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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 5. März 2023 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Sehnsucht nach Stahlgewittern
  2. Der Frieden muss vernichtet werden
  3. Peking ergreift die Initiative im Ukraine-Konflikt
  4. For years, Putin didn’t invade Ukraine. What made him finally snap in 2022?
  5. Die USA wollen Asien in Zukunft priorisieren
  6. EU-finanzierte Studie: Der Westen hat politisch den Anschluss an den Rest der Welt verloren
  7. Öl-Preisdeckel: Russland verkauft erheblich teurer, Reeder umgehen Sanktionen
  8. Das Versagen von Wissenschaft und Ethik
  9. Wie der ARD-Faktenfinder Realität im Nachrichtentext bewertet
  10. Der Journalismus verleugnet sich selbst

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Sehnsucht nach Stahlgewittern
    Bei Sascha Lobo liest sich diese Sehnsucht nach Frieden so, das ist nur die Einstimmung für seine längliche Tirade: „Eine deutsche Querfront verlangt von der Ukraine, sich mit ihren Mördern und Vergewaltigern zu arrangieren. Dahinter stecken Selbstbesoffenheit und Egoismus.“
    Menschen kann man ermorden und vergewaltigen – aber ein Land? Egal. Wenn der Eifer zum Geifer wird, verrutscht schon mal was. Dass in diesem Manifest mit keinem Wort verlangt wird, sich mit dem Aggressor zu arrangieren, sondern gefordert wird (was sinnvoll ist, um weiteres Leid zu verhindern), zu verhandeln, nach Kompromissen zu suchen – ganz egal.
    Ich schreibe diese Sätze und frage mich, ob es einen Wert hat, sich ernsthaft mit jemandem zu beschäftigen, der es schafft, in einem einzigen Satz diese Stigmatisierungs-Worte aneinanderzureihen: „Vulgärpazifisten, Rechts- oder Linksnationalisten, Putin-Fans, Russland-Romantiker, Illiberale, Propagandaopfer, Verschwörungstheoretiker oder schlicht Realitätsaverse.“
    In diesem Stil geht es nonstop weiter, unaufhaltsam, bis zu einem Satz, der sehr kurz ist: „Putin ist nicht Hitler.“ Richtig.
    Aber irgendwie ist Putin doch Hitler, denn, und nun kommt wieder eine Wortkanonade: „Denn dadurch wird auch die Kommunikation der deutschen Querfront für Putin entlarvt als das, was sie ist: Faschismus-Verharmlosung, Faschismus-Veregalung, Faschismus-Appeasement, reitend auf einer Welle aus Propagandalügen, Selbstbetroffen- und -besoffenheit sowie Täter-Opfer-Umkehr.“
    Über viele, viele Zeilen zieht sich dieser Hassausbruch auf Menschen, die Frieden für die von Russland angegriffene und malträtierte Ukraine möchten.
    Quelle: Arno Luik auf Overton Magazin

    dazu auch: Chomsky: “Viel Schlimmeres” droht angesichts Ukraine-Eskalation
    Ziel ist weiter, Russland zu schwächen. Ein Wahnsinns-Kurs, sagt Noam Chomsky. Warum liberale Intellektuelle die offizielle Politik stützen, egal, was daraus folgt. (Interview Teil 1)
    Der Krieg in der Ukraine läuft seit einem Jahr, und ein Ende der Kämpfe, des Leids und der Zerstörung ist nicht in Sicht. Tatsächlich könnte die nächste Phase des Krieges zu einem Blutbad werden und Jahre dauern, da sich die USA und Deutschland bereit erklärt haben, die Ukraine mit Kampfpanzern zu versorgen, und Wolodymyr Selenskyj den Westen nun auffordert, Langstreckenraketen und Kampfjets zu schicken.
    Noam Chomsky ist Professor für Linguist, US-Kritiker und Aktivist. Er hat rund 150 Bücher geschrieben.
    Es wird immer offensichtlicher, dass es sich hier um einen Krieg zwischen den USA und der Nato auf der einen Seite und Russland auf der anderen handelt, argumentiert Noam Chomsky im folgenden Interview, in dem er die Idee entschieden zurückweist, dass es angesichts des russischen Einmarsches in der Ukraine keine Verhandlungslösung für den Konflikt geben könne.
    Das Interview mit Noam Chomsky führt der Politikwissenschaftler C.J. Polychroniou. Es erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Truthout, wo Sie die englische Version finden
    Quelle: Telepolis

