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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 9. Oktober 2022 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Saudi-Arabien düpiert die Ampel: Die Bundesregierung lässt sich kraft- und machtlos vorführen
  2. „Doppelwumms” mit Folgen
  3. Die Ampel-Politik droht Land und Leute zu ruinieren
  4. Something’s gone wrong – oder was ist die „eigentliche Ursache der Inflation“?
  5. Nord Stream: Sabotage von Verhandlungen oder Putsch der Neocons?
  6. Klimaziel gekillt: RWE-Deal zum Kohleausstieg
  7. Was ein Sieg der Ukraine für die USA und ihre Alliierten in Europa bedeuten würde
  8. US-Geheimdienste: Ukraine hat Anschlag auf „Kriegspropagandistin“ Dugina verübt
  9. Berlin bereitet den Boden: Rechtsruck in Italien. Gastkommentar.
  10. Erst das Fressen, dann die Moral

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Saudi-Arabien düpiert die Ampel: Die Bundesregierung lässt sich kraft- und machtlos vorführen
    Olaf Scholz bat Riad um Hilfe bei der Energie. Waffenlieferungen wurden genehmigt. Nun drosselt die Opec die Öl-Fördermengen. Putin freut sich.
    Am Nasenring durch die Manege: Selten zuvor ließ sich eine deutsche Regierung kraft- und machtloser vorführen als in diesen Tagen. In Abwandlung eines Zitates von Wilhelm Busch kann ihr Zustand so charakterisiert werden: Ohne Hören, ohne Sehen stehen Scholz und Habeck da; und sie fragen, was geschehen, und warum ihnen das geschah. Es geht um die Energiekrise, den nahenden Winter, die Inflation und die Sanktionen gegen Russland.
    Eine Schlüsselrolle in der Bewältigungsstrategie der sich auftürmenden Probleme spielt Saudi-Arabien. Das ist unangenehm. Im Königreich gibt es Massenexekutionen und Enthauptungen, Ehebrecherinnen werden gesteinigt, Homosexuelle gehängt.
    Die erzkonservative Klerikaldiktatur rangiert auf dem Freedom-Hose-Index als „worst of the worst“ hinter dem Iran. Nach dem Mord an dem saudisch-amerikanischen Journalisten Jamal Khashoggi waren deutsche Rüstungslieferungen vor vier Jahren ausgesetzt worden.
    Nun wurden sie wieder genehmigt. Vor einer Woche stimmte die Ampelkoalition, unter Berufung auf eine Ausnahmeregelung, dem Export von Ausrüstung und Munition für Kampfjets zu. Kurz zuvor war der Bundeskanzler in Riad zu Gast bei Thronfolger Mohammed bin Salman. Inständig warb er darum, dass die Öl-Führungsmacht alles tut, damit die Weltmarktpreise nicht weiter steigen. Hätte die Bittstellerei Erfolg gehabt, wäre sie womöglich als weiteres Stück dreckiger Realpolitik durchgegangen.
    Doch was war der Dank? Unter Führung von Saudi-Arabien und Russland beschlossen am Mittwoch die Mitglieder der Gruppe Opec-Plus eine drastische Kürzung ihrer Ölförderung. Just zu Beginn der kalten Jahreszeit werden die Preise folglich weiter steigen, was Wladimir Putins Kriegskasse weiter füllt.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung unserer Leserin E.M.: Düpierung ist neben Nichtbeachtung und Spott die schmerzhafteste Form der Kritik. Das kommt davon, wenn Die Ampel keine respektablen Persönlichkeiten mit Rückgrat und Haltung hat. Willy Brandt und Helmut Kohl wären nie so düpiert worden. Aber wer bringt Bücklingen wie Robert Habeck noch Respekt entgegen?

