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Titel: Über Methoden, mit denen Neoliberale die Säuberung des DIW von nachfrageorientierten Ökonomen rechtfertigen

Datum: 4. Mai 2005 um 13:33 Uhr
Rubrik: Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Am 16. April 2005 berichtet die Berliner Zeitung über die Evaluation des DIW durch die Leibniz-Gesellschaft. Hohes Lob erfährt der neue Chef des Instituts, Klaus F. Zimmermann. Er hat es geschafft, das früher schon mal vom Mainstream der Wirtschaftsforschungsinstitute abweichende DIW inzwischen in die neoliberale Phalanx einzureihen. Geradezu niedergemacht wird in dem Beitrag der von Zimmermann unter massiver öffentlicher Kritik gefeuerte frühere Chef der Konjunkturabteilung, Gustav Horn, ein eher nachfrageorientierter Wirtschaftsforscher. Erstaunlich ist, dass der Prüfbericht nebst einer Abqualifizierung von Horn durch Zimmermann der Berliner Zeitung offenbar schon vorlag, bevor ihn die Mitarbeiter des DIW einsehen oder gar dazu Stellung nehmen konnten. Die NachDenkSeiten sind diesem Wissenschaftler-Mobbing einmal nachgegangen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) – eines der sechs sog. „führenden“ deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute – ist – wie auch das Institut für Weltwirtschaft in Kiel – im vergangenen Herbst von externen Wissenschaftlern, die von der Wissenschaftsgemeinschaft Johann Gottfried Leibnitz (WGL) beauftragt worden waren, evaluiert worden. Der erste vertrauliche Berichtsentwurf, zu dem die Institutspräsidenten Stellung beziehen können, liegt nunmehr vor. Im Unterschied zum Kieler Institut wurde dieser Bericht im DIW Berlin den eigenen Mitarbeitern vorenthalten. Nur die Abteilungsleiter durften jene kurzen Passagen einsehen, die ihre eigene Abteilung betrafen, nicht aber den Rest des Prüfberichts.
Um so erstaunlicher ist, dass die Berliner Zeitung, offenbar schon vorher und als einzige in den Genuss des Berichtes kam und einen Artikel publizierte, in dem dem DIW „bemerkenswerte Fortschritte“ attestiert wurden. Hohes Lob erfährt in dem Beitrag von Hendrik Munsberg der seit 2000 amtierende Präsident des Instituts, Klaus F. Zimmermann dafür, dass er das Institut gründlich „umkrempelte“. Zwar habe ihm vor allem die Neubesetzung der Abteilungsleiterstellen „über das eigene Haus hinaus jede Menge Ärger und Widersacher“ eingebracht, doch, so meint der Autor des Beitrags, das Leibniz-Gutachten müsse für Zimmermann „wirken wie ein Gütesiegel für die eigene Arbeit der letzten fast fünfeinhalb Jahre“. Der Prüfbericht würdige, dass die interne Organisation im Sinne höherer wissenschaftlicher Qualität „beträchtlich“ verbessert worden sei. Ausgerechnet die Leistung der Konjunkturabteilung, für die der, gefeuerte, eher nachfrageorientierte Konjunkturforscher Gustav Horn seinerzeit verantwortlich war, wird in dem Artikel äußerst kritisch beurteilt wurde. Als Beleg wird das Urteil des Präsidenten selbst und ein Zitat aus dem Leibniz-Gutachten angeführt, nach dem die Abteilung mit Routineaufgaben überlastet sei und zu wenig Forschung betreibe und nicht ausreichend Zeit für Fachpublikationen habe. Zu dieser Bewertung ist zunächst anzumerken, dass Horn seine Abteilung während der Begehung durch die Kommission auf Anweisung des DIW Präsidenten Zimmermann nicht selbst vertreten konnte und damit daran gehindert wurde, deren Leistung adäquat darzustellen. Die Vorstellung übernahm Zimmermann selbst und die war, nach Auskünften aus Gutachterkreisen, eine der schlechtesten. Zum zweiten enthält der Gesamtbericht nach Auskünften von Kennern des Berichts – neben einer im Grundsatz positiven Beurteilung des DIW – den generellen Hinweis, dass die Zahl der Publikationen in akademischen Zeitschriften weiter erhöht werden müsse und zugleich der Anteil der Auftragsforschung insbesondere für die Ministerien zurückgedrängt werden müsse. Solche Hinweise werden dann in der Beurteilung der einzelnen Abteilungen immer wieder angeführt, so eben auch bei der Konjunkturabteilung, was dann zu dem bewertenden Zitat führte. Zugleich werden der Konjunkturabteilung aber erhebliche Fortschritte in ihrer Ausrichtung auf akademische Forschung attestiert und ihre anspruchsvolle Methodik hervorgehoben. Diese Bewertung straft Zimmermanns Behauptung von der mangelnden wissenschaftlichen Leistung der Abteilung unter Horns Führung Lügen. Davon ist aber im Bericht der Berliner Zeitung nicht die Rede.
Vieles spricht dafür, dass hier die Berliner Zeitung einen der allzu häufig anzutreffenden Handel mit Erstinformationen eingegangen ist. Nach dem Motto: Ich gebe Dir eine vertrauliche Information exklusiv, wenn Du mir dafür auch einen Gefallen tust. Vieles spricht nämlich dafür, dass der Bericht der Berliner Zeitung aus jenen Kreisen des DIW zugespielt wurde, die Zimmermann nahe stehen, und als Gegenleistung für die Indiskretion wird in der Zeitung Kritik an Horn geübt und dessen Entlassung nachträglich als gerechtfertigt dargestellt.

Es geht also nicht nur um eine Fortsetzung der persönlichen Auseinandersetzung zwischen Zimmermann und Horn, sondern auch um die Diskreditierung von Horns kritischer Position gegenüber dem Mainstream unter den deutschen Ökonomen. Und das dürfte wohl Hauptzweck der Indiskretion gewesen sein.
Das ist nur eines von vielen Beispielen, mit welchen Methoden die Sippe der neoliberalen Ökonomen in Deutschland, die sonst immer den Wettbewerb im Munde führen, ihre „wissenschaftliche“ Monopolstellung ausbauen.

Der Evaluationsbericht macht aber noch ein Weiteres deutlich, nämlich dass sich die Wirtschaftsforschungsinstitute, folgen sie den Ratschlägen der Evaluatoren, weitgehend aus der praktischen Politikberatung verabschieden sollen. Was das bedeutet konnte man schon beim jüngsten Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute erkennen: Viele Computermodelle, viele Zahlenreihen, eine „Wissenschaft“, die sich nur noch in ihren Modellen bewegt und allenfalls noch zu abgehobenen Aussagen kommt, mit denen niemand etwas anfangen kann. Ein weiterer Verfall der Beratungsqualität seitens der Forschungsinstitute erscheint unvermeidlich. Das einzige, was dabei tröstet ist, dass dieser Rat offenbar selbst vom Auftraggeber, der Bundesregierung, nicht mehr ernst genommen wird.

Quelle: berlinonline.de »


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