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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 21. August 2022 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Gaskrise
  2. Soziale Not mit Ansage: Energiepreise treffen Rentner und Geringverdiener besonders hart
  3. Kein Schiff wird kommen
  4. Trommeln für das „Weiter-so“
  5. RBB-Skandal um Patricia Schlesinger: Gemach, verehrte Jagdgesellschaft
  6. Ukraine: Selenskyj und seine Regierung sind alles andere als stabil
  7. Die zweite Front der Bundeswehr
  8. Behinderungen der Kabul Luftbrücke durch das Auswärtige Amt: Wie die Evakuierungen aus Afghanistan scheiterten
  9. Erbschaftsteuer: Nicht für Superreiche
  10. Medizinstatistiker übt heftige Kritik: „Lauterbachs Aussagen können fundamental nicht stimmen“

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Gaskrise
    1. Olaf Scholz in Skandinavien: Nicht mehr Gas aus Norwegen
      Nein, Norwegen kann nicht mehr Gas liefern. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz gehofft hatte, vom Besuch bei seinem sozialdemokratischen Amtskollegen Jonas Gahr Støre in Oslo mit der Zusage zusätzlicher Erdgaslieferungen nach Hause zu kommen, wurde er enttäuscht. Die Kapazitäten seien bereits erschöpft, beschied ihm der Ministerpräsident: Norwegen – nach Russland und Katar weltweit drittgrößter Gasproduzent – liefere bereits das, was die Gasfelder maximal hergeben.
      Gahr Støre musste Scholz im Gegenteil darauf vorbereiten, dass Norwegen möglicherweise seine Stromlieferungen nach Deutschland herunterfahren werde. In einem Interview mit der Osloer Tageszeitung Aftenposten, das am Tag des Kanzlerbesuchs erschien, hatte er das bereits angekündigt: „Jedes Land muss Verantwortung für die Nachhaltigkeit seines Energiesystems übernehmen“, erklärte er da.
      Für Norwegen heiße das, dass man nun in erster Linie darauf achten werde, die Kapazität seiner Wasserkraftreserven für den kommenden Winter zu stärken: „Diese nationale Verantwortung haben wir.“ Es könne daher sein, dass der Stromexport durch das im vergangenen Jahr eröffnete Nordlink-Kabel nach Deutschland reduziert oder gestoppt werden müsse. Das Gleiche gelte für die Verbindungen nach Dänemark und Schweden.
      Das ist eine Kehrtwende der norwegischen Regierung. Im Wasserkraftland Norwegen wird infolge schneearmer Winter und der schlimmsten Trockenheit im Süden und Osten des Landes seit 140 Jahren das Wasser knapp. Das Füllniveau der Stauseen befindet sich teilweise auf einem historischen Tiefstand. Was dazu beigetragen hat, dass die Strompreise im Süden des Landes kräftig gestiegen sind.
      Quelle: taz

      dazu: Norwegen kann Gaslieferungen nach Deutschland nicht ausweiten
      Damit zerschlägt sich bei einem weiteren Land die Hoffnung, schnell Ersatz für russisches Gas zu finden. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte sich – bisher vergeblich – auch beim großen Gasproduzenten Katar um zusätzliche Lieferungen bemüht.
      Scholz dennoch “dankbar”
      Scholz äußerte sich dennoch “dankbar”, dass Norwegen seine Gaslieferungen “bis zum Möglichen ausreizt”. Dies sei “sehr wichtig, um unsere Gasabhängigkeit von Russland zu verringern”. Norwegen sei “ein besonderer Partner für Deutschland”, sagte Scholz. “Unsere Energiepartnerschaft wollen wir ausbauen und vertiefen.” (…)
      Scholz und die Regierungschefinnen und -chefs der fünf nordischen Länder vereinbarten, bei der Energiewende künftig noch enger zusammenzuarbeiten. Gastgeber Støre fand lobende Worte für die deutsche Energiewende: Deutschland habe “die große Herausforderung auf sich genommen, erneuerbare Energien zu erschließen”. Gleichwohl werde die Abkehr von den fossilen Energien “hart und turbulent” werden. “Fast alles, was sich zu Energie machen lässt, wird zu Energie gemacht werden”, kündigte Støre an.
      Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte mit Blick auf die Gasimporte aus Russland: “Wir stehen vor einem herausfordernden Herbst.” Finnlands Regierungschefin Sanna Marin warnte vor einem “kalten Winter” und fügte hinzu: “Wir müssen unsere Bevölkerungen darauf vorbereiten, was auf dem Spiel steht.”
      Quelle: BR