    dazu auch: Noch mehr Sanktionen
    EU will Russland zum Verschleudern seines Erdöls zwingen. US-Regierung »enttäuscht« und empört über Fördersenkung der »OPEC plus«. […]
    Mit den neuen Sanktionenen beginne auch die Umsetzung einer Vereinbarung der G7 über die Regulierung der russischen Erdölexporte, heißt es in der Erklärung der EU-Kommission selbstherrlich. Die sieben größten Industriestaaten des Westens – USA, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada – hatten am 2. September eine sehr allgemein formulierte Absichtserklärung über die Einführung eines »Preisdeckels« für den Handel mit russischem Erdöl veröffentlicht. Ziel ist, Russland dazu zu zwingen, sein Erdöl weit unterhalb der Weltmarktpreise zu verkaufen. Das entscheidende Instrument soll nach dem Willen der G7 erheblicher Druck auf die europäischen Schiffsversicherer sein, die in diesem Sektor mit angeblich 95 Prozent ein Weltmonopol haben. Ihnen soll verboten bleiben – eine entsprechende Entscheidung erging schon früher –, russische Überseetransporte von Erdöl zu versichern, sofern der Preis pro Barrel nicht unterhalb einer erst noch zu beschließenden Höchstgrenze bleibt. Wie das funktionieren soll, ist nach wie vor ungeklärt.
    Quelle: junge Welt

  2. „Doppelwumms” mit Folgen
    Das 200 Milliarden Euro schwere Berliner Entlastungspaket („Doppelwumms“) stößt in zahlreichen EU-Staaten auf ernsten Protest. Ursache ist, dass Berlin – alle Hilfsprogramme zusammengenommen – nun eine Summe in Höhe von 8,3 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung zur Unterstützung nicht nur von Privathaushalten, sondern vor allem auch der Industrie aufbringen will. Das ist beträchtlich mehr, als alle anderen EU-Staaten locker machen können. Frankreich oder Spanien etwa planen Entlastungspakete im Wert von nur 2,9 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts. Damit läuft die Berliner Maßnahme darauf hinaus, der deutschen Industrie spürbare Vorteile gegenüber der Konkurrenz aus anderen EU-Staaten zu verschaffen. Unmut wird besonders aus Frankreich, Italien und Spanien laut. „Die Reichen helfen ihren Firmen mit enormen Summen, während die Armen dies nicht tun können“, kritisiert Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Forderungen nach einem schuldenfinanzierten EU-Entlastungspaket werden laut – auch, um die sich bereits abzeichnende Abwanderung von Unternehmen in die Vereinigten Staaten zu verhindern.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: Wirtschaftskrieg stoppen!
    Die Regierungspolitik ist eine einzige Katastrophe. Die Existenzangst von Millionen Menschen wegen der explodierenden Energiekosten hat die Ampel bisher ignoriert. Der personifizierte Gipfel der Unfähigkeit ist momentan Wirtschaftsminister Robert Habeck. Noch vor zehn Tagen verteidigte er seine unsoziale Gasumlage, die die bereits gebeutelten Gaskunden noch stärker belastet hätte. Aufgeregt schnauzte er die Opposition im Bundestag an, dass ihr nichts Besseres einfiele als »Die Gasumlage muss weg!« zu rufen. Eine Woche später wurde die Gasumlage von der Ampel begraben – ganze zwei Tage vor ihrer Einführung. Habeck meint, die Gasumlage werde dennoch in »die Annalen der Geschichte eingehen«.
    Schlimmer als solche peinlichen Statements ist, dass die Ampel selbst jetzt keinen konkreten Vorschlag zur Entlastung vorzuweisen hat, während überall unbezahlbare Abschlagsrechnungen ins Haus flattern. Zwar ließ die Bundesregierung verlautbaren, sie hätte sich intern auf eine Lösung verständigt. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich aber zunächst nur um einen alternativen Finanzierungsvorschlag zur Gasumlage, um Energiekonzerne zu stützen. Dazu soll der Wirtschaftsstabilisierungsfonds Kredite in Höhe von bis zu 200 Milliarden Euro aufnehmen können – also nach dem »Sondervermögen« für die Aufrüstung ein weiterer Schattenhaushalt. Auch die ominöse Energiepreisbremse soll darüber finanziert werden. Aber das Doppelwumms-Gefasel von Scholz kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbst nach Beginn der Heizsaison die Menschen nicht wissen, in welchem Umfang ihnen geholfen wird. Denn über die konkrete Ausgestaltung brütet noch eine Arbeitsgruppe – ihr Bericht soll erst Mitte Oktober vorliegen. Soviel Gestümper war selten.
    ung. Gegen das soziale und friedenspolitische Totalversagen der Ampel braucht es Protest!
