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Titel: Ackermanns großer Bluff

Datum: 22. Juli 2011 um 16:02 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Euro und Eurokrise, Finanzkrise
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„Wir können mit der Lösung nicht unzufrieden sein, schließlich sitzt Josef Ackermann am Tisch“ – mit diesem Satz zitiert die FAZ „Reaktionen aus Bankerkreisen“ zu den ersten Ergebnissen des Euro-Gipfels. Ackermann selbst stapelt jedoch lieber tief und beklagt im ZDF die angeblichen 21 Prozent Abschreibungen, die die Banken „hart treffen“ würden. Doch die Krokodilstränen des Deutschbankers sind unangebracht und zynisch. Wenn man sich das „freiwillige Angebot“ des Bankenverbandes IIF [PDF – 37.4 KB], dem Ackermann vorsteht, näher anschaut, stellt man schnell fest, dass die Banken nahezu ungeschoren bleiben. Von einer Beteiligung des privaten Sektors kann überhaupt keine Rede sein. Von Jens Berger

Um das Angebot der Banken einordnen zu können, muss man sich zunächst vergegenwärtigen, unter welchen Konditionen die Griechenland-Anleihen, die in den Bilanzen der Institute stehen, überhaupt ausgegeben wurden. Als Beispiel sei hier eine typische Anleihe genannt – die 2007 ausgegebene 10jährige Anleihe GR0124029639 mit einem Kupon von 4,3%. Banken und Versicherungen, die diese Anleihe erworben haben, erhalten vom griechischen Finanzministerium 4,3% Zinsen auf dieses Papier, das 2017 ausläuft. Vor Beginn des Euro-Gipfels wurde diese Anleihe an den Märkten für 46,10 Euro gehandelt. Wer die Anleihe zu diesem Zeitpunkt gekauft hat, kann demnach mit rund 20% Rendite rechnen. Für Investoren, die das Papier schon länger in ihren Büchern haben, ändert sich an der Rendite jedoch faktisch nichts.

Das Angebot des IIF sieht vier Instrumente vor, mit denen sich der private Sektor von seinen ausfallsbedrohten Griechenlandanleihen trennen kann:

  1. Ein 1:1 Austausch in eine 30jährige Anleihe der EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) mit AAA-Rating und einer durchschnittlichen Verzinsung von 4,5%, der sofort stattfindet.
  2. Ein 1:1 Austausch in eine 30jährige Anleihe der EFSF mit AAA-Rating und einer durchschnittlichen Verzinsung von 4,5%, der nach Fälligkeit der Griechenland-Anleihen stattfindet.
  3. Ein Austausch mit einem Abschlag von 20% vom Barwert in eine 30jährige Anleihe der EFSF mit AAA-Rating und einer durchschnittlichen Verzinsung von 6,42%.
  4. Ein Austausch mit einem Abschlag von 20% vom Barwert in eine 15jährige Anleihe der EFSF mit AAA-Rating und einer durchschnittlichen Verzinsung von 5,9%.

Wenn man nun die Angebote [1] und [2] anschaut, fragt man sich unwillkürlich, worin denn nun eigentlich die Beteiligung des privaten Sektors besteht? Die Verzinsung von 4,5% entspricht der Verzinsung der griechischen Staatsanleihen und ist sogar rund einen Prozentpunkt höher als die Verzinsung deutscher Bundesanleihen, die ebenfalls ein AAA-Rating haben, und für die ebenfalls der deutsche Steuerzahler haftet. Bei den Angeboten [3] und [4] findet zwar in der Tat ein Abschlag von 20% auf den Barwert statt, dafür erhält der Investor jedoch eine erstklassige Rendite von 5,9% bzw. 6,42%, die den Abschlag wieder wettmacht. Natürlich dürfen sich die Banken selbst aussuchen, welches dieser großzügigen Angebot sie bevorzugen.

