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Titel: Hinweise der Woche

Datum: 19. März 2023 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. «Vorausschauende Politik müsste eine neue europäische Friedens- und Sicherheitsordnung planen»
  2. The Architects of the Iraq War: Where Are They Now?
  3. Neue globale Ordnung: Abkommen zwischen Teheran und Riad
  4. Emirate: Blendende Geschäfte mit den Russland-Sanktionen
  5. Klassenkampf der Technokraten
  6. Armut offenbar größer als angenommen
  7. Habecks Verbot von Öl- und Gasheizungen: Umweltökonom legt die Rechnung vor
  8. Kaum noch vermittelbar
  9. Französische Regierung verabschiedet Rentenreform ohne finale Abstimmung
  10. Wer als Journalist vom Staat Geld nimmt, schaufelt dem Journalismus das Grab

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. «Vorausschauende Politik müsste eine neue europäische Friedens- und Sicherheitsordnung planen»
    «Sowohl die Ukraine als auch Russland müssen darin ihren Platz haben»
    Interview mit General a. D. Harald Kujat*
    Zeitgeschehen im Fokus Es ist wieder Krieg in Europa. Wie in den beiden grossen Kriegen des letzten Jahrhunderts spielen die Vereinigten Staaten eine zentrale Rolle, was die Zukunft unseres Kontinents betrifft. Auch China hat sich mit einem Positionspapier zu Wort gemeldet und ruft zu einem Waffenstillstand auf. Welche geopolitische Dimension hat der Ukrainekrieg?
    General a. D. Harald Kujat Das 21. Jahrhundert ist geprägt vom Aufstieg Chinas als wirtschaftliche und militärische Weltmacht und von der Rivalität der grossen Mächte, der Vereinigten Staaten, Russlands und Chinas. Nur China und nicht Russland ist in der Lage, die Vereinigten Staaten als führende Weltmacht abzulösen.
    Deshalb verfolgen die Vereinigten Staaten im Ukrainekrieg das Ziel, Russland, den zweiten geopolitischen Rivalen, politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich auf die Auseinandersetzung mit China konzentrieren können. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein enger Schulterschluss mit Europa erforderlich. Mit der gleichen Geschlossenheit wie gegen Russland sollen die Europäischen Staaten möglichst auch in den Konflikt mit China eingebunden werden – und gemeinsam mit den regionalen Verbündeten Australien, Japan und Südkorea ein indo-pazifisches Netzwerk von Partnern und Alliierten bilden.
    Die Staats- und Regierungschefs der Nordatlantischen Allianz erklären daher im neuen strategischen Konzept vom 29. Juni 2022, China stelle die Interessen, die Sicherheit und die Werte der Mitgliedstaaten in Frage. Sie wollen die «systemischen Herausforderungen» Chinas für die euro-atlantische Sicherheit angehen und die dauerhafte Fähigkeit der Nato sicherstellen, die Verteidigung und Sicherheit der Verbündeten zu gewährleisten.
    Darüber hinaus fördert der Ukrainekrieg die Bildung konkurrierender geopolitischer Blöcke. Während die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und die Nato näher zusammenrücken, ist um China und Russland bereits ein zweiter geopolitischer Block entstanden. Dessen Kern bilden die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sowie die Schanghai Kooperations-Gruppe mit China, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Russ¬land, Tadschikistan und Usbekistan. Die BRICS-Staaten repräsentieren zurzeit 40 Prozent, die westlichen G7-Staaten einschliesslich Japan nur etwa 12,5 Prozent der Weltbevölkerung. Ihr Bruttoinlandprodukt ist grösser als das der G7-Staaten.
    Welchen Stellenwert hat Europa in dieser geopolitischen Konstellation?
    In der Energieversorgung bisher abhängig von Russland, in der Sicherheit von den Vereinigten Staaten, wirtschaftlich und technologisch – insbesondere in der Digitalisierung – sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von China, durch die Sanktionen gegen Russland wirtschaftlich und machtpolitisch gravierend geschwächt, durch innere Widersprüche und zentrifugale Kräfte mit selbstgemachten Herausforderungen ringend, ist Europa in der Machtarithmetik der Grossmächte immer weiter ins Hintertreffen geraten.
    Quelle: Zeitgeschehen im Fokus