    Quelle: Sahra Wagenknecht in junge Welt

  3. Die Ampel-Politik droht Land und Leute zu ruinieren
    Die Ampel hat auf die Krisen unserer Zeit keine Antwort. Während ein paar wenige riesige Gewinne machen, sieht sie tatenlos zu, wie Millionen sozial abrutschen. Wir brauchen den Protest von links
    Ein Jahr nach der Bundestagswahl steht Deutschland vor der schwersten Krise der Nachkriegszeit. Millionen Bürger und hunderttausende Unternehmen bekommen Horrorrechnungen ins Haus. Die Politik der Ampel-Koalition hat die Probleme nicht gelindert, sie hat sie vielfach verschärft. […]
    Superlative haben eine kurze Halbwertzeit. Kaum ist die Pandemie halbwegs eingedämmt, überfällt Russland brutal sein Nachbarland. Unentschuldbar! Jetzt rollt eine 10-Prozent-Inflationslawine über Deutschland. Die Verlierer der Unbezahlbarkeit des Lebens sitzen in diesen Tagen in kalten Wohnzimmern und erleben im Fernsehen den Zuchtmeister der Republik, den Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller, der täglich vor normalem Gasverbrauch der Privathaushalte warnt. Die Bürger stehen mit zerknautschten Gesichtern an den Supermarktkassen und fühlen sich zu Recht geschröpft an den Zapfsäulen, die wie ausgestreckte Mittelfinger in der Landschaft stehen. Kinder- und Altersarmut haben bereits vor diesem Winter neue Rekorde geknackt. Es trifft Alleinerziehende, Arbeiter, Familien, Rentner – es trifft die ganz normalen Leute, die nicht wissen, wie sie die nächsten Monate überstehen und die teilweise selbstzufriedene Abgehobenheit der Ampel-Regierung länger ertragen sollen. Denn eines ist längst klar: Der Krisenzenit ist noch nicht einmal erreicht. […]
    Keine Sanktionen gegen die Türkei für den Krieg gegen die Kurden, kein Wimpernzucken bei westlichen Angriffskriegen im Nahen Osten, Hofknicks in Saudi-Arabien, Kotau in Qatar, aber keine Energie mehr aus Russland. Das ist eine unerträgliche Doppelmoral, gegen die immer mehr Bürger auf die Straße gehen oder innerlich resignieren.
    Prall gefüllte Taschen in Riad und Houston und leere Portemonnaies von Dortmund bis Dresden.
    Quelle: der Freitag
  4. Something’s gone wrong – oder was ist die „eigentliche Ursache der Inflation“?
    Am 21. September habe ich an einer Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages teilgenommen, bei dem es um die Frage ging, wer die Verantwortung für die hohen derzeit gemessene Preissteigerungsraten zu übernehmen hat. Der Bundestag selbst resümiert diese Anhörung unter dem Titel „Verantwortung der EZB für Inflation umstritten“ (hier zu finden). Das ist eine missverständliche Ansprache. Unter den gegenwärtigen institutionellen Gegebenheiten ist es vollkommen unstrittig, dass die EZB die politische Verantwortung zu übernehmen hat, aber das bedeutet absolut nicht, dass die EZB die Preissteigerungen verursacht hat und es bedeutet auch nicht, dass sie diese mit Zinserhöhungen bekämpfen muss.
    Das sei aber eine spitzfindige Unterscheidung von mir, werden manche Beobachter sagen, weil die Verantwortung nun einmal bedeute, dass man gegen die Verletzung des eigenen Ziels vorgehe und genau das tue die EZB derzeit mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Folglich könne man sich diese Unterscheidung auch sparen. Wenn das so wäre, würde es jedoch nur bedeuten, dass die einseitige Zuweisung der Verantwortung für Preisstabilität an die Notenbank, die in vielen westlichen Ländern seit einigen Jahrzehnten für richtig gehalten wird, fundamental falsch ist.
