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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 11. März 2011 um 15:44 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: EU-Gipfel; Lasst uns über die EZB reden; Ungleiche Einkommensverteilung bremst Wachstum; Die große Umverteilung; Im Schatten der Krise.; Systemrisiko Bankenaufsicht; Ramschanleihen für 3,4 Prozent; So viele Privatpleiten wie nie; Liste mit zehntausenden AWD-Geschädigten; Demonstrieren, provozieren, kriminalisieren? Warum sich in Stuttgart die Fronten wieder verhärten; Menschenfeindlichkeit in Europa weit verbreitet; Berlusconi präsentiert kurz vor Prozess Justizreform; Hans Küng: Das römische System muss fallen; Bürgerkrieg in Libyen; Bradley Manning beklagt Haft-Schikane; Ulrike Sosalla – Im Zweifel gegen Kontra; Schwarz-gelb gefährdet Erfolg der Integrationskurse (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. EU-Gipfel
  2. Lasst uns über die EZB reden
  3. Ungleiche Einkommensverteilung bremst Wachstum
  4. Die große Umverteilung
  5. Im Schatten der Krise.
  6. Systemrisiko Bankenaufsicht
  7. Ramschanleihen für 3,4 Prozent
  8. So viele Privatpleiten wie nie
  9. Liste mit zehntausenden AWD-Geschädigten
  10. Demonstrieren, provozieren, kriminalisieren? Warum sich in Stuttgart die Fronten wieder verhärten
  11. Menschenfeindlichkeit in Europa weit verbreitet
  12. Berlusconi präsentiert kurz vor Prozess Justizreform
  13. Hans Küng: Das römische System muss fallen
  14. Bürgerkrieg in Libyen
  15. Bradley Manning beklagt Haft-Schikane
  16. Ulrike Sosalla – Im Zweifel gegen Kontra
  17. Schwarz-gelb gefährdet Erfolg der Integrationskurse

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. EU-Gipfel
    1. Modell Deutschland kommt nicht an
      Beim Sondergipfel der Eurozone in Brüssel bläst Bundeskanzlerin Angela Merkel der Wind ins Gesicht. Ihrem sogenannten Wettbewerbspakt werden die Zähne gezogen.
      Die Staaten der Eurozone haben keine Lust, Deutschland nachzueifern. Schon beim letzten EU-Gipfel im Februar brach ein Sturm der Entrüstung los, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen “Wettbewerbspakt” vorschlug, der wie ein Ei dem “Modell Deutschland” glich: Rente mit 67, Lohnzurückhaltung und Schuldenbremse standen auf dem Programm, das Merkel gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy vorlegte. Von einem “deutsch-französischen Putsch”, einer Zumutung und Erpressung war die Rede, als die EU-Chefs hinter verschlossenen Türen tagten.
      Nach draußen drang davon wenig – schließlich hatte Merkel “ihren” Pakt bereits vor den Beratungen als Erfolg verkauft. Doch der Widerstand in Ländern wie Belgien, Österreich und Italien war so groß, dass EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sich beeilte, dem Pakt die Zähne zu ziehen. Freitag soll der weichgespülte Text auf einem Sondergipfel der Eurozone in Brüssel durchgewunken werden – und es sieht ganz so aus, als könnten sowohl Merkel und Sarkozy als auch Kritiker wie der belgische Premier Yves Leterme ihr Gesicht wahren.
      Quelle: taz

      Anmerkung Jens Berger: Glücklicherweise ist der Masochismus unserer Nachbarn nicht genau so ausgeprägt wie die deutsche Kompetenzlosigkeit in volkswirtschaftlichen Fragen.

