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Titel: Wenn Eltern „Billigbildung“ den Kampf ansagen!

Datum: 15. Dezember 2011 um 8:46 Uhr
Rubrik: Bildungspolitik
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Wäre es nicht schön, es gäbe eine Bildungspolitik, die sich an der Förderung von Kindern und Jugendlichen orientiert und nicht ausschließlich am stetig schrumpfenden Finanzbudget? Sich dies vorzustellen, geht unter gegebenen Umständen nur mit viel Phantasie. Wie sehen die tatsächlichen Begebenheiten aus? Die Regierung spart, Kinder und Eltern zahlen, im wahrsten Sinne des Wortes! Das Bildungssystem fordert ohne zu fördern, den Forderungen gerecht zu werden bleibt einzig und allein den Schülern und Eltern überlassen. Von Christiane Hennrich.

Generell lässt sich dies an der derzeitigen Mangelwirtschaft in allen Schulzweigen erkennen.

Die Gymnasien z.B. doktern weiterhin an der Umsetzung der G8-Krankheit und versuchen die Inhalte, der immer noch zu vollen Lehrpläne, mit einer Unterbesetzung an Lehrpersonal (zu erwähnen ist, dass mittlerweile sogar ungeschulte Eltern unterrichten), an den Mann, bzw. Schüler zu bringen.

Der „Kreativität“ unserer derzeitigen Bildungsministerin bei dieser Mangelverwaltung scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein!

Als aktuelles Beispiel des Sparwahns, ist die Reduzierung eines Jahrgangs von vier auf drei 9.Klassen anzuführen, so geschehen in einem hessischen Gymnasium.
Bei 100 Kindern des Jahrgangs wären 4 Klassen erhalten geblieben, jedoch bei 99 lässt es sich, laut zuständige Behörden, nicht vermeiden eine Klasse mit 21 Schülern aufzulösen und auf die anderen bestehenden Klassenverbände zu verteilen. Endergebnis: „Klassenstärken über 30 Schüler, in viel zu kleinen Räumlichkeiten“.

Schulleitung Schulamt und Kultusministerium, waren für uns Eltern die obligatorischen Anlaufstellen, um unseren Unmut zu äußern und um evtl. eine Kehrtwende herbei zu führen. Doch anstatt auf Einsicht und Vernunft zu treffen, wurden wir in ein allseits beliebtes politisches Ping- Pong- Spiel verwickelt. Die Spielregeln sind in ihrer Struktur ganz einfach: die Verantwortung für unannehmbare Vorkommnisse in der Welt der Bildung wie auch anderen Orts, trägt immer der jeweils andere. Ist es nicht das Schulamt, dann ist es das Kultusministerium und sind die nicht bereit gerade zu stehen, dann ist es eben die Bildungspolitik im allgemeinen und wenn das ebenfalls nicht ausreicht um Eltern ruhig zu stellen, dann spielt man den Ball zurück an die Schulleitung, denn diese hätte, laut Schulamt, ja anders gekonnt wenn sie nur wollte!

Laut hessischer Verordnung existiert eine Regelung welche ein Abweichen von den Höchstwerten bei der Klassenbildung aus „besonderen Gründen“ ermöglicht. Allerdings gibt es keine Liste der „besonderen Gründe“! Es existiert ein Ermessensspielraum! Dieser Spielraum steht aber nur auf dem Papier. Ermessensspielräume kosten Geld, würden zu mehr Lehrpersonal und kleineren Klassen führen und wer will das schon, abgesehen von Schüler, Eltern und Lehrern.

Durch das Kultusministerium wurden wir darauf hingewiesen, dass andere Gymnasien genau die gleichen Probleme hätten und unsere Schule könne bei der Klassenbildung nicht anders als alle anderen behandelt werden. Wie jetzt? Genauso gut, oder genauso schlecht? Seitens des Ministeriums meinte man sogar, eine Zuweisung einer weiteren 9.Klasse würde zu Lasten anderer Schule gehen. Was heißt eigentlich „Zuweisung einer weiteren Klasse“? Diese Klasse samt Lehrern und den entsprechenden Stundenzuweisungen existierte doch schon und die Schulen gegeneinander auszuspielen, ist auch eine Methode mit Problemen umzugehen! So werden wenigstens alle gleich schlecht gestellt.

Laut FDP müsse man nur Geduld aufbringen und man versprach uns eine sukzessive Verkleinerung der Schulklassen bis Ende der Legislaturperiode. Nur seltsam, dass die aktuell verabschiedete Verordnung wieder eine Klassenhöchstgrenze von 30 Kinder in den Jahrgangsstufen 5 – 10 bis ins Jahr 2016 in Gymnasien und Realschulen erlaubt, zu beachten ist auch die Überschreitungsregel, die bis zu 3 Kindern zusätzlich laut § 4 bis ins Jahr 2014 legalisiert. Bemerkenswert war auch, dass wir stetig eine veraltete Verordnung aus dem Jahre 1992 unter gejubelt bekamen, obwohl eine aktuelle Version schon im Anschlag war. Diese neue ist zwar genauso schlecht wie die alte, doch sollte man zumindest eine korrekte und transparente Information erwarten können.

Dieses Verhalten zeigt deutlich welcher Umgang mit Eltern gepflegt wird. Wir werden getäuscht und ich unterstelle, bewusst an der Nase herum geführt.