    Quelle: Relevante Ökonomik
  5. Nord Stream: Sabotage von Verhandlungen oder Putsch der Neocons?
    Die Reaktionen auf die Anschläge auf Nord Stream 2 sind wirklich ungewöhnlich. Nur um den Vergleichsmaßstab in Erinnerung zu rufen – beim Beschuss des Kernkraftwerks Energodar hieß es sofort, das seien “die Russen” gewesen; dieses Muster zieht sich im Grunde durch bis ins Jahr 2014. In der Regel genügt ein Verweis auf nicht benannte “gut informierte Quellen”, und die Schuldzuweisung ist klar, quer durch die gesamte westliche Medienlandschaft. (…)
    Interessant sind zwei Theorien, die mögliche weitere Hintergründe liefern, und die auf The Duran ausführlich diskutiert wurden. Die erste besagt, dass es Versuche zu Verhandlungen gegeben habe, vermittelt von Saudi-Arabien, aber ohne Beteiligung der US-Amerikaner. Grundlage sind zwei Indizien – der Gefangenenaustausch, der von den Saudis vermittelt wurde, der aber für sich genommen für Russland politisch durchaus heikel war (insbesondere wegen der freigelassenen Asow-Kommandeure) und daher eigentlich nur Sinn ergibt, wenn es um mehr als nur einen solchen Austausch ging, und der überaus freundliche Empfang für Olaf Scholz bei seinem Besuch in Riad. Dabei muss man bedenken, dass der US-Regierung in den vergangenen Monaten in Saudi-Arabien eher die kalte Schulter gezeigt wurde, und dass, wenn man sich an unterschiedliche Bilder von dort erinnert, sehr genau darauf geachtet wird, welche Botschaft die Art des Empfangs aussendet (man denke nur an Bundesaußenminister Robert Habeck in Katar).
    Die Gerüchte, die man natürlich mit der Vorsicht betrachten muss, die solchen Gerüchten zukommt, besagen, dass diese Verhandlungen auf eine Akzeptanz des Status quo durch die Ukraine hinausliefen, woraufhin die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden könnten. Der Anschlag auf Nord Stream habe stattgefunden, um diese Verhandlungen zu sabotieren, indem das Hauptziel von europäischer Seite, die Wiederherstellung der Energieversorgung, unerreichbar gemacht werde.
    Quelle: Dagmar Henn in RT DE

    dazu auch: Die Vereinigten Staaten erklären Russland, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich den Krieg
    Während die internationale Presse die Sabotage der Nord Stream-Gaspipelines wie eine Lokalnachricht behandelt, analysieren wir sie als Kriegshandlung gegen Deutschland, die Niederlande und Frankreich. Tatsächlich wurden die drei Gasversorgungsleitungen für Westeuropäer gerade gleichzeitig gekappt, während, auch im gleichen Zug, eine neue Gaspipeline für Polen eingeweiht wurde.
    So wie Michail Gorbatschow die Katastrophe von Tschernobyl als den unvermeidlichen Zerfall der UdSSR angesehen hatte, so glauben wir ebenfalls, dass die Sabotage der Nord-Stream-Gaspipelines den Beginn des wirtschaftlichen Niedergangs der Union markiert.
    Der Kampf der Vereinigten Staaten zur Aufrechterhaltung ihrer globalen Hegemonie ist in seine dritte Phase eingetreten.
    Nach der Osterweiterung der NATO unter Verletzung westlicher Verpflichtungen zur Nichterrichtung von US-Waffensystemen in Mitteleuropa, ist Russland, das seine riesigen Grenzen nicht verteidigen kann, direkt bedroht. […]
    Die dritte Runde ist nun der autoritäre Wandel in der Energieversorgung von West- und Mitteleuropa. Am selben Tag, an dem die Baltic Pipeline in Betrieb genommen wurde, wurden die beiden Nord Stream-Pipelines außer Betrieb gesetzt, während die Wartung von Turkish Stream unterbrochen wurde.