    dazu: «Keine Eskalation, keine Waffenlieferung – dafür Verhandlungen»
    «Der Druck auf Menschen, die sich kritisch zum Krieg äussern, wird immer grösser»
    Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko
    Zeitgeschehen im Fokus Ende Februar gab es in Wien ein OSZE-Treffen. Die Medien berichteten sozusagen nichts. Sie waren dort. Was haben Sie beobachtet?
    Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko Vom 21. bis 24. Februar fand die OSZE-Wintertagung in Wien statt. Zum ersten Mal seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine kam es zu einem Aufeinandertreffen der russischen und belarussischen Abgeordneten mit Parlamentariern der übrigen OSZE-Länder in der parlamentarischen Versammlung.
    Es ist schon auffällig, dass die Medien sich über solch ein bedeutsames Zusammentreffen auf der letzten europäischen Dialogplattform so intensiv ausschweigen. Auch wenn von dieser Konferenz keine Impulse für Friedensverhandlungen zu erwarten waren, so ist doch im Fall von Verhandlungen die OSZE eine wichtige Adresse.
    Es gab seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine andere Treffen der Parlamentarischen Versammlung. Warum war dort Russland nicht dabei?
    Der Grund war der, dass die Visa in den vorangegangenen Sitzungen in Birmingham und in Warschau von Grossbritannien und Polen statutenwidrig verweigert wurden. Diesmal hat Österreich die Visa für die russischen und belarussischen Parlamentarier erteilt. Einerseits weil Österreich der neutrale Ausrichterstaat war und sich der Sitz der OSZE in Wien befindet, was auch völkerrechtlich zur Einladung aller verpflichtet. Andererseits weil der österreichische Aussenminister gesagt hatte, dass diese Dialogplattform erhalten bleiben muss. Das ist eine Aussage, die ich teile.
    Quelle: Zeitgeschehen im Fokus