    und: „Untragbare Opfer”
    Vor dem heutigen Gespräch zwischen US-Präsident Joe Biden und Kanzler Olaf Scholz deuten Berichte einen möglichen Kurswechsel des Westens im Ukraine-Krieg an. Hintergrund sind unter anderem die Erkenntnis, dass die Zahl der Kriegstoten für die ukrainische Gesellschaft „untragbar“ werden könne, und die kontinuierlich schrumpfende Zustimmung in der US-amerikanischen Bevölkerung zur Kriegspolitik der Biden-Administration; letztere könnte möglicherweise Bidens Wiederwahl gefährden. Berichten zufolge hat Biden den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kürzlich bei seinem Besuch in Kiew darauf hingewiesen, die Mittel, die Washington bereitstellen könne, seien begrenzt. Wie es heißt, haben Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron es Selenskyj bei dessen Besuch in Paris nahegelegt, zu „beginnen, Friedensgespräche mit Moskau in Betracht zu ziehen“. Die Ukraine soll nicht in die NATO aufgenommen, aber mit westlichen Waffen aufgerüstet werden. Ein ähnliches Resultat stand bereits Ende März 2022 zur Debatte, wurde aber vom Westen sabotiert. Freilich könnten ukrainische Erfolge auf dem Schlachtfeld die Stimmung im Westen erneut wenden.
    Quelle: German Foreign Policy

  2. Der Frieden muss vernichtet werden
    Die Reaktionen auf das Friedensmanifest sollten selbst jene beunruhigen, die es nicht teilen. Wer andere abwertet, will Debatte durch Meinungsmacht ersetzen. (…)
    Ähnliche Debatten gab es während der Proteste gegen den Irak-Krieg sowie bei den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV in Ostdeutschland, die zur Entstehung der Partei Die Linke führte, da Gewerkschaften und linke Persönlichkeiten diesen Kräften nicht das Feld überließen. Sahra Wagenknecht führte dazu aus: „Dass Rechtsextremisten, die in der Tradition eines Regimes stehen, das den schlimmsten Weltkrieg seit Menschheitsgedenken vom Zaun gebrochen hat, auf einer Friedensdemo nichts zu suchen haben, versteht sich von selbst.“
    Es dürfe nicht vergessen werden, „dass nicht der Ruf nach Frieden, sondern die Unterstützung von Militarismus und Krieg seit ewigen Zeiten Kennzeichen rechter Politik ist.“ Es ist zu hoffen, dass jene, die eine mangelnde Abgrenzung nach rechts beklagen, nicht durch die Tabuisierung der Initiative selbst das Geschäft der rechten Demagogen besorgen, weil anständige Zeitgenossen sich nicht mehr zur Demonstration trauen. (…)
    Die öffentlichen Reaktionen auf das Manifest in Politik und Medien haben mir erneut verdeutlicht, wie wenig die Aufklärung doch in Deutschland bewirkt hat. Es graust mir, wie leicht es in einer demokratisch verfassten Gesellschaft fällt, in Zeiten des Krieges in der öffentlichen Debatte einen hysterischen Meinungskorridor zu etablieren, der keinen Widerspruch duldet und tatsächlich an die Kriegsbesoffenheit des Ersten Weltkrieges erinnert.
    Dabei unterscheiden sich öffentliche und veröffentlichte Meinung jedoch zuweilen erheblich. Es drängt sich dabei der Eindruck auf, es gehe dabei nicht mehr um das Leid der Menschen in der Ukraine, sondern um einen geopolitischen Konflikt und die innenpolitische Vernichtung des politischen Gegners.
    Leitartikler bemühten sich etwa in einem Wettbewerb um die martialischste Sprache in einer Art Sonderberichterstattung über das Manifest den Unterzeichnern die moralische Integrität abzusprechen. Der konservative Politikwissenschaftler Hefried Münkler beschied etwa, das Manifest sei „gewissenlos“. Als sei schon der Wunsch nach Frieden, egal ob in lauterer Absicht oder mit ungeeigneten Mitteln, eine Straftat.
    Quelle: Fabio De Masi in Berliner Zeitung

