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Titel: Stimmen aus Ungarn: Kaukasische Verwicklungen

Datum: 14. August 2025 um 15:15 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik
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Nach dem Krieg in der Ukraine und der Abkühlung der Beziehungen zu Moldawien, Armenien oder Kasachstan hat sich nun auch das Verhältnis zwischen Russland und Aserbaidschan verschlechtert. Aber als ob dies nicht genug wäre, haben sich auch die Vereinigten Staaten neben der Türkei durch die Kontrolle des strategisch wichtigen Handelswegs, der im Rahmen des aserbaidschanisch-armenischen Friedensabkommens vom Zangezur- zum Trump-Korridor wurde, im Südkaukasus und in Zentralasien positioniert. Dieser negative Trend und die sich zuspitzende geopolitische Rivalität in der Region sind eine Warnung an Russland, dass es dem postsowjetischen Raum, der bisher etwas vernachlässigt wurde, mehr Aufmerksamkeit schenken muss, um seinen Einfluss zu erhalten. Ein Beitrag von Gábor Stier, aus dem Ungarischen übersetzt von Éva Péli.

Es kann als Rückzug Russlands in der Region interpretiert werden, dass es schließlich unter der Schirmherrschaft von Donald Trump gelang, einen jahrzehntelangen Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan zu beenden. Es ist vielsagend, dass das ursprüngliche Waffenstillstandsabkommen, das den Karabach-Krieg von 2020 beendete, noch unter russischer Vermittlung in Moskau unterzeichnet wurde, während der neue Vertrag im Weißen Haus zustande kam. Die beiden Länder im Kaukasus einigten sich auf die Einstellung der Feindseligkeiten und die Wiedereröffnung wichtiger Verkehrswege, unterzeichneten aber auch Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten. Laut einer Pressemitteilung des Weißen Hauses beinhaltet das Abkommen auch die Schaffung eines Handelswegs zwischen den beiden Ländern, der den Namen „Trump-Route für internationalen Frieden und Wohlstand“ (Trump Route for International Peace and Prosperity“) erhielt. Dies zeigt, dass Aserbaidschan nach dem Gewinn des Krieges nun die Regeln im Südkaukasus diktiert, wo Russland nicht länger Schiedsrichter oder Bezugspunkt ist.

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew, der sich zunehmend auf die Seite der Ukraine stellt – in diesem Sinne hat Aserbaidschan demonstrativ mit der Gaslieferung an die Ukraine über die ursprünglich russische Gaspipeline begonnen, woraufhin Russland vor einigen Tagen die Gasverdichterstation in der Nähe von Odessa bombardierte, durch die das Gas fließt –, betonte erneut die Beteiligung des Weißen Hauses, insbesondere unter Donald Trump, am armenisch-aserbaidschanischen Friedensprozess, was nicht nur ein Lob, sondern eine Einladung zu einer neuen Art der Partnerschaft darstellt. Washington wird also zunehmend zu einem sichtbaren Teil der neuen Weltordnung in der Kaukasusregion.

Auch die Türkei begrüßte das Friedensabkommen und brachte ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass der geplante, strategisch wichtige Transitkorridor, der Aserbaidschan mit seiner Exklave Nachitschewan und damit die Türkei mit Zentralasien verbinden soll, bald eröffnet wird. Dieser Korridor könnte den Export von Energie und anderen Ressourcen über die südkaukasische Region erleichtern. Moskau sendete verhaltene Glückwünsche, und Teheran reagierte ausgesprochen vorsichtig. Iran begrüßte das Abkommen, warnte aber gleichzeitig vor „jeglicher Art von ausländischer Einmischung“, insbesondere in Bezug auf die Entwicklungsrechte der USA in dem Korridor, der sich in der Nähe seiner Grenze befindet.

Bereits zuvor war es für Moskau ein Warnsignal, dass sich die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Russland und Aserbaidschan in den letzten Monaten von einem Moment auf den anderen sichtbar verschlechtert haben.

Das ansonsten als ausgewogen geltende Verhältnis zwischen Russland und Aserbaidschan wurde im Dezember 2024 durch die Tragödie eines Flugzeuges der aserbeidschanischen Fluggesellschaft im Nordkaukaukasus erschüttert. Zuvor hatten beide Länder noch ein Abkommen über strategische Partnerschaft unterzeichnet, und im selben Jahr besuchten sich Wladimir Putin und Ilham Alijew gegenseitig. Das Passagierflugzeug wurde inmitten eines ukrainischen Drohnenangriffs versehentlich von der russischen Luftabwehr getroffen. Dem erfahrenen Piloten gelang es noch, seine zunehmend unkontrollierbare Maschine über das Kaspische Meer zu steuern und eine Notlandung auf dem Flughafen Aqtau in Kasachstan durchzuführen. Es kamen jedoch 38 der 67 Passagiere an Bord ums Leben.

Der russische Präsident Putin entschuldigte sich zwar mit etwas Verzögerung für das Geschehene, aber Baku hatte mehr erwartet. Präsident Alijew nahm daraufhin nicht an der Moskauer Siegesparade am 9. Mai teil, und davor war der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha in Baku zu Besuch, was als klares Signal gewertet wurde.