    2. Die neue Wirtschaftsregierung
      Mit einem “Pakt für Wettbewerbsfähigkeit” wollen Deutschland und Frankreich der Krise beikommen. Doch schon über die Steuersätze gibt es heftigen Streit. […]
      Doch gibt es hier heftigen Streit: Irland ist gegen die Steuerangleichung, Belgien gegen das Ende der Lohnindexierung. Die Anerkennung von Bildungsabschlüssen gilt als überflüssig, da schon in EU-Verträgen geregelt. Und viele Staaten sehen das Rentenalter als nationale Angelegenheit. Am Ende dürfte hier also − außer einer Absichtserklärung − nicht viel herauskommen.
      Die Formulierungen dürften wachsweich bleiben und zudem keine Sanktionen bei Verstößen vorsehen – denn Sanktionen erlässt in Europa üblicherweise die EU-Kommission. Und die ist beim Wettbewerbs-Pakt nicht mit im Boot. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt es in den Verhandlungen vor allem darauf an, etwas Vorzeigbares nach Hause mitbringen zu können. Da der Bundestag das Ergebnis absegnen muss, braucht sie die Unterstützung der Koalitionsfraktionen. Die aber haben gerade in einer Resolution noch einmal ihre harte Linie bekräftigt.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
    3. EU-Gipfel: Lammert attackiert Merkels Euro-Kurs
      Kurz vor Beginn des EU-Gipfels zur Rettung des Euro zeichnet sich innerhalb der schwarz-gelben Koalition ein massiver Dissens über die Einzelheiten der Währungspolitik ab. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich nach einem Bericht der “Süddeutschen Zeitung” bei Kanzlerin Angela Merkel über eine Missachtung der Rechte des Parlaments bei EU-Themen beschwert. In einem Schreiben an die Kanzlerin, aus dem die Zeitung zitiert, erinnert Lammert an die “unmissverständliche Verfassungslage”. Er kritisiert die aus seiner Sicht unzureichende Unterrichtung. Fraktionsübergreifend herrscht dem Bericht zufolge unter Europapolitikern Unmut darüber, dass sie über Merkels Pläne vor einem EU-Gipfel im Februar nur aus den Medien erfahren hatten. “Nach wie vor fühlen sich viele Abgeordnete in den zuständigen Gremien in dem beschriebenen Fall nicht ausreichend informiert”, schreibt Lammert. Merkel möge das nachholen und sicherstellen, dass der Bundestag künftig “umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt” informiert werde.
      Merkel wies den Vorwurf Lammerts zurück. Merkel meldet sich zudem am Freitag in einem Interview mit der “Bild”-Zeitung zu Wort. Darin wirbt sie für ihren Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. “Wir wissen jetzt ein für alle Mal: Der Euro ist unser Schutz, aber er verträgt im Innern keinen Schlendrian”, sagte Merkel dem Blatt. “Der Euro will gut gepflegt sein. Das richten wir jetzt ein, unter anderem mit dem Pakt für Wettbewerbsfähigkeit.” Deutschland brauche im weltweiten Wettbewerb mit Ländern wie China, Indien oder Brasilien Verbündete. “Der Euro schafft solche Verbündete”.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Orlando Pascheit: Es zeichnet Lammert nicht erst seit der Guttenberg-Affäre aus, dass er weder den Konflikt mit dem Mainstream der Abgeordneten noch mit der Regierung scheut, der da heißt: Was die Spitzen beschließen und machen, wird abgenickt. Allerdings dürften die meisten, selbst besser informierten Abgeordnete den “Wettbewerbspakt” weder analysieren noch darüber diskutieren. – In ihrem Bild- Interview hat die Kanzlerin einmal mehr bestätigt, dass die EU keine politische Gemeinschaft ist, sondern ein Wirtschaftsgemeinschaft, die insbesondere Deutschland zu Verbündeten verhilft, um im “immer intensiverer weltweiter Wettbewerb mit großen Ländern wie China, Indien oder Brasilien … mithalten zu können”