    dazu auch: Gute Kriege, schlechte Kriege?
    Völker- und menschenrechtliche Bilanz des Westens ist global betrachtet verheerend. Dennoch sieht man sich dort als Wahrer von Recht und Moral. Ein Plädoyer für das Völkerrecht und kritische Medien.
    Wie der sich verfestigende Krieg in der Ukraine, hat sich auch in der Berichterstattung und Kommentierung rund um diesen Krieg ein Narrativ verfestigt, das als Teil einer Regierungssprachregelung erkannt werden muss: Es weist die Begriffe “Zeitenwende” (Jugoslawienkrieg 1999 unter deutscher Beteiligung) und “Zivilisationsbruch” (Holocaust) nun dem russischen Angriff auf die Ukraine zu, so als hätte Wladimir Putin den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg erfunden.
    Das ist Relativierung. Das Wording blendet nicht nur die Vorgeschichte des aktuellen Kriegsgeschehens in der Ukraine aus, sondern auch die gesamte Geschichte völkerrechtswidriger Kriege seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs inklusive des illegalen Sturzes gewählter Regierungen, wovon sich der Putsch gegen Irans demokratisch gewählten Premier Mohammad Mossadegh in diesem Jahr zum 70. Mal jährt. […]
    Ganz offiziell erklärt die deutsche Bundesregierung auf Anfrage, dass sie nur den aktuellen Krieg gegen die Ukraine als völkerrechtswidrig einstufe, die Bewertung früherer Kriege jedoch ablehne. Dies weist darauf hin, dass die Bundesregierung nicht an sachlicher Bewertung interessiert ist, sondern von Interessen geleitet zu sein scheint. Da es offensichtlich um Gemeinwohl und Erfüllung des Amtseids nicht mehr geht, braucht es strategische Sprache, um die Einhaltung der gerne hochgehalten “regelbasierten Ordnung” eines “Wertewestens” dennoch zu suggerieren.
    Quelle: Sabine Schiffer auf Telepolis

  3. Peking ergreift die Initiative im Ukraine-Konflikt
    Pünktlich zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine lancierte das chinesische Außenministerium seine Initiative zu einer politischen Lösung des Konflikts. Peking hat mit seinem geschickt formulierten und lancierten Friedensvorschlag seinen Anspruch auf Mitsprache in wichtigen Fragen der Weltpolitik angemeldet und fördert weiter seine Vision von einer multipolaren Welt, in welcher auch Russland seinen eigenen Platz finden müsse. Fern davon, sich von seinem russischen Partner zu einem ungünstigen Zeitpunkt in einen Konflikt hineinziehen zu lassen, ist China aber auch nicht bereit, diesen fallenzulassen.
    In den ersten beiden Absätzen erstellt Peking eine Auslegeordnung des Konflikts, indem es auf die im Widerspruch stehenden Normen hinweist, die von den Konfliktparteien angerufen werden. Die Ukraine beklagt seit Jahren die Verletzung ihrer territorialen Integrität durch die Annexion der Krim und der vier Oblaste Donetsk, Lugansk, Zaporozhie und Kherson durch die Russische Föderation. Wenn die Volksrepublik China aber von territorialer Integrität spricht, dann hat sie in der Regel ihre eigene im Blick, das heißt ihren Anspruch auf die Insel Taiwan und auf Territorialgewässer im Ost- und im Südchinesischen Meer.
    Um den Eindruck zu vermeiden, China lasse sich vom Westen vereinnahmen, verpackte das chinesische Außenministerium in den ersten Absatz auch den Hinweis auf die souveräne Gleichheit der Staaten sowie seine Kritik an den Doppelstandards.
    Quelle: Globalbridge

    dazu: Chinas „Friedensplan“ und was der Westen daran nicht versteht oder verstehen will
    Quelle: NachDenkSeiten

    dazu auch: Der chinesische «Friedensplan» für die Ukraine im Wortlaut
    Die meisten Medien kritisierten Chinas «Friedensplan» – vielleicht zu Recht. Aber sie informierten nicht, was überhaupt drinsteht.
    Quelle: Infosperber