    Dies ist die größte Sabotage der Geschichte. Ein Kriegsakt sowohl gegen Russland (51%), als auch gegen Deutschland (30%), Miteigentümer dieser kolossalen Investitionen, aber auch gegen ihre Partner, Holland (9%) und Frankreich 9%). Bis jetzt hat keines der Opfer reagiert.
    Quelle: Voltairenet

    und: ZDF-Faktenchecker am Limit: Warum man keinesfalls mutmaßen darf, die USA könnten es gewesen sein
    Das ZDF setzt sich mit der These auseinander, die USA könnten für die Sabotage der Gaspipelines Nordstream 1 und 2 von Russland nach Deutschland verantwortlich sein. Weil es angesichts der Informations- und Indizienlage sehr schwer ist, das auszuschließen, geht der Sender bis an die Grenze dessen, was man mit faulen stilistischen und psychologischen Tricks erreichen kann.
    Zu den wichtigsten Tricks von Faktencheckern, die es als ihre Aufgabe ansehen, unbequeme Thesen oder Informationen zu diskreditieren, gehört es, eine Aussage so zu verzerren, dass man sie leichter abbügeln kann. Und so heißt es schon in der Dachzeile des ZDF-Beitrags unpassender Weise „Gerüchte zur Nord-Stream Sabotage“. Es geht aber, abgesehen vielleicht von unwichtigen Randmeinungen, nicht um Gerüchte, sondern um die These, dass die Fokussierung auf die russische Regierung als mögliche Täterin unangemessen ist, weil eine Täterschaft der USA mindestens ebenso plausibel ist, wenn nicht plausibler. Das ist kein Gerücht, sondern eine Einschätzung.
    Quelle: Norbert Häring

  6. Klimaziel gekillt: RWE-Deal zum Kohleausstieg
    Der zwischen der Ampelregierung und dem Energiekonzern RWE geschlossene »Kompromiss« zum Kohleausstieg wurde am Donnerstag von Umweltaktivisten und -verbänden heftig kritisiert, und das völlig zu Recht. Denn das, was Wirtschaftsminister Habeck als einen »guten Tag für den Klimaschutz« bezeichnet, ist in Wahrheit eine klimapolitische Bankrotterklärung der BRD.
    Konkret sieht die Einigung vor, dass RWE den Kohleausstieg auf das Jahr 2030 vorzieht und dafür das Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier abbaggern darf. Zudem sollen zwei Kraftwerke, die bis Ende des Jahres abgeschaltet werden sollten, nun bis Ende März 2024 weiterlaufen. Warum das ein dreckiger Deal ist? Die Grünen behaupten, sie hätten dadurch erreicht, dass der Kohleausstieg in NRW um acht Jahre vorgezogen würde. Doch Fakt ist: Nur der Braunkohleausstieg wird vorgezogen, Steinkohle wird nach 2030 weiter verbrannt. Außerdem sollten die meisten Kraftwerke in der Region sowieso spätestens 2029 vom Netz gehen. Nur ein winziger Teil der Anlagen wird also tatsächlich früher abgeschaltet als ursprünglich geplant. Die Jubelmeldungen von Habeck und Co., man habe den Kohleausstieg in NRW beschleunigt, sind folglich nichts als eine Farce.
    Quelle: junge Welt
  7. Was ein Sieg der Ukraine für die USA und ihre Alliierten in Europa bedeuten würde
    Nach sieben Monaten Krieg sieht es sehr danach aus, dass der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin sein im Februar formuliertes Kriegsziel, eine entscheidende Schwächung Russlands, bereits als erreicht sehen kann. Als ehemaliger General und Direktor einer der fünf größten Waffenschmieden der USA sollte er dazu ausreichende Informationen haben. Schließlich liefert sein Land der Ukraine auch zeitnah die nötigen Geheimdienst-Informationen über den Aggressor und dazu die Präzisionswaffen, denen die Russen technisch nicht gewachsen sind. Die Treffsicherheit und leichte Handhabung der Super-Panzerfaust Javelin , hat offenbar Tausende von russischen Panzern und Transportfahrzeugen ausgeschaltet. Man fragt sich, warum die russische Armee die Gefahr nicht erkannt hat, denn die Javelins, eine Co-Produktion von Lockheed-Martin und Lloyd Austins ehemaliger Firma Raytheon, sind schon seit etlichen Jahren im Einsatz, auch im Irak und in Afghanistan. Die Erfolge der Ukraine und die ersten Niederlagen für die russische Armee gehen somit weitgehend auf die Waffenlieferungen und Ausbildungshilfe der USA zurück, wohl deutlich weniger auf Waffenlieferungen aus Deutschland, deren Bedeutung in der Diskussion bei uns und in den Forderungen von Selensky, Melnyk und Klitschko überbewertet erscheint, vermutlich weil sie auf beiden Seiten auch als innenpolitische Treiber dienen.
