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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 22. Juni 2011 um 8:50 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Griechenlandkrise; Deutschland ist der größte Schuldensünder des 20. Jahrhunderts; Heiner Flassbeck – Monetarismus und „Wettbewerb der Nationen“ sind die Totengräber des Euro; Paul Krugman – Mr Keynes and the moderns; Mindestlöhne sind bei der Bevölkerung beliebt; Ganz schön dreist, diese Manager; Steuer gegen Armut: Die Finanztransaktionssteuer (FTS); US-Behörde zieht Großbanken vor Gericht; Razzia in Berliner Helios-Klinik; Bürgerarbeit – Staatlich geförderter Flop; Die Erwartungen an Erwerbslose sind häufig inkompetent und riskant; Jeder zehnte Europäer mittleren Alters nimmt Antidepressiva; Zeitdruck führt zu Medizinerpfusch; Braindrain im Gesundheitswesen: Sterben, weil das Wissen fehlt; Schiffe, die kein Wasser vertragen; Mit Knarre am Bauzaun; Atomkraft: Alltägliche Strahlung; Schon bei Kleinkindern werden Arbeitnehmer-Kompetenzen abgefragt; Qualitätsjournalismus unter Druck; Das Allerletzte: Riesterrenten- Propaganda in der Berufsschule (MB/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Griechenlandkrise
  2. Deutschland ist der größte Schuldensünder des 20. Jahrhunderts
  3. Heiner Flassbeck – Monetarismus und „Wettbewerb der Nationen“ sind die Totengräber des Euro
  4. Paul Krugman – Mr Keynes and the moderns
  5. Mindestlöhne sind bei der Bevölkerung beliebt
  6. Ganz schön dreist, diese Manager
  7. Steuer gegen Armut: Die Finanztransaktionssteuer (FTS)
  8. US-Behörde zieht Großbanken vor Gericht
  9. Razzia in Berliner Helios-Klinik
  10. Bürgerarbeit – Staatlich geförderter Flop
  11. Die Erwartungen an Erwerbslose sind häufig inkompetent und riskant
  12. Jeder zehnte Europäer mittleren Alters nimmt Antidepressiva
  13. Zeitdruck führt zu Medizinerpfusch
  14. Braindrain im Gesundheitswesen: Sterben, weil das Wissen fehlt
  15. Schiffe, die kein Wasser vertragen
  16. Mit Knarre am Bauzaun
  17. Atomkraft: Alltägliche Strahlung
  18. Schon bei Kleinkindern werden Arbeitnehmer-Kompetenzen abgefragt
  19. Qualitätsjournalismus unter Druck
  20. Das Allerletzte: Riesterrenten- Propaganda in der Berufsschule

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Griechenlandkrise
    1. Lucas Zeise – Verzögertes Elend
      Ein Schuldenschnitt für Griechenland hätte gräuliche Folgen, ist aber nicht zu vermeiden. Die Rettungsaktionen schieben den Krach nur auf. Es gibt aber eine Chance für die Zeit danach. […]
      Die letzte Wendung der Ereignisse hat gezeigt, dass der Krise ein sich selbst verstärkendes Moment innewohnt. Bemerkenswert ist, dass ein vom Finanzmarkt aufgebauter Zeitdruck gar nicht mehr bestand. Das griechische Defizit wird ohnehin von den Partnerländern finanziert. Was Ratingagenturen erzählen und wie niedrig griechische Anleihen aktuell notieren, ist unwichtig. Die neue Aufregung kam einfach dadurch zustande, dass man ausgerechnet hatte, dass der im Vorjahr installierte Plan A für Griechenland nicht ausreicht. Zeitdruck entstand nur insofern, als der Internationale Währungsfonds eine dringend benötigte Kredittranche nicht auszahlen wollte, solange die Euro-Länder die Finanzierung nicht aufgestockt hatten. Mitten in der größten Aufregung lockerte der Internationale Währungsfonds dann seine Bedingungen.
      Quelle: FTD
    2. Peter Bofinger – “Die Griechen haben genug gespart”
      Wie soll Europa mit der Griechenland-Krise umgehen? Deutlich anders als bisher, findet der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Er wirft der Politik Versagen vor und plädiert für einen sofortigen Schuldenschnitt. Ein Gespräch über die Risiken eines solchen Schrittes, sein Konzept von einer Währungsunion 2.0 und die Sparanstrengungen der Griechen.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
    3. Das griechische Volk ist unschuldig
      Die einfachen Griechen leiden am stärksten unter der Krise, die Eliten haben die Misere verursacht. Das Volk braucht mehr Zeit für einen Neuanfang.
      Quelle: ZEIT
    4. Athen in Not
      Die Schuldenkrise in Hellas führt zunehmend zu einer Verarmung der griechischen Bevölkerung. Im vergangenen Jahr mussten die Griechen im Vergleich zum Vorjahr den stärksten Rückgang ihrer Kaufkraft unter den 27 EU-Staaten hinnehmen. Wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Aufstellung des Europäischen Statistikamts Eurostat hervorgeht, verfügten die Griechen im vergangenen Jahr nur noch über 89 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf- Bruttoinlandsproduktes (BIP) in der EU. 2009 – also im Jahr vor dem Beginn der einschneidenden Sparpakete der Regierung unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou – hatte das BIP pro Kopf in Griechenland noch bei 94 Prozent des EU-Durchschnitts gelegen.
      Quelle: Tagesspiegel