Auch lässt es sich mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehen, dass der Argumentation, die Kinder seien durch G8 mehr als genug belastet, keinerlei Beachtung geschenkt wird. Als Elternbeirätin wurde ich schriftlich vom Kultusministerium darauf hingewiesen, G 8 stelle keine besondere Ausnahmesituation dar, schließlich sei dies die Regelform der Gymnasien. Laut aktueller Vergleichstests (welche immer das auch sein mögen) brächten G8- Schüler genauso gute Leistungen wie G9- Schüler.

Um das Ganze zu toppen werden veraltete und fragwürdige Studien herangezogen, deren Inhalte aufzeigen sollen, dass die Klassenstärke nicht über den Lernerfolg entscheide. Da kommt mir ein Zitat aus einem Elternbrief in den Sinn, in dem geschrieben steht: „Damit vergleichbar, könnte ein Anderer behaupten, dass Fahrradfahren ohne Helm nicht gefährlicher sei als mit Helm, weil er viele kenne, die einen Fahrradunfall ohne Helm unverletzt überstanden hätten“.

Schon traurig das der Gedanke bezüglich der Klassenstärke immer erst dann relevant ist, wenn Störungen im Lernprozess auftauchen. Der ein oder andere Lehrer mag seiner Ansicht nach mit einer größeren Anzahl von Schülern zurechtkommen, was es aber für die Schüler bedeutet in solchen Riesengruppen zu arbeiten, zu leben und sich zu artikulieren, kurz gesagt die überwiegende Hälfte des Tages zu verbringen, wird kaum bis gar nicht aus pädagogischer Sicht thematisiert. Lehrer sollten sich zu dem gewahr werden, dass sie selbst ein Teil des Gruppengeschehens sind und somit die Gruppe nicht nur von außen betrachten dürfen, sondern sich als ein Bestandteil der Gruppe bewusst werden, um den Blickwinkel von „innen“, also aus der Perspektive der Schüler, zu begreifen. Es wird einfach zu wenig „laut“ darüber nachgedacht wie das Lernen in Gruppen funktioniert!

Uns Eltern hält man dazu an, zum Wohle unserer Kinder das Beste aus der Situation zu machen. Wir sollen Zusammenfügen, unterstützen, helfen zu integrieren, wo immer es nötig ist. Einem Schreiben von Bildungsministerin Henzler zu Folge, ist trotz der Umstände eine optimale Förderung gewährleistet. Wohl ein kleiner Scherz am Rande, wenn man die Schüler optimal fördern wollte, würde man auf die Anliegen der Schüler und Eltern eingehen. Ich wiederhole es immer wieder gerne, leuchtet doch jedem Laien ein, dass zur optimalen Förderung kleine Klassen, ausreichendes Lehrpersonal und ein angepasstes Lernumfeld erforderlich sind.

Tendenziell ist dieses Lernumfeld derzeit nur in manchen staatlich geförderten Privatschulen zu finden und trägt letztendlich zur Förderung unserer „Ellenbogengesellschaft“ bei. Wer über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, kann sich „exklusive“ Bedingungen erkaufen.

Ich darf noch mal zusammenfassen: „Wir, die in diesem Beispiel aufgezeigten Eltern, sollen diejenigen sein, welche Förderung und Fortkommen, somit die ganze Entwicklung unserer Kinder behindern, ja sogar vereiteln. Eben bockige Eltern, die sich weigern die Gegebenheiten anzunehmen, Behörden und Schulleitung zur Last fallen.
Aktive Eltern? Gerne, jedoch nur bis zu einem gewissen Grad und gemäßigt. Zeitlich begrenzt und bitte nicht lästig fallen durch Unarten wie Unterschriftenaktionen, Nachfragen, Gegenargumentation, oder gar einem Aufruf zum Streik!

Diese Hartnäckigkeit wirkt, z.B. auf das Kultusministerium nebst Schulamt, ich zitiere: „lächerlich und schadet dem guten Ruf der Schule“.

Wer glaubt ich hätte das erfunden, den muss ich leider enttäuschen, genau das durfte ich in meiner Rolle als Mutter und Elternbeirätin erfahren. Elternvertreter die sittsam eine Klassenkasse führen, zum Elternabend einladen und der Schule ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, sind gute Elternvertreter!! Alle anderen sind Denunzianten und Quertreiber.
Um es aus der Sicht der Schulleitung, Schulamt und Co. zu formulieren: „Ich finde ihr Engagement gut, aber…..und ist es nicht bedauerlich, wenn man so viel Zeit und Energie aufwendet für Nichts“?

Danke kann ich all denen sagen, die sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für unsere Sache eingesetzt haben. Insbesondere möchte ich Landtagsabgeordnete Barbara Cardenas von der Linksfraktion erwähnen, die mir abschließend den Weg einer Petition eröffnete um im Landtag die Problematik zum Thema zu machen.

Wir haben es kapiert, die Message ist angekommen! Laut HKM wird es, bei allem Verständnis für die Situation der Schüler und Eltern, keine Ausnahmeregelung geben können und das Schulamt hält eine weitere Auseinandersetzung um Klassenbildung für „abträglich“.

Aus dieser Bildungspolitik ergibt sich null Spielraum für eine aktive Gestaltung von Fördermaßnahmen an den Schulen. Meiner Ansicht nach sollte die Auseinandersetzung mit unserem desolaten Bildungssystem an allen Fronten beginnen, dann bestimmen wir vielleicht zukünftig was „abträglich“ ist und was nicht.


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