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Titel: Kuschelige Kontrolleure – Die Gremien der ARD verweigern ihre Aufsichtspflicht

Datum: 21. Mai 2012 um 14:20 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse
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„Beischläfer“, so nennen Juristen, wenn sie unter sich sind, die ehrenamtlichen Beisitzer, also die Schöffen. Diese wenig schmeichelhafte Bezeichnung leitet sich aus der Erfahrung ab, dass die wenigsten Schöffen ihr Recht darauf wahrnehmen, aktiv in ein Gerichtsverfahren einzugreifen, um z.B. Fragen an die Zeugen zu stellen. Es gilt als ausgemacht, dass ein erfahrener Richter keine Probleme damit hat, seine Beisitzer so zu beeinflussen, dass sie seinem Vorschlag für ein Urteil zustimmen. Die Meisten schaffen es sogar, die Schöffen glauben zu machen, sie hätten aus eigenem Antrieb auch kein anderes Urteil gefällt.
Genau so ist es mit den Kontrollgremien der ARD. Von Max Morlok

Ähnlich wie die Schöffen sollen die Mitglieder der Rundfunkräte eine Teilnahme des Volkes garantieren, eigene Lebens- und Berufserfahrung einbringen und eine einseitige Einflussnahme welcher Art auch immer verhindern. Ein Rundfunkrat ist sogar, was wenige wissen, ein dem jeweiligen Intendanten und dem Verwaltungsrat (der die Geschäftsführung und die Finanzen prüft) gleichberechtigtes Organ. Und trotzdem nehmen die wenigsten Mitglieder ihren Kontrollauftrag wirklich wahr. Geblendet von der Bedeutung „ihres“ Senders und geschmeichelt von der Aufmerksamkeit, die ihnen aus der Hierarchie dieser Anstalten entgegengebracht wird, winken sie in der Regel alle Vorschläge durch, die ihnen von der Leitung der Häuser auf den Tisch gelegt werden.

Sogar Friedrich Nowottny, als ehemaliger WDR-Intendant jahrzehntelang gremienerprobt, wunderte sich vor wenigen Wochen über die Kritik, die im April vom WDR-Rundfunkrat an der ARD-Talkshow-Schiene geübt wurde – neun Monate (!) nach deren Einführung. Die Zahl der Talkshows, so das Gremium, müsse reduziert werden, da es zu viele Sendungen dieser Art in der ARD gebe. Nowottny meinte, es sei seltsam, dass „die Programmbeobachter in den Rundfunkräten das noch nicht geschnallt haben als es darum ging, über das Programmschema nachzudenken und darüber mitzubestimmen.“

Aber wollen die Rundfunkräte überhaupt mitbestimmen? Da bleiben Zweifel. Jüngstes Beispiel: die Proteste gegen die Reform der Kulturradiowelle WDR 3. Die Initiative Die Radioretter hat bislang über 18.580 Unterschriften gesammelt, die sich gegen eine weitere Verflachung des anspruchsvollsten Hörfunkprogramms des Senders aussprechen. Doch schon bevor diese Protestwelle überhaupt ins Rollen kam, ja, bevor überhaupt im Rundfunkrat diskutiert worden war, erklärte dessen Vorsitzende Ruth Hieronymi (CDU), die geplanten Änderungen seien nur „Modifikationen“, die vom Gremium unterstützt würden. Und ihre SPD-Kollegin Petra Kammerevert (SPD, MdEP) Vorsitzende des Programmausschusses, übte sich angesichts der schnell ansteigenden Unterschriftenzahlen im Schulterschluss mit „ihrem WDR“. Dem Kölner Stadtanzeiger sagte sie: „So was geht in Zeiten des Internet schnell. Außerdem, und das meine ich nicht abwertend, ist das schon eher ein Bildungsbürgertum, was dort unterzeichnet.“ Und das, könnte man schlussfolgern, ist inzwischen wohl eher ein Bevölkerungsteil zweiter Klasse, dem im ARD-Angebot nun bald nicht einmal mehr eine eigene kleine Hörfunkwelle zugestanden werden muss. Aus dem WDR dringt unterdessen nach draußen, dass Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz just am Tag nach einer öffentlichen Veranstaltung der Radioretter mit seiner Beteiligung, intern signalisiert hat, dass die Reform von WDR 3 durchgewunken sei. Erstaunlich, denn der Rundfunkrat soll erst am 30. Mai darüber abstimmen und Schmitz hatte in der Veranstaltung noch einmal betont, dass er das Votum des Rundfunkrates abwarten wolle.

Diese offensichtliche Missachtung des Aufsichtsgremiums hat allerdings seinen guten Grund. Hat doch der Rundfunkrat sich quasi schon selbst die Hände gebunden als er entschieden hat, dass zur Wiederwahl von Monika Piel, just auch am 30. Mai, kein Gegenkandidat antreten soll. Eine öffentliche Ausschreibung, so der Rundfunkrat in der letzten Woche, sei unnötig. Warum auch? Schließlich war Monika Piel ja „erfolgreich“. Auf ihren besonderen Einsatz hin bekam Thomas Gottschalk eine Vorabendsendung der ARD, die nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden musste. Der Streit mit den Verlegern um die so genannte Tagesschau-App wurde von ihr nicht aufgelöst. Der „Jugendwelle“ im Radio EinsLive laufen die Hörer davon. Schlagzeilen macht auch, dass unter der Ägide der inzwischen 61-Jährigen ältere Frauen, sprich: Frauen über 50, nicht mehr auf dem Bildschirm gelitten sind. Warum also eine öffentliche Ausschreibung für einen Posten, der mit rund 300.000 Euro im Jahr entlohnt wird?


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