimmt. Psychisch Gestörte, die Befehle vernehmen, deren Herkunft sich rationaler Kontrolle entzieht, sind für die Abschuss-Metaphorik, die sich im öffentlichen Diskurs breitzumachen beginnt, begreiflicherweise empfänglicher als der Durchschnittsbürger. In westeuropäischen Demokratien gilt die hier gern gepflegte Form radikaler Hasspredigten als Volksverhetzung; in den USA sind sie das Resultat einer quotenbesessenen Medienlandschaft, die sich von einem Extrempopulismus, der nicht selten unterfüttert ist von Aufrufen zur Gewalt, hohe Einschaltquoten verspricht. Zu Recht: Rush Limbaugh erreicht pro Woche etwa zwanzig Millionen Zuhörer. Im Jahr 1987 wurde die ausgewogene Berichterstattung, die bis dahin unter dem Stichwort «Fairness Doctrine» den öffentlichen Diskurs bestimmte, unter Berufung auf die «freie Meinungsäusserung» suspendiert. So entstand mit den hierzulande überaus populären Radiotalkshows eine Provokationsmaschine, die im Grunde nicht anders als der deregulierte Finanzmarkt funktioniert: Extreme können nur von Extremen überboten werden – bis irgendwann der Kollaps eintritt. Die Folge davon sind nicht zwingend Attentate, doch mit Sicherheit der Ruin des politischen Diskurses.
      Nun gehen öffentliche Ämter in den USA generell mit einem hohen Sicherheitsrisiko einher. Im letzten März wurde Gabrielle Giffords’ Wahlbüro von Gegnern der Gesundheitsreform verwüstet; bei einem Bürgertreffen mit Giffords im Jahre 2009 fiel einem Tea-Party-Anhänger eine geladene Waffe aus der Tasche. Giffords ist selbst eine passionierte Befürworterin der Waffenfreiheit, und wer die explosiven Zustände im von der mexikanischen Drogenmafia gebeutelten Gliedstaat Arizona bedenkt, kann diese Einstellung vielleicht noch nachvollziehen. Das Massaker von Tucson aber wurde mit einer Glock-Pistole ausgeführt, einer halbautomatischen Waffe, die ein Magazin von bis zu 32 Patronen besitzt und laut der «Brady Campaign to Prevent Gun Violence» zur Selbstverteidigung nicht geeignet ist. Nach Einschätzung dieser Organisation, die sich für die Waffenkontrolle einsetzt, ist diese Pistole einzig dazu da, «möglichst viele Menschen in kürzester Zeit zu töten». Die Glock war lange verboten – bis der US-Kongress sie auf Druck der einflussreichen National Rifle Association im Jahr 2004 wieder zuliess. Nach Angaben der Brady Campaign sind in den USA seit Ende der sechziger Jahre mehr als eine Million Menschen durch Schusswaffen umgekommen. «Mord und Totschlag sind das weisse Rauschen in dieser Gesellschaft», schreibt der Kolumnist Bob Herbert in der «New York Times». Die Wildwestrhetorik der Politik ist also nicht ohne Realitätsbezug. Der neue Sprecher der Republikaner, John Boehner, hat soeben einen Vorschlag zur Regulierung der Waffengesetzgebung abgelehnt. Amerika bleibt bei seinem Ritual, das stets nach demselben Muster abläuft: Katastrophe, Schock, Schuldzuweisung. Und das grosse Vergessen.
      Quelle: NZZ
    2. Wer Ungleichheit sät …
      Der Grund für die Radikalisierung in den USA ist in der prekären wirtschaftlichen Lage zu suchen, schreibt Harald Schumann im “Kontrapunkt”. Politische Spaltung geht einher mit wirtschaftlicher und sozialer Spaltung.
      Quelle: Tagesspiegel
    3. Paul Krugman: Gespaltene Nation
      Wenn Obama Versöhnung predigt, ist dieser Wunsch nicht einfach zu erfüllen. Die Differenzen in den USA sind fundamental. Was uns trennt, sind nicht Fragen pragmatischer Politik, sondern unterschiedliche Auffassungen von Gerechtigkeit. Die eine Fraktion hält den modernen Wohlfahrtsstaat – eine kapitalistische Ökonomie, in der die Gewinner mit ihren Steuern das soziale Netz finanzieren – für moralisch besser als den brutalen Kapitalismus, den wir vor dem New Deal hatten. Die andere Seite glaubt, dass Menschen ein Recht darauf haben, das zu behalten, was sie verdienen. Steuern sind für sie Diebstahl. Das nämlich steckt hinter der Vorliebe der modernen Rechten für aggressive Rhetorik: Viele ihrer Aktivisten halten tatsächlich Steuern für einen Tyrannen-Angriff auf ihre Freiheit. In den vergangenen beiden Jahren aber ist eine Rhetorik normal geworden, die der Gewalt das Wort redet. Die Chefs beider Parteien müssen Gewalt und verrohte Sprache für inakzeptabel erklären. Wir alle wünschen uns Versöhnung, am Anfang aber muss die Übereinkunft stehen, dass Konflikte nur mit legalen Mitteln ausgetragen werden.
      Quelle: FR

      Anmerkung Orlando Pascheit: Das Problem scheint aber darin zu bestehen, dass Volksverhetzung in den USA unter Meinungsfreiheit firmiert und Gewaltaufrufe als metaphorisch ausgelegt werden dürfen, d.h. legal sind.