  2. The Architects of the Iraq War: Where Are They Now?
    The U.S. and its allies invaded Iraq 20 years ago in Operation Iraqi Freedom. President George W. Bush’s press secretary Ari Fleischer twice accidentally referred to it as Operation Iraqi Liberation, which was definitely not its official name and would have generated an unfortunate acronym.
    The men and women who launched this catastrophic, criminal war have paid no price over the past two decades. On the contrary, they’ve been showered with promotions and cash. There are two ways to look at this.
    One is that their job was to make the right decisions for America (politicians) and to tell the truth (journalists). This would mean that since then, the system has malfunctioned over and over again, accidentally promoting people who are blatantly incompetent failures.
    Another way to look at it is that their job was to start a war that would extend the U.S. empire and be extremely profitable for the U.S. defense establishment and oil industry, with no regard for what’s best for America or telling the truth. This would mean that they were extremely competent, and the system has not been making hundreds of terrible mistakes, but rather has done exactly the right thing by promoting them.
    You can read this and then decide for yourself which perspective makes the most sense.
    Quelle: The Intercept_
  3. Neue globale Ordnung: Abkommen zwischen Teheran und Riad
    Das saudisch-iranische Abkommen über die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen binnen zwei Monaten ist zweifellos ein diplomatisches Meisterstück – seit Jahren aus dem Irak und Oman vorbereitet und am Freitag in Beijing vollzogen. Das Foto der drei hochrangigen Regierungsvertreter wird in die Geschichte eingehen – und zwar vor allem als Symbol für eine sich wandelnde globale Ordnung, in der Washingtons Einfluss signifikant abnimmt. (…) Nein, die US-Regierung kann in einer Entspannung der Beziehungen zwischen den beiden Erzrivalen rein gar nichts Gutes erkennen – auch wenn sich die Sprecherin des Weißen Hauses eilig bemühte, das Gegenteil zu erklären. Denn die Einigung dürfte nicht nur eine Fortführung der mörderischen US-Politik des »Teile und herrsche« in der Region maßgeblich erschweren. Sie könnte auch dazu führen, dass Ölgeschäfte in Yuan – mit Riad und Teheran bereits teilweise Realität – weiter zunehmen, was den US-Dollar schwächen und das anvisierte »Decoupling« von China erschweren dürfte. Deutlich ehrlicher als Washingtons Floskeln ist vor diesem Hintergrund die offen artikulierte Enttäuschung Israels. (…) Die größten Gewinner sind die Menschen im Nahen Osten. Sie dürfen auf eine Entspannung brutaler Stellvertreter- und Regime-Change-Kriege hoffen – wenn auch nur vorsichtig, denn Vertrauen aufzubauen wird dauern und mit US-Störfeuern ist zu rechnen. Aus dem Jemen aber könnte sich Riad tatsächlich zurückziehen: Weil der Krieg nicht zu gewinnen, aber äußerst kostspielig ist, verhandelt man mit den Ansarollah bereits über eine neuerliche Waffenruhe, vielleicht sogar über ein Friedensabkommen. Und zwar entgegen dem Willen Washingtons.
    Quelle: junge Welt
  4. Emirate: Blendende Geschäfte mit den Russland-Sanktionen
    Trotz massivem Druck aus den USA und der EU bleiben die Vereinigten Arabischen Emirate bei ihrer Neutralität. Der Handel mit Russland hat sich sogar vergrößert – ein Lehrstück über den begrenzten Einfluss der westlichen Außenpolitik.
    Beeindruckend, edel, funkelnd wirken die Skylines der großen Städte der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Hierhin fliegt man in den Urlaub, um Geschäfte zu machen und auch: Um über diese Orte zu staunen, an denen alles ein größer, neuer, funkelnder ist als anderswo.
    Kaum jemand, der an den natürlich auch sehr neuen, sehr großen, sehr funkelnden Flughäfen in Dubai oder Abu Dhabi aus dem Flieger steigt, würde vermuten, dass sich dieses künstliche Gebilde aus sieben Emiraten am Persischen Golf im Fokus der Weltpolitik befindet und noch weit mehr als das: selbst Weltpolitik macht.
    Was, natürlich wie so gut wie alles in diesen Tagen, mit Russland zusammenhängt. Nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine wurden von den meisten westlichen Regierungen Sanktionen gegen Russland verhängt und in den Medien schon der kurz bevorstehende Zusammenbruch der russischen Wirtschaft ausgerufen. Doch der blieb aus, und das auch weil ein sehr großer Teil der restlichen Welt nicht mitmacht.
    Unter den Sanktionsverweigerern befinden sich nicht nur Länder wie China, von denen man es von Anfang an erwartet hatte, sondern auch Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, deren Regierung sich seit der Präsidentschaft von Donald Trump enge Beziehungen zu Washington aufgebaut hat.
    Quelle: Telepolis
  5. Klassenkampf der Technokraten
    Mit hohen Zinsen will die EZB die Inflation auf dem Rücken der Arbeiterklasse bekämpfen – und wird dennoch scheitern.
    Ob Wocheneinkauf, Tankfüllung oder Heizrechnung – die Preise steigen und steigen. Was hat das für Gründe, was sind die Folgen und wo liegt der wirtschaftsliberale Mainstream falsch? All das sind Fragen, die sich der Wirtschaftsanalyst und JACOBIN-Autor Maurice Höfgen in seinem neuen Buch »TEUER! Die Wahrheit über Inflation, ihre Profiteure und das Versagen der Politik« genauer ansieht.
    In folgendem Vorabdruck geht er der Frage auf den Grund, warum der Zins als Instrument zur Inflationsbekämpfung für den ökonomischen Mainstream so zentral ist.
    Große Kosten, kleiner Nutzen – das gilt auch für die Strategie, die Zentralbanken seit dem Sommer 2022 verfolgen. Die Europäische Zentralbank (EU), die Bank of England (Großbritannien) und die Federal Reserve (USA) liefern sich einen Wettlauf darum, wer die Zinsen am schnellsten anheben kann. Alle drei sind nämlich für stabile Preise zuständig. So sehen es die für die Zentralbank gemachten Gesetze vor. Die meisten Ökonomen und Politiker sind bis heute überzeugt, dass das eine gute Idee ist und die Zentralbanken also die richtigen Werkzeuge gegen die Inflation haben.
    Quelle: Maurice Höfgen auf Jacobin