  4. For years, Putin didn’t invade Ukraine. What made him finally snap in 2022?
    Why did Vladimir Putin invade Ukraine and try to capture Kyiv in February 2022, and not years earlier? Moscow has always wanted to dominate Ukraine, and Putin has given the reasons for this in his speeches and writings. Why then did he not try to take all or most of the country after the Ukrainian revolution of 2014, rather than only annexing Crimea, and giving limited, semi-covert help to separatists in the Donbas?
    On Friday’s one-year anniversary of Russia’s criminal invasion of Ukraine, it is worth thinking about precisely how we got to this point – and where things might be going.
    Indeed, Russian hardliners spent years criticising their leader for not invading sooner. In 2014, the Ukrainian army was hopelessly weak; in Viktor Yanukovych, the Russians had a pro-Russian, democratically elected Ukrainian president; and incidents like the killing of pro-Russian demonstrators in Odesa provided a good pretext for action. (…)
    Putin now seems to agree fully with Russian hardline nationalists that no western government can be trusted, and that the west as a whole is implacably hostile to Russia. He remains, however, vulnerable to attack from those same hardliners, both because of the deep incompetence with which the invasion was conducted, and because their charge that he was previously naive about the hopes of rapprochement with Europe appears to have been completely vindicated.
    It is from this side, not the Russian liberals, that the greatest threat to his rule now comes; and of course this makes it even more difficult for Putin to seek any peace that does not have some appearance, at least, of Russian victory.
    Meanwhile, the Russian invasion and its accompanying atrocities have destroyed whatever genuine sympathy for Russia existed in the French and German establishments. A peaceful and consensual security order in Europe looks very far away. But while Putin and his criminal invasion of Ukraine are chiefly responsible for this, we should also recognise that western and central Europeans also did far too little to try to keep Gorbachev’s dream of a common European home alive.
    Quelle: The Guardian
  5. Die USA wollen Asien in Zukunft priorisieren
    Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die USA ihre Ressourcen in Europa nach Asien verlagern. Da ändert Joe Bidens aufsehenerregender Besuch in Kiew nichts.
    „Das ist die zweite Finanzhilfe für die Ukraine in nur zwei Monaten. Das gesamte Volumen unserer Hilfe an die Ukraine ist beinahe so hoch wie das gesamte Militärbudget Russlands. Es ist ja nicht so, dass bei uns das Geld einfach so herumliegt“, ruft der einflussreiche US-Senator Rand Paul aus Kentucky seinen Kollegen im Haus zu.
    Dabei ist er nicht mehr der Einzige mit dieser Meinung. Immer mehr Politiker und Mitglieder der außenpolitischen Eliten in Washington hinterfragen ihr überaus großes Engagement im Ukraine-Krieg. Weil man von Tag zu Tag immer mehr realisiert, dass selbst die USA derzeit nicht die militärischen Mittel haben, einen Zweifrontenkrieg zu führen.