      Anmerkung Orlando Pascheit: So so, die Schuldenkrise ist schuld, nicht etwa der von EU, EZB und IWF verordnete Rezession verschärfende Austeritätskurs. Sollen jetzt die von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Aussicht gestellte Auszahlung von EU-Fördergeld in Höhe von einer 1 Mrd. Euro als keynesianische Wende der EU verstanden werden? Ein Witz, wenn man gleichzeitig fordert, dass Griechenland bis 2014 zusätzliche Maßnahmen zum Defizitabbau von knapp 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts treffen soll. “Wir müssen den Griechen zeigen, dass es schwierig ist, aus der Krise zu kommen, aber dass auch Lösungen zur Verfügung stehen”, sagte Barroso. Zynismus oder Dummheit pur, wahrscheinlich beides. Nicht besser unser Herr der Finanzen, er erkennt, dass Griechenland eine Wachstumsperspektive brauche: Exportierte Sonnenenergie. Dann baut mal schön über Nacht Sonnenkollektoren auf. – Wie meinte Max Liebermann aus anderem Anlass: „Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte.

    5. Wer ist schuld, falls der Euro scheitert? Deutschland!
      Es klingt absurd: Deutschland schultert in der existentiellen Krise der Währungsunion Risiken von Hunderten Milliarden Euro – doch wir gelten nicht als wohlmeinende Führungsmacht, sondern stehen als “Euro-Nazis” am Pranger. Wie konnte es bloß so weit kommen? […]
      Die Bundesrepublik war 2009 und 2010 plötzlich in der historischen Position, eine Art europäische Hegemonialmacht zu sein. Als einziger großer Euro-Staat war sie ökonomisch handlungsfähig, mit wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstruktur und relativ niedriger Verschuldung. Deutschland hätte als “benevolent hegemon”, als gütige Vormacht, agieren können – agieren müssen. Ähnlich wie die USA nach dem Zweiten Weltkrieg hätte die Bundesrepublik frühzeitig und großzügig Geld bereitstellen müssen – verbunden mit der Schaffung neuer, mächtiger europäischer Institutionen, inklusive eines neuen Verfassungsvertrags. Angela Merkel hätte Europa in eine gemeinsame Zukunft führen müssen – und können.
      Stattdessen verharrte die nationale Politik im Kleinklein von Landtagswahlkämpfen und populistischer Kein-Geld-für-schlappe-Südeuropäer-Rhetorik. Statt die Grundlinie westdeutscher Politik seit Konrad Adenauer fortzuführen, die darin bestand, die europäischen Nationen in einem fortschreitend engeren institutionellen Rahmen zu verankern, sind wir auf dem Weg, zur Balance-of-Power-Politik zurückzukehren. Im Vordergrund steht nicht mehr das gemeinsame Schicksal der Europäer, sondern der Ausgleich nationaler Interessen.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Jens Berger: Auch wenn der Artikel für SPIEGEL-Verhältnisse durchaus ein Lichtblick ist, versäumt es der Autor Henrik Müller (stellv. Chefredakteur des Partnerblattes „Manager Magazin“) darauf hinzuweisen, dass Deutschland nicht nur in der Krise fast alles falsch gemacht hat, sondern auch durch seine langjährige Wirtschaftspolitik die Grundlage für die strukturellen Probleme gelegt hat, an der die Eurozone nun zugrunde zu gehen droht.