    dazu: Warum wir über Inflation völlig falsch reden
    Jahrelang war sie weg, keiner hat sie wirklich vermisst, doch 2022 redeten alle über sie. Das ist auch richtig so, denn sie geht uns alle etwas an. Die Rede ist von der Inflation. Einkaufen, heizen, duschen: Der Alltag ist teurer geworden, viel teurer. Viele Menschen sind gezwungen zu verzichten. Die einen auf den Sommerurlaub und Biogurken, die anderen auf warme Wohnräume und volle Kühlschränke. Kein Wunder also, dass die Inflation laut Umfragen wieder zu den größten Sorgen der Deutschen zählt – neben dem schrecklichen Krieg in der Ukraine.
    2022 musste mehr als jeder Zweite jeden Cent seines Monatseinkommens verwenden, um den Alltag zu wuppen. Sparen? Nicht mehr möglich. Sich etwas gönnen? Nur mit schlechtem Gewissen. In Deutschland hat jeder Dritte schon vorher kaum nennenswerte Ersparnisse gehabt. Keinen Puffer, auf den man in Krisenzeiten zurückgreifen kann, wenn der Liter Benzin und das Paket Butter plötzlich mehr als zwei Euro kosten; wenn der neue Strom- und Gasvertrag um ein Vielfaches teurer wird; wenn der Betrieb stockt und man in Kurzarbeit ein Drittel seines Gehaltes verliert.
    Schon vor der Krise war jeder zehnte Erwachsene in Deutschland überschuldet, konnte also seine laufenden Rechnungen nicht mehr begleichen. Mehr als eine Million Menschen hatten schon vorher Energieschulden, konnten also ihre Strom- oder Heizrechnungen nicht bezahlen. In Hunderttausenden Fällen wurde der Strom abgesperrt. Ein Stapel offener Rechnungen und Mahnungsbriefe, rote Zahlen auf dem Kontoauszug und dann noch Mathelernen mit den Kindern – im Dunkeln. Schon die wirtschaftliche Verwüstungsspur der Corona-Pandemie hat die Armuts- und Überschuldungszahlen 2021 in neue Höhen getrieben. Die Pandemie und ihre Folgen waren noch nicht überwunden, da kam die Inflation zur Unzeit. Doch vor der Inflation sind wir längst nicht alle gleich.
    Quelle: Maurice Höfgen auf Relevante Ökonomik

