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Titel: Hunderte von Milliarden für die Spielschulden der Banken – eigentlich müsste es einen Aufschrei geben. Warum geschieht das nicht? Eine Hypothese. (Finanzkrise Teil III)

Datum: 23. Januar 2009 um 16:18 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise
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Täglich erreichen uns neue Nachrichten über neuen Bedarf zur Rettung der Banken. Und immer wahrscheinlicher wird es, dass den Banken durch Ausgliederung ihrer faulen Kredite in eine Bad Bank, für die wir Steuerzahler gerade stehen müssen, die Last ihrer riskanten Geschäfte abgenommen wird. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Albrecht Müller.

Während aber unser Führungspersonal in den Medien und in der Politik, bei den Verbänden und bei den Banken beim Konjunkturpaket für Investitionen herumgeizte und nicht einmal die 20 Milliarden Grenze überschreiten wollte, werden locker zwischen 50 und 100 Milliarden für eine einzige private Bank, die HRE, bereitgestellt; für die Commerzbank gab es 18,2 Milliarden, die WestLB will 100 Milliarden auslagern, die Deutsche Bank will sich clever auf dem Weg der Übernahme der Postbank mitfinanzieren lassen und so weiter.

Das geht alles ziemlich still und leise vonstatten. Guido Westerwelle, der Spitzenvertreter der neuen bürgerlichen Koalition, erhebt seine mahnende Stimme gegen die Absicherung riskanter Spekulationsgeschäfte durch die Steuerzahler nicht. Nur wenige Medien kritisieren und unsere politischen Eliten werden das alles mitmachen, auch wenn sie sich jetzt teilweise noch zieren. Die CDU ziert sich nicht einmal. Steinbrück tuts, aber ihm sind seine Bedenken nicht zu glauben.

Meine Hypothese: In unseren Führungszirkeln und in unseren Talkshows gibt es keinen Aufschrei, weil sehr viele von ihnen auch persönlich mit hohen Beträgen in diesem Spiel stecken. Sie haben Teile ihres in spekulativen Geschäften angelegten Vermögens schon verloren; den Rest möchten sie mithilfe von uns Steuerzahlern retten lassen. Unter diesen Umständen muss man es sich natürlich untersagen, die Politiker zu heftig zu kritisieren, die einem dabei helfen sollen und wollen.

Bevor ich diese Hypothese formulierte, habe ich mich umgehört, bei Journalisten, bei Politikern, bei Unternehmern und Gewerkschaftern, bei vermögenden Personen insgesamt.
Viele von ihnen haben ihr Geld den Banken auch für riskante Anlagen anvertraut. Andere sind bei Aktienfonds oder einfach an den Aktienbörsen eingestiegen. Sie haben die stürmische Entwicklung, die Vervierfachung der Aktienkurse zwischen 1995 und dem Jahr 2000 und dann nach einem zwischenzeitlichen Absturz noch einmal zwischen 2003 und 2007 für eine normale Entwicklung gehalten, jedenfalls für eine Gelegenheit, auf schnelle Weise und ohne Arbeit reich oder noch reicher zu werden. (Siehe dazu den Teil I. zur Finanzkrise) Sie haben inzwischen einen Teil ihrer Gewinne verloren oder sie haben sogar Substanz verloren, weil sie bei hohen Kursen eingestiegen sind. Der totale Absturz ist ihnen bisher auch dadurch erspart geblieben, dass wir Steuerzahler einen Schirm zur Rettung der Banken aufgespannt haben. Der DAX zum Beispiel liegt mit über 4000 Punkten immer noch über dem doppelten des Wertes von 2003 und 1995 – damals ungefähr 2000. Jetzt möchten diese Anleger aus unserer politischen, medialen und ökonomischen Führungsschicht, was persönlich verständlich ist, verhindern, dass sich ihre Buchwerte noch einmal halbieren. Ähnlich ist ihre Erwartung bei noch riskanteren Anlagen ihres Geldes über die deutschen Banken.
Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Diese banale Erklärung erklärt leider auch die Abwesenheit eines laut vernehmlichen Aufschreis und der entsprechenden Konsequenzen. Eigentlich müssten die Ackermanns und ihre Freunde in der Politik aus ihren Ämtern entfernt werden. Und die publizistischen Akteure gleich mit, weil sie ihrer demokratischen Kontrollfunktion nicht gerecht werden.

Anlagen:
Einige Artikel mit Informationen zu weiteren Risiken bei den Banken und dem Versuch, auf eine Bad Bank auszulagern:

Pläne für Abwicklungsgesellschaft
Die WestLB will Vermögenswerte in einem weitaus größeren Umfang auslagern als bislang bekannt. Jetzt ist von bis zu 100 Mrd. Euro die Rede. Über eine neu zu gründende Abwicklungsgesellschaft wird derzeit beraten.