    6. Ein masochistischer Anpassungsprozess
      Ökonomieprofessor Stockhammer findet, die Lohnpolitik soll eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Ungleichgewichte in der Eurozone leisten
      Quelle: Der Standard
    7. Ende einer Freundschaft
      Die Schuldenkrise hat das Verhältnis zwischen Deutschland und Hellas vergiftet. Angela Merkel ist mittlerweile die unbeliebteste ausländische Politikerin in Griechenland. Ihre Schelte wird als Schlag unter die Gürtellinie empfunden.
      Quelle: Frankfurter Rundschau

      Anmerkung unseres Lesers G.K: Man würde sich wünschen, dieser Beitrag der Frankfurter Rundschau würde von all jenen Bundesbürgern gelesen werden, die in ihrem Meinungsbild bzgl. Griechenland und den dort lebenden Menschen von Bild und Co. fortwährend manipuliert werden.
      Das deutsche Lohndumping und Sozialdumping (Stichwort: Hartz IV) der vergangenen 15 Jahre und das Entstehen eines großen Niedriglohnsektors in Deutschland haben die Wettbewerbsfähigkeit auch von Griechenland massiv geschwächt und die ökonomische Schieflage in Griechenland mit verursacht.

      Ergänzende Anmerkung MB: Als ich vor Jahren Urlaub in Griechenland machte, war der einzige deutsche Politiker, den die meisten deutsch sprechenden Einheimischen kannten, Helmut Kohl – den manche auch als Kanzler der europäischen Einigung bezeichneten.

  2. Deutschland ist der größte Schuldensünder des 20. Jahrhunderts
    Griechenlands Pleitekarriere lässt sich nicht überbieten? Doch – von Deutschland, sagt der Wirtschaftshistoriker Albrecht Ritschl im Interview. Er warnt: Die Bundesrepublik muss sich in der Euro-Krise zügeln, sonst könnte sich die Stimmung gegen das Land drehen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung eines Lesers: Auch wenn Herr Ritschl einiges ausblendet (z.B. dass die DDR durchaus Reparationen geleistet hat – und das nicht zu knapp), ein schönes Plädoyer gegen die deutsche Selbstherrlichkeit in dieser Krise. Ein Blick ins Forum lässt einem allerdings, angesichts der Beißreflexe der Leser, die Haare zu Berge stehen.