  2. Lasst uns über die EZB reden
    Es wird erwartet, dass Europas Staats- und Regierungschefs auf ihrer Sondersitzung am Freitag einen Pakt zur – so zumindest der
    Arbeitstitel – Vertiefung der Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone beschließen. Es ist der Nachfolger des berüchtigten deutsch-französischen Pakts für Wettbewerbsfähigkeit.
    Bei all der frenetischen Aktivität wird ein Akteur weitgehend ausgeblendet: die Europäische Zentralbank (EZB). Diskussionen über die EZB fokussieren sich, besonders in Deutschland, auf Personalien. In der Debatte um nötige Reformen der europäischen wirtschaftspolitischen Institutionen (economic governance) mag sonst alles infrage gestellt werden. Aber diese eine Institution steht nicht zur Debatte. […]
    Tatsächlich hat die EZB im Verlauf der Krise sehr flexibel reagiert, vor allem während der Rettung des Bankensektors. Dafür war das Inflationsmandat nicht maßgeblich. Doch die Lage entwickelt sich weiter. Ende vergangener Woche hat die EZB ankündigt, sie werde die Zinsen bei der nächsten Zentralbankratssitzung anheben. Ein Schrei des Protestes ist ausgeblieben, obwohl eine vorzeitige Zinsanhebung kurzfristig erheblichen Schaden anrichten kann. Dem nüchternen Betrachter müssten durch diesen Schritt noch mehr Zweifel gekommen sein, ob es Sinn macht, über governance-Reformen im Euro-Raum zu reden, ohne die Rolle der EZB zu berücksichtigen. […]
    All dies legt den Schluss nah, dass die EZB ihren großen Ermessensspielraum ausnutzt, um ein politisches Signal zu setzen. I
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung unseres Lesers N.H.: Im Stabilitäts- und Wachsumsgesetz werden Stabilität des Preisniveaus und hoher Beschäftigungsstand als gleichwertige Ziele der Wirtschaftspolitik genannt. Die EZB opfert den Beschäftigungsstand im Zweifelsfall einer künstlich niedrigen Preissteigerungsrate, mit handfesten Folgen für die Betroffenen – gleichzeitig entzieht sie sich
    weitestgehend der demokratischen Kontrolle.

  3. Ungleiche Einkommensverteilung bremst Wachstum
    Die Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf. Auch die Konsumbereitschaft werde hierzulande wieder steigen, so die einhellige Meinung vieler Experten. Der private Verbrauch könne sogar zum Wachstumstreiber der deutschen Wirtschaft avancieren. Die Konsumlaune der Deutschen sei so gut wie nach der Wiedervereinigung nicht mehr. Doch da sollte man den Tag nicht vor dem Abend loben. Denn bereits im letzten Konjunkturzyklus vor der Krise blieb der erhoffte Kaufrausch aus, obwohl es positive Signale gab. Trotz Aufschwungs stagnierten die privaten Konsumausgaben. Ein Grund ist die zunehmende Ungleichheit bei der Einkommensverteilung, wie aus einer Studie des DIW hervorgeht. Fakt ist: Der damalige Aufschwung ging an den meisten vorbei.
    Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich hierzu-ande weiter. Während die Nettomonatseinkommen des einkommensstärksten Viertels im Konjunkturzyklus von 2004-2009 jahresdurchschnittlich um 2,4 % und die der Spitzenverdiener sogar um 3,7 % zulegen konnten, kamen die Einkommen der Geringverdiener mit einer jahresdurchschnittlichen Erhöhung von 0,9 % nicht vom Fleck. In den Jahren von 1997-2003 waren die Zuwächse bei den Einkommen zumindest noch etwas ausgeglichener. Diese Diskrepanz bei der Einkommensentwicklung bleibt nicht ohne Folgen für den heimischen Konsum.

    Ungleiche Einkommensverteilung bremst Wachstum

    Quelle: DGB Klartext [PDF – 98 KB]