Wie kommt Herr Ackermann nun aber auf die 21% Abschreibung, die der private Sektor angeblich vornehmen muss? Ganz einfach: Die Angebote [1] und [2] werden als sogenannte Nullkuponanleihe ausgegeben. Die Bank kassiert somit sämtliche Zinsen am Ende der Laufzeit – also in 30 Jahren. Diese Rendite bildet sich im Kurs der Anleihe ab. Wenn die Deutsche Bank auf Angebot [1] eingeht, gibt sie dem EFSF ihre Griechenland-Anleihe und erhält dafür eine Nullkuponanleihe, die im Jahr 2041 (also in 30 Jahren) den Nennwert der Griechenland-Anleihe auszahlt. Da der Barwert einer Nullkuponanleihe natürlich abgezinst wird, entspricht er zu Beginn der Laufzeit bei 4,5% Verzinsung rund 25% des Nennwertes. Was bedeutet dies für die Beteiligten?

Der EFSF gewinnt 30 Jahre Zeit. Erst in 30 Jahren wird der volle Nennwert für die Banken fällig. Die Banken können wiederum den Barwert (also 25% des Nennwertes) bilanzieren und kommen somit nicht nur zu steuersparenden Abschreibungen, sondern auch zu einem erstklassig verzinsten Papier, das sie ihrerseits als Mindestreserve bei der EZB hinterlegen können. Fürwahr kein schlechtes Geschäft.

Auch die Angebote [3] und [4] sind keinesfalls als Beteiligung des Privatsektors zu werten. Die Banken müssen lediglich 20% des Barwertes abschreiben, kassieren dafür aber erstklassige Zinsen, die weit über den bisherigen Zinsversprechen Griechenlands liegen. Die eingangs genannte Anleihe GR0124029639 hat heute einen Barwert von 75,86 Euro. Wenn eine Bank diese Anleihe mit 20% Abschlag in eine EFSF-Anleihe umtauschen würde, hätte diese Anleihe dank der großzügigen Verzinsung von 6,42% im Jahr 2017 einen Barwert von 88,15 Euro. Bei sehr großzügiger Deutung ergäbe sich somit ein Abschlag von 11,85%, der jedoch dadurch ausgeglichen wird, dass diese Anleihe noch bis zum Jahr 2041 mit stolzen 6,42% bedient wird.

Wie kommt Herr Ackermann dann aber auf 21 Prozent Abschreibung? Ganz einfach, er setzt die Verzinsung der Griechenland-Anleihen mit 9% an. Das mag konservativ erscheinen, wenn man die aktuellen Marktpreise für diese Anleihen betrachtet. Die Marktpreise haben aber bereits eine Umschuldung eingepreist. Für Banken, die dem Druck der Märkte widerstanden haben und die Anleihen trotz steigenden Ausfallrisikos gehalten haben, ergibt sich anstatt einer Abschreibung ein sattes Plus. Wenn man die Verzinsung jedoch regulär mit 4,5% ansetzen würde, käme man freilich nie auf Ackermanns 21 Prozent, sondern auf einen wesentlich geringeren Wert.

Ackermanns Deal ist ein Hauptgewinn für die Banken. Griechenland-Anleihen wurden in der letzten Woche an den Märkten mit einem Abschlag von rund 40% gehandelt. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung forderte sogar einen Abschlag von 50 Prozent bei der Beteiligung des Privatsektors. Im Vergleich zu diesen Zahlen wären selbst Ackermanns 21 Prozent ein Geschenk an die Banken. Der jetzige Deal, der weit unterhalb dieser 21 Prozent liegt, ist keine Beteiligung des Privatsektors, sondern ein Bailout erster Güte. Überflüssig zu erwähnen, dass die Zeche einmal mehr der Steuerzahler zahlen muss. Im Jahre 2041, wenn die EFSF-Anleihen auslaufen, werden die Verantwortlichen jedoch bereits im Ruhestand sein. Die Rechnung für die „Beteiligung des Privatsektors“ wird die nächste Generation zu tragen haben.


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