  3. Heiner Flassbeck – Monetarismus und „Wettbewerb der Nationen“ sind die Totengräber des Euro
    Die dramatischen Entwicklungen in der Europäischen Währungsunion (EWU) wachsen den europäischen Regierungen, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) offenbar über den Kopf: Die nationalen Kapitalmarktzinsen driften nach knapp neun Jahren größter Übereinstimmung stark auseinander. Umfangreiche Rettungskredite für vom Kapitalmarkt mit prohibitiv hohen Zinsen belegte Mitgliedstaaten stellen sich als Tropfen auf den heißen Stein heraus. Die im Gegenzug zu den Kredithilfen verlangten Sparmaßnahmen in den öffentlichen Haushalten der Krisenländer entpuppen sich als kontraproduktiv. Folglich wird heftig darüber gestritten, ob nicht Umschuldungsmaßnahmen oder der Austritt eines Krisenlandes aus der EWU langfristig das kleinere Übel im Vergleich zu nicht enden wollenden finanziellen Hilfen seien.
    Manch einer fragt sich, ob Europa diese Probleme heute genau so hätte, wenn der Euro vor zwölf Jahren nicht eingeführt worden wäre. Offensichtlich sind die Logik einer Währungsunion und damit die Voraussetzungen für ihre Funktionstüchtigkeit ebenso unverstanden geblieben wie ihr Zweck. Eindrucksvoller hätte man das nicht belegen können als mit dem Satz „Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig“, mit dem Bundeskanzlerin Merkel jüngst aufwartete.
    Ohne Verständnis für die relevanten Zusammenhänge lässt sich jedoch weder eine erfolgreiche Rettungsstrategie entwickeln noch glaubwürdig argumentieren, warum der Euro rettungswürdig ist. Es hilft nicht, seine politische Bedeutung für Europa zu bemühen, wenn er die Staatengemeinschaft vor ökonomische Probleme stellt, die den Verantwortlichen wie den Wählern nicht nachhaltig lösbar erscheinen.
    Die beiden Fragen, die es folglich zu klären gilt, lauten: Wie muss eine Währungsunion aufgebaut sein, damit sie langfristig funktioniert, und wozu braucht man sie?
    Quelle: Wirtschaftsdienst [PDF – 256 KB]
  4. Paul Krugman – Mr Keynes and the moderns
    Keynes’ General Theory is 75 years old. In this column, Paul Krugman argues that many of its insights and lessons are still relevant today, but many have been forgotten. A broad swath of macroeconomists and policymakers are applying old fallacies to today’s crisis. As the nostrums being applied by the “pain caucus” are visibly failing, Keynesian ideas may yet make a comeback.
    Quelle: VOX
  5. Mindestlöhne sind bei der Bevölkerung beliebt
    Der Gewerkschaftsbund rührt die Werbetrommel für seine Mindestlohn-Initiative. Der SGB veröffentlichte am Dienstag die Resultate einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Link zum Thema, die er zusammen mit der Gewerkschaft Unia in Auftrag gegeben hatte. Darin sprachen sich 85 Prozent der Befragten für gesetzliche Mindestlöhne als Mittel gegen Probleme mit Tieflöhnen aus.
    Quelle: NZZ
  6. Ganz schön dreist, diese Manager
    Konzernchefs von der Deutschen Bank bis Siemens wollen, dass der Euro gerettet wird – aber gefälligst ohne ihre Hilfe. In der Währungskrise müssten alle zusammenstehen, doch die Wirtschaft versagt moralisch. Sie will Gewinn machen, aber nicht für die Risiken haften.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  7. Steuer gegen Armut: Die Finanztransaktionssteuer (FTS)
    Willkommen auf der Website der Kampagne “Steuer gegen Armut”. Wir sind ein Zusammenschluss von 83 Mitgliedsorganisationen und fordern seit Oktober 2009 mit unserem Offenen Brief an die Bundes­­regierung die Einführung einer Finanztrans­­­aktionssteuer. Aus den Einnahmen sollen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zum Umweltschutz finanziert werden. Die charmanteste Erklärung unseres Anliegens ist die von Heike Makatsch und Jan Josef Liefers. Dieser Kampagnenspot ist während der 22. 23. und 24. Kalenderwoche in ausgesuchten Großstadtkinos in Norddeutschland zu sehen und soll für den Global Action Day für eine Finanztransaktionssteuer am 21.6. sensibilisieren.
    Quelle: Steuer gegen Armut

    Anmerkung MB: Bei aller Sympathie für das Projekt und dem Respekt der beiden Darsteller für ihre Unterstützung – etwas mehr Pfiff, Tempo und Originalität hätten dem Film und auch dem Projekt nicht geschadet.

  8. US-Behörde zieht Großbanken vor Gericht
    Die Finanzkrise hat enorme Schäden hinterlassen – nun wächst der Druck auf die Banken, dafür geradezustehen. Der US-Finanzmarktregulierer NCUA hat am Montag JPMorgan Chase und die Royal Bank of Scotland wegen fehlgeschlagener Hypothekengeschäfte verklagt. Nach Behördenangaben brachen in Folge dieser Deals fünf Zentralinstitute der Genossenschaftsbanken zusammen. “Weitere Klagen dürften folgen”, kündigte die National Credit Union Administration (NCUA) in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia an. Der Gesamtschaden gehe in die Milliarden. In den USA scheint die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise aber gerade erst loszugehen. Die US-Finanzmarktregulierer und die Generalstaatsanwälte der Bundesstaaten haben an mehreren Fronten Ermittlungen eingeleitet. Bislang hat von den Wall-Street-Größen lediglich die US-Investmentbank Goldman Sachs in einem Vergleich mit der Börsenaufsicht SEC 550 Millionen Dollar gezahlt. Mit weiteren teuren Vergleichen wird in den kommenden Wochen und Monaten gerechnet.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Und wann erfolgt die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise bei uns? Inwiefern z.B. die Deutsche Bank seinerzeit Risikopapiere anderen andrehte und gleichzeitig auf einen Verfall solcher Papiere wettete, interessiert anscheinend in Deutschland keinen mehr. Vergessen, wie die Deutsche Bank der IKB diese Schrottpapiere samt dem eigenen Müll verkaufte?! Vergessen, wie Herr Ackermann dazu dreist verkündete: “Es stimmt, wir hatten zeitweise eine andere Marktauffassung als die IKB”, dies sei aber dies für jedermann erkennbar gewesen”?! Wo sind die Staatsanwälte, die überprüfen, wie vielen Kunden die Deutschen Bank wertloses Papier angedient hat? Aber wir sind ja in Deutschland, wo Minister Strategiepapiere der Deutschen Bank abkupfern und als eigene Politik verkaufen. Etwas stinkt in diesem Land, und zwar vom Kopf her. – Übrigens haftet der Staat auch nach der Übernahme durch den Finanzinvestor Lone Star immer noch für Verbindlichkeiten der IKB von knapp neun Milliarden Euro.