  6. Armut offenbar größer als angenommen
    In Deutschland sind laut Paritätischem Wohlfahrtsverband mehr Menschen arm als angenommen. Von Armut betroffen waren demnach nicht 13,8 Millionen Menschen, sondern 14,1 Millionen Menschen, teilte die Organisation mit.
    Die Armutsquote in Deutschland habe im Jahr 2021 nicht 16,6 Prozent, sondern 16,9 Prozent betragen. Der Verband korrigierte damit seinen im Juni veröffentlichten Armutsbericht. (…)
    Die Organisation bezieht sich in der Neufassung auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die das Berichtsjahr 2021 betreffen. Die Behörde habe nach den Erstergebnissen aus dem vergangenem Jahr jetzt Endergebnisse “mit zum Teil gravierenden Abweichungen” vorgelegt, erklärte der Verband.
    So betrug laut Bundesamt die Kinderarmut nicht, wie zuerst berechnet, 20,8 Prozent, sondern 21,3 Prozent. Die Armutsquote von Alleinerziehenden stieg auf 42,3 statt 41,6 Prozent.
    Als armutsgefährdet gilt nach EU-Definition, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Für eine allein lebende Person in Deutschland sind das derzeit etwa 15.000 Euro im Jahr, für eine Familie mit zwei Kindern etwa 31.500 Euro. Dabei handelt es sich um das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen. (…)
    Die Armutsquoten seien bereits nach den früheren Daten auf einem Rekordhoch gewesen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. “Die Armut wird nicht nur immer größer, sondern mit den explodierenden Preisen auch immer tiefer”, so Schneider.
    Der Verband forderte die Bundesregierung zu wirkungsvollen Maßnahmen gegen die steigende Armut in Deutschland auf. Dabei seien eine Anhebung der Regelsätze beim Bürgergeld und der Altersgrundsicherung von jetzt 502 auf 725 Euro, eine existenzsichernde Anhebung des BAföG und eine zügige Einführung der Kindergrundsicherung von zentraler Bedeutung.
    Quelle: tagesschau

    dazu: Neoliberalismus: Spartipps für die Armen, Bewunderung für die Reichen
    Armutsbetroffen Die Regeln zu lasch, die Leistungen zu großzügig, und muss es ein Buch für 15 Euro sein? Geht es ums Geld, neigen sich Kritik, ungebetene Ratschläge und neidische Blicke gern nach unten. Falsche Richtung, findet unsere Autorin
    Ich bin armutsbetroffen und twittere über mein Leben in Armut unter dem Hashtag #IchbinArmutsbetroffen. Dafür werde ich auf verschiedenste Weise angefeindet. Ich solle mich schämen, als Bürgergeldbezieherin mehr Geld zu verlangen, weil der Regelsatz zu niedrig bemessen ist. Niemand schreibt einem Spitzenmanager, der ein paar Tausend Euro mehr verdient in der Krise, dass er sich schämen soll, so viel Gewinn zu machen. Der gesellschaftliche Blick geht nach unten, nicht nach oben. Maskendeals, Cum-Ex, Lobbyismus – irgendwie, so wirkt es, kommen Menschen mit viel Geld immer glimpflich davon. Geflüchtete, Niedriglöhner, die „arbeitende Mitte“, Bürgergeldempfänger, sie alle werden politisch gegeneinander instrumentalisiert.
    Die menschenverachtende „Bürgergelddebatte“ vor allem von Seiten der Union hat gezeigt, dass im Diskurs ein klassistisches Weltbild vorherrscht. Und das wird gut befeuert, denn wo wäre Deutschland ohne seine Armen, die immer dann wichtig sind, wenn es darum geht, PR-Fotos für Politiker zu machen? Söder bei der Tafel, Scholz bei der Tafel. Wieso ist Herr Linder da noch nicht gewesen? Oh, ich vergaß: falsches Klientel! Kein verwertbares Humankapital.
    Quelle: der Freitag