    2. Drehen wir den Spieß doch um – und öffnen Nord Stream 2
      Die Bundesregierung hält die eine Gaspipeline geschlossen und bettelt bei Putin zugleich darum, dass durch die andere mehr fließen möge. Das ist unwürdig, widersprüchlich und nutzt nur dem Kreml.
      Quelle: Nikolaus Blome in der DER SPIEGEL

      Anmerkung André Tautenhahn: Das ist ja ein lustiger Text von Blome. Der notwendige Schritt zur Realpolitik wird zwar mit allerhand Unsinn garniert, um ja nicht in den Verdacht zu geraten, „Putins Stiefel zu lecken“. Aber am Ende kommt man nun einmal um die logische Erkenntnis nicht herum:

      „Das Ziel ist nicht erreicht, wenn wir die eine Pipeline sperren und zugleich betteln, dass durch die andere mehr fließen möge. Das ist unwürdig, widersprüchlich und nutzlos.“

    3. Klaus Ernst: Wir müssen wieder über Nord Stream 2 reden!
      Der Linke-Politiker und Vorsitzende des Energieausschusses im Deutschen Bundestag fordert angesichts der Gaspreise Verhandlungen mit Russland.
      Den kommenden Winter werden weder viele Bürger noch die Industrie schadlos überstehen. Die Inflation ist maßgeblich durch gestiegene Energiepreise verursacht. Schon jetzt fürchten nicht nur Menschen mit niedrigeren Einkommen an der Tankstelle oder im Supermarkt den Blick auf den Kassenzettel. Dabei ist die wirkliche Rechnung noch nicht präsentiert. Sie kommt mit der Jahresabrechnung der Energieversorger. Sparaufrufe der Regierung sind da reiner Zynismus. Vielen bleibt schon jetzt nichts anderes übrig.
      Die Energiesanktionen gegen Russland erweisen sich als schwerer Fehler! Es droht eine gewaltige Rezession. Im Energiebereich sind es vor allem die Sanktionen gegen Russland, die Ankündigung, ohne Rücksichtnahme auf Vereinbarung oder Verträge russische Energielieferungen zu verhindern, die einen Wirtschaftseinbruch bewirken. Es ist richtig, erneuerbare Energien so schnell wie möglich auszubauen, auch die Energieimporte zu diversifizieren, ist sinnvoll. Aber die Energieversorgung der größten Volkswirtschaft Europas mal aufs Spiel zu setzen ist Harakiri, schadet Bürgern und Industrie und hilft der Ukraine in keiner Weise.
      Quelle: Klaus Ernst in Berliner Zeitung
    4. Kubicki für Öffnung der Pipeline Nord Stream 2
      Zur Verbesserung der Gasversorgung hat sich FDP-Vize Wolfgang Kubicki für die Öffnung der Ostseepipeline Nord Stream 2 ausgesprochen. “Wir sollten Nord Stream 2 jetzt schleunigst öffnen, um unsere Gasspeicher für den Winter zu füllen”, sagte Kubicki dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). Es gebe “keinen vernünftigen Grund, Nord Stream 2 nicht zu öffnen”.
      Quelle 1: Handelsblatt
      Quelle 2: RND
    5. Sagenhafte Profite bei LNG: „Es ist eine unglaubliche Arbitrage“
      US-Unternehmen streichen 150 Millionen Dollar Gewinn pro Flüssiggas-Schiff ein. Die EU will jeden Preis überbieten. Am Ende zahlen die privaten Haushalte.
      Der Ankauf von US-amerikanischem Flüssiggas (LNG) ist extrem teuer für die europäischen Endkunden und wirft zugleich sagenhafte Profite für die Lieferanten ab.