  9. Razzia in Berliner Helios-Klinik
    Etwa 150 Polizeibeamten durchsuchen seit heute morgen die Helios Kliniken GmbH in Berlin. Gegen mehrere Geschäftsführer der Helios Kliniken, sowie gegen Ärzte und Chefärzte besteht der Verdacht des Abrechnungsbetrugs.
    Quelle: Ärztezeitung
  10. Bürgerarbeit – Staatlich geförderter Flop
    Sie begleiten Senioren in Altenheimen oder übernehmen die Essensausgabe bei Bedürftigen: die Bürgerarbeiter. Mit dem bundesweiten Modellprojekt sollen schwer vermittelbare Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden, indem sie sich für die Allgemeinheit engagieren. Doch die staatlich geförderten Jobs drohen nach nur einigen Monaten zu einem staatlich geförderten Flop zu werden
    Quelle: WDR
  11. Die Erwartungen an Erwerbslose sind häufig inkompetent und riskant
    Die Anforderungen an Erwerbslose sind häufig unrealistisch und gesundheitsgefährdend. Zu diesen Ergebnissen kommen Studien der Universitäten Dresden und Leipzig. “Von Arbeitslosen werden Veränderungen verlangt, die viele Menschen in stabilen Verhältnissen kaum zu leisten in der Lage sind: finanzielle Einbußen, Veränderungen der Lebensführung, Veränderung zentraler Rollen, Umzüge, Trennung von der Familie bei wohnortfernen Arbeitsangeboten und unsicherer Perspektive …” […]
    Verschiedentlich erhalten ALG-II-Bezieher im Jobcenter die Aufforderung, eine möglichst hohe Zahl an Bewerbungsschreiben nachzuweisen, auch wenn die Erfolgschancen minimal sind. Das kontinuierlich negative Ergebnis entmutigt die Arbeitssuchenden, schädigt ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit und kann damit die emotionalen bzw. gesundheitlichen Voraussetzungen einer Erwerbsfähigkeit ruinieren.
    Quelle: Psychologie Aktuell
  12. Jeder zehnte Europäer mittleren Alters nimmt Antidepressiva
    Rund acht Prozent aller Europäer nahmen im vergangenen Jahr Medikamente gegen Depressionen. Besonders stark betroffen ist die Altersgruppe von 45 bis 54 Jahren. Darauf weist eine aktuelle Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) hin, die auf der Befragung von 30.000 Europäern in 27 Ländern basiert.
    Der britische Ökonom Andrew Oswald, der am IZA in Bonn forscht und die Studie mitverfasst hat, hält den Befund für alarmierend: “Gemessen an Wohlstand und Sicherheit ging es den Europäern nie besser als heute. Dass trotzdem so viele Menschen mit Chemie nachhelfen müssen, um glücklich zu sein, sollte uns zu denken geben.”
    Quelle 1: Informationsdienst Wissenschaft
    Quelle 2: Antidepressants and Age [PDF – 207 KB]

    Anmerkung MB: Außer für die pharmazeutische Industrie dürfte sich über eine solche Meldung niemand freuen.
    Es stellt sich allerdings die Frage, warum ausgerechnet das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) eine solche Studie in Auftrag gibt und was damit bezweckt wird. Das IZA ist immerhin ein Tummelplatz für Arbeitgeberlobbyisten aller Art, einschlägige Politiker und Journalisten sowie ein paar Feigenblatt-Gewerkschafter.