    dazu auch: Ärmere Haushalte haben um 2,5 Prozentpunkte höhere Inflationsrate als einkommensreiche Alleinlebende
    Die Inflationsrate in Deutschland ist mit 8,7 Prozent im Februar weiterhin sehr hoch und gegenüber Januar unverändert geblieben. Familien sowie Alleinlebende mit jeweils niedrigen Einkommen hatten im Februar mit je 9,9 Prozent die höchste Inflationsbelastung zu tragen, Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 7,4 Prozent die mit Abstand niedrigste. Die soziale Schere bei der haushaltsspezifischen Belastung durch die Teuerung ist somit bei einem Abstand von 2,5 Prozentpunkten weiter weit geöffnet, trotz eines minimalen Rückgangs gegenüber Januar, als es 2,6 Prozentpunkte waren. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen berechnet.
    Ebenfalls etwas überdurchschnittliche Inflationsbelastungen trugen im Februar Alleinerziehende (9,2 Prozent) sowie Familien (9,0 Prozent) mit jeweils mittleren Einkommen. Alleinlebende sowie kinderlose Paarhaushalte mit jeweils mittleren Einkommen lagen mit Inflationsraten von 8,8 bzw. 8,7 Prozent nahe am oder im Durchschnitt aller Haushalte. Alleinlebende und Familien mit jeweils höheren Einkommen wiesen leicht unterdurchschnittliche Raten von 8,5 bzw. 8,4 Prozent auf.
    Die leichte Verschiebung bei den größten Preistreibern – Energie hat im Februar etwas an Einfluss auf die Inflation verloren, höhere Kosten für Nahrungsmittel legten an Gewicht zu – habe am Muster bei den haushaltsspezifischen Teuerungsraten kaum etwas geändert, erklärt IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober:
    Quelle: Hans Böckler Stiftung

  7. Habecks Verbot von Öl- und Gasheizungen: Umweltökonom legt die Rechnung vor
    Laut dem Umweltökonomen Manuel Frondel würde ein Verbot von Öl- und Gasheizungen Deutschland wohl eine Billion Euro kosten. Wie kommt er darauf? Ein Gespräch.
    Die Bild-Zeitung hat neulich die Verbraucher alarmiert, dass „Habecks Wohn-Hammer“, also das geplante allmähliche Verbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024, Deutschland 1000 Milliarden Euro, oder eine Billion, kosten würde.
    In einem Satz wurde dabei der Ökonom Manuel Frondel vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen zitiert. Was bedeutet aber diese Zahl? Eine Nachfrage der Berliner Zeitung beim Institut zeigte, dass sie aus einem Hintergrundgespräch stammte und in dieser Form nicht zur Veröffentlichung gedacht war.
    Da seine Schätzung der Öffentlichkeit sowieso schon bekannt ist, haben wir mit Prof. Dr. Manuel Frondel (58) über deren Hintergründe gesprochen.
    Herr Frondel, worauf basiert Ihre Einschätzung bzw. wie sind Sie auf eine Billion Euro gekommen?
    Das ist eine sehr grobe Überschlagung der Bruttokosten. Diese Bruttorechnung basiert darauf, dass man die rund 19 Millionen Öl- und Erdgasheizungen, die es in Deutschland noch offiziell gibt, nach dem Plan von Robert Habeck bis 2045 früher oder später zugunsten einer Alternative ersetzen muss, die Wärme aus mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien herstellt. Wenn all diese Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzt würden und dabei im Altbau noch Kosten für zusätzliche Dämmung entstehen, kommt man auf diese Obergrenze von einer Billion Euro.
    Quelle: Berliner Zeitung
  8. Kaum noch vermittelbar
    Der ehemalige Chef Kasper Rorsted bekommt seinen Abschied von Adidas mit 16 Millionen Euro versüßt. Auch wenn sie legal sind: Solche goldenen Handschläge sind kaum noch zu vermitteln.
    Kasper Rorsted bekommt die Restlaufzeit seines Arbeitsvertrags von seinem ehemaligen Arbeitgeber Adidas mit satten 16 Millionen Euro versüßt. Obwohl sich der Sportartikelriese und sein Vorstandschef vergangenen Sommer „einvernehmlich“ getrennt haben, wird dem Dänen die Restlaufzeit bis zum Jahr 2026 fürstlich vergütet. Dabei hatte sich der Aufsichtsrat bei Vertragsverlängerung zwei Jahre zuvor noch darüber gefreut, „die erfolgreiche Zusammenarbeit“ fortzusetzen.
    Solche goldenen Handschläge für Manager erhitzen die Gemüter seit eh und je. Jennifer Morgan erhielt vom Softwarekonzern SAP rund 15 Millionen Euro dafür, dass sie ihren Ko-Vorstandsposten nach einem halben Jahr schon wieder räumte. Das sind rund 83.000 Euro je Arbeitstag.
    Ein Berufstätiger kommt in seinem gesamten Berufsleben, wenn es gut läuft, auf 2,5 Millionen Euro. In Zeiten hoher Inflation, in denen um Lohnerhöhungen von Busfahrern und Krankenschwestern gestritten wird, lassen sich die riesigen Abfindungen der Öffentlichkeit kaum noch vermitteln.
    Sie mögen legal sein, ob ihre Zusicherung auch legitim ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Solange aber Aufsichtsräte für ihre Fehlentscheidungen nicht in die Pflicht genommen werden, wird sich an der Praxis wenig ändern.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Diese perversen Abfindungssummen nicht “kaum”, sondern überhaupt nicht “vermittelbar”. Es ist gut, dass das groteske Missverhältnis zwischen solchen Summen und den mageren Verdiensten in Normalarbeitsverhältnissen inzwischen sogar der konservativen FAZ unangenehm auffällt, der gemäß sich die Wirtschaft angeblich frei entfalten können soll.