    Quelle: tabularasa

    dazu auch: Die Ukraine stellt die Nato bloß
    Die Ukraine will nun doch wieder in die Nato, und zwar möglichst schnell. Interessant ist die Begründung – sie stellt das Bündnis bloß.
    Präsident Selenskyj sagte, die Ukraine habe de facto “bereits Kompatibilität mit Standards der Allianz bewiesen. Sie sind für die Ukraine real – real auf dem Schlachtfeld und in allen Aspekten unserer Interaktion. Wir vertrauen uns gegenseitig, wir helfen uns gegenseitig, und wir beschützen uns gegenseitig. Das ist die Allianz.“
    Damit sagt Selenskyj ganz unverblümt, dass die Nato “real” in der Ukraine aktiv ist, und dass die Ukraine nach Nato-Standards kämpft. Er räumt mit dem Versteckspiel von Nato-Generalsekretär Stoltenberg auf, der immer noch so tut, als sei die Atlantische Allianz keine Kriegspartei und als stünde ein Beitritt nicht zur Debatte.
    Quelle: Lost in Europe

  8. US-Geheimdienste: Ukraine hat Anschlag auf „Kriegspropagandistin“ Dugina verübt
    Nach Russland macht nun auch die USA die Ukraine für das Attentat auf die Tochter des Kreml-Propagandisten Alexander Dugin verantwortlich. Wie die New York Times am Mittwoch berichtete, glauben US-Geheimdienste, dass Teile der ukrainischen Regierung den Autobombenanschlag in der Nähe von Moskau genehmigt haben. Dabei wurde im August die bekannte Kriegsunterstützerin Darja Dugina getötet.
    Dem Bericht zufolge waren die Vereinigten Staaten an dem Anschlag nicht beteiligt, weder durch die Bereitstellung von Geheimdienstinformationen noch durch andere Unterstützung. US-Beamte sagten der New York Times, sie hätten von der Operation nichts gewusst und wären gegen die Tötung gewesen. Im Nachhinein hätten amerikanische Beamte ukrainische Beamte wegen des Attentats für das Vorgehen ermahnt, hieß es.
    Nach Einschätzung der US-Regierung trage die Ukraine eine große Mitschuld. Dabei hatte das von Russland angegriffene Land unmittelbar nach dem Anschlag eine Beteiligung an dem Mordanschlag vehement bestritten. Hochrangige Beamte hätten dieses Dementi wiederholt bestritten, als sie von den USA nach ihrer Meinung gefragt wurden.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu: U.S. Believes Ukrainians Were Behind an Assassination in Russia
    American officials said they were not aware of the plan ahead of time for the attack that killed Daria Dugina and that they had admonished Ukraine over it. […]
    Quelle: New York Times