  13. Zeitdruck führt zu Medizinerpfusch
    Die Gutachterstellen der Ärzteschaft stellten im vergangenen Jahr bei 2199 Patienten falsche Diagnosen oder Behandlungen fest. 87 Patienten starben daran. Die Mediziner rechnen in Zukunft mit mehr Beschwerden – und mehr Fehlern. […]
    Crusius machte den zunehmenden Druck der Ärzte verantwortlich. «Der Patient muss in immer kürzeren Zeiträumen durchgeschleust werden – und da können Fehler passieren», sagte er.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  14. Braindrain im Gesundheitswesen: Sterben, weil das Wissen fehlt
    Die Abwanderung von medizinischen Fachkräften bewirkt, dass viele Entwicklungsländer auch in Zukunft kein eigenes Gesundheitssystem entwickeln können – und gefährdet weltweit die Grundversorgung von Milliarden Menschen. Es ist eine abstrakte Zahl und im Alltag der westlichen Zivilisation kaum vorstellbar, doch über ein Siebtel der Weltbevölkerung hat keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Diese Menschen sehen nie einen Arzt, der sie operieren könnte, eine Hebamme, die bei der Entbindung hilft, medizinisches Fachpersonal, das sie impft oder darüber informiert, wie sie sich am besten vor Malaria, Tuberkulose oder einer HIV-Ansteckung schützen können. Der Grund dafür ist ein eklatanter Mangel an Gesundheitspersonal, der besonders Länder des Südens trifft. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herrscht derzeit in 57 Staaten – davon in 36 afrikanischen Ländern südlich der Sahara – ein «kritischer Unterbestand».
    Quelle: WOZ
  15. Schiffe, die kein Wasser vertragen
    Das Getriebe knirscht, die Kupplung versagt, die Elektronik spinnt: Fünf moderne Korvetten sollten der Stolz der Marine sein – aber die 1,2 Milliarden teuren Schiffe machen vor allem Ärger. Das Verteidigungsministerium steht vor einem Desaster – dabei sind die Probleme hausgemacht. […]
    Keine der fünf Korvetten, die vor vier Jahren noch als die “modernsten Kriegsschiffe der Nato” gefeiert wurden, ist bis zum heutigen Tag einsatzbereit: Mal brach eine Antriebswelle, dann gab es Probleme mit der Elektronik, und das Getriebe hat eine eigene, ganz lange, knirschende Geschichte. Neuerdings machen die Kupplungen der Schiffsgetriebe Sorgen. Manchmal auch waren einfach nur Schrauben locker. […]
    Einerseits sind die traurigen Korvetten in den deutschen Häfen Symbol für die vielen maladen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr, andererseits scheinen insbesondere diese Probleme hausgemacht zu sein. Das zuständige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung wurde zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung bei der Planung der Korvetten weitgehend außen vor gelassen. “Auf die Vorgabe von Konstruktionsprinzipien und Bauvorschriften wurde so weit wie möglich verzichtet”, notierte vor neun Jahren der zuständige Planungschef im Bundesamt. Durch die Privatisierung des Projekts und den Verzicht auf Kontrolle durch den Bund sollte das Projekt schneller umgesetzt werden – und billiger sein. Das war ein Irrtum.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Anmerkung MB: Mal wieder hat die Privatisierung öffentlicher Aufgaben damit zu tun.

  16. Mit Knarre am Bauzaun
    Nach der zeitweiligen Besetzung der Baustelle des Bahnhofsprojekts »Stuttgart 21« am Montag abend bemühte sich das politische Establishment am Dienstag, die Gegner des Neubaus in schlechte »gewaltbereite Radikale« und »friedliche Demonstranten« zu spalten. Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) beschuldigte das Aktionsbündnis gegen »Stuttgart 21«, durch »die aggressiven und beleidigenden Reden und Angriffe in der Vergangenheit« zu einem Klima der Gewaltbereitschaft beigetragen zu haben. »Friedliche Demonstrationen gegen das Bahn-Projekt dürfen nicht durch einzelne gewaltbereite Demonstranten mißbraucht werden«, erklärte der OB per Pressemitteilung. »Gewaltbereite Radikale nutzen die Lage und die Stimmung, um mit gewalttätigen Aktionen Zorn und Zwietracht in unserer Stadt zu säen.« Von diesen müsse sich das Aktionsbündnis öffentlich distanzieren, forderte Schuster.
    Quelle: Junge Welt

