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Titel: Unter der Decke der neoliberalen Einheitspartei gärt es

Datum: 10. Mai 2012 um 15:53 Uhr
Rubrik: Euro und Eurokrise, Neoliberalismus und Monetarismus, Wettbewerbsfähigkeit
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So wird von einer Veranstaltung am 9. Mai an der Uni Münster berichtet, bei der Heiner Flassbeck in seinen bekannten Positionen sowohl von einem Vertreter der Deutschen Bank als auch von dem früheren sächsischen Ministerpäsidenten Georg Milbradt (CDU) unterstützt wurde und bei der, zum offensichtlichen Entsetzen der Moderatorin von der FAZ (Heike Göbel) auch Hans Tietmeyer zugestehen musste, dass die Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit nicht nur einseitig von Seiten der Defizitländer erfolgen kann. Albrecht Müller.

Wir stehen vor dem Kollaps der Eurozone und damit auch vor einem Kollaps Europas. Wenn das geschehen ist, wenn Millionen Menschen wie jetzt schon in Griechenland, in Spanien und in Portugal dann auch in anderen Ländern vor dem wirtschaftlichen Aus und oft zugleich vor dem Ende jeglicher menschlichen Perspektive stehen, dann wird man hoffentlich die Frage stellen, wer dieses Unglück, in das wir sehenden Auges gelaufen sind, zu verantworten hat…

Wenn man dann zu einer ehrlichen Antwort fähig wäre, dann müsste man feststellen: Es ist der gleiche Fehler wie bei der großen Weltwirtschaftskrise 1929 gemacht worden. Es wurde sozusagen in die Krise hinein zu sparen versucht und damit logischerweise ohne Erfolg. Das konnte man dank der ökonomischen Theorie wissen, wenn man gewillt war, in volkswirtschaftlichen Zusammenhängen und nicht nur betriebswirtschaftlich zu denken. Und man konnte es aus der Geschichte der Weltwirtschaftskrise wie auch dank aktueller Erfahrung wissen. Das Experiment läuft schließlich schon seit zwei Jahren in Griechenland – erfolglos und damit für Menschen ohne ideologische Binde vor den Augen erkennbar gescheitert.
Aber die Ignoranz und die Gleichschaltung der herrschenden Meinung in Wissenschaft und Medien, in Politik und Wirtschaft war und ist so groß, dass weder die Erfahrung noch die leicht zu verstehende Theorie die notwendige Wirkung entfalten konnte.

Vielleicht aber bleibt uns diese Analyse des Unglücks erspart, weil wir dieses noch abzuwenden vermögen. Die bisher gleichgeschaltete herrschende Meinung bekommt nämlich Risse. Unter der Decke gärt es. Blubbernde Blasen treten zum Vorschein: Die Bundesbank nehme höhere Inflation in Kauf, können wir jetzt lesen. Das wird zwar noch in der Sprache der herrschenden Ideologie vermittelt. Es wird nicht neutral formuliert, die Bundesbank nehme eine höhere Preissteigerungsrate in Kauf. Nein, es heißt, die „Inflation“ bei uns könne künftig über dem Durchschnitt der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion liegen. Ein Anstieg von 2 % auf 2,5 oder 2,6 % wird „Inflation“ genannt. Diese Borniertheit stört uns jetzt nicht. Denn es bewegt sich etwas. Die Meldung geht auf eine Äußerung des Chefvolkswirts der deutschen Bundesbank zurück. Man kann das als eine Korrektur der bisherigen Linie betrachten.
Dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Anpassungsleistung innerhalb des Euroraums nicht nur von den südeuropäischen Völkern geleistet werden muss, sondern auch von uns. Die Preise und Löhne müssen bei uns etwas mehr als im europäischen Durchschnitt steigen, damit sich die Volkswirtschaften der Eurozone wenigstens auf mittlere Sicht wieder annähern. Ohne Annäherung der Entwicklung der Lohnstückkosten, ohne Annäherung der Wettbewerbsfähigkeit wird nämlich der gemeinsame Währungsraum nicht zu halten sein. Die Bundesbank gibt mit der Äußerung des Chefvolkswirts erstmals zu, dass Deutschland Verantwortung für ein neues Gleichgewicht im Euro-Raum hat.
In die gleiche Richtung zielt die erstaunliche Ermunterung von Bundesfinanzminister Schäuble, höhere Löhne zu vereinbaren, und die eingangs zitierte überraschende Übereinstimmung mit Heiner Flassbeck.

Dass es unter der Decke gärt, dass die Einheitsfront der Ignoranten aufbricht, hat wohl etwas damit zu tun, dass jetzt auch die Beobachter der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank, der Berliner Bundesregierung und auch einige der meinungsführenden Wirtschaftsjournalisten zu merken beginnen, dass sie mit ihrer bisherigen ideologisch bestimmten Linie eine Katastrophe herbeiführen. Sie sind mit ihrem Latein am Ende.
Wahrscheinlich hat es sich inzwischen auch bis zu ihnen herumgesprochen, dass viele und wichtige Banken in südeuropäischen Ländern eigentlich bankrott sind. (Siehe dazu auch Heiner Flassbeck) Die Konten in Griechenland dürften sowieso geräumt sein. Es wird in anderen Ländern damit weitergehen, wenn nicht Entscheidendes geschieht. Und wenn sich bisher einige in Deutschland darüber freuen, dass das zuströmende Geld hierzulande die Zinsen drückt, dann könnten diese doch immerhin merken, dass es außer ihnen selbst in ihren Kreisen noch einige Umsichtigere gibt: Solche, die noch zu erfassen vermögen, welch eine Katastrophe der Zusammenbruch zuerst in Griechenland und dann in Spanien und immer weiter bis Italien und vielleicht bis Frankreich und dann auch hierzulande darstellen würde.

Die Verantwortungslosigkeit neoliberal geprägter Kreise ist vermutlich beachtlich und es gibt sicher die Uneinsichtigen. Aber es sieht so aus, dass einige aus diesen Zirkeln die „Hosen gestrichen voll haben“ und in Panik geraten. Darauf kann man nur hoffen. Damit man nicht hinterher die Scherben zusammen kehren muss und sich nicht hinterher darüber her machen muss, das absehbare europäische Unglück zu analysieren.


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