  9. Berlin bereitet den Boden: Rechtsruck in Italien. Gastkommentar.
    Heiner Flassbeck ist Volkswirt und Publizist. Er arbeitete u. a. als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und als Chefvolkswirt der UNCTAD
    Die italienische Wahl vom 25. September, über deren Ergebnis viele scheinbar schockiert sind, reiht sich nahtlos ein in eine Serie von Wahlen, bei denen die Bürger ihre Frustration über die wirtschaftliche Lage im Allgemeinen und die Rolle der EU im Besonderen zum Ausdruck bringen. Erstaunlich ist nur, dass man in Deutschland nach jedem dieser Ereignisse so tut, als sei man erstaunt – bevor man wieder zur Tagesordnung übergeht. Auf den Gedanken, auch die Bundesregierung könne ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Frustration in weiten Teilen Europas so gewaltig ist, kann und will selbstverständlich niemand kommen. Berlin macht immer alles richtig, und wenn man Deutschland etwas vorwerfen kann, dann nur, dass es sich zu sehr zurücknimmt, statt die ihm eigentlich zukommende »Führungsrolle« in Europa zu übernehmen. Die EU-Kommission profiliert sich gern als harter Kämpfer für die »europäischen Werte und Gesetze«, wenn es um relativ kleine mittel- und osteuropäische Länder und deren relativ kleine Verfehlungen geht. Die für Europas Schicksal entscheidende Verfehlung Deutschlands (und der Niederlande), die in den fortwährend viel zu großen Leistungsbilanzüberschüssen dieser beiden Nordländer zum Ausdruck kommt, ist ihr hingegen nicht die Rede wert.
    Quelle: Heiner Flassbeck in junge Welt
  10. Erst das Fressen, dann die Moral
    Wenn das progressive Lager etwas bewirken will, darf es nicht erwarten, dass jede*r schon jetzt auf der richtigen Seite steht. Deshalb: Die Angst vor Widersprüchen muss abgelegt werden – Plädoyer für einen heißen Herbst ohne Scheuklappen (…)
    Jedes Thema, das auch die Bösen ansprechen, anzusprechen, gilt dann selbst als böse, jeder Satz ist tabu, den jemand böse meinen könnte, wenn man ihn nur konsequent „weiterdenkt“: Achtung: Querfront, hört man dann. Klingt Sahra Wagenknecht nicht schon wie Alice Weidel? Doch was als politische Wachsamkeit daherkommt, kann schnell in eine weltfremde Reinheitsidee abrutschen. Wer in einer Lage wie der, die zu kommen scheint, zuerst auf die Abgrenzung gegenüber „falschem“ Protest schaut, hat kapituliert.
    Noch einmal: Gut möglich, dass demnächst erhebliche Teile eher unpolitischer Milieus vom Zorn auf die Regierung gepackt werden, die die Folgen des Wirtschaftskriegs unterschätzt hat. Diese Wut wird in Formen auftreten, die zunächst schwer nach „rechts“und „links“ zu sortieren sind. Gewiss lauert auch die AfD schon auf politischen Profit. Doch hat auch sie hier nicht per se ein Heimspiel: Preisproteste, deren Ursache sich nicht „Migranten“ zuschieben lässt, sind für die Weidels nicht unproblematisch. Zudem wird sich die Regierung durch eine Art patriotische Mobilisierung verteidigen – aus der auszuscheren nun wirklich nicht der rechten DNA entspricht. So grenzt die linke Abgrenzeritis an Defätismus: Hat man denn so wenig Vertrauen ins eigene Argument – zu dem auch der Verweis auf Grenzen des Kriegsbeitrags zählen kann?
    Eine merkwürdige Angst vor dem Widersprüchlichen bremst dergestalt den Widerspruch. Die Linke von heute fürchtet das Handgemenge, in das die Frage nach dem Fressen oft mündet. Der tief sitzende Grund heißt – Neoliberalismus: Zwar weist man den als politische Agenda zurück. Seinen Modus Operandi hat man hingegen übernommen: Den Imperativ permanenter Selbstoptimierung konterkariert die heutige Linke nicht. Sie verschiebt ihn bloß auf das Feld politischer Moral.
    Es ist nicht leicht, dermaßen eingeschliffene Reflexe zu kontrollieren – schon gar nicht in einer Situation politischer Beschleunigung, wie sie der Herbst womöglich bringt. Vielleicht hilft die Besinnung auf Brechts Bonmot: Es fordert ja nicht auf, sich zwischen Fressen und Moral zu entscheiden, sondern die Dialektik dazwischen wirksam zu machen. Was das positiv bedeutet, kann nur die Praxis zeigen – die Alternative aber heißt Untergang.
    Quelle: der Freitag


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