  9. Französische Regierung verabschiedet Rentenreform ohne finale Abstimmung
    Der französische Präsident Emmanuel Macron hat in letzter Minute eine Abstimmung über die Rentenreform in der Nationalversammlung abgesagt. Am Donnerstag rief er eine Viertelstunde vor dem Beginn der Abstimmungsdebatte eine Kabinettssitzung im Elysée-Palast ein. Bei der Eilsitzung wurde beschlossen, auf Verfassungsartikel 49 zurückzugreifen und die parlamentarische Debatte ohne Abstimmung zu beenden. Marine Le Pen kritisierte daraufhin ein „komplettes Scheitern“ der Regierung und verlangte den Rücktritt der Premierministerin: „Elisabeth Borne kann nicht an ihrem Posten bleiben“. Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Mathilde Panot, sagte, der Gesetzentwurf über die Rentenreform habe „keinerlei Legitimität“. Der Vorsitzende der Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, äußerte, der Präsident habe die soziale Demokratie missachtet und sei gescheitert.
    Macron rechtfertigte die Entscheidung mit „zu großen finanziellen Risiken“. Er habe aus politischen Gründen lieber eine parlamentarische Abstimmung gewollt. Aber er könne nicht die Kreditwürdigkeit Frankreichs aufs Spiel setzen, sagte er laut Teilnehmern während der kurzfristig einberaumten Kabinettssitzung. Frankreich ist hoch verschuldet und will mit der Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre zeigen, dass es zu haushälterischen Reformen fähig ist. Der Rechnungshof hat Frankreich gemahnt, die Staatsfinanzen zu sanieren. Von der Rentenreform verspricht sich die Regierung eine Einsparung von mindestens 17 Milliarden Euro jährlich. […]
    Die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre bis 2030 stößt auf großen Widerstand. Die Gewerkschaften haben angekündigt, dass sie ihm Fall der „Verfassungskeule“ des Artikels 49 ihre Proteste fortsetzen würden. In Paris, Nantes, Le Havre, Antibes und anderen Städten stapelt sich der Müll, weil die Müllabfuhr seit Tagen streikt. Vor der Nationalversammlung kam es zu spontanen Protesten. Eine unangemeldete Protestkundgebung auf dem Platz der Concorde wurde von Ordnungshütern verhindert.
    Quelle: FAZ

    dazu: Rentenreform ohne Abstimmung: “Eine Schande für die Demokratie”
    Frankreichs Regierung hat die Abstimmung über die umstrittene Rentenreform abgesagt – in letzter Minute. Opposition wie Gewerkschaften reagieren wütend, ein Misstrauensvotum steht im Raum.
    Quelle: tagesschau

    dazu auch: Landesweite Proteste gegen die Rentenreform – und Macron? Sitzt es aus
    Die Entscheidung im Senat ist schon gefallen, nun richten sich die Blicke auf die Nationalversammlung. Sollte hier eine Mehrheit die öffentliche Meinung ignorieren, kann man in Frankreich von einer beschädigten Demokratie sprechen
    Quelle: der Freitag