  4. Die große Umverteilung
    Die Krise ist nur noch eine blasse Erinnerung: Den Konzernen in Deutschland geht es wieder blendend. Doch die hohen Gewinne gehen einher mit einer Umverteilung von unten nach oben.
    Eine Jubelmeldung jagt die nächste, die Konzerne übertreffen sich in Superlativen. Die deutsche Industrie ist obenauf und macht satte Gewinne. Sechs Dax-Konzerne legten gestern Zahlen vor. Und mit einer Ausnahme des Rückversicherers Munich Re, der unter Sondereffekten leidet, sind die Kennziffern durchgängig hervorragend. […]
    Nach einer Berechnung der Frankfurter Rundschau, die auf Zahlen des Statistischen Bundesamts basiert, ist die Gewinnquote in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen. Sie drückt aus, wie hoch der Anteil der Unternehmens- und Vermögensgewinne am Volkseinkommen ist. Was übrig bleibt, wandert in die Lohntüten der Arbeitnehmer.
    Diese Gewinnquote lag 1980 bei 26,8 Prozent. 2010 hingegen betrug sie 33,75 Prozent. Nach den Gewinnschätzungen zu urteilen wächst der Teil des Kuchens, den Firmen, deren Besitzer, das Führungspersonal sowie Vermögende erhalten, weiter an.
    Horn hält das für eine gefährliche Entwicklung: „Die Gesellschaft driftet auseinander.“ Dass sich mehr Geld in den Händen weniger befände, habe auch die Risikobereitschaft steigen lassen und damit die Finanzkrise begünstigt.
    Wie entsteht die Umverteilung? Vor allem durch niedrige Steuern auf Gewinne und durch niedrige Lohnabschlüsse, die nicht mit der Steigerung der Produktivität mithalten, sagt Horn. Sein Fazit: Die Vermögenssteuer müsse wieder eingeführt werden, und die Unternehmenssteuern sollten auf das Niveau anderer Industrieländer angehoben werden.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  5. Im Schatten der Krise.
    Mehr als zwei Jahre nach der Finanzkrise leiden Menschen in Entwicklungsländern noch immer an deren Folgen. Der von der Krise verursachte Zusammenbruch der Weltwirtschaft bewirkte, dass Hunderttausende Menschen in den Exportindustrien des Südens ihre Arbeit verloren. Armut, Perspektivlosigkeit und Hunger begleiten viele betroffene Familien bis heute. SÜDWIND zeichnet in der soeben erschienenen Studie: „Im Schatten der Krise. Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise in Indonesien, Paraguay, Tansania und Ungarn“ nach, wie die Finanzkrise in diese Länder gelangte und welche konkreten Auswirkungen sie auf die Bevölkerung hatte.
    Quelle 1: Südwind e.V. [PDF – 114 KB]
    Quelle 2: Im Schatten der Krise [PDF – 3.7 MB]
  6. Systemrisiko Bankenaufsicht
    Neue Schattenbanken und unterschiedliche Regulierung machen das Finanzsystem instabil. Dem Stresstest einer neuen Finanzkrise wären die Bankenaufseher heute immer noch nicht gewachsen.
    Dass die Bankenaufsicht ein Systemrisiko sein kann, stößt der deutschen Kreditwirtschaft derzeit sauer auf. Der Dachverband der Bankenverbände, der Zentrale Kreditausschuss (ZKA), weist die Kritik der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) zurück, wonach die deutsche Bankenaufsicht in der Vergangenheit auf Schieflagen einzelner Institute zu spät reagiert habe. Die Ratingagentur schätzt die Widerstandsfähigkeit der deutschen Kreditwirtschaft deshalb geringer ein als in anderen Ländern. Dieser Malus kann die Refinanzierungskosten deutscher Banken erhöhen.
