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Titel: SPD: Gegen die Armen Stimmung machen – aus Hartz IV nichts gelernt

Datum: 26. August 2024 um 13:00 Uhr
Rubrik: Hartz-Gesetze/Bürgergeld, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech
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Hetze gegen die Armen: Die SPD macht im Geiste der Agenda 2010 weiter. Der Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke, hat den Spaltkeil ausgepackt. Seine aktuellen Äußerungen treiben den Keil zwischen die Ärmsten und die Armen. Das ist erbärmlich, aber auch aus politisch-taktischer Sicht dumm. Die AfD liegt in aktuellen Umfragen vor der SPD. Dass Woidke sich dennoch nicht zurückhält, lässt tief blicken. Die Methode, über einen Angriff auf die Armen Politik zu machen, scheint in der SPD offensichtlich längst tief verwurzelt. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

„Wenn hart arbeitende Menschen nur durch staatliche Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag im Monat mehr haben als diejenigen, die bewusst nicht arbeiten gehen und lieber Bürgergeld beziehen – dann wird das zu Recht als unfair empfunden“, sagte Dietmar Woidke gerade gegenüber dem Stern.

Da stehen sie, diese Aussagen. Sie könnten problemlos auch aus den Anfangsjahren der Agenda 2010 stammen. Aber diese Worte sind aktuell. Und sie bedienen den Geist jener „Reformen“, die die deutsche Gesellschaft tief gespalten haben – bis heute! Woidke bedient mit seinen Worten die Emotion Neid. Er schürt den Argwohn zwischen den Ärmsten, die Bürgergeld beziehen, und jenen, die am unteren Ende der Lohnskala stehen. „Unfair“ ist der Begriff, den der brandenburgische Ministerpräsident gebraucht. „Unfair“ ist es nach den Worten des SPD-Politikers, dass Empfänger staatlicher Leistungen mehr Geld beziehen würden als die, die arbeiten. Gewiss: Das leuchtet, nüchtern und eindimensional betrachtet, durchaus ein. Wenn ein Bürger, der arbeitet, weniger bekommt als Bezieher von staatlichen Leistungen, stimmt etwas Grundlegendes nicht.

Doch das Problem, das sichtbar wird, ist komplexer angelagert, als es die stimmungsschürenden Aussagen des Ministerpräsidenten andeuten. Wer sich die Worte Woidkes genauer anschaut, stellt fest: Woidke geht es nicht darum, ein real vorhandenes Problem analytisch zu erfassen – und dann, im Sinne aller Bürger, eine konstruktive Lösung zu finden. Er setzt auf Stimmungsmache und stimuliert dabei niedere Instinkte wie Neid und in der weiteren Konsequenz Wut auf die Armen. Und Neid und Wut wirken wie ein Spaltkeil, der die ohnehin auf vielen Ebenen weit fortgeschrittene Spaltung der Gesellschaft nur noch tiefer treibt.

Woidke gebraucht die Formulierung „lieber Bürgergeld beziehen“. Er fokussiert also auf „diejenigen, die bewusst nicht arbeiten gehen“. Der Ausdruck „lieber“ wirkt in den Aussagen wie eine Art Brandbeschleuniger. Vor den Augen des Lesers entsteht das Bild von Bürgergeldbeziehern, die mit Arglist Transferleistungen beziehen. Das Bild vom „faulen“, in der sozialen Hängematte liegenden „Schnorrer“ drängt sich geradezu auf. Woidke – hier kommt die Schläue eines Politikers zum Vorschein – spricht offen an, dass er hier die im Auge hat, die eben „bewusst nicht arbeiten gehen“. Auf diese Weise kann er seine Hände in Unschuld waschen. Er kann, würde man ihn mit dem „hetzerischen Moment“ seiner Aussagen konfrontieren, leicht sagen, dass er an der Stelle ja nicht pauschal allen Bürgergeldempfängern niedere Absichten unterstelle. Er wolle ja nur auf ein reales Problem aufmerksam machen.

Ja, die Politik der gespaltenen Zunge ist gerade auch in der SPD sehr präsent.

Richtig ist, dass es natürlich Personen und Bürger gibt, die aus offen praktizierter Faulheit Bürgergeld beziehen. Doch das ist – bei Lichte betrachtet – allenfalls ein Ärgernis. Ein echtes Problem, das zum Untergang des Sozialstaats führt, ist es nicht. Ein Problem ist allerdings, das mit diesem Ärgernis Politiker seit der Agenda 2010 auf schlimmste Weise Politik machen. Fokussieren die Parlamentarier nämlich auf die Gruppe derjenigen, die aus Bequemlichkeit nicht arbeiten gehen, erzeugen sie unweigerlich in der Breite der Gesellschaft den Eindruck, dass unterm Strich doch alle oder zumindest der größte Teil schlicht faul ist und deshalb Bürgergeld bezieht.

Woidke und andere Politiker sollten wissen: Wenn bei Menschen Emotionen stimuliert werden, tritt der Verstand oft in den Hintergrund. Doch, davon ist auszugehen, Woidke und andere Politiker wissen das selbstverständlich. Sie sind ja nicht dumm. Sie wissen um die Wirkung ihrer Aussagen. Gegenprobe: Im Hinblick auf Probleme, die im Zusammenhang mit Migranten auftreten, verhält sich die Politik weitestgehend maximal zurückhaltend. Schließlich soll gerade keine Stimmung geschürt werden – nicht, dass die deutsche Gesellschaft von einem ausländischen Straftäter auf alle Ausländer schließt.

Was den Umgang mit den Armen angeht, wird immer deutlicher: Teile der Politik haben regelrecht ein Feindbild entwickelt. Das ist billig und erbärmlich zugleich. Billig, weil die Gruppe der Armen nicht für die schweren Verwerfungen im Land verantwortlich ist. Erbärmlich, weil die Armen sich nicht wehren können. Was geht im Kopf von Woidke vor? Glaubt er wirklich, dass er mit der Fokussierung auf ein Scheinproblem mehr Stimmen für die bevorstehende Wahl einfangen kann? Das mag auf jene zutreffen, die ohnehin seiner Partei nahestehen und die katastrophale SPD-Politik nicht durchschauen können oder wollen. Den anderen Teil der Wähler wird er mit solchen Aussagen nicht erreichen. Im Gegenteil. Jüngste Wahlprognosen sehen die AfD in Brandenburg bei 24 Prozent – und damit um 4 Prozent vor der SPD. Das BSW kommt hinter der CDU (19 Prozent) auf 17 Prozent. Man muss kein Politikwissenschaftler sein, um zu erkennen: Es gärt! Es gibt einen gewaltigen Druck im Kessel.

Titelbild: photocosmos1/shutterstock.com


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