    In einem Bericht des Washington Journal geht hervor, dass in einem Konflikt um Taiwan weniger als in einer Woche alle Hochpräzisionsmunitionen verschossen wären, während man dieselben Waffen, die man in Asien im Zweifelsfall mehr bräuchte, den Ukrainern liefert. Der amerikanische Sicherheitskomplex erfuhr über Nacht, dass er im Ernstfall nicht genug Munition hätte, um Taiwan vollumfänglich verteidigen zu können.
    Zwar wird die Waffenproduktion wieder hochgefahren, aber das braucht Zeit, weil hochtechnologische Waffen sich nicht so schnell wie Lebkuchenkekse produzieren lassen. Diese Zeit läuft den USA aber langsam davon, weil China immer deutlichere Signale einer militärischen Intervention aussendet.
    Die USA wollen Asien in Zukunft priorisieren
    Je lauter es um China im Pazifik wird, desto nervöser wird die amerikanische Führung im Hinblick auf ihre Rolle in Europa. Der alte Kontinent ist längst nicht mehr die wichtigste Bühne auf der Welt…
    Quelle: Berliner Zeitung
  6. EU-finanzierte Studie: Der Westen hat politisch den Anschluss an den Rest der Welt verloren
    Eine Studie des von der EU finanzierten European Council on Foreign Relations (Europäischer Rat für Auswärtige Beziehungen) kommt zu dem Ergebnis, dass der Westen politisch nicht mehr mit dem Rest der Welt verbunden ist. China, Indien und die Türkei sehen Russland als Verbündeten und wollen Multipolarität
    Eine Studie eines von der europäischen Regierung finanzierten Think Tanks kommt zu dem Ergebnis, dass die Vereinigten Staaten und Europa zwar enger zusammenwachsen, der Westen aber politisch immer weniger Kontakt zum Rest der Welt hat.
    Der Bericht des von den EU-Mitgliedstaaten finanzierten European Council on Foreign Relations räumt ein, dass das System der “amerikanischen globalen Vorherrschaft” im Niedergang begriffen ist und viele Menschen im globalen Süden eine neue “multipolare Welt” wollen.
    Die Reihe von Umfragen kam zu dem Schluss, dass der Stellvertreterkrieg der NATO in der Ukraine “die erneute Zentralität der amerikanischen Macht in Europa bestätigt” und den Westen unter der Führung Washingtons vereint. Heute haben Europäer und Nordamerikaner “viele gemeinsame Ansichten zu wichtigen globalen Fragen”.
    Doch diese “Konsolidierung des Westens findet in einer zunehmend gespaltenen post-westlichen Welt statt”, so die Studie. Der globale Süden bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung.
    Quelle: Geopolitical Economy
  7. Öl-Preisdeckel: Russland verkauft erheblich teurer, Reeder umgehen Sanktionen
    Die westlichen Länder haben bislang wenig Erfolg mit Sanktionen gegen Russland. Ein Beispiel dafür ist die Preisobergrenze auf Rohöl. Warum Russland mehr einnimmt als erhofft.
    Vor fast genau einem Jahr führten westliche Staaten Sanktionen gegen Russland ein. Sie versprachen sich davon, Moskaus Fähigkeiten, Krieg zu führen, einzuschränken. Knapp 300 Milliarden US-Dollar Guthaben der russischen Zentralbank wurden eingefroren und russische Banken wurden vom Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen.
    Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte damals: “Das wird Russland ruinieren”. Andere verglichen die Maßnahmen mit einer Atombombe auf wirtschaftlichem Gebiet. Heute ist bekannt, dass der erhoffte Erfolg weitgehend ausblieb. Der Wert des Rubels stürzte zeitweilig ab, konnte sich aber wieder stabilisieren. Die russische Wirtschaft schrumpfte auch deutlich weniger als erhofft.
    Quelle: Telepolis