      Das Problem für die deutschen Konsumenten: Die Preise für LNG werden weiter steigen. Die Europäische Union ist nach Einschätzung des Wirtschaftsmagazins Fortune gewillt, jeden Preis zu zahlen. Um die Energiekrise zu verhindern, werden die Preise im großen Stil an die privaten Haushalte und Unternehmen weitergereicht. Europa sei bereit, „die Heizkosten für alle Bürger weiter in die Höhe zu treiben, um die Versorgung mit Erdgas für den kommenden Winter zu sichern“, schreibt Fortune. Nach Angaben von namentlich nicht genannten EU-Beamten sei Europa bereit, für einen Tanker mit Flüssiggas jeden Weltmarktpreis zu überbieten. Bislang funktioniere der Plan, sich einen größeren Anteil am weltweiten Wettlauf um Flüssigerdgas zu sichern, indem man tief in die Tasche greift, so der Beamte. Die EU versucht mit dieser Taktik, alle anderen Interessenten am Weltmarkt auszustechen. Weil viele Länder vor allem in Asien nicht bei diesem Wettlauf mitmachen wollen, haben die EU-Staaten laut Fortune in den vergangenen Monaten 21 Milliarden Kubikmeter aus den globalen LNG-Beständen zugekauft.
      Quelle: Berliner Zeitung
  2. Soziale Not mit Ansage: Energiepreise treffen Rentner und Geringverdiener besonders hart
    Die Explosion der Energiepreise wird aus Expertensicht Rentner und Geringverdiener härter treffen als Erwerbslose und Sozialhilfebezieher. Denn bei letzteren übernimmt der Staat einen Großteil der Kosten, wie die Bundesagentur für Arbeit und der Deutsche Städtetag mitteilten.
    »Jeder dritte Haushalt in Deutschland hat kein nennenswertes Erspartes, auf das er in diesen Krisenzeiten zurückgreifen kann, um die höheren Kosten (…) abzudecken«, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in Berlin. »Sie sind es, die in dieser Krise doppelt hart getroffen sind: Sie erfahren persönlich eine drei- bis viermal höhere Inflation als Menschen mit hohen Einkommen, und sie haben keinerlei Absicherung.«
    So sieht das auch die Caritas: Höhere Heizkosten träfen Menschen weniger stark, die Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII beziehen, sagte ein Sprecher des bayerischen Landesverbands. Denn diese könnten die erhöhten Kosten beim Jobcenter oder Sozialamt geltend machen. Und diese würden in der Regel in tatsächlicher Höhe übernommen. Allerdings gilt dies nur bis zu einer »angemessenen« Obergrenze, deren Anpassung oft den gestiegenen Preisen hinterher hinkt.
    Bisher spüren viele Menschen den Anstieg der Energiekosten noch nicht in vollem Ausmaß. Das wird sich in den nächsten Monaten ändern.
    Quelle: junge Welt

    dazu: Armutsforscher Butterwegge: „Selbst Familien mit zwei Verdienern können nun in arge finanzielle Bedrängnis geraten“
    Der Armutsforscher Christoph Butterwegge sieht auch die Mittelschicht zunehmend von Armut bedroht. „Selbst Familien mit zwei Verdienern, die normale Berufe haben und bisher auch gut über die Runden gekommen sind, können nun in arge finanzielle Bedrängnis geraten und in die Armutszone abrutschen“, sagt er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ am Freitag. Das hänge von der weiteren Preisentwicklung und vom Haushaltseinkommen der jeweiligen Familie ab.
    Wenn sich die Gaspreise verdoppeln oder verdreifachen und die Gasumlage des Bundes noch oben draufkommt, habe das für Mittelschichtsfamilien eventuell zur Folge, dass der Jahresurlaub ausfällt, sagte Butterwegge. Möglicherweise müsse auch manche Mittelschichtsfamilie künftig die Hälfte ihres Einkommens für die Warmmiete ausgeben.
    Erneut kritisierte der Armutsforscher die Politik der Bundesregierung: „Fast 30 Milliarden Euro wurden für die bisherigen zwei Entlastungspakete ausgegeben. Bei den Armen und sozial Benachteiligten kommen davon höchstens zwei oder drei Milliarden Euro an.“ Vor allem Steuerentlastungen nützten jenen nichts, weil sie keine Einkommensteuer zahlen müssen.
    Quelle: Welt Online