    Quelle: FAZ
  7. Ramschanleihen für 3,4 Prozent
    Wenn die große Mehrheit der Anleger eine Anlageklasse verflucht, folgen Kursgewinne nur allzu oft. So gesehen könnte sogar der Ramsch von US-Staatsanleihen über die kommenden Monate noch mal Spaß bereiten. Auf der anderen Seite muss man sich folgendes auf der Zunge zergehen lassen: Die Industrieländer haben über die vergangenen beiden Jahre Staatsdefizite von rund 6800 Mrd. Dollar angehäuft, ihre Zentralbanken (Quasi-)Nullzinsen setzen und Geld drucken lassen, 2010 von einem Wachstum in den Schwellenländern von sieben Prozent profitiert, und herausgekommen sind Arbeitslosenquoten von 8,9 Prozent in den USA und 9,5 Prozent in der EU, von der echten Unterbeschäftigung ganz zu schweigen. Dennoch befinden die Ökonomen sich im Freudentaumel wegen glänzender Umfragewerte – und tun die konjunkturellen Gegenwinde weitgehend ab. Dazu zählen abflauende Lagereffekte ebenso wie die Sparbemühungen in Teilen Europas und auf lokaler US-Staatsebene oder die auf die Rekorde von 2008 zustrebenden Euro-Rohstoffpreise. Weitere Risiken lauern in China oder in einer heftigen Korrektur des Aktienmarkts, der den US-Verbrauchern allein im vierten Quartal einen Vermögenszuwachs von hübschen 1800 Mrd. Dollar beschert hat.
    Quelle: FTD
  8. So viele Privatpleiten wie nie
    Die Zahl der Insolvenzen privater Haushalte stieg um 7,6 Prozent auf den Höchststand von 108.798, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden berichtete.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  9. Liste mit zehntausenden AWD-Geschädigten
    Carsten Maschmeyer, Gründer des AWD, behauptet, dass sich die Zahl der unzufriedenen AWD-Kunden im Promillebereich bewegt. Eine AWD-Liste, die dem NDR, dem Stern und Finanztest vorliegt, belegt etwas anderes: Darauf stehen über 34 000 AWD-Kunden, die mit geschlossenen Immobilienfonds der Capital Konsult aus Stuttgart Verluste machten. Viele dieser Kunden sind heute finanziell ruiniert. Entschädigen will der AWD die Anleger nicht.
    Die Liste belegt nicht nur, dass der AWD in den 90er Jahren zehntausenden Kunden langjährige Beteiligungen an riskanten Fonds vermittelte, den so genannten Dreiländerfonds. Sie belegt auch, dass tausende Anleger ihre Anteile an den geschlossenen Fonds, die ihnen vom AWD häufig als sichere Altersvorsorge verkauft wurden, mit einem Kredit finanzierten.
    Laut AWD-Liste haben etwa 20 Prozent der Kunden ihre Fondsanteile mit einem Kredit finanziert. „Tatsächlich waren es aber viel mehr“, erklärte ein früherer Finanzierungsspezialist des AWD. Der Mann muss es wissen. Seine Aufgabe war es, Beschwerden von AWD-Kunden zu bearbeiten. Auf der Liste stünden nur etwa die 20 Prozent Kunden, die ihre Anteile über die mit dem AWD zusammen arbeitenden Banken BHW-Bank und Hypovereinsbank finanziert hätten. Tatsächlich hätten etwa 80 Prozent der Kunden ihrer Anteile auf Kredit gekauft. Viele Kunden seien in der Liste jedoch als Anleger mit Eigenkapital aufgeführt, weil hier der persönliche AWD-Berater die Finanzierung für den Kunden etwa über dessen Hausbank besorgt habe. Finanztest hat das nachgeprüft und einige Kunden, die laut Liste Eigenkapital eingesetzt haben sollen, angerufen. Alle Befragten gaben an, ihre Fondsanteile auf Pump finanziert zu haben.
    Quelle: Finanztest