  10. Wer als Journalist vom Staat Geld nimmt, schaufelt dem Journalismus das Grab
    Eine Anfrage der AfD brachte es ans Licht: Mehr als 1,4 Millionen Euro zahlte die Bundesregierung seit 2018 an Journalisten – den Grossteil an solche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dabei hat dieser ohnehin schon ein Neutralitätsproblem. (…)
    Bundesbehörden zahlten seit 2018 insgesamt Honorare von mehr als 1,4 Millionen Euro an Journalisten, für «Moderationen, Texte, Lektorate, Fortbildungen, Vorträge und andere Veranstaltungen», davon 875 000 Euro an Journalisten von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie knapp 600 000 Euro an deren Kollegen aus privaten Medien, wie «Bild» berichtete. Ans Licht gebracht hat dies eine Anfrage der AfD im Bundestag.
    Die ohnehin schon übergrosse Staatsnähe des öffentlichrechtlichen Rundfunks, der hinsichtlich seiner Einnahmen von den Parlamenten abhängt, erreicht so eine weitere Dimension. Zervakis ist derzeit zwar bei einem Privatsender beschäftigt, aber es sind auch zahlreiche andere Journalisten von ARD, ZDF und Deutschlandradio gebucht und bezahlt worden.
    Wenn Journalisten jedoch keine Hemmungen haben, Geld entgegenzunehmen, das die Ministerien für derartige «politische Landschaftspflege» verteilen, dann schaufeln sie dem Journalismus das Grab.
    Quelle: NZZ

    dazu: Wie überbezahlte Elite-Journalisten von ARD und ZDF ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit aufs Spiel setzen
    Von wegen seriöser und „unabhängiger Qualitätsjournalismus“: Warum sich eine Mehrheit den alternativen Online-Medien zuwendet
    „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich`s fortan ungeniert“. Das Image der Journalisten ist mittlerweile bei Befragungen am unteren Ende der Skala angelangt, quasi neben Autohändlern und Maklern. Daran sind die hochbezahlten Spitzen-Journalisten und politischen Moderatoren bei den öffentlich-rechtlichen Sendern als „Leitmedien“ nicht ganz unschuldig. Denn statt nach dem Pressekodex für Medienvertreter die gebotene Distanz einzuhalten, bringen sie durch ihre Nähe zum Staat, aber auch zur Wirtschaft, die einstmals seriösen und allseits geschätzten Qualitätsmedien immer mehr in Verruf und verlieren deshalb Zuschauer. Und das nicht nur wegen des ungeheuerlichen Intendanten-Skandals, der eine unsägliche Diskussion um den Fortbestand von ARD und ZDF auslöste.
    Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen ja kein „Staatsfunk“ sein, sondern als „vierte Gewalt“ im Staate als „Kontrolleure der Mächtigen“ auftreten und Verfehlungen aufdecken. Sie haben neben ihren Informationspflichten auch einen Kultur- und Bildungsauftrag und sollen deshalb auch zu einer politischen Kultur beitragen. Deshalb gehören die Formate der Politikvermittlung und Demokratiediskussion immer wieder auf den Prüfstand. Doch deren Spitzenjournalisten treiben es hinter den Kulissen mit ihren fragwürdigen politischen und wirtschaftlichen Vernetzungen zu den Regierungskreisen wie auch zur Wirtschafts- und Finanzwelt selber besonders dreist und unverfroren, wie jetzt wieder einmal publik wurde. Doch das meiste bleibt der kritischen Öffentlichkeit noch verborgen und soll hier ein wenig transparenter werden.
    Quelle: Lokalkompass


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