Eskalation der Spannungen

In dieser angespannten Stimmung ging die russische Polizei Ende Juni in Jekaterinburg gegen eine kriminelle Gruppe der aserbaidschanischen Diaspora vor, die des Mordes und anderer Verbrechen beschuldigt wurde. Nach der Razzia starben zwei der Festgenommenen in der Zelle. Nach russischen Angaben erlagen sie einem Herzinfarkt, während die aserbaidschanische Obduktion ergab, dass die Seferov-Brüder von den Polizisten halb totgeschlagen wurden. Die Ereignisse veranlassten Baku, eine offizielle Beschwerde in Moskau einzureichen.

Parallel dazu entfaltete sich in Aserbaidschan eine massive Informationskampagne in den sozialen Medien, in der Russland „Islamophobie“, „Imperialismus“ und die „Verfolgung von Aserbaidschanern“ vorgeworfen wurden. Die Lage verschlechterte sich weiter, als die Behörden in Baku mehrere Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Sputnik festnahmen. Fünf Journalisten wurden zwar freigelassen, aber der Leiter der Redaktion und der Chefredakteur blieben vier Monate in Untersuchungshaft.

Gleichzeitig berichteten russische Staatsbürger – darunter auch einfache Touristen –, dass zivil gekleidete Personen in Baku bei Identitätskontrollen Gewalt anwendeten und die Festgenommenen auch in der Zelle geschlagen wurden. Die offizielle aserbaidschanische Position besagt, dass ein Teil der Verhafteten wegen Verbrechen wie Drogenhandel und Cyberangriffen in Untersuchungshaft genommen wurde. Es gab auch Gerüchte, dass die russischsprachige Bildung im Land abgeschafft werden sollte. Als Reaktion darauf wurde der aserbaidschanische Botschafter nach Moskau zitiert und mehrere Führer der aserbaidschanischen Diaspora wurden festgenommen.

Die russische Polizei führte die Razzia bei der aserbaidschanischen kriminellen Organisation nicht zufällig durch, was die Lage weiter verkomplizierte. Zuvor hatte der aserbaidschanische Geheimdienst angeblich mit Hilfe ebendieser kriminellen Elemente in Jekaterinburg eine Geheimaktion durchgeführt, bei der ein aserbaidschanischer Oppositioneller entführt und nach Baku gebracht wurde. Dies missfiel den russischen Behörden natürlich, und als Reaktion schlugen sie gegen die mit der Diaspora verbundene Bande zu.

Geopolitische Interessen und Rivalitäten

Laut einer Version könnte Baku die Ereignisse in Jekaterinburg überzogen haben. Neben der tief verwurzelten Abneigung einiger Teile der aserbaidschanischen Gesellschaft gegenüber Moskau könnte der Vorfall als willkommener Anlass gedient haben, um – ermutigt durch den Rückzug des Kremls aus Syrien und dessen Bindung in der Ukraine – Russland aus der Region zu verdrängen und damit die Vormachtstellung des wichtigsten Verbündeten, der Türkei, zu fördern.

Dieses türkisch-aserbaidschanische Bündnis könnte sich zunehmend durch die Vormundschaft Moskaus über den Waffenstillstand zwischen Armenien und Aserbaidschan vom November 2020 gestört fühlen. Dieser sieht die Einrichtung eines russisch kontrollierten Korridors durch die südarmenische Provinz Sjunik vor, der die beiden Teile Aserbaidschans miteinander verbinden soll.

Die russische Kontrolle würde die Türkei daran hindern, ihre militärische Logistik nach Zentralasien über diesen von den Aserbaidschanern als Zangezur-Korridor bezeichneten Weg zu modernisieren und so den Einfluss Moskaus zu schwächen. Ein solcher türkischer Schritt, der sich eigenständig an westlichen Vorstellungen orientiert, würde in das groß angelegte Spiel um den Einfluss über das eurasische „Herzland“ passen. Der Zeitpunkt könnte dadurch erklärt werden, dass Russland aufgrund des Ukraine-Kriegs derzeit nur begrenzte Mittel hat, die Ereignisse zu gestalten. Es wäre also sowohl im Interesse Ankaras als auch Bakus, Russland von dieser Route zu verdrängen.

Darüber hinaus würde eine solche Expansion, kombiniert mit einer Schwächung des Irans, Moskaus Pläne für den Nord-Süd-Transportkorridor (NSTC) erheblich verkomplizieren. Ganz zu schweigen davon, dass Russland es sich zweimal überlegen würde, ob es Armenien verteidigen soll.

In der Frage des genannten Nord-Süd-Transportkorridors besteht jedoch eine gegenseitige strategische Abhängigkeit Aserbaidschans von Russland, ebenso wie die beiden Länder durch wirtschaftliche Interessen miteinander verbunden sind. Für Aserbaidschan könnte der Verlust des russischen Marktes ein Minus von bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar bedeuten, während Russland die fehlenden landwirtschaftlichen Produkte oder Textilien durchaus ersetzen könnte.