Für den Steuerzahler macht es kaum einen Unterschied, ob die Landesbanken ihre Risiken inner- oder außerhalb der Bilanz führen: Am Ende haften sie ohnehin für die Probleme der staatlichen Institute.
Quelle: FTD

LANDESBANKEN
BayernLB erwartet noch höheren Verlust
Die Lage bei der BayernLB wird immer dramatischer: Vor kurzem rechnete die Landesbank für das Jahr 2008 noch mit einem Verlust von drei Milliarden Euro – jetzt meldet sie ein Minus von fünf Milliarden Euro.

München – Die von der Finanzkrise gebeutelte BayernLB hat im vergangenen Jahr einen operativen Verlust von etwa fünf Milliarden Euro verkraften müssen. Das sagte BayernLB-Chef Michael Kemmer der “Börsen-Zeitung”.
Quelle: Spiegel Online

Vodoo ist keine Lösung / Leitartikel von Anna Sleegers
Die Kreditwirtschaft verlangt eine Mülldeponie für toxische Wertpapiere. Wenn die Banken tatsächlich nur so überleben können, so gehören sie verstaatlicht.
Quelle: FR

Anmerkung VB: Mit Vodoo für diese Lösung der faulgewordenen Wertpapiere bei den Banken lehnt sich Anna Sleegers an ein berühmtes Vorbild für die Einschätzung an: Paul Krugman hatte vor einigen Tagen in der NYT diese Lösung als Vodoo- Lösung – einfach afrikanischen Zauber – abgetan

Billion für Zocker

Bad Bank wird kommen
Rainer Balcerowiak

Je lauter und häufiger öffentlich kolportierte Vorhaben dementiert werden, umso sicherer ist ihre bevorstehende Realisierung. Diese Regel wird sich auch bei der Gründung einer sogenannten Bad Bank bestätigen. Natürlich ist der Bundesregierung klar, daß die komplette Übernahme aller Risiken der privaten Finanzwirtschaft durch die öffentlichen Haushalte das Faß bei vielen Wählern womöglich zum Überlaufen brächte. Doch es gibt genügend Tricks und Nebelkerzen, um diese historisch einmalige gigantische Umverteilung zugunsten der Banken ein wenig zu verschleiern. Laut dem in solchen Angelegenheiten gewöhnlich gut informierten Handelsblatt (Donnerstagausgabe) wurden im Lenkungsausschuß des staatlichen Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) bereits die Weichen gestellt, um den Banken die Zockerpapiere zum – völlig unrealistischen – Bilanzwert abzunehmen und für Verluste bei Fälligwerdung geradezustehen. Als Gegenwert würde der Staat nicht etwa Anteile an den Banken erhalten, sondern lediglich eine Vereinbarung über eine »Ausgleichsforderung«. Dahinter verbirgt sich die vage Hoffnung, daß die aus der Abschreibungsfalle befreiten Geldinstitute irgendwann wieder saftige Gewinne einfahren und binnen 40 bis 50 Jahren ihre Schulden abstottern.

Die Risiken für den Bund sind kaum kalkulierbar, liegen aber mindestens in einer Größenordnung um 300 Milliarden Euro. Es könnte allerdings auch das Dreifache sein. Nicht vergessen sollte man dabei den ersten »Rettungsschirm«, der sich trotz seiner Ausstattung mit 500 Milliarden Euro bislang als weitgehend wirkungslos erwiesen hat, sowie diverse bereits ausgereichte Milliardenhilfen für die Landesbanken und die mittlerweile quasi verschenkte Mittelstandsbank IKB. Die magische Grenze von einer Billion Euro in Form von Direkthilfen, Beteiligungen und Bürgschaften wäre somit weit überschritten. Selbst wenn nur ein Bruchteil dieser Summe real fällig würde, entstünde im Bundeshaushalt auf unabsehbare Zeit ein Loch von unvorstellbaren Ausmaßen – mit entsprechenden Folgen für die Infrastruktur und die Sozialsysteme. Und das alles nur, um der ordnungspolitischen Maxime der staatlichen Enthaltsamkeit im Wirtschaftsgeschehen Genüge zu tun und dem Finanzkapital den Rücken für die Wiedereröffnung des Kasinos mit leicht geänderten Spielregeln freizuhalten.

Natürlich wird jetzt versucht werden, die Gründung einer Bad Bank als alternativlos darzustellen, da andernfalls der für das das gesamte Wirtschaftsgeschehen lebenswichtige Kreditmarkt weiterhin in Agonie verharren oder gar vollständig zusammenbrechen würde. Letzteres muß tatsächlich verhindert werden. Aber nichts spricht dagegen, daß der Geldkreislauf künftig in staatlicher Regie organisiert wird. Die Privatbanken haben die Weltwirtschaft in eine der schwersten Krisen der Moderne geführt und dabei eine Spur der ökonomischen Verwüstung gezogen. Sie haben keine Existenzberechtigung mehr.
Quelle: junge Welt


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