    dazu auch: Polen und sein russisches Öl
    Eigentlich hatte sich Polen besonders starkgemacht für ein möglichst weitreichendes Embargo für Öl aus Russland – und importierte trotzdem selbst weiter russisches Öl. […]
    Als sich damals die EU nur auf ein Ölembargo für den Seeweg einigen konnte, Importe via Pipeline aus Russland aber weiterhin erlaubte, erklärte Polen gemeinsam mit Deutschland, ab dem Jahreswechsel generell auf russisches Öl verzichten zu wollen.
    Und das Land ist einen weiten Weg gegangen: Erdgas- und Kohleimporte aus Russland wurden eingestellt und die Ölimporte reduziert. Aber mit den verbleibenden zehn Prozent war Polen zum Schluss laut polnischen Medienberichten größter verbliebener Käufer von russischem Rohöl in Europa.
    Quelle: tagesschau

  8. Das Versagen von Wissenschaft und Ethik
    Mit dem Schüren von Ängsten seitens der Wissenschaft wurde während der Corona-Pandemie gezielt Politik gemacht. Die Ratio sollte ausgeschaltet werden, um Widerstand gegen freiheitseinschränkende Maßnahmen im Keim zu ersticken.
    Die Pandemie ist vorbei, ihre Auswirkungen werden uns noch lange begleiten. Der Philosoph Christoph Lütge versucht in einem dreiteiligen Beitrag zu klären, was in der Coronakrise eigentlich vorgefallen ist und was diese Krise mit uns als demokratischer Gesellschaft gemacht hat. Im ersten Teil beschrieb Lütge, wie den Individuen Handlungsmacht, Mündigkeit und Würde genommen wurden. Im zweiten Teil ging es darum, wie die Demokratie Schaden genommen hat und Konformismus zum neuen gesellschaftlichen Ideal wurde.
    In unserem Buch „Und die Freiheit?“ haben Michael Esfeld und ich bereits 2021 auf die Analogie zwischen der Corona-Situation und dem Milgram-Experiment hingewiesen: Wenn ein Wissenschaftler, am besten mit weißem Kittel, danebensteht und alle Handlungen als notwendig absegnet, sind die allermeisten bereit, ihre möglichen Bedenken und Skrupel zu vergessen und alles zu tun, was man ihnen sagt – auch dann, wenn es offensichtlich unsinnig ist und Menschen darunter leiden.
    Nicht nur in Deutschland, in vielen Ländern sind Menschen, auch hochintelligente, blindlings dem gefolgt, was ihnen als wissenschaftlich belegt verkauft wurde. Ob es um Lockdowns oder Maskenpflicht ging, um die Vertreibung von Menschen von Uferpromenaden oder Parkbänken oder um die Impfkampagne mit 2G und teilweiser Impfpflicht: Mir haben in den letzten Monaten viele, die mittlerweile doch starke Zweifel an all dem bekommen haben, gesagt, sie hätten dies schlicht geglaubt, weil es ihnen jemand mit wissenschaftlicher Reputation gesagt hatte – wie bei Milgram.
    Aber dieser Glaube an „Science“ ist mittlerweile stark erschüttert worden. Die anhaltende Panikmache einiger Wissenschaftler, die Unlogik vieler Bestimmungen, der offensichtliche Sonderweg Deutschlands in vielen Punkten haben nicht nur der Reputation von Politik und vielen klassischen Medien geschadet, sondern auch der Wissenschaft. Das Label „Wissenschaft“ ist nicht mehr pauschal glaubwürdig.
    Quelle: Christoph Lütge auf Cicero
  9. Wie der ARD-Faktenfinder Realität im Nachrichtentext bewertet
    Zweifel an Bericht über Nord-Stream als Faktum, Gegenposition als “Narrativ” im Konjunktiv II. Wie Journalisten ihre Interpretation als Realität darstellen. Und worauf wir achten sollten.
    Pascal Siggelkow vom ARD-Faktenfinder hat jüngst erneut einen Beitrag veröffentlicht, über angebliche weitere Unstimmigkeiten im Bericht des US-Investigativjournalisten Seymour Hersh zu den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines. Der Autor Siggelkow vom NDR schreibt im ARD-Faktenfinder einerseits:

    “(…) Bereits kurz nach der Veröffentlichung seines (Hershs, d.A.) Berichts hatten Experten darauf hingewiesen, dass es einige Ungereimtheiten an Hersh Version gibt (…)”

    Kurz zuvor hatte derselbe Autor, Pascal Siggelkow, im selben Text Folgendes geschrieben:

    “(…) Der russische Außenminister Sergej Lawrow nutzte den Bericht von Hersh, um das Narrativ zu verbreiten, der Westen würde Wissen bewusst zurückhalten, um die eigene Täterschaft zu vertuschen (…)”

    Bemerkenswert, dass hier zweimal faktisch der falsche Verbmodus verwendet wird: In beiden Fällen ist der Konjunktiv I der einzig richtige Verbmodus, sofern es um Journalismus und hier insbesondere informationsbetonten Journalismus gehen soll. Das dürften wir als Nutzerinnen und Nutzer vom ARD-Faktenfinder erwarten können.

    1. Im Falle der von Siggelkow einbezogenen westlichen Experten muss es korrekt heißen: “Experten (hatten) darauf hingewiesen, dass es einige Ungereimtheiten an Hershs Version GEBE (…)” (Hervorhebung d.A.).
    2. Im Falle des vom ARD-Faktenfinder zitierten russischen Außenministers muss es richtig lauten: “(…) Der russische Außenminister Sergej Lawrow nutzte den Bericht von Hersh, um das Narrativ zu verbreiten, der Westen HALTE Wissen bewusst zurück, um die eigene Täterschaft zu vertuschen (…)” (Hervorhebung d.A.).