    dazu auch: Inflation: Familien mit niedrigen Einkommen weiter am stärksten belastet – Steuererleichterungen helfen Ärmeren relativ wenig
    Die allgemeine Inflationsrate in Deutschland ist zuletzt zwar leicht auf 7,5 Prozent gesunken. Familien mit niedrigem Einkommen tragen aber mit 8,4 Prozent im Juli weiterhin eine deutlich überdurchschnittliche Belastung, während Singles mit hohem Einkommen im Vergleich verschiedener Haushaltstypen mit 6,4 Prozent die geringste Teuerungsrate aufweisen. Wenn demnächst die Inflation zusätzlichen Schub erhält, weil 9-Euro-Ticket und Tankrabatt auslaufen und die Gasumlage eingeführt wird, dürfte die soziale Schere bei den Belastungen sogar noch weiter aufgehen. Denn zusätzliche Preissteigerungen bei der Haushaltsenergie schlagen bei Haushalten mit niedrigeren Einkommen besonders stark durch. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung

    und: Armutsbetroffene in Energiekrise: Winter wird “eine absolute Katastrophe”
    Die steigenden Preise treffen Armutsbetroffene besonders hart. Wer jetzt bereits beim Einkaufen jeden Cent zweimal umdrehen muss, blickt mit Sorge in Richtung Herbst und Winter.
    Quelle: ZDF