Darüber hinaus könnte eine Rückkehr des Irans auf den globalen Ölmarkt die Rolle Aserbaidschans weiter schwächen. Im Tourismus ist bereits ein Rückgang spürbar: Nach Angaben russischer Reisebüros ist das Interesse an Aserbaidschan um 40 Prozent gesunken. Zuvor besuchten jährlich etwa 730.000 Russen das Land, was fast einem Drittel aller ausländischen Touristen entsprach. Aber auch in der Armenien-Frage kann sich Baku nicht vollständig von Moskau abwenden. Baku zeigt derzeit minimale Toleranz gegenüber jeglichem Interesse an Karabach, zählte aber auf Moskau, als die Vereinigten Staaten und Frankreich unter der Präsidentschaft von Joseph Biden versuchten, Armenien in ein gemeinsames Protektorat zu verwandeln.

Aserbaidschan ist sich auch bewusst, dass es ein Tor zwischen Zentralasien und Europa, eine Art geopolitisches Bindeglied ist und allein schon deshalb eine unersetzliche Rolle bei der Unterstützung seines Verbündeten Türkei auf dem Weg zur eurasischen Macht spielt. Eine übermäßige Expansion Ankaras ist jedoch nicht unbedingt in seinem Interesse. Um dies auszugleichen, könnte Baku Moskau benötigen, ebenso wie die Fortsetzung seiner Öffnung zum Westen.

Die entscheidende Frage ist nun, ob Alijew die Zukunft Aserbaidschans als Teil einer türkisch geführten Regionalordnung sieht oder ob er den Status als eigenständige Regionalmacht beibehalten und seine multi-vektorielle Außenpolitik fortführen will. Obwohl Baku Teil der türkischen Welt ist, verfolgt es eine zunehmend selbstbewusste Geopolitik gegenüber Russland, dem Iran, Europa und – wenn auch vorsichtig – sogar der Türkei.

Neuordnung der Machtverhältnisse

Der Südkaukasus ist heute nicht mehr das Hauptgebiet der geopolitischen Rivalität zwischen Russland und dem Westen. Als eine der dynamischsten Regionen Eurasiens stellt er ein einzigartiges Modell für die Umgestaltung der aktuellen Weltordnung dar. Hier können wir häufige militärisch-politische Status-quo-Änderungen beobachten – allein in den letzten fünf Jahren gab es zwei. Infolgedessen werden auch die üblichen Muster von Bündnissen und Partnerschaften aktiv überdacht, und daran sind nicht nur externe Akteure beteiligt, sondern auch die südkaukasischen Staaten selbst. Neue Machtzentren entstehen allmählich in der Region, während die alten darum kämpfen, sich besondere Präferenzen zu sichern.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion übte Russland lange Zeit einen besonderen Einfluss auf die regionale Sicherheit und die innenpolitischen Prozesse der kaukasischen Länder aus. In den letzten Jahren wurde diese russische Exklusivität jedoch sowohl von externen Akteuren – den engsten Nachbarn Aserbaidschans, Armeniens und Georgiens – als auch von den Ländern der Region selbst infrage gestellt. Keiner der Akteure im Südkaukasus kann als vollwertiger Verbündeter Russlands angesehen werden.

Der Wettbewerb hat sich verschärft, und Moskau ist gezwungen, mehr Flexibilität und Einfallsreichtum an den Tag zu legen, um seine Interessen an diesem strategisch wichtigen Punkt Eurasiens zu verteidigen. Das optimale Modell für die Zusammenarbeit könnte ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen der Aktivierung gemeinsamer, gegenseitig vorteilhafter Projekte und der Minimierung konfrontativer Szenarien sein. Moskau muss anerkennen, dass die Multipolarität in ihren engeren Grenzen auch für den postsowjetischen Raum gilt. Die Länder der Region fordern als souveräne Staaten Respekt ein und akzeptieren es zunehmend weniger, als kleine Brüder oder gar als potenzielle Beute betrachtet zu werden. Darüber hinaus hat sich mit der zunehmenden Aktivität externer Akteure auch der geopolitische Wettbewerb in der Region verschärft.

Die Abkühlung der Beziehungen zu Kasachstan, Usbekistan, Armenien und Moldawien sowie die jetzt verschärften Beziehungen zu Aserbaidschan zeigen deutlich: Wenn Russland eine weitere Schwächung seines Einflusses verhindern will, muss es sich stärker auf seine unmittelbare Nachbarschaft konzentrieren, anstatt sich primär mit globalen Fragen der Weltordnung zu beschäftigen.

Die abnehmende geopolitische Bedeutung des postsowjetischen Raums in der russischen Außenpolitik ist natürlich teilweise auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen, dessen andere Folgen bereits gravierend sind. Der Kreml scheint jedoch nicht wirklich darüber nachdenken zu wollen und hat auch nicht genügend Ressourcen, um an mehreren Fronten zu kämpfen.

Eine kürzere Version des Artikels erschien ursprünglich in der ungarischen Wochenzeitung Demokrata.

Diese Version ist auf dem ungarischen Portal Moszkvater erschienen.

Titelbild: Cartarium / Shutterstock


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