    Inwiefern bedeutet die Verwendung des Konjunktivs I hier auch inhaltlich einen Unterschied, der das Ganze, nämlich den Inhalt, betrifft, und nicht nur eine sprachliche Nachlässigkeit hinsichtlich der Grammatik (siehe auch Bastian Sick: Der traurige Konjunktiv)?
    Quelle: Telepolis

  10. Der Journalismus verleugnet sich selbst
    Egal, wo man politisch steht, lässt sich leicht feststellen, dass ALLE diese Kernelemente von fast ALLEN Medien täglich mit den Füßen getreten werden:

    1. Fakten werden durch Internetgerüchte, Hörensagen, persönliche Einschätzungen des Journalisten und frei von der Leber spekulierende Experten ersetzt. Das gilt fataler Weise oft auch für selbsternannte Faktencheck-Formate.
    2. Der Bias in den Medien reicht bei moralisch aufgeladenen Themen bis in die Stratosphäre. Es werden teils regelrechte Hetzjagden organisiert und es herrscht universeller Konsens darüber, wem man alles „kein Forum bietet“ – von links wie von rechts, nur neutral ist keiner von all Jenen, die doch zuoberst der Neutralität verpflichtet sind.
    3. Das verdeckte „in die Pfanne hauen“ von Personen, Parteien und Unternehmen mit erschlichenen E-Mails, Chat-Protokollen und Aufzeichnungen privater Gespräche ist zur allgemeinen Volksbelustigung geworden.
    4. Fehler in der eigenen Berichterstattung werden oft erst dann korrigiert, wenn Medienanwälte dies vor Gericht erzwungen haben – die proaktive Richtigstellung als Ehrensache gehört der Vergangenheit an.
    5. Eine Trennung von Meinung und Kommentar existiert kaum noch. Im Gegenteil: der Journalismus von heute ist stolz darauf, alles aus einer Haltung heraus zu schreiben, zu „erleuchten“, zu „erziehen“, zu „inspirieren“ statt einfach nur zu informieren. Das Produkt ist zunehmend das Lebensgefühl, nicht die Wahrheit.
    6. Journalisten bezeichnen inzwischen regelmäßig Individuen und Gruppen als „Terrorprediger“, „Schwurbler“, „Klimachaoten“, „Feiglinge“, „Asoziale“ und Schlimmeres und treiben damit empirisch erwiesen Hass und Diskriminierung an.

    Quelle: Blog der Republik

    dazu auch: Frieden in der Ukraine und die Causa Bennett: Faktenprüfer auf Abwegen
    Der Umgang mit der Vermittlungsmission des früheren israelischen Premiers Bennett wirft die Frage auf: Werden die Medien Teil eines Informationskriegs?
    Ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine setzt der Westen weiter auf Krieg, anstatt über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Während Bundeskanzler Scholz „die Zeit für Verhandlungen noch nicht gekommen“ sieht, so als wäre der Tod von mehreren Hundert Menschen pro Tag nicht Grund genug, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, schließt Außenministerin Baerbock diese mit ihrer Rede von einem „gerechten Frieden“ und unrealistischen Vorbedingungen de facto sogar kategorisch aus. Die vermeintliche Notwendigkeit, den Krieg zu jedem Preis und auf unbestimmte Zeit fortzusetzen, wird damit begründet, dass Russland gar nicht verhandeln wolle und auf einen kompromisslosen „Diktatfrieden“ setze.
    Dieses Narrativ zur Legitimierung der westlichen Strategie im Ukraine-Krieg, die – wie zuletzt auch Verteidigungsminister Pistorius erklärte – auf einen militärischen Sieg gegen die Atommacht Russland abzielt, ist durch den Bericht des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett über die Waffenstillstandsverhandlungen beider Konfliktparteien im vergangenen Frühjahr schwer ins Wanken geraten. In einem mehrstündigen Videointerview legt Bennett detailliert dar, wie sowohl Russland als auch die Ukraine wenige Wochen nach Kriegsbeginn unter seiner Vermittlung zu erheblichen Zugeständnissen bereit gewesen seien. Obwohl ein Waffenstillstand damals potenziell erreichbar gewesen wäre, habe der Westen dies blockiert.
    Quelle: Sevin Dagdelen in der Berliner Zeitung


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