  3. Kein Schiff wird kommen
    Das Getreideabkommen zwischen der Ukraine, Russland und der Türkei soll den Welthunger bekämpfen, bringt aber keine Schiffe in den Jemen, nach Äthiopien oder Somalia.
    Am 22. Juli 2022 wurde in Istanbul ein Getreideabkommen zwischen der Ukraine, Russland und der Türkei unter Vermittlung der Vereinten Nationen vereinbart. Es wurde im Beisein des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vom ukrainischen Minister für Infrastruktur, Oleksandr Kubrakov, dem russischen Verteidigungsminister Sergei Shoigu, dem türkischen Verteidigungsminister Halusi Akar und dem UN Generalsekretär Antonio Guterres unterzeichnet. Der Vertrag basiert auf der internationalen Vereinbarung über die Sicherheit der Meere aus dem Jahr 1974.
    International wurde das Abkommen begrüßt, weil man davon ausging, dass auf diese Weise eine drohende Hungerkatastrophe in vielen Entwicklungsländern gemildert oder abgewendet würde. Im Folgenden soll dargestellt und bewertet werden, ob mit diesem Abkommen tatsächlich humanitäre oder eher wirtschaftliche Ziele verfolgt werden.
    Quelle: Overton Magazin
  4. Trommeln für das „Weiter-so“
    Die Argumente der Militär-Unterstützung für die Ukraine leben von Überhöhung, Konfrontation, Diskreditierung und Illusion.
    Knapp ein halbes Jahr dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, und die De-facto-Konfliktparteien aus dem Westen sind bemüht, die grassierende Kriegslogik argumentativ zu stützen. Statt mögliche Alternativen zu einer militärischen Lösung aufzuzeigen, trommeln sie öffentlich für ein „Weiter-so!“. Die dabei angeführten Argumente sind schlecht und werden auch durch ständige Wiederholung nicht besser. Man kann sie in vier Cluster einteilen: Überhöhung, Wille zur Konfrontation, Diskreditierung und Illusion.
    Überhöhte Rahmensetzungen sollen die Bedeutung des Konflikts hervorheben und militärische Maßnahmen legitimieren. Dazu gehört die Aussage, der Ukraine-Krieg sei kein Regionalkonflikt, sondern Teil einer globalen Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Autoritarismus. Die Ukraine kämpfe auch für unsere Freiheit und Werte. Nach drei Jahrzehnten gescheiterter Versuche des militärisch grundierten Exports von Demokratie soll es nun um deren Verteidigung gehen. Zur Not bis zum letzten Ukrainer? Wenn westliche Demokratien gefährdet sind, dann eher von innen, wie etwa das Abdriften des NATO-Mitgliedsstaates Türkei in den Autoritarismus belegt.
    Quelle: der Freitag
  5. RBB-Skandal um Patricia Schlesinger: Gemach, verehrte Jagdgesellschaft
    Betrug, Untreue, Korruption? Gehen wir davon aus, dass ein Staat, der seinen Präsidenten wegen Annahme eines Bobbycars verfolgt, die Kraft haben wird, den »Fall Schlesinger« sach- und regelgerecht aufzuklären. […]
    Nun haben wir also einen insgesamt recht ansehnlichen Fall in Deutschland: ein bisschen unklar noch und gruselig, aber von erfreulicher, urlaubskompatibler, »Bild«-am-Strand-verträglicher Übersichtlichkeit, was man ja von Krieg, Gas, Corona, Cum-ex und so weiter nicht wirklich sagen kann. Und zudem von einer absolut unwiderstehlichen Framing-Verortung: Die-da-oben, moralspezialisierte Frau, Zwangsbeitrag, Doppelmoral, Staat, Gier, Luxus.
    Nun hören und lesen wir: »Jetzt ermittelt der Staatsanwalt.« Bei »Panorama« ist das der triumphale Schlusssatz einer richtig gut gelaufenen Schiffeversenken-Geschichte. Wir erwarten daher alsbald die ersten Berichte darüber, welche Strafe Frau Schlesinger »nun droht« (es handelt sich hierbei stets um die in jeweils irgendeinem Gesetz angedrohte Höchststrafe, die sowieso nie verhängt wird; klingt aber schon mal vielversprechend).
    Falls Sie, verehrte Leser, sich hier nun ein Gutachten zum Ausgang des Verfahrens erhoffen, muss ich Sie enttäuschen: Den Teufel werde ich tun. Ebenso wenig wie ich Beweise zu würdigen, Indizien, die wir nicht kennen, zu bewerten oder Sie, Damen und Herren rechtstreu Rechtsunterworfene, in einem Ihrer erträumten Vorwegurteile zu bestätigen oder zu widerlegen habe. Bei dieser Gelegenheit darf ich einmal wieder anmerken, dass diese Kolumne weder die Absicht noch die Aufgabe hat, über Schuld und Unschuld zu räsonieren. Der »Fall Schlesinger« bewegt sich derzeit im Bereich des (medienpolitischen) Skandals und der (strafrechtlichen) Verdachtsberichterstattung. Das ist ja auch genug.
    Quelle: Thomas Fischer in DER SPIEGEL

