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Titel: Am Geld der Roland Berger Stiftung kleben der Schweiß und das Leid von Millionen Menschen – und amnesty international bildet die Staffage

Datum: 28. März 2008 um 9:48 Uhr
Rubrik: Agenda 2010, Arbeitslosigkeit, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft
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Gestern wurde in München eine neue Stiftung, die Roland Berger Stiftung des Unternehmensberaters Roland Berger, vorgestellt. Pressemitteilung siehe im Anhang.
Die Stiftung verpflichtet sich dem weltweiten Schutz der Menschenwürde. Viel zynischer geht es eigentlich nicht: Roland Bergers Firma hat mit ihren Beratungs-„Leistungen“ viel Geld verdient, indem sie half, Arbeitsplätze wegzurationalisieren und den Abbau des Sozialstaats und der sozialen Sicherungssysteme voranzutreiben; nun soll mit diesem Geld zum Schutz der Menschenwürde beigetragen werden. Und Amnesty International gibt dazu noch einen guten Namen her. Albrecht Müller

Roland Berger war einer der wichtigen Berater von Gerhard Schröder und als besonders aktiver Netzwerker an der so genannten Reformpolitik beteiligt. Der niedersächsische Ministerpräsident warf ihm öffentlich die Bildung von Seilschaften vor. Seine Beratungsfirma arbeitete in der Hartz-Kommission mit. Er verdiente Millionen mit der Umgestaltung der Bundesagentur für Arbeit. Persönlich aktiv war Berger in der Rürup-Kommission. Als „Kostenkiller“ hat seine Beratungsfirma tausende von Arbeitsplätzen und Arbeitslosenschicksale auf dem Konto. Er war mit seinen Expertisen ein besonders aktiver Propagandist des „schlanken Staates“. Dies alles hat unendlich viele Menschen in Deutschland ihrer sozialen Sicherheit und damit zugleich häufig auch ihrer menschlichen Würde beraubt. Mit dem damit verdienten Geld wird jetzt eine Stiftung zum Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte gegründet. Der ist der blanke Hohn. Dass die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International dieser Reinwaschung neoliberaler Umtriebe durch eine solche Stiftung zum Lobpreis der Menschenwürde auch noch den Segen erteilt, wirft ein grelles Licht auf die mangelnde Sensibilität der Vertreter einer im Prinzip großartigen Organisation – Amnesty International. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel, verehrte Frau Lochbihler.

Warum weise ich auf diesem Vorgang hin? Keinesfalls, um Amnesty International schlechtzumachen. Hier geht es um Sensibilisierung. Je deutlicher die schlimmen Folgen der neoliberalen Veränderung in Deutschland und in der Welt insgesamt sichtbar werden, um so mehr versuchen die Betreiber dieses Unglücks mit wohltätigen Werken davon abzulenken und sich mit unverdächtigen Organisationen und Zeitgenossen zu schmücken. Solche Ablenkungsmanöver darf man nicht zulassen, weil dann die Macht dieser Kreise ungebührlich verlängert wird. Sie holen sich noch öffentliches Lob ein und machen sich damit unangreifbar. Deshalb der Hinweis auf diesen Vorgang. Und hier die:

Pressemitteilung der Roland Berger Stiftung
27.03.2008 | 15:00 Uhr
Roland Berger Stiftung: Unternehmensberater Roland Berger gründet private Stiftung – Ministerpräsident Beckstein überreicht Stiftungsurkunde – Bundespräsident Köhler wird Preis für Menschenwürde verleihen
München (ots) – Im Rahmen der Initiative Stifterland Bayern wurde heute in der Münchner Residenz die Roland Berger Stiftung ins Leben gerufen. Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein überreichte Prof. Dr. h.c. Roland Berger dabei die Stiftungsurkunde. Die Roland Berger Stiftung verpflichtet sich dem weltweiten Schutz der Menschenwürde und der Bildungsförderung. Sie fördert zum einen Menschenwürde und Menschenrechte durch den “Roland Berger Preis für Menschenwürde – zur Förderung eines friedlichen Miteinanders in der Welt”. Mit diesem Preis werden jedes Jahr Personen oder Institutionen geehrt, die sich vorbildlich und erfolgreich für Menschenwürde und Menschenrechte einsetzen. Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler hat die Schirmherrschaft über den mit einer Million Euro dotierten Preis übernommen und sich bereit erklärt, diesen auch zu vergeben. Die Roland Berger Stiftung will zudem begabte junge Menschen aus bildungsfernen Schichten unterstützen: So sollen ihnen etwa Stipendien eine hochwertige Ausbildung und dadurch ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Zudem werden Bildungsprojekte aufgelegt und finanziert. Die Stiftung stattet der 70-jährige Strategieberater mit zunächst 50 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen aus, das auf einen dreistelligen Millionenbetrag aufgestockt werden soll. Das Kuratorium unter dem Vorsitz Roland Bergers besteht aus Staatssekretär Dr. Gert Haller, Chef des Bundespräsidialamtes, Frau Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international, dem Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin, sowie Frau Karin Berger.
In seiner Rede erklärt Roland Berger:

“Die Roland Berger Stiftung hat einen zweifachen Stiftungszweck:

1. Menschenwürde und Menschenrechte fördern und schützen, mit dem Ziel einer weltweit offenen und friedlichen Gesellschaft, in der alle Menschen ihre Fähigkeiten frei entfalten und in Würde leben können.