    dazu: Maschmeyers Masche
    Carsten Maschmeyer, Gründer und früherer Chef des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD, hat ein Problem. Nicht etwa mit seiner Gefährtin Veronica Ferres, seiner Liquidität oder gar dem Finanzamt, nein – es ist sein Image, das immer mehr Kratzer bekommt. Wiewohl er sich in der Öffentlichkeit gerne als Saubermann und generöser Spender präsentiert, wollen doch die Gerüchte um unlautere Geschäftspraktiken und schlechte Beratung durch den AWD nicht verstummen. […] Dem AWD-Gründer droht inzwischen auch von anderer Seite Ungemach: Laut einer Pressemitteilung des Stern soll er 2008 versucht haben, der FDP eine verdeckte Spende über 250.000 Euro zukommen zu lassen, die aber von der Partei aus rechtlichen Gründen abgelehnt worden sein soll.
    Quelle: Binsenbrenner

  10. Demonstrieren, provozieren, kriminalisieren? Warum sich in Stuttgart die Fronten wieder verhärten
    In Stuttgart nennt man die Demonstration vom 30. September den „schwarzen Donnerstag“: Dass die Polizei mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Gummiknüppeln gegen Demonstranten vorging, hat das Verhältnis zwischen Polizei und Bürgern schwer belastet. Auch der Untersuchungsausschuss im Landtag und die Schlichtung haben wenig dazu beigetragen, das Vertrauen zwischen Staat und Bürgern wieder herzustellen. Hinzu kommt, dass die Ermittlungen ein Stuttgarter Oberstaatsanwalt führt, der selbst beim „schwarzen Donnerstag“ der Polizei zur Seite stand.
    Quelle: WDR Monitor
  11. Menschenfeindlichkeit in Europa weit verbreitet
    Eine neue Studie zeichnet ein teils düsteres Bild von Vorurteilen, Intoleranz und antidemokratischen Einstellungen in Europa. 30 Prozent der befragten Deutschen sagten, dass sie an eine “natürliche Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Völkern” glauben.
    Am Freitag stellte die Friedrich-Ebert-Stiftung die von ihr in Auftrag gegebene Studie „Die Abwertung der Anderen“ in Berlin vor. Wie die Ergebnisse der Befragung zeigen, ist besonders die Islamfeindlichkeit in Europa weit stärker verbreitet als bisher angenommen. Rund die Hälfte aller befragten Deutschen stimmte der Aussage zu, dass der Islam „eine Religion der Intoleranz“ sei. In den Niederlanden, Portugal und Polen stimmten sogar 60 Prozent diesem Vorurteil zu. „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist in Europa weit verbreitet“, sagte der für die Studie verantwortliche Wissenschaftler Andreas Zick.
    Jeweils 1000 Menschen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Italien, Portugal, Polen und Ungarn wurden für die 2,5 Millionen Euro teure Studie im Jahr 2008 befragt. […]
    Neben Islamfeindlichkeit sei vor allem der klassische Rassismus und Antisemitismus deutlich geworden. 30 Prozent der Deutschen sagten, dass sie an eine „natürliche Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Völkern“ glauben.
    Quelle 1: Tagesspiegel
    Quelle 2: FES-Projekt gegen Rechtsextremismus
  12. Berlusconi präsentiert kurz vor Prozess Justizreform
    Italiens Ministerpräsident Berlusconi will mit einer Justizreform die Rechte von Richtern und Staatsanwälten deutlich einschränken. Sein Kabinett hat eilig einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht – wenige Wochen vor Beginn des Sexaffären-Verfahrens gegen den Premier. Der Vorschlag sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft gegen einmal ergangene Freisprüche künftig keine Berufung mehr einlegen kann. Zudem sollen Richter wegen Fehlurteilen verklagt werden können. Der 16-Punkte-Plan der Justizreform sieht unter anderem vor, dass Richter künftig finanziell für Fehlurteile aufkommen müssen und die Ermittlungsbefugnisse von Staatsanwälten begrenzt werden. “Mit diesem Damoklesschwert über dem Kopf überlegen sich die Staatsanwälte zwei Mal, ob sie Ermittlungen gegen mich einleiten”, sagte Berlusconi laut einem Bericht der Zeitung “La Repubblica”.
    Quelle: SPIEGEL Online
  13. Hans Küng: Das römische System muss fallen
    Ja, die katholische Kirche ist noch zu retten. Nicht aber ihr überkommener Absolutismus
    Autokraten sind Selbst-Herrscher, Allein-Herrscher, die in ihrem Bereich unumschränkte Gewalt beanspruchen. Ungeteilt liegt die Macht in der Hand eines einzelnen Herrschers, Kontroll- und Mitspracherechte von Institutionen und Versammlungen werden nicht toleriert.
    Quelle: Wir sind Kirche
  14. Bürgerkrieg in Libyen
    1. Der Rat der Aufrechten
      Für den libyschen Diktator Gaddafi sind sie “Spione”, doch international genießen die Anführer des Aufstandes in Libyen hohe Anerkennung. Sie können sich jedoch bisher nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
    2. Immer zu Diensten – Die deutsch-libysche „Wertegemeinschaft“
      Ob Raketen oder Giftgas, ob Sicherheitsberater oder Trainer – deutsche Firmen und deutsche Spezialisten waren vorne dabei, wenn es darum ging, die Macht von Libyens Revolutionsführer Gaddafi zu erhalten. Ausgerüstet mit modernster deutscher Kommunikationstechnik, wie Störsendern und Abhörtechnik, gehen jetzt Gaddafis Truppen gegen die Aufständischen vor. Und selbstverständlich schuf die deutsche Politik die Rahmenbedingungen für die guten Beziehungen.
      Quelle: WDR Monitor