    dazu: Vorteilsnahme und Verschwendung: Die Massage ist die Message
    RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hat ihren Posten endgültig verloren. Am Montagabend wurde sie vom Rundfunkrat abberufen. Zum Verhängnis wurden ihr drei große V: Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verschwendung. Das meiste davon ist nicht strafbar – und vieles sogar üblich in ihren Kreisen. Ein gutes Beispiel ist der Dienstwagen mit „Massagesitzen“, der für so viel Aufregung sorgte. Dieser Luxus-Audi A 8 kostet regulär 145.000 Euro, aber der RBB bekam ihn sehr viel günstiger, wie das Magazin Business Insider recherchiert hat. Dank eines Rabattes von knapp 70 Prozent betrug die Leasinggebühr pro Monat nur ganze 457,21 Euro. Das ist ein Schnäppchen und selbst für den armen RBB mühelos zu stemmen.
    Pikant ist aber, wie dieser Rabatt bei Audi heißt: nämlich „Regierungspreis“. Systematisch sponsert die deutsche Autoindustrie die Luxusgefährte der MinisterInnen in Berlin und in den Ländern. Ganz harmlos heißt dies „Marketing“. Die Wahrheit ist viel härter: Es handelt sich um Lobbyismus. Die MinisterInnen sollen auf ihren eigenen Pobacken erleben, wie weich und sanft eine deutsche Luxuskarosse dahingleiten kann. Wer dieses sinnliche Erlebnis genossen hat, so hofft die Autoindustrie, wird niemals am staatlichen Dienstwagenprivileg rütteln, das die Konzerne indirekt mit Milliarden subventioniert.
    Doch über diesen frechen Lobbyismus namens „Regierungspreis“ wird bisher nicht diskutiert. Stattdessen gilt als Skandal, dass Schlesinger dieses Schnäppchen ebenfalls nutzte. Da verrutschen Kategorien.
    Quelle: taz

  6. Ukraine: Selenskyj und seine Regierung sind alles andere als stabil
    Für die Konsumenten und Konsumentinnen der westlichen Medien scheint es klar: Präsident Wolodymyr Selenskyj repräsentiert DIE Ukraine. Wer allerdings genauer hinschaut und auch die ukrainischsprachigen Informationen versteht, kommt zu einem ganz anderen Bild: Die politische und militärische Elite in Kiew ist bereits arg zerstritten. Gordon M. Hahn, ein US-amerikanischer Forscher für Terrorismus und Geostrategie im eurasischen Raum, ist so ein aufmerksamer Beobachter. Er registriert die gegenseitigen internen Attacken und Intrigen in Kiew aufs Genaueste. Globalbridge.ch hat seine auf seiner eigenen Website erschiene Analyse mit Bewiligung des Autors für die deutschsprachigen Leserinnen und Leser übersetzt.
    Quelle: Globalbridge

    dazu auch: Deutsche auf schwarzer Liste der Ukraine: Für Minister kein Thema bei Kiew-Besuch
    Vertreter der Bundesregierung haben bei einem Besuch der Ukraine jüngst davon abgesehen, gegenüber ihren Gesprächspartnern in Kiew eine schwarze Liste anzusprechen, auf der auch deutsche Wissenschaftler und Politiker als “Informationsterroristen” geführt werden. Das geht aus einer Stellungnahme der Bundesregierung hervor, die Telepolis exklusiv vorliegt.
    Besonders brisant: Die Aufstellung des “Zentrum für Desinformationsbekämpfung” (CCD) des Ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrates führt auch den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Rolf Mützenich, mit personenbezogenen Daten und Foto auf. Zwei SPD-Kabinettsmitglieder sahen dennoch keinen Anlass, die Liste und die Indizierung gegenüber den Verantwortlichen in Kiew zu thematisieren.
    Quelle: Telepolis