    Anmerkung B.H.: Stuttgart-21-Proteste, diesmal mit SPD-Innenminister, und denselben Lügen wie einst bei der CDU.

    dazu: Wer eskaliert im Konflikt um Stuttgart 21?
    Parkschützer werfen Polizei Falschmeldungen über Verletzte bei Besetzungsaktion vor.
    Quelle: Telepolis

  17. Atomkraft: Alltägliche Strahlung
    Auch im Normalbetrieb von Atomanlagen gibt es Strahlung. Welche Auswirkungen hat sie auf den Menschen? markt berichtet über den Umgang mit Strahlenbelastung und Grenzwerten.
    Quelle: WDR
  18. Schon bei Kleinkindern werden Arbeitnehmer-Kompetenzen abgefragt
    Wie die Wirtschaft Erziehung und Schulbildung steuert – ein Gespräch mit Autorin Felicitas Römer
    Ungestört Spielen war einmal – heutzutage werden Kinder ständig beobachtet, müssen Normen erfüllen und Schlüsselkompetenzen nachweisen. Bereits die Kleinsten singen auf Englisch oder kommen zum Bewegungstherapeuten, wenn es mit dem Rollerfahren nicht recht klappen will. Kaum in der Schule, wird gezittert: Klappt der Übertritt auf das Gymnasium? Nachhilfe wird zum ständigen Begleiter vieler Schullaufbahnen.
    Doch woher kommt eigentlich der ganze Druck? In ihrem Buch Arme Superkinder zeigt Felicitas Römer, wie die Bildung von Kindern zunehmend wirtschaftlichen Interessen unterworfen wird – und wie Eltern sich gegen den Förderwahn wehren können. Telepolis sprach mit der in Hamburg lebenden Journalistin und Familienberaterin.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung:Arme Superkinder“ ist bei Beltz erschienen und kostet 17,95 Euro.

  19. Qualitätsjournalismus unter Druck
    Die ökonomischen Probleme der Presse beschäftigen auch die Politik. Zur Diskussion steht die Frage, ob und wie die Medien ihre demokratiepolitischen Funktionen noch wahrzunehmen vermögen. Der Bundesrat wird sich demnächst dazu äussern. Im April 2010 hat das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) fünf Studien zur Lage der Medien in der Schweiz in Auftrag gegeben. Der Bundesrat reagierte auf ein Postulat von Nationalrat Hans-Jürg Fehr, der von der Regierung einen Bericht über die Zukunftschancen namentlich der Presse verlangte.
    Quelle 1: NZZ
    Quelle 2: Beiträge und Studien Medienforschung 2010

    Anmerkung Orlando Pascheit: Manche Ergebnisse der Studien dürften auch auf Deutschland übertragbar sein. Für die Schweizer Zeitungen wurden u.a. ausgemacht: Weniger Sachkompetenz bei den Regionalmedien, Ungleicher Zugang für marginale Akteure, Weitere Medienkonzentration (Ein-Zeitungs-Regionen, die fünf größten Verlage decken 91 Prozent des Abonnements- und Gratis-Tageszeitungsmarkts ab), Qualitätsprobleme (Personaleinsparungen bei gleichzeitig erhöhtem Produktionsdruck), Boulevardisierung (Fokussierung auf vermutete Leserwünsche und Konzentration auf Unterhaltung und Soft-News), Verstärkte Selbstreferenz (Medienschaffende beziehen sich immer stärker auf andere Medienschaffende und Medien, verstärkt durch das Internet), Distanz der Jungen. – Bemerkenswert, dass ein Regierungsmitglied dezidiert einen Bericht über die Zukunftschancen der Presse anfordert.

  20. Das Allerletzte: Riesterrenten- Propaganda in der Berufsschule
    „Vor einigen Tagen bekam wir im Politikunterricht folgende Arbeitsblätter. Unglaublich, oder?“ schreibt uns ein Leser.
    Quelle 1: Teil 1 [PDF – 995 KB]
    Quelle 2: Teil 2 [PDF – 287 KB]
    Quelle 3: Teil 3 [PDF – 213 KB]

    Anmerkung MB: Das ist leider schon Alltag und Standard im Schulunterricht. Die Arbeitgeberlobby Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und befreundete Verbände und „Institute“ produzieren fleißig Unterrichtsmaterial für Lehrer/innen und Schüler/innen in dem Projekt „Wirtschaft und Schule“.


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