2. Die Bildungschancen begabter junger Menschen, vor allem aus bildungsfernen Schichten, verbessern, um ihnen so ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu ermöglichen.
Wie kommt man als Stifter auf derartige Stiftungszwecke? Es sind persönliche Erlebnisse: Geboren im nationalsozialistischen Deutschland musste ich bereits als kleines Kind den menschenverachtenden Terror der Gestapo miterleben. Unser Zuhause wurde regelmäßig unangekündigt von Schergen dieses Unrechtsstaates durchsucht. 1944 schließlich wurde mein Vater von den Nazis inhaftiert. Diese Jahre waren der dunkelste Abschnitt deutscher Geschichte. Die Würde des Menschen galt nichts. Vielen wurde sie genommen.

Dagegen sagt heute Artikel 1 unseres Grundgesetzes: “Die Würde des Menschen ist unantastbar”. Mittlerweile ist das Bekenntnis zu Menschenwürde und Menschenrechten ein tragender Grundsatz der internationalen Ordnung, der Charta der Vereinten Nationen, der Verfassung der UNESCO sowie ungezählter nationaler Verfassungen.
Fakt ist allerdings, dass Würde und Rechte des Menschen auch heute noch in vielen Teilen der Welt missachtet werden. Schauen wir nur nach Somalia, in den Tschad oder den Sudan. Zwei Weltkriege und der Holocaust in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts verpflichten uns Deutsche meiner Meinung nach besonders, uns für diese Werte einzusetzen.

So lobt die Roland Berger Stiftung von nun an jedes Jahr den “Roland Berger Preis für Menschenwürde – zur Förderung eines friedlichen Miteinanders in der Welt” aus, über den Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler die Schirmherrschaft übernimmt. Der Bundespräsident wird den mit einer Million Euro dotierten Preis auch jährlich im Rahmen einer festlichen Veranstaltung in Berlin übergeben. Er soll Persönlichkeiten und Institutionen für ihre Verdienste um die Menschenwürde ehren. Gleichzeitig sollen sie das Preisgeld verwenden, um ihre Arbeit zu finanzieren. Schließlich soll die Auszeichnung noch mehr Menschen und Gemeinschaften dazu inspirieren, sich für Menschenwürde und Menschenrechte einzusetzen.

Auch der Stiftungszweck Bildungsförderung gründet auf persönlichen Erfahrungen. Letztlich konnte ich nur deswegen im Leben etwas erreichen, weil ich Zugang zu erstklassiger Bildung hatte. Sie ermöglichte es mir, meine Fähigkeiten zu entwickeln und dadurch, so hoffe ich jedenfalls, persönlich und beruflich zum Fortschritt der Gesellschaft beizutragen. Daher habe ich mich entschieden, mit meiner Stiftung Bildung zu fördern, vor allem die Ausbildung junger Menschen aus bildungsfernen Schichten.
“Bildungschancen sind Lebenschancen”, so hat es Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler in seiner Berliner Rede 2006 formuliert. Tatsächlich besteht hier auch in Deutschland noch immer großer Handlungsbedarf und hier wird die Roland Berger Stiftung ansetzen:

In Deutschland studieren heute nur 36 Prozent der Abiturienten eines Jahrgangs, drei Jahre zuvor waren es noch 39 Prozent. Und schaut man sich die soziale Herkunft der Studierenden an, so wird klar, dass der familiäre Hintergrund offenbar die Chancen der jungen Menschen bestimmt: So studieren heute 83 Prozent aller Akademikerkinder, aber nur 23 Prozent des Nachwuchses aus Familien ohne akademische Tradition. Noch schlechter steht es um Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund. Auch diese ,sind Deutschland’. Deshalb geht es uns alle an, dass jedes fünfte Zuwandererkind die Schule ohne Abschluss verlässt, vier von zehn Jugendlichen mit Migrationshintergrund keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können, und dass die Chance, eine qualifizierte Ausbildung zu bekommen, für diese Jugendlichen nur halb so hoch ist wie für ihre deutschen Kameraden.

Dies verstößt nicht nur gegen die Chancengerechtigkeit, sondern bedeutet auch, dass wir intellektuelles Potenzial vergeuden, und zwar in erheblichem Umfang. Und eben dieses Potenzial müssten wir dringend ausschöpfen, wenn unsere Gesellschaft ihre Zukunft bewältigen und ihren Bürgern ein lebenswertes Dasein garantieren soll.
Die Roland Berger Stiftung will der ungleichen Verteilung von Bildungschancen in Deutschland entgegenwirken. Zum einen durch die Vergabe von Roland Berger Stipendien an begabte junge Menschen aus bildungsfernen Schichten. Zum anderen, indem sie Bildungsprojekte in allen Bereichen fördert – von der Vorschule bis hin zur Universität.
Die Roland Berger Stiftung wird zunächst mit 50 Millionen Euro ausgestattet. Daraus stehen jährlich etwa 4 Millionen Euro für Roland Berger Preis und Bildungsförderung zur Verfügung. Ich plane darüber hinaus, das Stiftungskapital mittelfristig auf bis zu 150 Millionen Euro aufzustocken.”
Nähere Informationen sowie Bildmaterial finden Sie ab 15.00 Uhr auf der Stiftungswebseite:www.rolandbergerstiftung.org
Am 27. März ab 16.00 Uhr steht Ihnen dort auch ein Foto der Urkundenübergabe zur Verfügung.

Falls Sie Rückfragen haben, wenden Sie sich bitte an:
Thorsten Gohlke, Roland Berger Stiftung,
Postfach 402140, 80721 München
T (0 89) 92 30 84 83 | F (089) 54 85 88 05
[email protected]
www.rolandbergerstiftung.org (online ab 27. März, 15.00 Uhr)


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