  7. Die zweite Front der Bundeswehr
    Die deutsche Luftwaffe verlegt zu zwei Großmanövern und mehreren kleineren Kriegsübungen 13 Militärflugzeuge für knapp zwei Monate in die Asien-Pazifik-Region. Bei der Maßnahme (Rapid Pacific 2022), die am Montag gestartet wurde, handelt es sich laut Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz um „mit Abstand die größte Verlegung seit Bestehen der Luftwaffe“. Die deutschen Militärjets beteiligen sich zunächst an den australischen Großmanövern Pitch Black (Luftwaffe) sowie Exercise Kakadu (Marine), bevor sie zu weiteren Übungen bzw. Militärbesuchen nach Singapur, Japan und Südkorea aufbrechen. Laut Gerhartz kann die Maßnahme durchaus als „Machtdemonstration“ („Show of Force“) eingestuft werden. Sie setzt die Asien-Pazifik-Fahrt der Fregatte Bayern (August 2021 bis Februar 2022) fort, der 2023 eine nächste Marineentsendung folgen soll. Im Gespräch ist eine Durchfahrt durch die Taiwanstraße, die das Potenzial hätte, den Konflikt mit China eskalieren zu lassen. Gerhartz legt Wert auf die Feststellung, die Luftwaffe sei in der Lage, parallel an der NATO-Ostflanke und in der Asien-Pazifik-Region zu operieren – gegen Russland und gegen China. […]
    Mit Rapid Pacific bzw. mit der erstmaligen Teilnahme an Pitch Black und an der Exercise Kakadu beginnt die Bundeswehr ihre Aktivitäten in der Asien-Pazifik-Region zu verstetigen. Im August vergangenen Jahres war die Fregatte Bayern zu einer ersten großen Asien-Pazifik-Fahrt aufgebrochen, von der sie im Februar dieses Jahres zurückkehrte. Für 2023 hat die deutsche Marine eine weitere Asien-Pazifik-Fahrt angekündigt; die Rede ist diesmal von der Entsendung zweier Kriegsschiffe, womöglich im Rahmen einer multinationalen Formation. Ende vergangenen Jahres teilte der damalige Marineinspekteur Kay-Achim Schönbach mit, er werde dafür die Fahrt durch die Taiwanstraße empfehlen. Dabei geriete die deutsche Marine in einen unmittelbaren Konflikt mit der Volksrepublik, die die Taiwanstraße als exklusiv chinesisches Gewässer begreift. Besonderen Wert legt die Bundeswehr bei ihren Asien-Pazifik-Aktivitäten auf eine intensive Militärkooperation mit denjenigen vier Staaten, die ihre Zusammenarbeit mit der NATO kontinuierlich ausbauen – mit Japan und Südkorea, Australien und Neuseeland. Damit verfestigt sich ein westlicher Militärblock rings um China im großen Machtkampf gegen die Volksrepublik.
    Quelle: German Foreign Policy
  8. Behinderungen der Kabul Luftbrücke durch das Auswärtige Amt: Wie die Evakuierungen aus Afghanistan scheiterten
    Warum scheiterte vor einem Jahr die erste Rettungsmission der Kabul Luftbrücke, obwohl das Auswärtige Amt sie zunächst unterstützte? Interne E-Mails zeigen das Chaos in der Behörde.
    Vor rund einem Jahr versuchte die „Kabul Luftbrücke“, einzulösen, was die deutsche Regierung nicht schaffte: Die private Initiative wollte Menschen auf Afghanistan evakuieren, die durch die Machtübernahme der Taliban waren und weiterhin sind.
    Zunächst versprach der damalige Außenminister Heiko Maas Unterstützung. Letztlich aber verhinderte das Auswärtige Amt zusammen mit dem Innenministerium, das das erste Charter-Flugzeug der Initiative viele Menschen außer Landes bringen konnte, die auf deutschen Evakuierungslisten gestanden hatten.
    Der Spiegel hat jetzt interne E-Mails des Auswärtigen Amts ausgewertet, die wir per Informationsfreiheitsgesetz erhalten haben und jetzt veröffentlichen. Sie zeigen das interne Chaos in der Behörde und die schwindende Unterstützung für die „Kabul Luftbrücke“.
    Das Auswärtige Amt hat neun Monate gebraucht, um unsere Anfrage zu bearbeiten. Nach dem Gesetz vorgesehen ist eine Bearbeitungsfrist von einem Monat.
    Quelle: Frag den Staat