      dazu: Die Milliarden der Diktatoren
      Quelle: FAZ

    3. Uno in Libyen – Drei Viertel des Landes von Hilfslieferungen abgeschnitten
      Die Kämpfe in Libyen weiten sich zur humanitären Krise aus. In großen Teilen des Landes sind laut Vereinten Nationen keine Hilfslieferungen möglich. Besonders die medizinische Versorgung und die Lage der vielen Flüchtlinge bereiten Grund zur Sorge.
      Quelle: SPIEGEL Online
    4. Streit in den USA um Ghadhafis Überlebenschancen
      Aussagen des amerikanischen Geheimdienstchefs, wonach der Opposition in Libyen ein Sturz Ghadhafis wohl nicht gelingen wird, kommt dem Weissen Haus offenbar gar nicht recht. Obamas Sicherheitsberater nannte die Analyse «eindimensional». Der Geheimdienst schätze die Lage nicht umfassend ein.
      Quelle: NZZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Nach neuesten Berichten liegt der US-Geheimdienst richtig und wir dürfen uns für die Besichtigung des kommenden Gemetzels wappnen, wie seinerzeit nach dem 1. Irakkrieg, als das aufständische Südirak abgestraft wurde.- Die Araber werden Europa bewundern, für seine Klugheit.

  15. Bradley Manning beklagt Haft-Schikane
    Der in US-Militärhaft sitzende mutmaßliche Wikileaks-„Maulwurf“ Bradley Manning hat erstmals selbst über Schikane geklagt. Er werde gezwungen, sich jeden Abend komplett auszuziehen. Nackt müsse er vor Gefängniswärtern strammstehen, beklagte er in einem Brief. Manning hatte sich nach eigenen Angaben über die Haftbedingungen im Militärgefängnis von Quantico (US-Bundesstaat Virginia) offiziell beschwert. Als die Beschwerde am 2. März zurückgewiesen worden sei, hätten die Schikanen zugenommen. Er dürfe in der Zelle keinen Sport treiben und nur ein Buch oder eine Zeitschrift lesen. „Ich darf meine Zelle nur für eine Stunde verlassen“, schreibt Manning. „23 Stunden am Tag muss ich auf meinem Bett in meiner Zelle verbringen.“ Alle fünf Minuten kämen Wachen. „Sie fragen mich, ob ich okay bin.“
    Quelle 1: Frankfurter Rundschau
    Quelle 2: Guardian

    Anmerkung Orlando Pascheit: Darf man hoffen, dass sich amerikanische Zeitungen dieses Skandals annehmen? Der junge Mann scheint nicht ganz mitspielen zu wollen und wird jetzt als Schwerverbrecher behandelt, und er ist noch nicht einmal verurteilt. Selbst wenn Manning die Dokumente zum Irak und zu Afghanistan geliefert hat, ist die Anklage “Gefährdung der nationalen Sicherheit” eine Farce. Nach den Anschlägen von 9/11 haben die USA ein Informationsdefizit in ihren Sicherheitsbehörden ausgemacht und als Reaktion den Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen erleichtert. Zu den bekannten Daten hatten in der Folge mehrere hunderttausend Menschen Zugriff. Wenn der einfache Gefreite Manning einen so leichten Zugang hatte, kann man wohl davon ausgehen, dass sämtliche Geheimdienste der Welt bereits über die Wikileaks-Daten verfügten.

  16. Ulrike Sosalla – Im Zweifel gegen Kontra
    Konservative demonstrieren ungern. Denn sie sind aus tiefstem Herzen dagegen, gegen etwas zu sein. Und wenn sie es doch tun – siehe Guttenberg, Stuttgart 21 oder Atomkraft -, dann stellen sie sich ungeschickt dabei an. Zum Glück.
    Quelle: FTD
  17. Schwarz-gelb gefährdet Erfolg der Integrationskurse
    Union und FDP wollen Migranten, die durch den Deutschtest fallen, den Aufenthalt nicht über ein Jahr hinaus verlängern. Sinnvoll ist das nicht.
    Quelle: ZEIT


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