  20. Tunesien ist reif für die Demokratie
    Volker Perthes, Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, über die Folgen des Umsturzes in Tunesien für die Region:
    “Vielleicht haben wir alle in der Vergangenheit die organisierte Opposition zu sehr in den Blick genommen, die es in der einen oder anderen Form in den arabischen Staaten immer gibt, die aber nur eine marginale Rolle spielen. Das liegt vor allem daran, dass sich Oppositionspolitiker und Oppositionsparteien mit den Mitteln diktatorischer Regime vergleichsweise leicht kontrollieren und unterdrücken lassen. In Tunesien waren und sind andere Kräfte am Werk, nämlich eine mobilisierte Mittelschicht und eine junge Bevölkerung. Und die lässt sich nicht so einfach unterdrücken. … Die Staaten in der Region können aus dem Sturz Ben Alis lernen, dass es zwar möglich ist, Parteien zu verbieten, Wahlen zu fälschen und Oppositionspolitiker zu verhaften, dass man aber nicht gegen die Demografie anregieren kann. Wenn 50 Prozent der Bevölkerung unter 18 sind und diese Jugend keine Chance erhält, an Arbeit und Wohlstand sowie an den politischen Entscheidungsprozessen teilzuhaben, dann kommt es irgendwann zum Umsturz.“
    Quelle: Tagesspiegel

    Dazu passt:

    Gaddafi greift tunesische Bevölkerung scharf an
    Wie der vertriebene Staatschef Ben Ali ist auch Gaddafi bereits seit mehreren Jahrzehnten im Amt. Auf den Sturz des Amtskollegen reagiert er mit scharfer Kritik: “Tunesien hat sich jetzt in ein Land verwandelt, das von Banden regiert wird.”
    Quelle: FTD

  21. Im Libanon glimmt bereits die Lunte
    Die Situation im Libanon könnte die nächste Explosion in der arabischen Welt auslösen. Seit dem Massenrücktritt der elf Hisbollah-Minister und ihrer Verbündeter taumelt der Zedernstaat einem neuen Bürgerkrieg entgegen. Was am vergangenen Dienstag mit dem Sturz der vom Westen gestützten Regierung Saad Hariri begann, kann sich bald zu einer blutigen Staatskrise auswachsen. Unversöhnlich stehen sich die beiden Lager gegenüber. Immer tiefer spaltet der Mord an dem beliebten Ex-Premier Rafik Hariri die kleine Nation am Mittelmeer. Am Wochenende hatte das „Sondertribunal für den Libanon“ in Den Haag durchsickern lassen, Anklagevertreter Daniel Bellemare werde Anfang der Woche Untersuchungsrichter Daniel Fransen seine Ermittlungen zu dem Bombenanschlag am 14. Februar 2005 vorlegen – zusammen mit einer Namensliste der Verdächtigen. Nach Angaben der französischen Zeitung „Le Monde“ haben die Fahnder keine Zweifel, dass die Täter in den Reihen der Hisbollah zu suchen sind.
    Im September könnte dann der weltweit erste Terrorprozess vor dem internationalen Gerichtshof beginnen – ein Schritt, den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah unter allen Umständen verhindern will. Seit Monaten denunziert der Geistliche das Hariri-Tribunal als „israelische und amerikanische Verschwörung“. Am Sonntagabend wandte er sich im Fernsehen „an die libanesische Nation“ und bekräftigte, die Hisbollah werde „ihre Würde, ihre Existenz und ihr Ansehen“ verteidigen. Gleichzeitig versuchen seine politischen Mitstreiter, Staatspräsident Michel Sleiman zu überzeugen, einen Sunniten „mit Verdiensten im Widerstand“ mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Ein solcher der Hisbollah genehmer Premier könnte dann – so das Kalkül – die Kooperation mit dem Tribunal beenden. Rafik Hariris Sohn Saad hatte dies stets abgelehnt.
    Quelle: Tagesspiegel
  22. Das Letzte: Maschmeyer gründet Firma Firma zur Behandlung von Depressionen
    Quelle: HolsboerMaschmeyer NeuroChemie GmbH

    Anmerkung WL: Neudeutsch nennt man so etwas wohl Cross-Over-Ökonomie: Zuerst erzielt man Millionengewinne indem man Menschen als Anlageberater in den Ruin treibt, und anschließend verdient man dann wieder daran, dass man den dadurch in die Depression Getriebenen „maßgeschneiderte Arzneimittel“ zur Behandlung anbietet. Ein „philantropisches Projekt“.


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=8016