  9. Erbschaftsteuer: Nicht für Superreiche
    Die Erbschafts- und Schenkungssteuerstatistik für das Jahr 2021 ist erschienen. Abermals wird deutlich: Die Erbschaftssteuerreform 2016 hat den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllt, die weitreichenden Privilegien für superreiche Unternehmenserben einzudämmen. Das ist eine Gefahr für die Demokratie.
    Immer wieder wurden in der Vergangenheit die Ausnahmen für Betriebsvermögen bei der Erbschaftssteuer als zu weitreichend und damit für verfassungswidrig erklärt. In Folge wirksamer Lobbyarbeit hat der Gesetzgeber in Reaktion auf die Gerichtsurteile allerdings nur Schönheitskorrekturen am Gesetz vorgenommen und teilweise sogar neue Privilegien und Umgehungsmöglichkeiten für Superreiche geschaffen. Wenige Jahre nach der Reform 2016, da nun zunehmend Fälle nach neuem Recht veranlagt werden und zudem die Effekte der vorgezogenen Schenkungen abklingen, schlägt sich das auch immer deutlicher in der Erbschafts- und Schenkungssteuerstatistik (EUS) nieder.
    Zwar werden in Deutschland jährlich aktuell rund 400 Milliarden Euro vererbt und verschenkt, im Jahr 2021 wurden davon aber nur knapp 118 Milliarden Euro Vermögen (2020: 84 Milliarden) von Finanzämtern veranlagt. Grund dafür, dass fast zwei Drittel des gesamten Transfervolumens nicht erfasst werden, sind zunächst die hohen persönlichen Freibeträge zwischen engen Verwandten, die sich alle 10 Jahre erneuern (500.000 Euro bei Ehepartnern/Lebenspartnern und 400.000 Euro bei Kindern). Denn es werden nur Erwerbe vom Finanzamt und damit in der Statistik erfasst, die über den Freibeträgen liegen. Zudem werden auch nicht alle Vermögensübertragungen oberhalb des Freibetrags dem Finanzamt gemeldet.
    Insgesamt wurden im Jahr 2021 11 Milliarden Euro Steuern festgesetzt. Der durchschnittliche Steuersatz liegt damit bei knapp 9,4 Prozent im Vorjahr waren es 10,1 Prozent. Setzt man das Steueraufkommen ins Verhältnis zum geschätzten gesamten Transfervolumen von 400 Milliarden Euro, fallen auf Erbschaften und Schenkungen gerade einmal 2,7 Prozent Steuern an – auf ein mittleres Arbeitseinkommen von 50.000 Euro jährlich hingegen über 23 Prozent.
    Quelle: Netzwerk Steuergerechtigkeit
  10. Medizinstatistiker übt heftige Kritik: „Lauterbachs Aussagen können fundamental nicht stimmen“
    Seit Beginn der Pandemie postet Karl Lauterbach munter Studie für Studie auf Twitter. Nicht selten werden seine Interpretationen dazu zitiert und als Fakten angesehen. Genau das kritisieren jetzt internationale Experten.
    „SPD Bundestagsabgeordneter, Bundesgesundheitsminister, der hier selbst und privat tweetet.“ Mit diesen Worten beschreibt sich Karl Lauterbach selbst in seinem Twitterprofil. So ganz „privat“ ist allerdings nicht, was er dort von sich gibt. Denn in seiner Position als Gesundheitsminister hat Lauterbach durchaus Verantwortung – auch für alles, was er „selbst und privat“ auf seinem Twitterprofil mit der ganzen Welt teilt. Viele Menschen in Deutschland zählen auf ihn, auf seine Meinung und auf seine Einschätzung.
    Das bedeutet also:
    Postet Karl Lauterbach als „Bundestagsabgeordneter, Bundesgesundheitsminister“ neue Studien auf seinem Profil, dann sollten diese fundiert sein. Und das bedeutet auch: Wenn er diese selbst gar nicht richtig gelesen hat, dann sollte er sie vielleicht gar nicht erst posten. Vor allem aber bedeutet das: Wenn die Studie weder fundiert ist, noch richtig gelesen wurde, dann sollte er daraus keine, für ganz Deutschland geltenden Maßnahmen ableiten. Genau das scheint Karl Lauterbach nach Einschätzung von internationalen Experten aber zu tun. Und das kritisieren diese nun.
    Quelle: Focus Online


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